Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.01.2002
LSG NRW: gleichheit im unrecht, altersgrenze, verordnung, krankenversicherung, krankenschwester, weiterbildung, missbrauch, fachhochschule, krankenkasse, qualifikation
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 73/01
Datum:
24.01.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 73/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 8 KR 16/00
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 24.04.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist die Versicherung der Klägerin in der Krankenversicherung der Studenten
(KVdS).
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Die 1952 geborene Klägerin legte nach Abschluss der (damaligen) Volksschule sowie
dem Besuch der Pflegevorschule und der Krankenpflegeschule im September 1974 ihr
Examen als Krankenschwester ab. Von 1975 bis 1996 war sie als Krankenschwester/
Stationsleitung, zuletzt als Hygienefachkraft tätig. 1996 wechselte sie zum ÖTV-
Fortbildungsinstitut für Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen und übernahm die
Leitung der Weiterbildung zur Hygienefachkraft. Zur Erlangung der hierfür erforderlichen
Qualifikation hat die Klägerin vom 01.09.1996 (Wintersemester 1996/97) bis 31.07.2000
an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen Abteilung K ...
Pflegepädagogik studiert. Nach der nordrhein-westfälischen "Weiterbildungs- und
Prüfungsverordnung zu Fachkrankenschwestern, -pflegern, Fachkrankenschwestern
und -pflegern für Krankenhaushygiene - Hygienefachkraft -" vom 11.04.1995 (GV NW
Seite 315) kann seit 1995 die Weiterbildung zur Hygiene fachkraft nur in zugelassenen
Weiterbildungsstätten erworben werden. Die Zulassung der Weiterbildungsstätte setzt
nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der genannten Verordnung die hauptamtliche Beschäftigung einer
Lehrkraft je Lehrgang voraus, die über die Erlaubnis zur Führung der
Weiterbildungsbezeichnung nach § 22 der Verordnung und über eine abgeschlossene
Aus- oder Weiterbildung zur Unterrichtserteilung verfügt. Während des Studiums übte
die Klägerin in einem Umfang von 19,25 Stunden pro Woche ihre Beschäftigung am
Fortbildungsinstitut aus.
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Mit Schreiben vom 12.07.1999 bat sie die Beklagte unter Übersendung verschiedener
Unterlagen um Prüfung einer Versicherung in der KVdS. Sie wies darauf hin, dass das
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Studium erst seit Wintersemester 1995/96 in dieser Form für berufstätige
Krankenschwestern an der Fachhochschule möglich sei. Mit Bescheid vom 02.09.1999
lehnte die Beklagte die Versicherung der Klägerin in der KVdS ab, da die Klägerin das
30. Lebensjahr überschritten habe und auch die Einrichtung eines neuen
Studienganges das Überschreiten der Altersgrenze nicht rechtfertige.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, die Art der Ausbildung rechtfertige das
Überschreiten der Altersgrenze. Sie müsse das Studium absolvieren, damit sie ihre
Tätigkeit als Dozentin und Kursleiterin in der Hygieneweiterbildung ausüben könne. Die
Verordnung, die dies vorschreibe, sei erst 1995 erlassen worden. Aus persönlichen und
familiären Gründen habe sie die Zugangsvoraussetzungen zu einem Studium nicht
erfüllen können. Sie wies darauf hin, dass eine andere Krankenkasse eine ähnliche
Begründung als Verlängerungstatbestand anerkannt habe. Mit Widerspruchsbescheid
vom 13.01.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Im Klageverfahren hat die Klägerin im wesentlichen ihre Widerspruchsbegründung
wiederholt. Sie hat betont, dass sie die fragliche Ausbildung aufgrund der 1995 in Kraft
getretenen Verordnung habe absolvieren müssen. Die Begrenzung des Zugangs zur
KVdS sei eingeführt worden, um einen Mißbrauch zu verhindern. Sie habe aber ihre
Ausbildung nicht verzögert, denn die jetzige weitere Qualifikation sei aufgrund der 1995
in Kraft getretenen Verordnung erforderlich gewesen.
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Mit Urteil vom 24.04.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
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Im Berufungsverfahren trägt die Klägerin erneut vor, das Überschreiten der Altersgrenze
sei bedingt durch die Art der Ausbildung. Diese sei erst seit 1995, also erst nach
Vollendung ihres 30. Lebensjahres möglich gewesen. Die Ausbildung habe sie
konsequent und zügig durchgeführt. Da ihr Ehemann erst seit 1991 eine feste Stelle
inne habe, sei sie gezwungen gewesen, bis zu diesem Zeitpunkt berufstätig zu sein.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24.04.2001 zu ändern und unter Aufhebung
des Bescheides vom 02.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
13.01.2000 festzustellen, dass sie vom 01.09.1996 bis zum 31.07.2000 als Studentin
der Pflegepädagogik pflichtversichert in der Krankenversicherung der Studenten
gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die Beklagte hat zu Recht die
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Versicherung der Klägerin in der KVdS abgelehnt.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht
Versicherungspflicht in der KVdS nur bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres; nach
Vollendung des 30. Lebensjahres sind Studenten nach Halbsatz 2 a.a.O. nur dann
versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre oder persönliche
Gründe die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme
des Studiums war die Klägerin 43 Jahre alt, hatte also die Altersgrenze weit
überschritten. Unerheblich ist, dass ihr eine Verzögerung ihrer Ausbildung nicht
vorgehalten werden kann. Auch wenn die Begrenzung der Versicherung in der
beitragsgünstigen KVdS in erster Linie der Verhinderung von Missbrauch dienen soll,
scheiden wegen Überschreitung der Grenzen grundsätzlich auch solche Studenten aus
der KVdS aus, denen ein Missbrauch nicht entgegengehalten werden kann (BSG SozR
3-2500 § 5 Nr. 4 S. 14; Nr. 32 S. 127).
