Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.12.2008

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Landessozialgericht NRW, L 20 B 143/08 AS
Datum:
23.12.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 143/08 AS
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 32 AS 246/08 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Dortmund vom 28.07.2008 wird zurückgewiesen. Das
Prozesskostenhilfegesuch für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.
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I.
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1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-
) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verweist der Senat
zunächst auf die Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats
vom 24.11.2008 (L 20 B 114/08 AS ER und L 20 B 115/08 AS).
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Der Senat geht für die Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom
07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R) davon aus, dass der auch die Antragsteller betreffende
Ablehnungsbescheid vom 27.05.2008 diesen gegenüber, anders als ihrer Mutter
gegenüber, nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Das BSG hat insoweit, ohne dass es in
dem von ihm entschiedenen Verfahren letztlich entscheidend darauf angekommen
wäre, ausgeführt:
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"Es spielt deshalb keine Rolle, dass die Rechtsbehelfsbelehrung sowohl des
Ausgangsbescheids als auch des Widerspruchsbescheids nicht hinreichend zum
Ausdruck bringt, dass jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft den
maßgeblichen Rechtsbehelf einlegen muss, nicht nur eine - wie auch immer geartete -
Bedarfsgemeinschaft als solche, sodass für die Einlegung des Widerspruchs bzw der
Klage eine Jahresfrist gilt (§ 36 SGB X, § 66 SGG). Bei Versäumung der Widerspruchs-
bzw Klagefrist wäre im Verfahren beim SG bzw LSG vor einer Entscheidung über
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höhere Leistungen an die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens nach §§ 40 SGB
II, 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m § 44 SGB X
und eine Einbeziehung des Bescheids (§§ 96, 99 SGG) zu denken."
In Bezug auf die Antragsteller wäre danach die Anfechtung des Bescheides vom
27.05.2008 binnen Jahresfrist möglich und Bestandskraft somit nicht eingetreten.
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2. Die zulässige Beschwerde ist aber unbegründet.
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Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die (summarische)
Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer
vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des
Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten
einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S.
4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Erfolgsaussichten der
Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)
ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des
grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG)
u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine
vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders
folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter
Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen
(BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927).
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Die Antragsteller haben schon nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass einer
einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Gegen die
Eilbedürftigkeit spricht das prozessuale Verhalten der Antragsteller. Dabei ist bereits
nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die Antragsteller und ihre Mutter (siehe
insoweit den Beschluss des Senats vom 24.11.2008, a.a.O.) die Beschwerdefrist bis
zum letzten Tag ausgeschöpft haben, obwohl ihnen seit Monaten (ab dem 01.05.2008)
die auf Existenzsicherung abzielenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) nicht mehr gewährt wurden und
lediglich Kindergeld und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) als
Einkommen zur Verfügung gestanden haben sollen.
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Auf die gerichtliche Verfügung vom 26.11.2008, mit denen den Antragstellern u.a.
aufgegeben worden ist, bei entsprechender Glaubhaftmachung bis zum 05.12.2008
darzulegen, wie sie und ihre Mutter ihren Lebensunterhalt seit Leistungseinstellung
gesichert haben, haben die Antragsteller nicht reagiert. Die Bitte um Rückruf durch ihren
Bevollmächtigten ist ebenso ohne Reaktion geblieben wie der Hinweis auf eine für
Montag den 15.12.2008 beabsichtigte Entscheidung bei weiterem Ausbleiben der
erbetenen Stellungnahme.
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Nach alledem spricht schon das Verhalten der Antragsteller gegen eine Eilbedürftigkeit
der Angelegenheit.
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Auch ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Es bestehen derzeit nach
summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller.
Auch in diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Angaben dazu, wie sie und
ihre Mutter seit Mai 2008 ihren Lebensunterhalt gesichert haben, durch die Antragsteller
- auch nach Aufforderung durch den Senat - nicht gemacht worden sind. Soweit die
Ausführungen in der Antragsbegründung nahe legen sollen, der gesamte
Lebensunterhalt sei aus dem Kindergeld und den Leistungen nach dem UVG bestritten
worden, ist dies angesichts der Höhe des unter Berücksichtigung der Regelleistungen
sowie der Kosten der Unterkunft und Heizung zu ermittelnden Gesamtbedarfs der
Bedarfsgemeinschaft selbst dann nicht glaubhaft, wenn nach wie vor
Zahlungsrückstände gegenüber dem Energieversorger bestehen sollten. Die
Antragsteller haben auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Kündigung der Unterkunft
droht.
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Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass der Vater der
Antragsteller zu 3) und 4), Herr H, in unmittelbarer Nachbarschaft der Antragsteller
gemeldet ist und seit dem 30.09.2007 nicht mehr im Leistungsbezug der
Antragsgegnerin steht. Vor diesem Hintergrund überzeugen die Ausführungen der
Antragsteller nicht, Herr H lebe wieder in E bei seiner Ehefrau und deren Adresse sei
unbekannt, obwohl Herr H die Antragsteller zu 3), geboren am 00.07.2004, und 4),
geboren am 00.11.2007, regelmäßig besuche.
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Unter Berücksichtigung der bisher aktenkundigen Umstände - auch der Ergebnisse des
Hausbesuchs der Antragsgegnerin - spricht viel dafür, dass die Antragsteller - ggf. auch
durch Leistungen des Herrn H - über weitere, bisher nicht angegebene Einkünfte
verfügen. Einem etwaigen Hauptsacheverfahren wird es auch vorbehalten bleiben
müssen, der Frage des Vorliegens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft des Herrn
H mit der Mutter der Antragsteller nachzugehen.
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Weitere Ermittlungen im gerichtlichen Eilverfahren scheiden schon angesichts der
Verweigerungshaltung der Antragsteller hinsichtlich der Darlegung ihrer finanziellen
Situation sowie des Aufenthalts des Herrn H aus.
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3. Die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht ist im Ergebnis daher
wegen mangelnder hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG i.V.m. 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht zu beanstanden. Auch die
Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren durch den Senat
scheidet aus.
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4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des gegen die Ablehnung einstweiligen
Rechtsschutzes durch das Sozialgericht gerichteten Beschwerde auf der
entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und im Übrigen auf § 73a
Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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