Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.06.2008

LSG NRW: versorgung, leistungserbringer, freies ermessen, vergleichbare leistung, klageänderung, öffentlich, verweigerung, leistungsklage, vertragsschluss, drucksache

Landessozialgericht NRW, L 5 KR 169/06
Datum:
26.06.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 169/06
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 5 KR 94/05
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 KR 26/08 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
13.09.2006 wird zurückgewiesen. Die Klagen werden abgewiesen. Die
Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, mit der Klägerin einen Rahmenvertrag zur
Hilfsmittelversorgung nach Maßgabe der Regelungen abzuschließen, wie sie mit der S
Gesundheitsservice GmbH getroffen wurden.
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Die Klägerin, ein bundesweit tätiges Sanitätshaus mit Hauptsitz in F und sechs
Niederlassungen in Deutschland, ist seit dem 15.09.1992 zugelassene
Leistungserbringerin nach § 126 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum
31.03.2007 geltenden Fassung (a. F.). Mit Schreiben vom 12.02., 10.03. und 27.08.2004
begehrte die Klägerin von der Beklagten den Abschluss eines Rahmenvertrages zur
Versorgung der Versicherten der Beklagten mit Hilfsmitteln. Sie verwies vor allem
darauf, dass sie als zugelassene Leistungserbringerin zur Versorgung der Versicherten
der Beklagten berechtigt sei und die Beklagte wegen des klägerischen
Teilhaberanspruchs aus Art. 3 Grundgesetz (GG), der eine Gleichbehandlung mit
anderen Leistungserbringern beinhalte, zum Abschluss eines Rahmenvertrages
einschließlich der entsprechenden Preisvereinbarungen verpflichtet sei, wie er im
Dezember 2003 bereits mit der S Gesundheitsservice GmbH bzw. deren
Partnerbetrieben zustande gekommen sei. Der Rahmenvertrag werde für folgende
Produktgruppen begehrt: 01 Absauggeräte, 02 Adaptionshilfen, 04 Badehilfen, 10
Gehhilfen, 11 Hilfsmittel gegen Dekubitus, 14 Inhalations- und Atemtherapiegeräte, 18
Krankenfahrzeuge, 21 Messgeräte für Körperzustände und -funktionen, 22
Mobilitätshilfen, 26 Sitzhilfen, 28 Stehhilfen, 32 therapeutische Bewegungsgeräte und
33 Toilettenhilfen.
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Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.04. und 25.10.2004 mit, die
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bisherige Zusammenarbeit veranlasse sie - die Beklagte - nicht, einen Ausbau der
Vertragsbeziehungen vorzunehmen. Außerdem bestehe für eine gegebenenfalls
notwendige Ausschreibung und den Abschluss weiterer Rahmenverträge derzeit kein
Bedarf. Es bestehe auch kein faktischer Leistungsausschluss der Klägerin. Vielmehr
habe die Klägerin seit Januar 2004 in insgesamt 210 Fällen Versicherte der Beklagten
mit Hilfsmitteln versorgt.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 28.12.2004 und wies darauf hin,
die Behauptung, in der Vergangenheit seien zahlreich aufgetretene Versorgungsmängel
zu beanstanden, sei falsch. Der hohe Qualitätsstandard werde u.a. durch die seit August
2002 bestehende ISO-Zertifizierung belegt.
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Am 09.05.2005 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Sie hat
vorgetragen, als zugelassene Leistungserbringerin habe sie einen Rechtsanspruch auf
Abschluss eines Rahmenvertrages i.S.d. § 127 SGB V a.F., da zum einen die qualitativ-
fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen in ihrer Person vorlägen und
zum zweiten mit anderen Leistungserbringern entsprechende Rahmenvereinbarungen
abgeschlossen worden seien. Der Teilhaberanspruch an der Versorgung der
Versicherten resultiere aus Art. 3 GG i.V.m. § 126 SGB V a.F., da anderenfalls die
Verweigerung von Leistungsabschlüssen zum faktischen Leistungsausschluss von
Leistungserbringern führe, was dem Regelungsinhalt des § 126 SGB V a.F.
widerspreche. Es sei ihr, so sei das Klagebegehren zu präzisieren, zu keinem Zeitpunkt
darum gegangen, ausschließlich einen Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V a.F.
