Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.11.2001

LSG NRW: unechte rückwirkung, arbeitslosenhilfe, wichtiger grund, anrechenbares einkommen, berufliche wiedereingliederung, bedürftigkeit, sozialhilfe, arbeitsamt, kündigung, sozialplan

Landessozialgericht NRW, L 12 AL 24/01
Datum:
07.11.2001
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 24/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 4 (20) AL 279/99
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 11 AL 1/02 R
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 14. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Umstritten ist die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe im Anschluss an den Bezug von
Arbeitslosengeld. Hierbei ist insbesondere fraglich, ob eine vom ehemaligen
Arbeitgeber im Rahmen eines Sozialplanes gewährte Leistung die Bedürftigkeit des
Klägers ausschließt oder nicht.
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Der am ...1941 geborene Kläger war vom 01.04.1970 bis 31.12.199 als Betriebswirt bei
der ...-AG in M ... beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des
Arbeitgebers und Aufhebungsvertrag vom 10.01.1996 zum 31.12.1996 beendet.
Aufgrund eines Sozialplanes, wegen dessen genauen Wortlautes auf Bl. 73 - 100 der
Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen wird, wurden dem Kläger für die Zeit
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sogenannte Aufstockungsbeträge bzw.
Überbrückungshilfen zugesichert. Im Falle des Klägers betrug diese Arbeitgeberleistung
ab September 1999 5.109,52 DM monatlich. Leistungen des Arbeitsamtes waren hierauf
anzurechnen. Der Sozialplan sah auf Seite 13 auch Regelungen für den Fall vor, dass
Arbeitslosenhilfe nicht gezahlt werde.
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Der Kläger bezog zunächst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses
Arbeitslosengeld ab dem 01.01.1997 bis zur Erschöpfung des Anspruches am
29.08.1999. Am 19.07.1999 beantragte er die Gewährung von
Anschlussarbeitlosenhilfe. Er gab in diesem Zusammenhang an, von seinem
ehemaligen Arbeitgeber monatliche Aufstockungsbeträge in Höhe von 5.109,52 DM zu
erhalten. Mit Bescheid vom 20.07.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von
Arbeitslosenhilfe mit der Begründung ab, der Kläger habe anrechenbares eigenes
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Einkommen, welches den Leistungssatz von 643,37 DM pro Woche über steige. Er sei
damit nicht bedürftig und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 23.07.1999 trug der Kläger vor: Der im
Rahmen der getroffenen Vorruhestandsregelung gezahlte monatliche
Aufstockungsbetrag in Höhe von 5.109,52 DM könne nicht als Einkommen angerechnet
werden. Die Vorruhestandsregelung der Hüls-AG sei im Rahmen eines Sozialplanes für
Abkehrer seit 1991 bis Ende 1996 vollständig mit dem Arbeitsamt abgestimmt gewesen.
Dies gelte auch für die Berechnungsmodalitäten der vereinbarten Monatseinkommen
der betroffenen Mitarbeiter. Das Vorruhestandsmodell habe gerade darin bestanden,
dass nach der Gewährung von Arbeitslosengeld auch Arbeitslosenhilfe gewährt werden
würde mit der nachträglichen Aufstockung durch den Arbeitgeber. Damit sei dieser
Aufstockungsbetrag kein anrechenbares Einkommen. So sei es vom Arbeitsamt auch
bislang gehandhabt worden. Die Verfahrensweise der Beklagten führe zu einer
Minderung des Monatseinkommens um etwa 500,00 DM durch zusätzliche Lohnsteuern,
Erforderlichkeit der Zahlung einer eigenen freiwilligen Krankenversicherung, keine
weiteren Entgeltpunkte zur Rentenberechnung bei der BfA und Antrag auf berufliche
Wiedereingliederung zur Mindestbewahrung rentenrelevanter Anrechnungszeiten. Er
habe im Vertrauen auf die zugesagte Vorruhestandsregelung sein Arbeitsverhältnis
aufgegeben, um jüngeren Arbeitnehmern Platz zu schaffen. Wenn hier nun eine
Änderung erfolgt sei, so verstoße das gegen den Vertrauensgrundsatz, der
verfassungrechtlich gewährleistet sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.1999 wies die Beklagten den Widerspruch als
unbegründet mit der Begründung zurück: Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hätten
Arbeitnehmer u. a. nur, wenn sie bedürftig seien (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB III -). Bedürftig sei ein Arbeitsloser, soweit er seinen
Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreite oder
bestreiten könne und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht
erreiche (§ 193 Abs. 1 SGB III). Einkommen seien alle Einnahmen in Geld oder
Geldeswert einschließlich der Leistung, die von Dritten beansprucht werden könnten (§
194 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Der Kläger erziele Aufstockungsbeträge in Höhe von
5.109,52 DM monatlich (= 1.179,12 DM wöchentlich). Der anzurechnende Betrag
übersteige den Leistungssatz von 643,37 DM, der dem Kläger ohne die Anrechnung der
Arbeitslosenhilfe zugestanden hätte. Die Begründung des Klägers stütze sich auf § 138
Abs. 3 Nr. 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis zum 31.03.1997 geltenden
Fassung. Danach hätten nicht als Einkommen gegolten u. a. auch Leistungen, die unter
Anrechnung der Arbeitslosenhilfe gewährt worden seien, also z. B. auch Leistungen
aufgrund einer Vorruhestands- bzw. Sozialplanregelung. Nach den
Übergangsbestimmungen zu Art. 11 Arbeitsförderungsreformgesetz - § 242 x AFG - sei
§ 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG in der bis zum 31.03.1997 geltenden Fassung nur auf die in Abs.
3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 genannten Personen weiter anzuwenden. Dabei handele es sich
um Personen, die bis zum 14.02.1941 geboren seien und a) am 14.02.1996 arbeitslos
gewesen seien oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus
bezogen hätten oder b) deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder
Vereinbarung, die vor dem 14.02.1996 erfolgt sei und die daran anschließend arbeitslos
geworden seien oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus
bezogen hätten oder bis zum 14.02.1944 geboren seien und aufgrund einer Maßnahme
nach Art. 56 Abs. 2 b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft
für Kohle und Stahl, die vor dem 14.02.1996 genehmigt worden sei, aus einem Betrieb
der Montanindustrie ausgeschieden seien. Der Kläger falle nicht unter diesen
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Personenkreis, da er nach dem 14.02.1941 geboren sei.
Dagegen hat der Kläger am 22.12.1999 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen
erhoben. Dabei hat er im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt: Er habe
bei Abschluss des Aufhebungsvertrages auf die gesetzliche Regelung und den
Sozialplan vertraut. Zusätzlich zur Rentenkürzung würde nun der Aufstockungsbetrag
des ehemaligen Arbeitgebers als Einkommen angesehen. Die dadurch einsetzende
volle Besteuerung mindere sein Familieneinkommen seit September 1999 monatlich um
759,79 DM. Die Stichtagsregelung habe ihm und seiner Familie schweren Schaden mit
bedrohlichen finanziellen Konsequenzen zugefügt. Der ehemalige Arbeitgeber sei nicht
bereit zu helfen. Die rückwirkende Änderung der gesetzlichen Bestimmungen dürfte
verfassungswidrig sein, weil rückwirkend gleiche Fälle unterschiedlich behandelt
würden. Der später eingeführte Stichtag, der erst nach Abschluss des Abkehrvertrages
rechtswirksam beschlossen worden sei, führe zu einer echten Rückwirkung, die
verfassungwidrig sein dürfte. Es sei nicht einzusehen, dass Arbeitnehmer, die bis zum
14.02.1941 geboren seien, anders behandelt würden als die Arbeitnehmer, die später
geboren seien.
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Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 19.11.1999 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe ab dem
30.08.1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat im wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen.
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Mit Urteil vom 14.12.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und auf den für
zutreffend erachteten Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass es keine Veranlassung gesehen habe, die
Streitsache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Wörtlich
heisst es hierzu:
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"Insbesondere liegt keine echte Rückwirkung vor. Es liegt allenfalls eine unbedenkliche
unechte Rückwirkung durch das 11. Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom
24.03.1997, in dem § 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG ab dem 01.04.1997 aufgehoben wurde, vor.
