Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.02.2008

LSG NRW: eheähnliche lebensgemeinschaft, vorläufiger rechtsschutz, absendung, erlass, wohnung, datum, hauptsache, unverzüglich, rechtskraft, kritik

Landessozialgericht NRW, L 20 B 235/07 AS ER
Datum:
13.02.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 B 235/07 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 21 AS 77/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.12.2007 werden zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
1
Die Beschwerden des Antragstellers, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat
(Beschluss vom 12.12.2007), sind zulässig aber nicht begründet.
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Zu Recht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
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Nach § 86b Abs.2 S.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Haupt-
sache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer
einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des
materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das
Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der
geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für
die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die
Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§§ 86b Abs.2 S.4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2
Zivilprozessordnung [ZPO] ). Können ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und
unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der
Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage aus, ist auf der Grundlage einer an
der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu
entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in
die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05- NVwZ
2005, 927). Auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben können die Voraussetzungen
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eines Anordnungsanspruches derzeit nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden.
Auch die Beschwerdebegründung rechtfertigt den Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung nicht. Soweit sich der Antragsteller weiterhin auf den Standpunkt stellt, es
sei davon auszugehen, dass er einen Folgeantrag gestellt habe, so übersieht er, dass
bisher weder die Absendung noch der Zugang eines solchen Antrages nachgewiesen
wurde. Allein die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers
bezüglich der Absendung des Antrages ist nicht geeignet, dem Gericht die erforderliche
Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Antrag auch wirksam gestellt worden ist.
Denn der Antragsteller konnte allenfalls versichern, dass er den Antrag abgeschickt hat,
naturgemäß aber nicht, dass der Antrag auch tatsächlich bei der Antragsgegnerin
eingegangen ist, denn er hat selbst eingeräumt, den Antrag nicht persönlich abgegeben
zu haben. Bei dieser Sachlage ist nicht nachvollziehbar, warum der anwaltlich
vertretene Antragsteller nach den wiederholten Hinweisen der Antragsgegnerin und des
Sozialgerichts auf das Fehlen eines Folgeantrages nicht unverzüglich einen Antrag
nachgereicht hat, zumal er bisher nicht einmal die Absendung eines Antrages durch
Vorlage eines geeigneten Beleges (Einschreiben etc) nachweisen konnte und sich auch
in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ein entsprechender Antrag nicht
befindet.
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Soweit sich der Antragsteller auf den Standpunkt stellt, ein Folgeantrag sei schon
deshalb nicht erforderlich, weil die Antragsgegnerin den Bewilligungszeitraum auf 6
Monate hätte ausdehnen müssen, so übersieht der Antragsteller, dass die Regelung des
Bewilligungszeitraumes von 6 Monaten in § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II als Sollvorschrift
konzipiert ist, also im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände hiervon
abgewichen werden kann. Solche Umstände liegen hier vor und diese rechtfertigen
auch wiederholte Hausbesuche. Denn es ist nicht nur ein anonymer Hinweis auf das
Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und
Frau X aktenkundig, sondern der zumindest zeitweise in der Wohnung des
Antragstellers lebende und nunmehr offenbar verstorbene Sohn von Frau X, T X, hatte
am 23.08.2005 bestätigt, dass beide im selben Doppelbett nächtigen und auch sonstige
Umstände benannt, die auf eine eheähnliche Lebensgemeinschaft schließen lassen. Da
er zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Wochen in der Wohnung des Antragstellers
gewohnt hatte, ist es unwahrscheinlich, dass die von ihm mitgeteilten Beobachtungen
auf Irrtümern beruhten.
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Zwar hat sich das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bei folgenden
Hausbesuchen nicht zweifelsfrei feststellen lassen. Dies könnte aber auch damit
zusammenhängen, dass der Antragsteller auf diese Besuche vorbereitet war. Dabei
durfte sich die Antragsgegnerin auch deshalb zu weiteren Hausbesuchen und einer
Verkürzung des Bewilligungszeitraumes veranlasst sehen, weil der Antragsteller eine
Besichtigung der Wohnung am 25.07.2007 untersagt hat.
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Schließlich hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 27.09.2007 (das auf dem
Bescheid vorhandene Datum 2009 stellt einen offensichtlichen Tippfehler dar) mit der
verkürzten Bewilligungsdauer gegenüber der Antragstellerin keine weiteren
Einwendungen erhoben, sondern sich hinsichtlich der Kritik an der Bewilligungsdauer
unmittelbar an das Gericht gewandt. Dabei ist dem Antragsteller zwar zuzugestehen,
dass der Bescheid mit einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. Da er
jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits anwaltlich vertreten war, muss davon ausgegangen
werden, dass dieser offensichtliche Fehler für die Bevollmächtigte des Antragstellers
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erkennbar war und sie nicht davon abhalten durfte, sich zunächst an die
Antragsgegnerin zu wenden.
Diese hat mehrfach erklärt, einen etwaigen Folgeantrag zu bearbeiten, wenn er denn
gestellt werde. Wenn sich der anwaltlich vertretene Antragsteller bei dieser Sachlage
auf den Standpunkt stellt, er brauche trotz des fehlenden Nachweises einer Absendung
und eines Zuganges seines Antrages keinen weiteren Antrag zu stellen, muss er damit
rechnen, dass sich die Bewilligung seiner Leistungen verzögert. Steht ihm aber mit der
Nachreichung eines Folgeantrages ein einfacheres Mittel zur Verfügung, die begehrte
Fortzahlung seiner Leistungen zu erreichen, kann sich der Antragsteller nicht
erfolgversprechend unmittelbar an das Gericht wenden. Erst wenn er wirksam einen
Folgeantrag gestellt hat, und dieser erfolglos geblieben ist, kann es gerechtfertigt sein,
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei den Sozialgerichten zu
stellen Dies wird der Antragsteller nunmehr unverzüglich nachzuholen haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Auch die Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe konnte keinen
Erfolg haben, weil dem Eilantrag von Anfang an die Erfolgsaussicht i.S.d. § 73a SGG, §
114 Abs. 1 S.1 ZPO fehlte. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 127 Abs. 4
ZPO.
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Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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