abzuschließen, denn Rahmenverträge in diesem Sinne kämen durch Zuschlag
zustande und könnten nicht individuell ausgehandelt werden. Ihr gehe es vielmehr
letztlich um den Abschluss eines Rahmenvertrages außerhalb des besonderen
Geflechts des § 127 SGB V a.F. § 127 SGB V a.F. regele nur einen Spezialfall, während
die bis heute üblichen Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sich
außerhalb dieses Systems bewegten. Derartige Vereinbarungen seien auch ohne
weiteres zulässig, da der Gesetzgeber in § 127 SGB V a.F. nicht bestimmt habe, dass
ausschließlich die in dieser Regelung genannten Vereinbarungen zwischen
Krankenkassen und den Leistungserbringern von Hilfsmittel zulässig sein sollten. Für
die Verweigerung des Abschlusses eines Vertrages mit der Klägerin lägen auch keine
sachlich rechtfertigenden Gründe vor. Zum einen führe die Verweigerung eines
Vertragsabschlusses durch die Beklagte zum faktischen Leistungsausschluss der
Klägerin und zum anderen lägen derartige Vertragsabschlüsse nicht im Ermessen der
Beklagten. Die Klägerin verfüge über eine Zulassung gemäß § 126 SGB V a.F., so dass
es bei dem begehrten Vertragsabschluss nicht mehr darum gehe, dass "ob" der
Versorgung von Versicherten der Beklagten zu regeln, sondern ausschließlich um das
"wie". Im Übrigen gebe es kein "freies Ermessen", sondern ausschließlich ein
"pflichtgemäßes Ermessen". Letzteres habe die Beklagte nicht zutreffend ausgeübt, es
liege vielmehr ein Ermessensfehlgebrauch vor.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, mit ihr eine Rahmenvereinbarung nach Maßgabe der
Regelungen abzuschließen, wie sie die Beklagte mit der S Gesundheitsservice GmbH
aus I am 30.12.2003 getroffen hat, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, mit der
Klägerin eine Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs. 2 SGB V nach Maßgabe der
Anlage K 1 abzuschließen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, der Gesetzgeber habe im Bereich der Hilfsmittel die
Voraussetzungen eines Vertragsabschlusses in § 127 SGB V a.F. abschließend
geregelt. Dementsprechend habe die Beklagte entgegen der Behauptungen der
Klägerin auch ausschließlich Verträge i.S.v. § 127 Abs. 2 SGB V in der jeweils
geltenden Fassung geschlossen. Außerhalb des Systems des § 127 SGB V
abgeschlossene Verträge gebe es nicht. Die Vorschrift des § 127 SGB V a.F. wäre im
Übrigen überflüssig, wenn ein Leistungserbringer außerhalb dieser Norm einen
Rechtsanspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages aus § 126 SGB V a.F.
i.V.m. Art. 3 GG habe. Das Klagebegehren laufe auch dem vom Gesetzgeber
ausdrücklich formulierten Ziel von mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb im
Gesundheitswesen zuwider. Der Nichtabschluss eines Vertrages mit der Beklagten
führe für die Klägerin auch nicht zu dem von ihr behaupteten faktischen
Leistungsausschluss. Allein im Jahre 2005 habe die Klägerin vielmehr mehrere 100
Versorgungen mit Hilfsmitteln an Versicherte der Beklagten erbracht.
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Durch Urteil vom 13.09.2006 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Die
Voraussetzungen zum Abschluss von Verträgen seien in § 127 SGB V abschließend
geregelt. Ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten gemäß der
Vereinbarung, die die Beklagte im Dezember 2003 mit der S Gesundheitsservice GmbH
geschlossen habe, stehe der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sich
zwischenzeitlich die gesetzlichen Vorschriften, unter denen dieser Vertrag zustande
gekommen sei, geändert hätten. Nach neuem Recht sei die Beklagte gehalten, vor dem
Vertragsabschluss die Leistungserbringer zur Abgabe eines Angebots unter
Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien aufzufordern und öffentlich auszuschreiben.
Der Abschluss eines Versorgungsvertrages, wie er mit der S Gesundheitsservice GmbH
im Jahr 2003 geschlossen worden sei, stehe auch dem ausdrücklich vom Gesetzgeber
formulierten Ziel von mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb im Gesundheitswesen
entgegen. Dieses gesetzgeberische Ziel könne nicht erreicht werden, wenn aus dem
Vertragsschluss mit einem einzelnen Leistungserbringer ein Rechtsanspruch für die
anderen Leistungserbringer auf Abschluss eines gleichartigen Vertrages gefolgert
werden würde.