Diese unechte Rückwirkung ist unbedenklich. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass
der Gesetzgeber in Anknüpfung auf die Rentenregelung gem. § 237 Abs. 2 SGB VI
bestimmte Personengruppen von der Neuregelung ausgenommen hat. Diesbezüglich
hat er dem schutzwürdigen Vertrauen der rentennahen Jahrgänge Rechnung getragen.
Diese haben ein besonderes Sicherungsbedürfnis. Dabei bezieht sich die
Stichtagsregelung auf die am 14.02.1996 vorliegenden rechtlichen und tatsächlichen
Verhältnisse. Bei dem Stichtag handelt es sich um den Tag, an dem die
Bundesregierung über das dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines gleitenden
Übergangs in den Ruhestand zugrundeliegenden Regelungskonzept (sogenanntes
Eckpunktepapier) entschieden hat (Hauck-Haines § 237 Rdnr. 70 m. w. N.). Insofern
vermag das Gericht auch keinen Verstoss gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen.
Schließlich ist eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn sie
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nicht willkürlich erfolgt, wenn also ein sachlicher Grund vorliegt. Dass der Gesetzgeber
nur den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmer und nicht der jüngeren Arbeitnehmer
Rechnung getragen und hierfür als Abgrenzung eine Stichtagsregelung getroffen hat, ist
nicht willkürlich, sondern ein sachlicher Grund."
Gegen dieses ihm am 29.12.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.01.2001
eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Klageziel weiter verfolgt und
seinen Vortrag erster Instanz wiederholt. Er regt nochmals an, die Sache dem
Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, weil im vorliegenden Fall
entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht lediglich eine unechte
Rückwirkung, sondern eine echte Rückwirkung vorliege. Im Falle des Klägers habe
dieser nämlich, vertrauend auf die bisherige Rechtslage, sich entgegen seiner eigenen
Überzeugung dazu überreden lassen, der Regelung zur vorzeitigen Altersabkehr mit 55
Jahren zum Ende des Jahres 1996 im Rahmen eines Sozialplanes zuzustimmen. Diese
vertragliche Regelung sei aber bereits erfolgt, bevor die Bundeskanzlerrunde am
14.02.1996 den Stichtag festgelegt habe.
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Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Wahl mehr gehabt, sondern sei
auf die Vorruhestandregelung, die er mit seinem Arbeitgeber vereinbart habe, festgelegt
gewesen. Er habe auch darauf vertrauen können und dürfen, dass die staatlichen
Leistungen wie bisher erbracht würden. Viele andere Gleichaltrige, die nur einige
wenige Monate älter und vor dem 14.02.1941 geboren worden seien, kämen nun in den
Genuß der bisherigen Leistungen, während er, weil er wenige Zeit später geboren sei,
sich damit begnügen solle, wesentlich geringere Leistungen zu erhalten.
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Es handele sich dabei nicht lediglich um eine unechte Rückwirkung, sondern es werde
in einen vorhandenen rechtlichen Sachverhalt durch den Gesetzgeber massiv
eingewirkt, was auch ganz bewusst erfolgt sei. Die richtige Stichtagsregelung hätte
berücksichtigen müssen, dass bereits abgeschlossene Abkehrverträge weiterhin den
bisherigen Schutz erhalten hätten im Gegensatz zu künftig abzuschließenden.
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Der Geburtstag des jeweils im 55. Lebensjahr stehenden Arbeitnehmer als alleinigen
Anhaltspunkt zu nehmen, sei verfehlt und unsachgerecht. Somit liege auch kein
wichtiger Grund vor. Mithin sei von einer echten Rückwirkung auszugehen, die dazu
führe, dass die Bestimmungen des 11. Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung
unwirksam seien, soweit dem Kläger im Gegensatz zu einem beispielsweise am
13.02.1941 Geborenen die begehrten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung
verwehrt würden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.12.2000 zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ergänzt: Sie habe das ab dem
01.04.1997 geltende Recht korrekt angewendet. Verfassungsrechtliche Bedenken sehe
sie im Gegensatz zum Kläger nicht.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte mit der Stamm-Nr.
