Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.08.2007

LSG NRW: persönliche dienstleistung, vergütung, markt, ausführung, firma, arbeitskraft, eingliederung, betriebsmittel, verfügung, arbeitsort

Landessozialgericht NRW, L 11 (8) R 196/05
Datum:
08.08.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 (8) R 196/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 19 (9) RA 107/03
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts
Detmold vom 02.08.2005 geändert. Unter Aufhebung der Bescheide
vom 31.08.2001 und 24.03.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.07.2003 wird festgestellt, dass der
Beigeladene zu 1) vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 nicht in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin
gestanden hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die
Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das
Berufungsverfahren wird auf 12.500 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über den Status des Beigeladenen zu 1) während seiner
Tätigkeit für die Klägerin.
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Der Beigeladene zu 1), der unter der Firma H Gesellschaft für Verkaufsförderung und
Serviceleistungen auftrat, war vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 für die Klägerin, die den
Vertrieb der Waren von Produzenten betreut, im Rahmen eines sogenannten
Regalservice tätig. Dabei übernahm er den Um- und Aufbau der Verkaufsregale und
den Auf- und Abbau von Dekorationen in Einzelhandelsgeschäften sowie die
Einordnung der an die Geschäfte gelieferten Waren. Ferner suchte er - falls gewünscht -
Einzelhandelsgeschäfte auch ohne Anlass regelmäßig zur Kundenbetreuung auf. Ein
schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bestand nicht.
Der Beigeladene zu 1) hatte der Klägerin die Übernahme von Aufträgen angeboten. Die
Klägerin teilte ihm angekündigte Warenlieferungen sowie anfallende Um- und
Aufbauten einige Tage im Voraus mit, wobei der Beigeladene zu 1) jeweils die
Möglichkeit hatte, entsprechende Aufträge abzulehnen. Für die Ausführung der Aufträge
stand ihm ein zeitlicher Rahmen von ein bis zwei Tagen zur Verfügung. Die Abrechnung
der Tätigkeit erfolgte bei Warenlieferungen nach einem Prozentsatz des Warenwertes,
bei anderen Tätigkeiten auf Basis einer Stundenvergütung. Die Höhe der Vergütung war
zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) vereinbart worden.
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Im fraglichen Zeitraum erledigte der Beigeladene zu 1) noch für zwei weitere
Auftraggeber vergleichbare Aufträge; nach seiner Angabe in erheblich größerem
Umfang als für die Klägerin. Von 1996 bis etwa Ende 1998 hatte der Beigeladene zu 1)
nach seinem Vortrag bundesweit den Regalservice für eine andere Firma übernommen
und für die Abwicklung dieser Aufträge etwa 200 geringfügig Beschäftigte eingesetzt.
Während seiner Tätigkeit trat er mit eigenem Briefpapier, Visitenkarten und Referenzen
werbend am Markt auf.
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Der Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 01.08.2000 bei der Beklagten die
Feststellung, dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Die
Beklagte teilte der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 23.03.2001
mit, dass die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis beabsichtigt sei.
Die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwögen. Zwar seien
dem Beigeladenen zu 1) die Arbeitszeit und bestimmte Anwesenheitszeiten nicht
vorgeschrieben, jedoch ergebe sich aus der Natur der Tätigkeit, dass die Platzierung
der Waren nur während der Geschäftszeiten vorgenommen werden könne. Bei
Aufnahme eines Auftrags werde der Arbeitsort durch den Auftraggeber festgelegt,
außerdem erfolgten Vorgaben für die Durchführung des Auftrags. Obwohl nach den
vertraglichen Abmachungen die Arbeitszeit frei gestaltet werden könne, sei der
Beigeladene zu 1) in der Disposition der Arbeitszeit nicht frei, denn es bestehe eine
tatsächliche Verpflichtung, die von ihm zu betreuenden Märkte regelmäßig und
rechtzeitig mit den notwendigen Waren zu versorgen. Mithin unterliege er bezüglich Zeit,
Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Über
den Arbeitseinsatz könne er nicht disponieren, wie dies bei selbständigen
Unternehmern möglich sei. Der Beigeladene zu 1) trage kein Unternehmerrisiko, denn
er setze weder eigenes Kapital noch eigene Betriebsmittel ein. Die Vergütung erfolge in
Form einer Pauschale, die Möglichkeit einer eigenen Preisgestaltung habe er nicht.