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Gegen das ihr am 05.10.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.11.2006
Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG verkenne insbesondere das Verhältnis von §
127 Abs. 2 SGB V a.F. zu § 127 Abs. 1 SGB V a.F. Da für die Klägerin keine
Rahmenvereinbarung nach Abs. 1 existierten, könne nicht davon ausgegangen werden,
dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen eines Vertragsabschlusses in § 127 Abs. 2
SGB V a.F. abschließend geregelt habe. Dementsprechend resultiere ein Anspruch der
Klägerin zumindest auf Vertragsverhandlungen aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 126 SGB V
a.F. Auch nach der zum 01.04.2007 in Kraft getretenen Neuregelung des § 127 SGB V
habe die Klägerin einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages. Als
Anspruchsgrund-lage sei hierbei § 127 Abs. 2 SGB V heranzuziehen. Die in § 127 Abs.
1 SGB V geregelte Ausschreibung sei bezüglich des streitigen Versorgungsbereichs
nicht sinnvoll, so dass es daher auch im Ermessen eines potentiellen Vertragspartners
stehe, sich direkt bei der Krankenkasse um den Abschluss eines Versorgungsvertrages
nach § 127 Abs. 2 SGB V zu bemühen. § 127 Abs. 2 SGB V räume einer Vielzahl
interessierter Leistungserbringer einen - bedarfsunabhängigen - Teilhabeanspruch
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sowohl an bereits abgeschlossenen Verträgen als auch an noch abzuschließenden
Verträgen ein. Voraussetzung sei lediglich, dass die Leistungserbringer die
Voraussetzungen nach § 126 Abs. 1 SGB V erfüllten. Die Verweigerung von
Vertragsverhandlungen stelle gegenüber der Klägerin, deren Kundenstamm zu einem
großen Teil aus Versicherten der Beklagten bestehe, eine unzulässige Begrenzung der
Berufsfreiheit dar. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin bislang als zugelassene
Leistungserbringerin versorgungsberechtigt gewesen sei. Ein Ausschluss von der
Versorgung sei allenfalls bei neuen Marktteilnehmern zulässig, nicht aber bei lang-
jährig im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung tätigen Unternehmern. Die
Klageerweiterung sei, sofern man sie überhaupt als Klageänderung ansehe,
sachdienlich und damit zulässig.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
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1.das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.09.2006 zu ändern und die Beklagte zu
verurteilen, mit der Klägerin eine Rahmenvereinbarung nach Maßgabe der Regelungen
abzuschließen, wie sie die Beklagte mit der S Gesundheitservice GmbH aus I am
30.12.2003 getroffen hat, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin eine
Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs. 2 SGB V nach Maßgabe der Anlage K 1
abzuschließen, 2.hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, aufgrund ihrer
gemäß § 126 Abs. 1 SGB V erteilten Zulassung Versicherte der Beklagten zu versorgen
und jene Preise in Rechnung zu stellen, welche die Beklagte mit der S
Gesundheitsservice GmbH im Vertrag vom 30.12.2003 vereinbart hat, 3.hilfsweise die
Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin für den streitgegenständlichen Produktbereich
einen Rahmenvertrag zu den Vertrags- und Preiskonditionen abzuschließen, wie sie ihn
mit anderen Leistungserbringern abgeschlossen hat und der Klägerin insoweit Auskunft
über die bereits abgeschlossenen Verträge/Vertragsinhalte zu erteilen, 4.hilfsweise die
Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin Vertragsverhandlungen über den Abschluss
einer Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs. 2 SGB V in der seit dem 01.04.2007
geltenden Fassung zu führen, 5.hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte gemäß §
127 Abs. 2 in der bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung des SGB V vom 01.01.2004
verpflichtet war, mit der Klägerin eine Rahmenvereinbarung des Inhalts abzuschließen,
wie sie ihn bereits im Dezember 2003 mit der S Gesundheitsservice GmbH aus I
abgeschlossen hat, 6.festzustellen, dass die Beklagte durch die Verweigerung des
Abschlusses eines Rahmenvertrages i.S.d. § 127 Abs. 2 SGB V die Klägerin unbillig
diskriminiert i.S.d. §§ 69 SGB V, 20 GWB, 7.hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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die Berufung zurück- und die Klagen abzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Seit der Neufassung des § 127 SGB V
zum 01.01.2004 stehe es im Ermessen der Beklagten, ob sie einen Vertrag mit einem
zugelassenen Leistungserbringer abschließe. Da die Versorgung mit Hilfsmitteln
aufgrund der vor dem 01.01.2004 abgeschlossenen Versorgungsverträge ausreichend
und wirtschaftlich gesichert sei, bestehe für die Beklagte kein Bedarf an dem Abschluss
weiterer Versorgungsverträge. Für das von der Klägerin angeführte Konstrukt eines
Anspruchs aus Art. 3 i.V.m. 126 SGB V sei kein Raum; die Voraussetzungen eines
Vertragsabschlusses seien vielmehr in § 127 SGB V abschließend geregelt. Die
Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Abrechnung jener Preise, die die Beklagte mit
der S Gesundheitsservice GmbH vereinbart habe. Aus § 33 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 127
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Abs. 3 SGB V a.F. ergebe sich, dass der Gesetzgeber von einer Vielzahl
abgeschlossener Versorgungsverträge zu unterschiedlichen Preisen und
Leistungskonditionen ausgehe. Ansonsten wäre die Bildung eines Durchschnittspreises
des unteren Preisdrittels der Preise gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB V a.F. nicht
möglich. Schließlich stehe der Abschluss eines Versorgungsvertrages zu den gleichen
Bedingungen wie mit der S Gesundheitsservice GmbH bzw. eine Abrechnung zu diesen
Konditionen dem vom Gesetzgeber formulierten Ziel von mehr Wirtschaftlichkeit und
Wettbewerb entgegen. Die Klägerin sei auch nicht von der Leistungserbringung
ausgeschlossen. Sie habe vielmehr stets fortlaufend Versicherte der Beklagten mit
Hilfsmitteln versorgt. In die Klageänderung werde im Übrigen nicht eingewilligt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
21
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser
Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
22
Die zulässige Berufung ist unbegründet (vgl. dazu I.). Die im Berufungsverfahren
hilfsweise erhobenen Klagen (Anträge 2 bis 6) sind abzuweisen ( vgl. dazu II.).
