Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.10.2010

LSG NRW (kläger, zpo, reisekosten, einschränkung, beschränkung, bezirk, beschwerde, sgg, entstehen, anlass)

Landessozialgericht NRW, L 20 AY 93/10 B
Datum:
25.10.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 AY 93/10 B
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 12 AY 191/10
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 19.08.2010 geändert. Den Klägern wird für das
Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ab dem 25.06.2010
(Antragseingang) bewilligt und Rechtsanwalt H, L-Str. 0, 0000 F, ohne
Einschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen
Rechtsanwalts zu ihrer Vertretung beigeordnet. Kosten des
Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
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Zu Unrecht hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe nur unter Beiordnung des
Prozessbevollmächtigten der Kläger zu den Bedingungen eines "ortsansässigen"
Rechtsanwalts bewilligt.
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Zwar kann nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 121 Abs. 3
Zivilprozessordnung (ZPO) ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts
niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten
nicht entstehen. Der Gesetzeswortlaut macht allerdings deutlich, dass es insoweit nicht
auf einen am Ort des Prozessgerichts (hier: Gelsenkirchen) ansässigen Rechtsanwalt
ankommt. Vielmehr kann ein Kläger einen Prozessbevollmächtigten innerhalb des
gesamten Gerichtsbezirks (hier: Zuständigkeitsbezirk des Sozialgerichts Gelsenkirchen)
auswählen, ohne einer Einschränkung i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO zu unterliegen (vgl.
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe,
5. Aufl. 2010, Rn. 570).
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Ist der Rechtsanwalt, dessen Beiordnung begehrt wird, nicht im Gerichtsbezirk des
angerufenen Gerichts ansässig (der Kanzleisitz des Bevollmächtigten der Kläger ist in
Essen und damit im Bezirk des Sozialgerichts Duisburg), hat darüber hinaus ein
Kostenvergleich stattzufinden (vgl. a.a.O., Rn. 570). Nur dann, wenn die Beiordnung
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dieses Rechtsanwalts überhaupt zu höheren Anwaltsgebühren führen würde als eine
Beiordnung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts (Reisekosten nach § 46
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. Nr. 7003 bis 7005 des
Vergütungsverzeichnisses (VV) der Anlage 1 zum RVG), kommt eine Beschränkung der
Beiordnung auf die Bedingungen eines "ortsansässigen" - genauer: eines im
Gerichtsbezirk ansässigen - Rechtsanwalts in Betracht.
Die Kläger weisen insoweit darauf hin, dass der Kanzleisitz ihres
Prozessbevollmächtigten lediglich 8,4 km vom Sozialgericht Gelsenkirchen entfernt
liegt. Damit aber entstehen Reisekosten nach § 46 RVG nur in einem Umfang, welcher
die Reisekosten selbst der meisten im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts ansässigen
Rechtsanwälte sogar unterschreiten dürfte. Es besteht bereits aus diesem Grund kein
Anlass für eine Beschränkung der Beiordnung i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO, da die
Entstehung "weiterer Kosten" im Sinne der Vorschrift nicht zu besorgen ist.
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Im Übrigen weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die ihrem
Prozessbevollmächtigten zustehende Verfahrensgebühr wegen dessen Vortätigkeit im
Widerspruchsverfahren nach Nr. 3103 VV RVG abgesenkt wird. Deshalb werden die
Anwaltskosten für das gerichtliche Verfahren sogar unterhalb der Kosten liegen, die ein
im vorliegenden Klageverfahren erstmals tätig werdender Rechtsanwalt geltend machen
könnte (u.a. Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG). Insoweit tritt durch die
(uneingeschränkte) Beiordnung des von den Klägern ausgewählten
Prozessbevollmächtigten sogar eine Gebührenersparnis ein. Für eine Einschränkung
i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO ist deshalb kein Raum.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
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