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Die Klägerin räumte in ihrer Stellungnahme ein, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in
Bezug auf die Ausführung der Aufträge beschränkt sei. Der Beigeladene zu 1) könne
aber im Rahmen der Öffnungszeiten der Handelshäuser frei disponieren. Er könne vor
allem Aufträge ablehnen und habe auch von dieser Möglichkeit schon Gebrauch
gemacht. Eine Kontrolle der termingerechten und ordnungsgemäßen Ausführung der
Tätigkeit erfolge nicht, es sei lediglich ein einem Lieferschein vergleichbarer
Tätigkeitsnachweis zu übersenden. Der Beigeladene zu 1) habe bei seinem Angebot,
Aufträgen zu übernehmen, die geforderte Vergütung genannt, die sie akzeptiert habe.
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Mit Bescheid vom 31.08.2002 stellte die Beklagte aus den Gründen des
Anhörungsschreibens fest, dass der Kläger ab dem 01.12.1996 in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Mit ihrem Widerspruch hat die
Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe unter anderem nicht berücksichtigt, dass
der Beigeladene zu 1) selbst werbend am Markt aufgetreten sei und Aufträge habe
ablehnen können, wenn ihm das Honorar zu gering erschienen sei. Aus dem Umstand,
dass er den Termin für Aufträge ohne Rücksprache zeitlich um einige Tage verschoben
habe, ergebe sich, dass er über erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der
Ausführung der Tätigkeit verfügt habe. Mit Teilabhilfebescheid vom 24.03.2003 stellte
die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 als
Regalauffüller abhängig beschäftigt gewesen sei und wies mit Widerspruchsbescheid
vom 23.07.2003 den Widerspruch im Übrigen zurück. Der Beigeladene zu 1) sei in eine
fremde Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen, da er Namen und Anschriften der
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Einzelhandelsgeschäfte, die er zu besuchen gehabt habe, erhalten habe. Die Termine
seien vorgegeben gewesen, außerdem habe er seine Tätigkeit nur während der
Öffnungszeiten der Geschäfte ausüben können. Über jeden Auftrag habe der
Beigeladene zu 1) einen Nachweis fertigen müssen. Die für den Aufbau der Regale und
Dekoration sowie die Platzierung der Waren benötigten Betriebsmittel seien ihm gestellt
worden. Er habe seine eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da er
eine pauschale monatliche Vergütung erhalten habe. Der Nachweis, dass er eigene
Arbeitnehmer beschäftigt habe, sei nicht erbracht worden.
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ihren bisherigen Vortrag wiederholt und
nochmals betont, sie habe dem Beigeladenen zu 1) keine Weisungen hinsichtlich der
Ausführung der Aufträge erteilt. Er habe auch mindestens einen mehr als geringfügig
beschäftigten Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, es sei
ihm freigestellt gewesen, Aufträge abzulehnen. Seine Ehefrau sei ab 01.03.1998 als fest
angestellte Kraft auch im Außendienst tätig gewesen.
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Mit Urteil vom 02.08.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich der
Auffassung der Beklagten angeschlossen, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen
Zeitraum in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin gestanden
habe, da seine Tätigkeit durch Merkmale eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichnet gewesen sei. Er sei in die
Arbeitsorganisation "des jeweiligen Betriebes" eingegliedert gewesen, da die Märkte
regelmäßig und rechtzeitig mit den benötigten Waren zu versorgen gehabt habe. Für die
"Lieferung" habe er nur einen Spielraum von ein bis zwei Tagen gehabt. Er sei an den
Arbeitsort, die Zeit und die Art der Ausführung gebunden gewesen und habe damit den
Wünschen und Anweisungen des jeweiligen Marktbetreibers unterlegen. Seine
Behauptung, er habe mindestens einen mehr als geringfügig beschäftigten
Arbeitnehmer beschäftigt, sei nicht zutreffend, da die vorgelegten Arbeitsverträge
entweder nicht den streitigen Zeitraum beträfen oder mit geringfügig Beschäftigten
abgeschlossen seien. Unerheblich sei, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere
Auftraggeber tätig geworden sei, da jedes Vertragsverhältnis
sozialversicherungsrechtlich gesondert zu prüfen sei. Der Beigeladene zu 1) habe auch
kein "besonderes" Unternehmerrisiko getragen, denn er habe ausschließlich seine
eigene Arbeitskraft eingesetzt.
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Gegen das ihr am 27.09.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.10.2005
Berufung eingelegt. Sie rügt, das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass der
Beigeladene zu 1) Aufträge habe ablehnen können und dies auch getan habe. Ferner
habe es übersehen, dass der Beigeladene zu 1) 150.000,00 DM Kapital investiert habe.
