Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.02.2002

LSG NRW: firma, zwangsarbeit, beitragszeit, glaubhaftmachung, wahrscheinlichkeit, begriff, rechtsmittelbelehrung, vertagung, auskunft, anfang

Landessozialgericht NRW, L 13 RJ 55/99
Datum:
22.02.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 13 RJ 55/99
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 11 RJ 185/98
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 08.04.1999 geändert, soweit die Beklagte verurteilt
worden ist, bei der Höhe des Altersruhegeld auch eine
Pflichtbeitragszeit von Juni 1940 bis Januar 1941 zugrunde zu legen.
Die Klage gegen den Bescheid vom August 2000 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind im Berufungsverfahren nicht
zu erstatten.
Tatbestand:
1
Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob beim Altersruhegeld der Klägerin auch eine
Pflichtbeitragszeit von Juni 1940 bis Januar 1941 zu berücksichtigen ist.
2
Die am 00.00.0000 in D geborene Klägerin ist K Abstammung, anerkannte Verfolgte i.S.
des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) und seit 1948 J Staatsangehörige. Sie
beantragte am 29.03.1990 die Bewilligung von Altersruhegeld und machte geltend, von
Juni 1940 bis Mai 1943 als Arbeiterin in der Firma T KG ("I") in T1 gearbeitet zu haben.
Zur Glaubhaftmachung legte sie eidesstattliche Erklärungen der Frau M F (geboren
0000 in T1) und der Frau N U (geboren 0000 in T1) vom 18.07.1991 vor. Beide
bestätigten, dass die Klägerin als Arbeiterin seit Mitte 1940 bei den T KG von I in T1
gearbeitet habe. Sie habe für diese Tätigkeit den damals üblichen Lohn erhalten.
3
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten der Klägerin bei und lehnte durch Bescheid
vom 29.03.1990 den Antrag mit der Begründung ab, mangels anrechenbarer
Versicherungszeit bestehe kein Rentenanspruch. Die geltend gemachte Beschäftigung
im I könne nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis, sondern um versicherungsfreie Zwangsarbeit gehandelt
habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Bescheid vom 23.07.1998
zurück: Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich zum Ghetto Lodz ergangenen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne nicht von einem
versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Vielmehr stelle sich
4
die Tätigkeit im I als Zwangsarbeit dar, da die Klägerin nach ihren Angaben im
Entschädigungsverfahren auf dem Weg von und zur Arbeit bewacht worden sei.
Mit der zum Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren
weiter verfolgt.
5
Die Klägerin hat beantragt,
6
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.1992 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.07.1998 zu verurteilen, Altersruhegeld unter
Zugrundelegung einer Pflichtbeitragszeit von Juni 1940 bis Mai 1943 zu bewilligen.
7
Die Beklagte hat beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Durch Urteil vom 08.04.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung von
Altersruhegeld unter Berücksichtigung einer Pflichtbeitragszeit von Juni 1940 bis Mai
1943 und einer Ersatzzeit vom 01.11.1939 bis Mai 1940 sowie von Juni 1943 bis zum
08.05.1945 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe einen
Anspruch auf Altersruhegeld gemäß § 1248 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die erforderliche Wartezeit sei erfüllt. Die geltend gemachte Pflichtbeitragszeit von Juni
1940 bis Mai 1953 sei glaubhaft gemacht i.S. von § 10 der Versicherungsunterlagen-
Verordnung (VuVO). Sie stelle eine Beitragszeit gemäß § 1250 Abs. 1 lit.a RVO i.V.m. §
14 Abs. 2 des Gesetzes zur Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts in
der Sozialversicherung (WGSVG) dar. Die Ausübung der von der Klägerin geltend
gemachten Beschäftigung im I sei für diesen Zeitraum glaubhaft gemacht. Sie ergebe
sich aus den beigezogenen Akten, insbesondere der Akte des Landgerichts München I
(EK 00000/00). Es handele sich um eine nach reichsversicherungsrechtlichen
Vorschriften zurückgelegte Beitrags- zeit, denn im Gebiet Ostoberschlesiens sei das
Recht der RVO mit Wirkung vom 01.01.1940 eingeführt worden. Es habe sich bei der
Tätigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten um ein versicherungs- pflichtiges
Beschäftigungsverhältnis i.S. von § 1226 RVO a.F., nicht um eine versicherungsfreie
Zwangsarbeit gehandelt. Die Klägerin sei nämlich im fraglichen Zeitraum als
Arbeitnehmerin gegen Entgelt beschäftigt gewesen.