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Überschreitung der Altersgrenze hier nicht
durch die "Art der Ausbildung" i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SGB V gerechtfertigt.
Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich um eine Ausnahmere gelung, die
unter Beachtung der Motive des Gesetzgebers und der Zielsetzungen der Vorschrift eng
auszulegen ist. Der Gesetzgeber habe die beitragsgünstige KVdS auf Personen
begrenzen wollen, die typischerweise im Altersabschnitt bis zum 30. Lebensjahr
Leistungen der Krankenversicherung in unterdurchschnittlichem Maße in Anspruch
nehmen, weil ihr Gesundheitszustand altersbedingt im allgemeinen gut sei und
beitragsfrei versicherte Familienangehörige seltener seien und erst im Laufe der Zeit
hinzukämen (grundlegend BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 S. 12). Dieses gesetzgeberische
Ziel könne nur bei einer engen Auslegung der Vorschrift erreicht werden. Eine
Versicherung in der KVdS ist daher nur möglich, wenn sich aus Rechtsvorschriften oder
autonomem Recht ergibt, dass die fragliche Ausbildung nicht vor Erreichen der
Altersgrenze abgeschlossen werden konnte. Unerheblich ist demgegenüber, ob der
Studiengang erst zu einem späteren Zeitpunkt eingerichtet worden ist und ob - ohne
dass dies vorgeschrieben ist - in der Praxis mit dieser Ausbildung erst in
fortgeschrittenem Alter begonnen wird (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 32 S. 125 f.). Es ist
daher irrelevant, dass der Studiengang Pflegepädagogik offenbar aufgrund der in der
Verordnung vom 11.04.1995 aufgestellten Anforderungen an die Weiterbildungsstätten
und deren Lehrkräfte erst zum Wintersemester 1995/96 eingerichtet worden ist. Weder
die genannte Verordnung noch die Diplomprüfungsordnung für den Studiengang
Pflegepädagogik stehen aber einem Studienbeginn vor dem 30. Lebensjahr entgegen.
Zulassungsvoraussetzungen zum Studium sind nach § 3 Abs. 2 der Prüfungsordnung
der Erwerb der Fachhochschulreife (Nr. 1, nach Absatz 3 ersatzweise die Ablegung
einer Einstufungsprüfung nach § 45 Abs. 2 Fachhochschulgesetz (FHG) NRW), der
Abschluss einer Berufsausbildung als Krankenschwester/-pfleger (Nr. 2) und eine
mindestens zweijährige Berufstätigkeit nach der Ausbildung in einem Pflegeberuf (Nr.
3). Der Studiengang kann also spätestens mit Mitte 20 aufgenommen werden.
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Familiäre sowie persönliche Gründe, die ein Überschreiten der Altersgrenze
rechtfertigen, liegen nicht vor. Durch die Erziehung ihrer drei Kinder wäre die Klägerin
allenfalls bis 1979 an einem Studium gehindert gewesen, als ihr am 13.09.1976
geborenes drittes Kind das 3. Lebensjahr vollendet hatte (vgl. zur Kindererziehung als
Hinderungszeit Senat, Urteil vom 21.12.1999 - L 5 KR 61/99). Selbst wenn man -
entgegen der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4 S. 15; Nr. 6 S.
23; Nr. 13 S. 44) - zugunsten der Klägerin annehmen würde, dass sie bis 1991 aus
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familiären Gründen (Sicherstellung des Unterhalts der Familie) ihre Berufstätigkeit
ausüben musste, wäre jedenfalls die Zeit von 1991 bis 1996 nicht mit Hinderungszeiten
belegt, was der Ursächlichkeit anzuerkennender Hinderungsgründe entgegensteht (vgl.
BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 13 S. 44 f.).
Unerheblich ist, ob eine andere Krankenkasse oder sogar die Beklagte in einem an
deren Fall bei Kolleginnen der Klägerin die KVdS durchgeführt haben. Selbst wenn
insoweit tatsächlich vergleichbare Sachverhalte vorliegen würden, wären diese
Entscheidungen rechtswidrig; eine "Gleichheit im Unrecht" kann die Klägerin nicht
beanspruchen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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