Unrichtig sei ferner, dass er nur seine eigene Arbeitskraft eingesetzt habe, denn er habe
Arbeitnehmer beschäftigt. In diesem Zusammenhang sei irrelevant, dass diese für das
Eiscafé eingestellt worden seien, da das Eiscafé eine Abteilung eines einheitlichen
Unternehmens gewesen sei. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Beigeladene zu 1)
Weisungen unterlegen habe. Übernommene Aufträge habe er selbständig in Absprache
mit den Handelsgeschäften ohne Rücksprache mit ihr - der Klägerin - abgewickelt.
Dabei habe er z. T. Aufträge an andere Gewerbetreibende delegiert. Beschränkungen
hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit hätten sich zwangsläufig aus der Eigenart der
Tätigkeit ergeben. Öffnungszeiten von Handelsgeschäften seien von allen
Selbständigen zu beachten, die solche Handelspartner betreuten. Der Beigeladene zu
1) habe auch keiner Kontrolle unterlegen, sie habe beispielsweise erst anhand der
erteilten Rechnungen im Nachhinein von den Besuchen des Beigeladenen zu 1) in den
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zu betreuenden Märkten erfahren.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 02.08.2005 zu ändern und unter Aufhebung
der Bescheide vom 31.08.2001 und 24.03.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.07.2003 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) die
Tätigkeit als Regalauffüller in der Zeit vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 als selbständige
Tätigkeit ausgeübt hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
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Der Beigeladene zu 1) ist im Erörterungstermin am 21.03.2007 zu seiner Tätigkeit
angehört worden; wegen des Inhalts seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift
Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des
Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung
gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu
Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, denn der
Beigeladene zu 1) war vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 nicht in einem
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis für die Klägerin tätig.
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Nach § 7 a Abs. 1 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) kann bei der Beklagten eine
Entscheidung darüber beantragt werden, ob eine Beschäftigung vorliegt, die
Voraussetzung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ist.
Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (§ 7 Abs. 1 SGB IV in der bis
31.12.1999 geltenden Fassung) die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis. Wesentliches Merkmal eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten
gegenüber einem Arbeitgeber, die sich vornehmlich in der Eingliederung des
Arbeitenden in einen Betrieb und in dem damit in aller Regel verbundenen Direktions-
und Weisungsrecht des Arbeitgebers äußert (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die
Weisungsbefugnis des Arbeitgebers kann zwar hinsichtlich der Ausführungen stark
eingeschränkt sein und im Einzelfall sogar völlig zurücktreten. Die Arbeitsleistung bleibt
dennoch fremdbestimmt, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in
dessen Dienste sie verrichtet wird (vgl. etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nrn. 4, 15, 19, 20).
Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene
Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
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Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei
gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 22;
SozR 3-2400 § 7 Nr. 15). Die Abgrenzung richtet sich danach, welche dieser Merkmale
überwiegen und ob die typusbildenden Merkmale einer abhängigen Beschäftigung, die
nicht sämtlich gleichzeitig vorliegen müssen, vorliegen.
Nach Ansicht des Senats überwiegen nach den Gesamtumständen nicht die Merkmale
einer abhängigen Beschäftigung. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) war nicht durch
die Organisation des Betriebes der Klägerin geprägt, insbesondere ist für eine Tätigkeit
nach Weisungen nichts ersichtlich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zwar die Art der
Arbeit und die Weisungsbefugnis des Auftraggebers insofern in einem
Wechselverhältnis zueinander stehen, als bei einfachen Arbeiten schon
organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung der
Arbeit festlegen und damit in den Organismus des Betriebes eingegliedert erscheinen
lassen (so BFHE 169, 154). Der Beigeladene zu 1) hat aber entgegen der Behauptung
der Beklagten nicht nur solche einfachen Arbeiten verrichtet. Diese Qualifizierung mag
für das Auffüllen der Regale bei Warenlieferungen zutreffen, gilt aber schon nicht mehr
für den Auf- und Umbau von Regalen und Dekorationen. Insoweit musste der
Beigeladene zu 1) selbständig nach den örtlichen Gegebenheiten das zur Verfügung
gestellte Layout umsetzen. Ferner hatte der Beigeladene zu 1) jeweils mit dem
Marktleiter eine möglichst günstige Platzierung der Produkte abzusprechen, was eine
gewisse Erfahrung erforderte. Darüber hinaus hatte er in einem Markt im Rahmen eines
Sonderauftrags den zuständigen Abteilungsleiter regelmäßig zur Pflege der
Vertragsbeziehungen zu besuchen, was eine gewisse Geschäftsgewandtheit
voraussetzte. Der Beigeladene zu 1) hat also für die Klägerin eine weit anspruchsvollere
Tätigkeit als "schlichte" Regalauffüller verrichtet, deren Tätigkeit rein mechanischer
Natur ist, wenn sie sich darauf beschränkt, Waren entgegenzunehmen und einzuräumen
(vgl. Sächsisches FG, Urteil vom 09.11.2005 - 2 K 2709/03).