081319 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend
entschieden, dass dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 30.08.1999 mangels
Bedürftigkeit nicht zu gewähren ist.
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Anspruch auf Alhi hat nach § 190 SGB III derjenige, der arbeitslos ist, sich beim
Arbeitsamt arbeitlos gemeldet hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat und
bedürftig ist. Der Kläger ist arbeitslos, hat sich arbeitslos gemeldet und hat auch in der
Vorfrist Arbeitslosengeld bis zum 29.08.1999 bezogen. Insoweit sind die
Voraussetzungen für den Bezug von Alhi erfüllt. Der Kläger ist jedoch nicht bedürftig im
Sinne von § 193 SGB III. Hiernach ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen
Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann
und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Diese
Voraussetzungen für die Bedürftigkeit sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
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Vorliegend ist die Bedürftigkeit ausgeschlossen, weil das zu berücksichtigende
Einkommen die Alhi übersteigt. Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist das
Einkommen des Arbeitslosen grundsätz lich anzurechnen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift
sind Einkommen in diesem Sinne alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die von
Dritten beansprucht werden können. Hier hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von
Aufstockungsbeträgen/Überbrückungsbeihilfen in Höhe von 5.109,52 DM monatlich
gegenüber seinem früheren Arbeitgeber. Diese Zahlungen werden auch tatsächlich seit
dem 30.08.1999 erbracht.
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Ein Ausnahmetatbestand nach § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III liegt nicht vor. Nach dieser
Vorschrift gelten nicht als Einkommen Leistungen, die nach bundes- oder
landesgesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Alhi erbracht werden. Der
Aufstockungsbetrag von 5.109,52 DM monatlich (=1.179,12 DM wöchentlich) wird vom
früheren Arbeitgeber des Klägers, einem Unternehmen der chemischen Industrie,
aufgrund des Sozialplanes vom 07.06.1994, der auf den §§ 111, 112
Betriebsverfassungsgesetz beruht, gezahlt. Grundlage hierfür war der Tarifvertrag in der
chemischen Industrie. Solche Arbeitgeberleistungen eines privaten, also nicht öffentlich-
rechtlichen, Arbeitgebers sind seit dem 01.04.1997 auf die Alhi anzurechnen. Der
Kläger begehrt Alhi ab dem 30.08.1999. Zu diesem Zeitpunkt galt bereits das SGB III in
der jetzt vorliegenden Fassung. Leistungen aufgrund eines Sozialplanes oder eines
Tarifvertrages, an dem die öffentliche Hand nicht beteiligt ist, zählen seit dem
01.04.1997 nicht mehr zu den anrechnungsfreien Leistungen. Genau dies war mit der
Gesetzesänderung beabsichtigt (vgl. BSG vom 07.09.2000 - B 7 AL 72/79 R -). Damit
steht auch dem Kläger nach dem ab dem 01.04.1997 und zur Zeit der Antragstellung auf
Alhi geltenden Recht ein Anspruch auf Alhi nicht zu, weil die von privaten Arbeitgebern
gezahlten Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen sind und diese Leistung den
in Betracht kommenden Leistungsbetrag übersteigt. Der Kläger hätte bei Vorliegen von
Bedürftigkeit Anspruch auf Alhi in Höhe von 643,37 DM wöchentlich (Leistungsgruppe
C, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt von 1.880,00 DM). Der Zahlbetrag des
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Arbeitgebers in Höhe von 1.179,12 DM wöchentlich übersteigt diese mögliche Leistung
und schließt sie nach § 193 Abs. 1 SGB III aus.