10
Gegen das am 15.04.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.05.1999, einem
Montag, Berufung eingelegt, welche sich gegen die Anerkennung von Beitragszeiten
vor Februar 1941 richtet. Zur Begründung trägt sie vor: Nach einem Aufsatz von Natan
Elias Szternfinkel seien die Shops im Ghetto T1 erst im Februar 1941 errichtet worden.
Dieser Autor sei hinsichtlich seiner Erkenntnisse ernst zu nehmen. Er werde auch von
Bodeck in seinem Gutachten als Erkenntnisquelle verwendet. Auch der Umstand, dass
die T KG in T1 erst in der Ausgabe des Jahres 1942 im Oppelner Fernsprechbuch
eingetragen sei, während im polnischen Fernsprechbuch von 1939/1940 und in dem
Reichsadressbuch von 1941 diese Firma nicht vorkomme, spreche dafür, dass- wie
auch von Szternfinkel ausgeführt- der I im Ghetto T1 erst im Februar 1941 errichtet
worden sei. Das stimme auch mit den Angaben zahlreicher Rentenantragsteller überein,
ab Februar 1941 im I in T1 gearbeitet zu haben. Wenn dem gegenüber einige
Antragsteller im Entschädigungsverfahren bereits einen früheren Zeitpunkt als Beginn
der Zwangsarbeit im I angegeben hätten, so seien diese Angaben möglicherweise mit
dem Ziel erfolgt, für den gesamten Zeitraum nach den damaligen
11
entschädigungsrechtlichen Bestimmungen eine Entschädigung für "Zwangsarbeit unter
Haft ähnlichen Bedingungen " zu erhalten. Wenn die Klägerin tatsächlich vor Gründung
der I-KG in einem von der H.O.T. abgekauften Schneiderwerkstätte gearbeitet hätte,
hätte es nahegelegen, dass dieser Umstand in einer der verschiedenen eidesstattlichen
Versicherung in irgendeiner Form erwähnt worden wäre. Das Vorliegen eines
rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor Februar 1941 sei
weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Es bestehe nur eine vage Möglichkeit,
dass die Klägerin vor Februar 1941 im Ghetto T1 beschäftigt gewesen ist. Verbleibende
Zweifel wirkten sich jedoch zu Lasten der Klägerin aus.
Die Beklagte hat durch Bescheid vom August 2000 ab 01.06.1989 Altersruhegeld
wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bewilligt, bei dem die allein noch streitige
Beitragszeit nicht berücksichtigt ist. Sie hat über das erstinstanzliche Urteil hinaus aber
eine weitere Anschlussersatzzeit vom 09.05.1945 bis 31.12.1949 (wegen
verfolgungsbedingter Arbeitsunfähigkeit) berücksichtigt.
12
Die Beklagte beantragt,
13
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf zu ändern und die Klage entsprechend
abzuweisen, soweit sie verurteilt worden ist, beim Altersruhegeld der Klägerin auch eine
Pflichtbeitragszeit von Juni 1940 bis Januar 1941 zu berücksichtigen.
14
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
15
die Berufung zurückzuweisen.
16
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie trägt insbesondere vor, dass der
Aufsatz von Szternfinkel anders zu verstehen sei. Er beziehe sich insbesondere auf
Shops, die nicht in T1 ansässig gewesen seien. Die Firma I sei in T1 schon seit Anfang
1940 tätig gewesen. Es habe zumindest einen Vorläufer dieser Firma gegeben, bei dem
sie gearbeitet habe. Es spreche auch einiges dafür, dass die Nichteintragung der Firma
"T KG" im Jahre 1940/1941 darauf beruhe, dass die Firma früher eine andere
Bezeichnung gehabt habe bzw. an anderen Stellen in T1 ansässig gewesen sei. Der
von Szternfinkel benutzte Begriff des "organisieren" bedeute nicht, dass der Shop erst
zu diesem Zeitpunkt errichtet worden sei. Tatsächlich sei der Shop schon viel früher
errichtet worden und scheine sich 1941 mit mehreren Filialen weiter ausgeweitet zu
haben, so dass dies alles mit dem Begriff "organisieren" gemeint worden sei.
17
Der Senat hat eine Auskunft des Kirchlichen Suchdienstes, Heimatortskartei für das
Gebiet Oberschlesien, vom 26.10.2000 eingeholt, auf die verwiesen wird.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, der die Klägerin betreffenden
Entschädigungsakten und der Akten des Landgerichts München I EK 00000/00 und 0
EK 0000/0000, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug
genommen.