23
II. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Abschluss eines Vertrages, welcher demjenigen entspricht, der auch mit der S
Gesundheitsservice GmbH am 30.12.2003 vereinbart wurde.
24
1. Das von der Klägerin bereits im Klageverfahren mit dem Hauptantrag verfolgte
Begehren, die Beklagte zu verurteilen, mit ihr eine Rahmenvereinbarung wie mit der S
Gesundheitsservice GmbH zu schließen, ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin
hat zu Recht eine Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 5 SGG erhoben, denn mangels eines
Verhältnisses der Über-/Unterordnung handelt es sich um einen Parteienstreit im
Gleichordnungsverhältnis, so dass eine Leistung nicht durch Verwaltungsakt einseitig
festgesetzt werden könnte. Für solche Leistungsklagen ist grundsätzlich der zur Zeit der
gerichtlichen Entscheidung bestehende Sach- und Rechtsstand entscheidend (vgl.
BSGE 41, 38; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, § 54 Rdn. 34
m.w.N.). Maßgebend sind deshalb hier die Regelungen zum Hilfsmittelrecht, die zur Zeit
der Entscheidung des Senats in Kraft sind.
25
Das System der Hilfsmittelversorgung ist in §§ 2, 33, 69, 126, 127 SGB V in der Fassung
durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007, in Kraft ab 01.04.2007
abschließend geregelt (vgl. Schneider in: juris PK-SGB V, § 127 Rdn. 27). § 69 Satz 1
SGB V bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände
zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden durch die Vorschriften des 4. Kapitels
abschließend geregelt werden. Gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen Hilfsmittel an
Versicherte nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V
abgegeben werden. Dies verdeutlicht, dass entgegen der von der Klägerin mit dem
Hauptantrag vertretenen Ansicht somit keine Möglichkeit des Vertragsabschlusses
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außerhalb dieses Regelungssystems besteht.
Zwar bleiben gemäß § 126 Abs. 2 SGB V abweichend von Abs. 1 Satz 1 Leistungser-
bringer, die - wie die Klägerin - am 31. März 2007 über eine Zulassung nach § 126 SGB
V in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügen, bis zum 31. Dezember 2008
zur Versorgung der Versicherten berechtigt. Diese Regelung soll nach den
Vorstellungen des Gesetzgebers den Leistungserbringern, die bisher keine
vertraglichen Beziehungen zu den Krankenkassen unterhalten haben, ermöglichen, sich
auf die veränderten Bedingun-gen einzustellen (vgl. BT-Drucksache 16/3100, S. 141;
vgl. auch Schneider a.a.O. § 126 Rdn. 16,18). Ein Anspruch auf Abschluss eines
Vertrages außerhalb des dargelegten Regelungssystems ist damit jedoch gerade nicht
verbunden. Auch nach der bis zum 31.03.2007 geltenden Rechtslage hatte die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den einzelnen Leistungserbringer
aus der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG zwar einen Anspruch
auf Zulassung abgeleitet (vgl. BSG SozR 3-2500 § 126 Nr. 1; Schneider a.a.O. § 126
Rdn. 18), ein Anspruch auf Abschluss eines bestimmten Vertrages - noch dazu
außerhalb der Regelungen gemäß §§ 126, 127 SGB V - bestand aber nicht (vgl. dazu
II). Im Übrigen wurde auch der hier streitige Vertrag zwischen der Beklagten und der S
Gesundheitsservice GmbH gemäß § 127 Abs. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2003
geltenden Fassung getroffen, wie in dem Vertrag ausdrücklich erwähnt wird. Wie sich
aus dem Vortrag der Beklagten weiter ergibt, hat diese auch zu keinem Zeitpunkt
Verträge mit Leistungserbringern außerhalb der Regelungen des § 127 SGB V
getroffen, sondern sämtliche Verträge beruhten auf § 127 SGB V in der jeweiligen zum
Vertragsschluss gültigen Fassung. Nach alledem ist der Hauptantrag unbegründet.