Da der Kläger den Aufhebungsvertrag bereits am 10.01.1996 geschlossen und seit dem
01.01.1997 Arbeitslosengeld bezogen hat, war jedoch zu prüfen, ob ihm aufgrund von
Übergangsvorschriften weiterhin Alhi nach dem bis zum 31.03.1997 geltenden
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu zahlen war. Dies ist nicht der Fall. Nach § 427 Abs. 7
SGB III ist § 242 x Abs. 7 AFG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung weiterhin
anzuwenden. § 242 x Abs. 7 AFG bestimmt, dass § 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG in der bis zum
31.03.1997 geltenden Fassung auf die in Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 genannten Personen
weiterhin anzuwenden ist. § 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG in der bis zum 31.03.1997 geltenden
Fassung bestimmte, dass Leistungen, die unter Anrechnung der Arbeitslosenhilfe
gewährt wurden, nicht als Einkommen galten. Hierunter wäre auch die vom Arbeitgeber
gezahlte Überbrückungsbeihilfe gefallen, da sie unter Anrechnung auf die
Arbeitslosenhilfe gewährt wurde. Diese Vorschrift ist jedoch nach § 242 x Abs. 3 Nr. 2
AFG nur dann weiterhin anzuwenden für Personen, die bis zum 14.02.1941 geborenen
sind und
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a) am 14.02.1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer
des Bergbaus bezogen haben oder
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b) deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem
14.02.1996 erfolgt ist, nach dem 13.02.1996 beendet worden ist und die daran
anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene
Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben.
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Hier hat der Kläger zwar vor dem 14.02.1996, nämlich am 10.01.1996, eine
Vereinbarung über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses getroffen. Auch ist er
erst danach, nämlich am 01.01.1997 arbeitslos geworden. Jedoch ist er nicht bis zum
14.02.1941, sondern erst am 11.09.1941, geboren worden. Die Anwendung des
Übergangsrechtes scheitert hier also daran, dass der Kläger nach dem vom
Gesetzgeber gewählten Stichtag geboren worden ist. Dies hält der Senat im Gegensatz
zur Auffassung des Klägers nicht für verfassungswidrig.
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Die Stichtagsregelung ist nicht verfassungwidrig, da ihre Einführung notwendig und der
Zeitpunkt vertretbar gewesen ist (vgl. BVerfGE 75,78,106). Die sich hieraus ergebenden
Härten sind daher hinzunehmen. Die Festsetzung eines Stichtages ist erforderlich
gewesen, weil durch die Neuregelung auftretende Härten für die Lebensplanung
"rentennaher" Jahrgänge zu vermeiden gewesen sind, denen wegen der Nähe zum
Leistungsfall ein Ausweichen nicht oder nur in unzumutbarer Weise möglich war (vgl.
BT-Drucks. 13/4941 zu Art 10, zu Nr. 30 (§ 242 x) Abs. 9 S 241 iVm BR-Drucks. 208/96 -
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand -,
S 28). Der Stichtagszeitpunkt 14.02.1941 ist vertretbar, weil er demjenigen der
Vorruhestandsregelungen entspricht und denselben Vertrauensschutz für rentennahe
Jahrgänge bewirkt wie dort (vgl. auch Hauck/Haines, SGB VI - Gesetzliche
Rentenversicherung -, Stand März 1999, § 237 Rdn 3 mit Fußnote 9). Die Vorschrift des
§ 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III ist nicht im Hinblick auf Art 14, 20 GG verfassungswidrig. Ein
Verstoss gegen Art 14 GG liegt nicht vor, weil Anspruch auf Alhi wegen der
Finanzierung aus Steuermitteln nicht der Eigentumsgarantie unterliegt (vgl. BSG SozR
3-4100 § 242 Nr. 1 mwN). Ein Verstoss gegen das Sozialstaatsprinzip (Art 20 GG) ist
nicht gegeben, weil dieses keinen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung oder
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einen Mindestbetrag an Alhi gewährt (vgl. BSG aaO). Auch wenn der Kläger zu Recht
auf tiefgreifende wirtschaftliche Einbußen verweist und eine monatliche
Zusatzbelastung von 759,79 DM und Rentenminderung befürchtet, bedingt dies keine
Verfassungwidrigkeit. Denn selbst durch die - unter Umständen ergänzende - Zahlung
von Sozialhilfe wird dem Sozialstaatsprinzip genügt (vgl. BSG aaO).