19
Entscheidungsgründe:
20
Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandelt und
entschieden, weil der Bevollmächtigte der Klägerin mit der ihm am 31.01.2002
21
ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen
worden ist und Anlass zur Vertagung nicht bestanden hat.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
22
Obwohl das Sozialgericht ein Grundurteil erlassen hatte, ist nach Erteilung des
Rentenbescheides vom Mai 2000, der, worauf der Senat hingewiesen hat, entgegen
seiner Rechtsmittelbelehrung gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, (allein) die Höhe des der Klägerin
zu gewährenden Altersruhegeldes Streitgegenstand, namentlich die Frage, ob das
Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt hat, auch die Zeit vom 01.06.1940 bis zum
31.01.1941 bei der Rentenberechnung als Beitragszeit zugrunde zu legen. In dem
bezeichneten Umfang, auf den das Rechtsmittel beschränkt war, erweist sich die
Berufung als begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass bei ihrem
Altersruhegeld die Zeit vom 01.06.1940 bis zum 31.01.1941, die im Bescheid vom
August 2000 als Zeit der politischen Verfolgung bewertet worden ist, als fiktive
Beitragszeit gemäß § 14 WGSVG i.V.m. § 1250 RVO berücksichtigt wird.
23
Hat die Verfolgte eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit
ausgeübt und sind aus Verfolgungsgründen für die Beschäftigung oder Tätigkeit keine
Beiträge entrichtet worden, so gelten für diese Zeiten Beiträge als entrichtet (§ 14 Abs. 2
WGSVG). Gemäß § 3 Abs. 1 WGSVG genügt es für die Feststellung der nach dem
WGSVG erheblichen Tatsachen, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Hier ist jedoch nicht
glaubhaft gemacht, dass die Klägerin auch im streitigen Zeitraum vom 01.06.1940 bis
zum 31.01.1941 eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat.
24
Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der
guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse
Zweifel bestehen bleiben können (BSGE 45, 9 ff.; BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1). Dieser
Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der
Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die
glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es
genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das
Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung
aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlichen in
Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das
Übergewicht zukommen (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
25
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist nicht glaubhaft gemacht, dass die
Klägerin vor Februar 1941 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
26
Gegen eine Beschäftigung bei der T KG in dem genannten Zeitraum spricht zur
Überzeugung des Senats, dass davon auszugehen ist, dass es Shops der T KG erst ab
Februar 1941 in T1 gegeben hat. Darauf deuten nicht nur die von der Beklagten in
Bezug genommenen Angaben zahlreicher Verfolgten hin, ab Februar 1941 im I in T1
gearbeitet zu haben, sondern auch die von der Heimatauskunftsstelle mitgeteilten
Telefonbucheintragungen bzw. Nichteintragungen. Vor allem aber liegt mit dem Aufsatz
des Herrn Szternfinkel aus dem Jahre 1946 eine zeitnahe und aussagekräftige Quelle
vor, die sich ausdrücklich auf T1 bezieht und berichtet, der erste "Shop" sei im Februar
1941 organisiert worden, der Inhaber sei der Deutsche Hans Held aus Berlin gewesen.
Diese Ausführungen sprechen nämlich dafür, dass entweder die Betriebsstätten erst
27
1941 errichtet oder übernommen worden sind, oder die KG erst zu diesem Zeitpunkt
errichtet worden ist. Soweit die Klägerin dem Wort "organisiert" in dem Aufsatz von
Szterfinkel eine andere Bedeutung beilegen will, erscheint dies spekulativ. Die von der
Klägerin bevorzuge Auslegung würde der Aussage des Herrn Szternfinkel, der erste
Shop sei im Februar 1941 organisiert worden, letztlich auch die Bedeutung nehmen und
würde unverständlich werden lassen, dass Herr Szternfinkel diesen Zeitpunkt und diese
Tatsache nennt, aber die bedeutungsvolleren Umständen wie die der erstmaligen
Errichtung der KG oder der Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit dann ungenannt
blieben. Jedenfalls lässt sich in Anbetracht der Ausführungen des Herrn Szternfinkel
und angesichts der aus zahlreichen Verfahren bekannten und häufig aus den
Umständen ihres Zustandekommens erklärlichen Ungenauigkeiten, Zufälligkeiten und
Unrichtigkeiten von Angaben in den Entschädigungsverfahren aus der eidesstattlichen
Versicherung der Frau V, die Klägerin habe ab Mitte 1940 im I gearbeitet, nicht folgern,
dass es diese I zu diesem Zeitpunkt bereits gegeben haben müsse.