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2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten mit ihr eine
Rahmenvereinbarung nach § 127 Abs. 2 SGB V nach Maßgabe der Anlage K 1 - des
Vertrages vom 30.12.2003 - zu schließen.
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Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung durch das
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz schließen Krankenkassen, soweit Ausschreibungen
nach Abs. 1 nicht zweckmäßig sind, Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden
oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der
Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und
zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der
Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Nach § 127 Abs. 2 Satz 3 SGB V ist
die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, in
geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. Durch diese Regelungen soll der
Preiswettbewerb im Hilfsmittelbereich gefördert werden (BT-Drucksache 16/3100, S.
141). Dies zeigt sich in Abs. 1 an der Verpflichtung zur Ausschreibung und in Abs. 2 an
der Verpflichtung der Krankenkassen, ihre Absicht zum Vertragsschluss öffentlich
bekannt zu machen (vgl. Schneider a.a.O. § 127 Rdn. 9). Der Gesetzgeber geht - der
allgemeinen Intention des SGB V zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen
entsprechend - davon aus, dass derartige vertragliche Abmachungen im freien Spiel der
Kräfte geschlossen werden und durch die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung
der Versicherten einerseits und der Konkurrenz der Leistungserbringer andererseits im
Ergebnis marktgerechte und möglichst günstige Bedingungen, insbesondere Preise, für
die Versicherten erreicht werden. Daraus folgt weiter, dass die Leistungserbringer
keinen Anspruch auf Annahme eines Vertragsangebotes haben, denn dies würde der
gesetzlichen Regelung zuwider laufen, die gesonderte Vertragsabschlüsse vorsieht
(BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 4; BSG Beschluss vom 27.05.2004 - B 3 KR 29/03 B -).
29
Die Gerichte sind gehindert, das, was ein Partner nicht hat durchsetzen können,
nachträglich zum Vertragsinhalt zu machen. Darin läge ein system-widriger Eingriff in
die gesetzliche Konzeption (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.07.2007 - L 11
KR 6147/06 -).
Der geltend gemachte Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung nach Maßgabe des
mit der S GesundheitsGmbH geschlossenen Vertrages vom 30.12.2003 folgt auch nicht
aus dem Diskriminierungsverbot. Nach § 69 Satz 2 SGB V gelten die §§ 19 bis 21 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) entsprechend.
30
Hintergrund der Einfügung des Satzes 2 in § 69 SGB V ist entsprechend der
Gesetzesbegründung, dass durch die erweiterten Fusionsmöglichkeiten Krankenkassen
in einzelnen Regionen einen hohen Marktanteil erlangen könnten. Die Anordnung der
entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 19 bis 21 GWB solle daher gewährleisten, dass
die Krankenkassen eine dadurch eventuell entstehende marktbeherrschende Stellung
nicht mißbrauchen, es zu keiner Diskriminierung der Vertragspartner der
Krankenkassen und zu keinem Boykott kommt. Die Änderung führe nicht dazu, dass die
Krankenkassen bei Abschluss von Einzelverträgen als Unternehmen zu qualifizieren
wären. Sie nähmen auch beim Abschluss von Einzelverträgen eine soziale Aufgabe
wahr, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruhe und ohne Gewinnerzielungsabsicht
ausgeübt werde. Dabei wurde die Möglichkeit eines Boykotts vor allem auf der Seite der
Leistungserbringer gesehen (vgl. BT-Drucksache 16/4247, S. 35; BT-Drucksache
16/3950, S. 15; Engelmann, a.a.O. § 69 SGB V Rdn. 73 ff.).