Sozialhilfebedürftigkeit wird aber selbst vom Kläger nicht vorgetragen.
Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Klägers, die in der Neuregelung
bestehende unechte Rückwirkung sei wegen der Schwere des Eingriffs rechtswidrig. Es
kann offenbleiben, ob im Hinblick auf die erstmalig mögliche Bewilligung von Alhi ab
30.08.1999 überhaupt eine sog. unechte Rückwirkung gegeben ist. Jedenfalls hat der
Kläger hinsichtlich der Alhi zum einen gerade keine Rechtsposition auf einen
Leistungsanspruch in bestimmter Höhe (s.o.), so dass dieser nachträglich entwertet
werden darf. Der Eingriff stellt lediglich eine "Verschiebung" der Lasten zwischen den
Systemen Arbeitslosen- und Sozialhilfe dar und gehört zur Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers im Rahmen des Art 20 GG (vgl. BSG aaO). Zum anderen ist eine
Rückwirkung auch unter Abwägung der in dividuellen Interessen am Fortbestand der
bisherigen Regelung und dem öffentlichen Interesse nicht zu beanstanden. Die
Bestimmung dient- entgegen der Auffassung des Klägers - der baldigen Sicherung der
Finanzlage der Beklagten - also einem übergeordneten öffentlichen Interesse. Denn zu
ihren Lasten sind in erheblichem Umfang anlässlich von Entlassungen zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern Nettolohnvereinbarungen getroffen worden, die im
Hinblick auf die Finanzlage der Beklagten nicht mehr hinnehmbar gewesen sind. Das
Vertrauen des Klägers auf einen Fortstand der für ihm günstigen Regelung verdient - im
Bereich der Alhi - daher demgegenüber keinen Vorrang, so dass der Eingriff für die
Zukunft verfassungsgemäß ist.
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Im Übrigen ist der Kläger darauf hinzuweisen, dass bereits in dem Sozialplan, der seiner
Aufhebungsvereinbarung zugrunde gelegen hat, auf Seite 13 ausdrücklich die
Möglichkeit in Erwägung gezogen wird, dass Arbeitslosenhilfe nicht gezahlt werden
könnte. Für diesen Fall sind dann Regelungen zur Sicherung des
Krankenversicherungsbeitrages getroffen worden, aber keine zur Ausgleichung von
Nachteilen in Rentenversicherungsrecht. Die Sozialplanparteien waren sich also
durchaus des möglichen Risikos für die Zukunft bewusst. Wenn sich dieses von beiden
Seiten, also auch von dem Kläger, als möglich gesehene Risiko später tatsächlich
konkretisiert, so ist dieses zu akzeptieren. Änderungen im Sozialhilfe- und
Arbeitslosenhilferecht unterliegen eben keinem Bestands- oder Vertrauensschutz. Dies
gilt erst recht dann nicht, wenn man schon bei Abschluss der Vereinbarung am
10.01.1996 zumindest theoretisch den schlechtest möglichen Fall einkalkuliert hat. Die
Hoffnung, dieser Fall werde nicht eintreten, ist nicht geschützt.
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Da verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, hat der Senat keine Veranlassung
gesehen, der Anregung des Klägers zu folgen, dem Bundesverfassungsgericht die
Frage der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung zur Entscheidung vorzulegen.
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Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus den §§ 183, 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil dem BSG
die hier streiterhebliche Frage bereits einmal zur Entscheidung vorlag, das BSG dies
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aber ausdrücklich offen gelassen hat, weil es in dem nachfolgend zitierten Fall hierauf
letztlich nicht angekommen ist (vgl. BSG v. 07.09.2000 - B 7 AL 72/99 R -). Zudem sind
dem Senat weitere Fälle bekannt, in denen es auf die hier streitige Frage ankommen
könnte, so dass man nicht von einer Einzelfallentscheidung, die keine weitere gehende
Bedeutung hat, ausgehen kann.