Davon ist zu unterscheiden die Frage, ob es entsprechende Vorgängerbetriebe
gegeben hat, die schon vor Februar 1941 produziert haben und später von der KG
übernommen bzw. unter der Leitung des Hans Held zusammengefasst worden sind,
sowie die weitere Frage, ob es glaubhaft gemacht ist, dass die Klägerin einem solchen
Vorgängerbetrieb bereits ab Juni 1940 gearbeitet hat.
28
In der Tat lässt sich die Möglichkeit, dass schon vor Februar 1941 Betriebsstätten
existiert haben, die später Bestandteil der T KG geworden sind, nicht von der Hand
weisen. Aber auch die Annahme, dass es so gewesen wäre, ließe hier nicht glaubhaft
gemacht erscheinen, dass die Klägerin ab Juni 1940 bis Januar 1941 in einem solchem
Unternehmen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Dieser Möglichkeit kommt
nämlich gegenüber den übrigen in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten, dass die
Klägerin, die 1940 erst 16 Jahre alt geworden ist, noch eine Schule besucht hat, oder
die im Entschädigungsverfahren erwähnten Zwangsarbeiten bereits ausführen musste
oder aus anderen Gründen nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, nicht
das Übergewicht zu.
29
Die eigenen Angaben der Klägerin zu Aufenthaltsorten und Erwerbstätigkeiten während
der Verfolgung sind wenig klar. In der Anmeldung von Ansprüchen vom 16.01.1950 war
angegeben worden, von Mai 1941 bis Dezember 1941 im AL M1 und ab Dezember
1941 bis Mai 1945 K.Z. Q gewesen zu sein. Der Beginn der Arbeiten wird auch in einer
eigenen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 14.01.1960 nicht genannt.
Erwähnung findet die Arbeit im Ghetto T1 im Zusammenhang mit der Schilderung von
Erkrankungen und Schmerzen im Winter 1942/43. Hier wird auch eine Arbeit in der
Spinnerei im ZAL M2 geschildert. Frau V hatte in einer eidesstattlichen Versicherung
vom 02.03.1955 gemeint, die Klägerin habe sich bei ihren bisherigen Angaben
unzweifelhaft geirrt. Frau V spricht davon, sie sei 1942 mit der Klägerin ins Ghetto T1
und Mitte Mai 1943 nach M1 gekommen, wo sie geblieben seien, bis sie im April 1944
nach Q verschafft worden seien. In eidesstattlichen Versicherungen vom 11.07.1950
wiederum haben Frau Q1 und Frau T2 bekundet, von April 1942 bis Mai 1945 mit der
Klägerin zusammen im K.Z. Q gewesen zu sein. Vor dem Hintergrund der zumindestens
unklaren Schilderungen aus dem Entschädigungsverfahren können die von der
Klägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht überwiegend
wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Klägerin, wenn es die T KG damals noch
nicht gegeben hat (sie noch nicht "organisiert" gewesen ist), doch wenigstens in einem
anderen ( Vorgänger-)Betrieb als Schneiderin versicherungspflichtig gearbeitet hat.
30
Entscheidend ist für den Senat dabei die Erwägung, dass die Klägerin selbst weder im
Entschädigungsverfahren noch im Antragsverfahren behauptet hat, in einem konkreten
und namentlich benannten Betrieb vor der Errichtung der T KG bzw. vor dem
"Organisieren" der I versicherungspflichtig gearbeitet zu haben. Selbst im
Berufungsverfahren, als die Frage, seit wann es I gebe, diskutiert worden ist, hat die
Klägerin nicht konkret behauptet, in einem von ihr namentlich benannten, später von der
T KG übernommenen Vorläuferbetrieb gearbeitet zu haben. Vielmehr hat ihr
Bevollmächtigter im wesentlichen lediglich Überlegungen angestellt, dass es vor dem
Monat Februar 1941 bereits I oder Vorgängerbetriebe gegeben haben müsse.
Aus diesen Gründen hat die durchaus bestehende und auch von der Beklagten nicht
verkannte Möglichkeit, dass es sich so zugetragen hat, wie von der Klägerin behauptet,
nicht das Übergewicht gegenüber den bereits oben angesprochenen sonstigen in
Betracht zu ziehenden Möglichkeiten, nach denen die Klägerin nicht
versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre.
31
Mangels der Glaubhaftmachung der ("fiktiven") Beitragszeit von Juni 1940 bis Januar
1941 war das Urteil des Sozialgerichts insoweit abzuändern und die Klage gegen den
Rentenbescheid der Beklagten vom Mai 2000, der nach § 96 SGG an die Stelle der
ursprünglich angefochtenen Bescheide getreten ist, abzuweisen, denn dieser hat sich
als rechtmäßig erwiesen.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
33
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
34