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Der Beigeladene zu 1) war auch nicht in dem Sinne in den Betrieb der Klägerin
eingegliedert, dass diese über ihn verfügen konnte. Ein (Rahmen-)Vertrag, der den
grundsätzlichen Einsatz des Beigeladenen zu 1) regelte, bestand nicht. Über die
jeweiligen Aufträge hinaus gab es keine Verpflichtung, für die Erledigung der Aufträge
gegebenenfalls zur Verfügung zu stehen, wie sie etwa bei sogenannten Abrufkräften
üblich ist. Der Beigeladene zu 1) hat vielmehr immer nur im Einzelfall Aufträge
übernommen, wobei er nicht nur die theoretische Möglichkeit hatte, Aufträge
abzulehnen, sondern dies tatsächlich auch getan hat. Der Umstand, dass er nicht nur in
zwei Fällen krankheitsbedingt Aufträge ablehnte, sondern auch den betreffenden Markt
"abmeldete", weil er die Verdienstmöglichkeit nicht als ausreichend ansah, zeigt, dass
keineswegs die Klägerin über seine Tätigkeit bestimmen konnte. Somit lag für die für ein
Arbeitsverhältnis typische längerfristige Einbindung in den Betrieb der Klägerin nicht vor
(vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.01.1999 - B 3 KR 2/98 R). Zwar trifft insoweit zu, dass
allein aus der Freiheit, Einzelaufträge anzunehmen oder abzulehnen, nicht auf die
Verrichtung einer selbständigen Tätigkeit geschlossen werden kann (LSG Berlin,
Breithaupt 1987, 345), gleichwohl ist es ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, dass
dem Beigeladenen zu 1) jeweils ein Gestaltungsfreiraum verblieb und die Klägerin nicht
über seine Arbeitsleistung verfügen konnte.
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Auch der Umstand, dass auf Grund des übernommenen Auftrags Ort und Art der
Tätigkeit feststanden, spricht noch nicht für eine Weisungsgebundenheit. Wenn der
Beigeladene zu 1) sich verpflichtet hatte, in einem bestimmten Markt bestimmte Arbeiten
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auszuführen, ergaben sich die für ihn hieraus folgenden Bindungen aus vertraglichen
Vereinbarungen und waren nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der
Klägerin (vgl. BSG, a. a. O.; s.auch BSG USK 81247 zur Vorgabe äußerer Umstände für
eine Tätigkeit). Hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung bei der Erledigung der Aufträge
hatte der Beigeladene zu 1) einen gewissen zeitlichen Spielraum, den er nach seinen
glaubhaften Angabe auch genutzt hat. Bei Sonderaktionen konnte er auch der
Absprache mit dem jeweiligen Markt hinsichtlich des genauen Zeitpunkts seine eigenen
zeitlichen Vorstellungen zu Grunde legen. Abwegig ist es, aus dem Umstand, dass der
Beigeladene zu 1) die Öffnungszeiten der jeweiligen Geschäfte zu beachten hatte, eine
Eingliederung in eine fremde Organisation herzuleiten. Es liegt auf der Hand, dass nur
während der Öffnungszeiten die Arbeiten verrichtet werden konnten - dies gilt aber
beispielsweise auch für selbständige Handelsvertreter, die Einzelhandelsgeschäfte
besuchen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Argumentation des
Sozialgerichts, der Beigeladene zu 1) sei in die Organisation des "jeweiligen Betriebes"
eingegliedert gewesen, ohnehin neben der Sache liegt, denn es geht im vorliegenden
Fall um das Verhältnis des Beigeladenen zu 1) zur Klägerin und somit um eine
Eingliederung in deren Betriebsorganisation.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit nicht in Person
erledigen musste. Er hat glaubhaft erklärt, dass er zum Einen Aufträge an andere
Gewerbetreibende weitergegeben und mit diesen die Vergütung geregelt hat, ohne die
Klägerin zu informieren, zum Anderen hat auch seine bei ihm beschäftigte Ehefrau
Aufträge erledigt. Auch wenn aus dem Recht, einen Vertreter zu stellen, nicht (allein) die
Selbständigkeit abgeleitet werden kann (BSG Breithaupt 1967, 648, 651; LSG Berlin
Die Beiträge 1996, 41, 50; s. auch FG München, Urteil vom 18.02.2004 - 10 K 4566/02)
ist doch für die abhängige Beschäftigung die persönliche Dienstleistung typisch, so
dass die "Delegationsbefugnis" durchaus als Indiz für eine selbständige Tätigkeit
gewertet werden kann.