31
§ 19 GWB setzt den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung voraus, § 20 GWB
enthält ein Diskriminierungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen und § 21
verbietet wettbewerbsbeschränkendes Verhalten. Problematisch ist schon, ob die
Beklagte unter Berücksichtigung des Umstandes, dass lediglich 9 % der gesetzlich
Krankenversicherten Mitglieder der Beklagten sind, überhaupt eine marktbeherrschende
Stellung hat, denn nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB wird eine solche erst vermutet, wenn
ein Unternehmen einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Weiter ist
zweifelhaft, ob überhaupt eine Diskriminierung oder ein wettbewerbsbeschränkendes
Verhalten vorliegt. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, denn selbst wenn dies der
Fall sein sollte, besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Abschluss
eines Vertrages nach Maßgabe des Vertrages vom 30.12.2003 nicht. Die Klägerin hat
im Übrigen dazu auch zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen noch ihren
Anspruch darauf gestützt.
32
Das Diskriminierungsverbot für marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen
nach § 20 GWB ist in der Rechtsfolge in erster Linie auf Schadensersatz gerichtet.
Daneben können Untersagungsverfügungen erlassen (§ 32 GWB) oder Bußgelder
verhängt werden (§ 81 GWB). Ein unmittelbarer Kontrahierungszwang folgt daraus
gerade grundsätzlich nicht (BGH Urteil vom 12.05.1998 - KZR 23/96, BB 1998, 2332;
LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Problematisch ist überdies, inwieweit die §§ 32 ff.
GWB, die in § 69 Satz 2 SGB V nicht für entsprechend anwendbar erklärt werden, hier
überhaupt angewendet werden können und wie Verstöße gegen §§ 19 bis 21 GWB
anderenfalls sanktioniert werden könnten (vgl. Engelmann a.a.O. § 69 SGB V Rdn. 104
ff.). Selbst wenn § 33 GWB entsprechend angewendet wird (so Engelmann a.a.O. Rdz.
114), ist ein Anspruch auf Abschluss eines bestimmten Vertrages ausgeschlossen (vgl.
LSG Baden-Württemberg a.a.O.; Schneider a.a.O. § 127 Rdn. 17; Gassner NZS 2007,
281, 283). Denn nach der gesetzlichen Konzeption der §§ 69, 126 f. SGB V sollen - wie
33
dargelegt - Verträge im freien Spiel der Kräfte zustande kommen. Das schließt einen
Anspruch auf Gleichbehandlung bei den bereits ausgehandelten Vergütungen aus.
II. Die im Berufungsverfahren erstmals gestellten Anträge zu 2 bis 6 führen ebenfalls
nicht zum Erfolg.
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1. Hinsichtlich der Klageanträge zu 3 und 6 fehlt es schon an der Zulässigkeit der
Klageänderung. Zwar ist im Berufungsverfahren eine Klageänderung gemäß § 153
SGG i.V.m. § 99 SGG grundsätzlich ebenso wie in erster Instanz möglich. Hinsichtlich
der Anträge Nr. 3 und 6 ist die Klageänderung jedoch nicht zulässig, da weder die
Beklagte eingewilligt hat noch sie sachdienlich ist. Eine Klageänderung ist dann nicht
sachdienlich, wenn der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird und
bisherige Ergebnisse nicht verwertet werden können oder wenn über die geänderte
Klage mangels Prozessvoraussetzungen sachlich nicht entschieden werden könnte
(vgl. Meyer-Ladewig u.a. a.a.O. § 99 Rdz. 10a). Diese Voraussetzungen sind bezüglich
der genannten Klageänträge erfüllt. Die Klägerin hatte bislang erst- und zweitinstanzlich
stets lediglich den Abschluss eines Vertrages, wie ihn die Beklagte im Dezember 2003
mit der S GesundheitsGmbH geschlossen hatte, begehrt. Soweit die Klägerin nunmehr
allgemein auf Rahmenverträge der Beklagten mit anderen Leistungserbringern abstellt
und insoweit Auskunft begehrt (Klageantrag zu 3), liegt, ebenso wie hinsichtlich der
Klärung, ob eine Diskriminierung gemäß § 20 GWB (Klageantrag zu 6) gegeben ist, ein
völlig anderer Lebenssachverhalt und auch ein völlig andersartiges Begehren vor.
Hinzu kommt hinsichtlich der letztgenannten Feststellungsklage, dass auch deren
Zulässigkeit zweifelhaft ist. Soweit hinsichtlich des Feststellungsinteresses auf
Schadensersatzansprüche der Klägerin verwiesen wird, könnten diese unmittelbar mit
einer Leistungsklage verfolgt werden, die hinsichtlich der Feststellungsklage
grundsätzlich vorrangig ist. Hinsichtlich der beabsichtigten Amtshaftungsansprüche
ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass eine solche Klage tatsächlich mit
hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl. dazu Meyer-Ladewig a.a.O. § 131 SGG
Rdz. 10c). Nach alledem sind die Klageänderungen zu 3) und 6) unzulässig.