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Schließlich sind auch Elemente unternehmerischer Tätigkeit zu erkennen. Allerdings
gibt es für die Angabe des Beigeladenen zu 1) in dem Antrag vom 01.08.2000, er habe
150.000,00 DM für die Ausübung der Tätigkeit investiert, keine Belege. Den jetzt
übersandten Unterlagen lässt sich eine solche Investitionssumme nicht entnehmen.
Allerdings liegt auf der Hand, dass der 1996 für eine andere Firma bundesweit
übernommene Regalservice eine gewisse Organisation und nicht unerhebliche
Investitionen erforderten, die der Beigeladene zu 1) dann auch für seine Tätigkeit für die
Klägerin nutzen konnte. Der Beigeladene zu 1) hat für die Erfüllung der Aufträge der
Klägerin auch nicht nur Betriebsmittel wie einen Pkw oder PC eingesetzt, sondern er hat
auch Aufträge durch Dritte erledigen lassen, weil - wie er bekundet hat - , es zu teuer
gewesen wäre, wenn er alle Aufträge selbst erledigt hätte. Er hat also offenkundig
gewinnbringend Dritte einsetzen können. Dies ist eher für eine selbständige Tätigkeit
typisch. Entgegen der Behauptung der Beklagten hat er auch keine feste monatliche
Pauschale erhalten. Auf Grund der Mitteilung der Warenwerte wusste er lediglich im
Voraus, wie hoch seine Vergütung bei entsprechendem Einsatz sein werde und konnte
dementsprechend über die Annahme der Aufträge disponieren. Die Tatsache, dass er
einen Markt "abmeldete", weil er die Verdienstmöglichkeit nicht als ausreichend ansah,
zeigt auch, dass er sehr wohl eigene Vorstellungen hinsichtlich der Vergütung verfolgte.
Ohnehin ist die Behauptung der Beklagten, der Beigeladene zu 1) habe keine
Möglichkeit zur eigenen Preisgestaltung gehabt, unzutreffend. Die Klägerin und der
Beigeladene zu 1) haben übereinstimmend bekundet, dass der Beigeladene zu 1)
vielmehr eigene Preisvorstellungen äußerte, als er der Klägerin ein Angebot zur
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Übernahme von Aufträgen machte. Somit unterlag keineswegs der Beigeladene zu 1)
einem "Preisdiktat" der Klägerin, vielmehr ist die Vergütung einvernehmlich zwischen
ihnen vereinbart worden.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1) im fraglichen
Zeitraum für zwei weitere Auftraggeber vergleichbare Aufträge durchgeführt hat. Die
Argumentation, auch abhängig Beschäftigte könnten mehrere Arbeitsverhältnisse
eingehen und es sei jedes Auftragsverhältnis gesondert zu prüfen, greift zu kurz. Wenn
eine erwerbstätige Person auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftragnehmer
tätig ist, ist das ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
SGB IV in der vom 01.01.1999 bis 31.12.2002 geltenden Fassung, die insoweit lediglich
allgemeine Grundsätze kodifiziert hat), während die gleichzeitige Tätigkeit für mehrere
Auftraggeber typisch für Selbständige ist. Für eine Selbständigkeit spricht auch, dass
der Beigeladene zu 1) die Firma H Gesellschaft für Verkaufsförderung und
Serviceleistungen geführt hat und unter dieser Firma werbend am Markt tätig geworden
ist und sich um weitere Aufträge bemüht hat.
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Nach alldem ist festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom
27.04.1998 bis 30.11.2000 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur
Klägerin gestanden hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der
Senat nimmt bei Verfahren nach § 7a SGB IV für jedes Jahr der streitigen
Vertragsbeziehung den Regelstreitwert von 5.000 Euro (§ 52 Abs. 2 GKG) begrenzt auf
drei Jahre an. Da der Beigeladene zu 1) etwa 2,5 Jahre für die Klägerin tätig war, ergibt
sich ein Streitwert von 12.500 Euro.
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Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 4 i.V. m. § 66 Abs. 3
Satz 3 GKG, § 177 SGG).
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