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2. Soweit die Klägerin beantragt, festzustellen, dass sie berechtigt ist, aufgrund ihrer
gemäß § 126 Abs. 1 SGB V erteilten Zulassung Versicherte der Beklagten zu deren
Lasten zu versorgen und jene Preise in Rechnung zu stellen, die die Beklagte mit der S
Gesundheitsservice GmbH im Vertrag vom 30.12.2003 vereinbart hat (Antrag zu 2), ist
die Klage gleichfalls abzuweisen. Zwar ist die Klageänderung, da die Beklagte sich
hierauf schriftsätzlich eingelassen und damit eingewilligt hat, zulässig (§§ 99, 153 SGG).
Hinsichtlich der Feststellung, dass die Klägerin berechtigt ist, die Versicherten der
Beklagten zu deren Lasten zu versorgen, fehlt es aber bereits an einem
Feststellungsinteresse. Denn die Beklagte hat das Recht der Klägerin, die Versicherten
zu versorgen, nicht in Abrede gestellt. Die Klägerin hat auch zu keinem Zeitpunkt
substantiiert dargelegt, dass die Beklagte ihr die von einem Versicherten begehrte
Versorgung verweigert hätte. Die pauschale Behauptung, ihr seien bei Abschluss eines
Vertrages Versorgungen mit einem Auftragsvolumen von mindestens 3 Millionen Euro
jährlich möglich, ist zur Bejahung des Feststellungsinteresses unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Klägerin jährlich jeweils mehrere 100 Versorgungen von
Versicherten der Beklagten durchführt und nicht einen einzigen Fall benannt hat, in dem
die Beklagte eine begehrte Versorgung abgelehnt hat, nicht ausreichend.
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Auch hinsichtlich der Feststellung, dass die Klägerin berechtigt ist, jene Preise in
Rechnung zu stellen, die mit der S Gesundheitsservice GmbH im Vertrag vom
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30.12.2003 vereinbart worden seien, ist die Zulässigkeit zweifelhaft. Denn die
Feststellungsklage ist gegenüber der Leistungsklage grundsätzlich subsidiär. Hier
kommt als vorrangige Klage zum einen die Klage auf höhere Vergütung und zum
anderen die Leistungsklage auf Abschluss einer entsprechenden Preisvereinbarung in
Betracht, wie sie letztlich auch schon mit dem Antrag zu 1 erhoben wurde. Aber selbst
wenn hinsichtlich der Vergütung in weiter Auslegung des Feststellungsinteresses
letzteres bejaht wird, hat die Klage keinen Erfolg, da sie insoweit unbegründet ist. Denn
bei Leistungserbringern, die - wie die Klägerin - aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 126
Abs. 2 SGB V zur Versorgung berechtigt sind, trägt die Krankenkasse gemäß § 33 Abs.
7 Satz 2 SGB V die Kosten in Höhe des niedrigsten Preises, der für eine vergleichbare
Leistung mit anderen Leistungserbringern vereinbart wurde, bei Hilfsmitteln, für die ein
Festbetrag festgesetzt wurde, höchstens bis zur Höhe des Festbetrages (vgl. auch
Schneider a.a.O. § 126 Rdn. 16). Ein Anspruch auf Preise, wie mit der S
GesundheitsGmbH vereinbart, besteht nicht.
3. Die Klagen zu 4) und 5) sind gleichfalls abzuweisen. Zwar handelt es sich hierbei
nicht um eine unzulässige Klageänderung, da es sich insoweit nur um eine Erweiterung
bzw. eine Umstellung wegen einer späteren Veränderung (§ 99 Abs. 3 SGG) handelt.
Die Klagen sind jedoch gleichwohl abzuweisen.
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a) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verurteilt wird, mit ihr
Vertragsverhandlungen über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach § 127
Abs. 2 SGB V in der seit dem 01.04.2007 geltenden Fassung zu führen (Antrag zu 4)
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Gemäß § 127 Abs. 2 SGB V schließen die Krankenkassen, soweit Ausschreibungen
nach Abs. 2 nicht zweckmäßig sind, über die Einzelheiten der Versorgung mit
Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu
erbringende Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer,
die Preise und die Abrechnung Verträge mit Leistungserbringern. Die Absicht, über die
Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist in geeigneter Weise
öffentlich bekannt zu machen. Da die Beklagte ihre Absicht, über die Versorgung mit
Hilfsmitteln Verträge zu schließen, öffentlich bekannt zu machen hat (§ 127 Abs. 2 Satz
3 SGB V), sind Vertragsverhandlungen allein mit der Klägerin ausgeschlossen.
Dementsprechend besteht auch kein Anspruch eines einzelnen Anbieters auf einen
Vertragsschluss (vgl. Schneider a.a.O. § 127 Rdz. 17). Öffentliche Bekanntmachungen
der Beklagten hinsichtlich der hier streitigen Hilfsmittelgruppen liegen auch nicht vor.
Soweit die Klägerin auf die im Oktober 2007 erfolgte Bekanntmachung zur
Produktgruppe 31 verweist, ist diese Gruppe hier gerade nicht streitig.
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b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte gemäß §
127 Abs. 2 in der bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung des SGB V vom 01.01.2004
verpflichtet war, mit der Klägerin eine Rahmenvereinbarung des Inhalts zu schließen,
wie sie ihn bereits im Dezember 2003 mit der S Gesundheitsservice GmbH aus I
abgeschlossen hat(Antrag zu 5). Hinsichtlich dieser Fortsetzungsfeststellungs-klage ist
bereits deren Zulässigkeit zweifelhaft. Zwar spricht das Gericht gemäß § 131 Abs. 1
Satz 3 SGG, sofern sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt
hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der
Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat; diese Regelung wird auf
die Erledigung einer allgemeinen Leistungsklage - wie hier - entsprechend angewandt.
Die Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist jedoch nur zulässig, wenn
ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung vorliegt; dafür genügt ein durch
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die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher,
wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (vgl. BSG SozR 4100 § 91 Nr. 5; BSG SozR
3-2500 § 126 Nr. 2). Die Klägerin hat hier vorgebracht, sie habe ein berechtigtes
Interesse an der Feststellung, da sich die Beklagte seit Beginn des Rechtsstreits Anfang
2004 der Nicht-Verpflichtung zum Vertragsabschluss rühme. Der Umstand, dass die
Klägerin nur ihre Rechtsauffassung bestätigt sehen möchte, begründet aber gerade kein
Feststellungs-interesse (vgl. Meyer-Ladewig u.a.,aaO, § 131 SGG Rdn. 10a). Selbst
wenn entsprechend einer weiten Auslegung das Feststellungsinteresse bejaht wird, so
ist die Klage jedenfalls unbegründet.
Bis zum 31.07.2007 wurde das System der Hilfsmittelversorgung in §§ 2, 33, 126, 127
SGB V in der Fassung durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 ab
Januar 2004 abschließend geregelt. Gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. dürfen
zugelassene Leistungserbringer Hilfsmittel an Versicherte abgeben. Soweit Festbeträge
noch nicht festgelegt sind oder nicht festgelegt werden können, können Einzelheiten der
Versorgung mit Hilfsmittel und deren Wiedereinsatz durch Verträge zwischen den
Landesverbänden der Krankenkassen bzw. den Verbänden der Ersatzkassen und den
Verbänden der Leistungserbringer geregelt werden, § 127 Abs. 1 SGB V a.F. Gemäß §
127 Abs. 2 SGB V a.F. können Krankenkassen Verträge mit einzelnen Leistungser-
bringern zu niedrigeren Preisen als in den Verträgen nach Abs. 1 bei gleicher Qualität
schließen. Diese Regelungen verdeutlichen, dass zwar grundsätzlich Krankenkassen
im System der Hilfsmittelversorgung mit einzelnen Leistungserbringern Verträge
schließen können. Diese Möglichkeit sieht § 127 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. nach seinem
eindeutigen Wortlaut jedoch nur dann vor, wenn ein Vertrag nach § 127 Abs. 1 SGB V
a.F. besteht. Da hier jedoch hinsichtlich der streitigen Produktgruppe kein Vertrag
gemäß § 127 Abs. 1 SGB V a.F. besteht - was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt -,
scheidet der Abschluss eines Vertrages gemäß § 127 Abs. 2 SGB V a.F. aus. Die
Beklagte hat auch seit Januar 2004 weder Verträge gemäß § 127 Abs. 2 SGB V a.F. mit
anderen Leistungserbringern geschlossen noch die Klägerin von der Versorgung
ausgeschlossen, wie oben eingehend dargelegt wurde. Hinzu kommt, dass der Vertrag
vom 31.12.2003, auf den die Klägerin sich bezieht, auch gerade nicht den Ausschluss
von Leistungserbringern bezweckt. Zum einen bleibt es der Beklagten freigestellt, sich
anderer Leistungserbringer von Hilfsmitteln zu bedienen (§ 1 Abs. 4 des Vertrages) und
zum zweiten gilt der Vertrag für alle jeweiligen Partnerbetriebe der S
Gesundheitsservice GmbH, so dass auch dort neu eintretende Betriebe jeweils erfasst
werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG
nicht erfüllt sind.
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