Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.05.2014

LSG Niedersachsen: unternehmen, unfallversicherung, veranlagung, kommunikation, öffentlich, glasindustrie, zahl, medien, erlass, anteil

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Unfallversicherung
SG Lüneburg 2. Kammer, Gerichtsbescheid vom 19.05.2014, S 2 U 54/11
Tenor
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Veranlagung zur Gefahrklasse.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin - eine GmbH - wurde am 08.11.1982 in
das Handelsregister beim Amtsgericht Lüneburg eingetragen (Bl. 4 der Akte
der Beklagten <= VA>). Gegenstand des Unternehmens sind
"Dienstleistungen in Bezug auf die Entwicklung von Programmiersystemen
Bescheid vom 08.02.1983
wurde die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Wirkung ab dem 01.12.1982 in
das Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen und ein
Mitgliedsschein übersandt (Bl. 8 VA). Im Jahr 2001 wurde die
Rechtsvorgängerin der Klägerin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im
Schreiben vom 08.10.2001 teilte sie der Beklagten die damit verbundenen
Änderungen mit und wies gleichzeitig darauf hin, dass durch den Wechsel der
Rechtsform die Besitzanteile und die Rechtsbeziehungen mit den
Unternehmen der Klägerin durch die Umfirmierung nicht verändert worden
seien.
Mit dem Bescheid vom 27.06.2007 wurde die Klägerin mit Wirkung ab dem
01.01.2007 zur Gefahrtarifstelle
04
0,33
VA). Gleichermaßen erfolgte die Veranlagung mit dem ab dem 01.01.2009
geltenden Gefahrtarif mit dem Bescheid vom 24.06.2009 (Bl. 14 VA) und mit
dem vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 geltenden Gefahrtarif mit dem
Bescheid vom 25.08.2010 (Bl. 16 VA).
Für die Zeit ab dem 01.01.2011 wurde der Gefahrtarif der Beklagten erneut
geändert. Dementsprechend wurde die Klägerin mit dem
Bescheid vom
03.11.2010
0,43
18 VA). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Abschluss der Fusion
der Beklagten mit der früheren BG Bahnen und der früheren BG der
keramischen und Glasindustrie ein gemeinsamer Gefahrtarif mit Tarifstellen
nach einheitlichen Kriterien gebildet worden sei. Mit einer grundlegenden
Revision aller Gefahrtarifstellen seien größere Gefahrengemeinschaften
entstanden und damit die Anzahl der Tarifstellen deutlich reduziert
worden.Dabei hätten die unterschiedlichen Ausgangssituationen der ehemalig
eigenständigen Berufsgenossenschaften bei der Unternehmensstruktur, der
Größe und bei den Grundlagen der Gefahrenklassenberechnung in Einklang
gebracht werden müssen.Durch die Fusionen sei der vorangehende
Gefahrtarif zuletzt auf 61 Stellen angewachsen. Der neue Gefahrtarif würde
demgegenüber nur noch 22 Gefahrtarifstellen umfassen, in denen die
Branchen mit einem ähnlichen Unfallrisiko zusammengefasst seien. Dadurch
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werde eine einheitliche und gerechtere Berechnungsgrundlage des Beitrags
ermöglicht. Außerdem seien die einzelnen Gefahrtarifstellen hinsichtlich der
Zahl der Unternehmen und Entgeltsummen größer geworden, so dass
Schwankungen besser ausgeglichen werden könnten. Dieses Ziel sei u. a.
auch dadurch erreicht worden, dass die bisherigen eigenen Gefahrtarifstellen
für den kaufmännischen Teil der Unternehmen entfallen seien. Die
nachgewiesenen Entgelt- und Versicherungssummen aus dem
kaufmännischen Teil dieser Unternehmen würden vielmehr dem jeweiligen
gewerblichen Unternehmensteil zugeordnet.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass
die Eingruppierung in die Gefahrklasse 0,43 eine Beitragserhöhung von ca. 30
% nach sich ziehen würde, ohne dass sich ihr Tätigkeitsbereich in irgendeiner
Weise verändert habe. Sie beantragte, weiterhin in der Gefahrklasse 0,33 zu
verbleiben (Bl. 20 VA). Mit dem Schreiben vom 17.02. 2011 erläuterte die
Beklagte der Klägerin ausführlich die Hintergründe und die Ausgestaltung des
neuen Gefahrtarifs und wies darauf hin, dass die Fortführung der Gefahrklasse
0,33 nicht möglich sei, weil der alte Gefahrtarif zum 31.12.2010 ausgelaufen
sei (Bl. 23 VA). Mit dem Schreiben vom 24.02.2011 rügte der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass die Beklagte nicht dargelegt habe,
wie die neue Gefahrklasse 0,43 gebildet worden sei. Der Widerspruch wurde
mit dem
Widerspruchsbescheid vom 31.03.2011
wurde ausgeführt, dass die Gefahrklasse nicht geschätzt, sondern
entsprechend der Formel
Neulast x 1.000
Belastungsziffer = ---------------------------------------------------
Arbeitsentgelt/Versicherungssummen
auf einer nachvollziehbaren, versicherungsmathematischen Grundlage
errechnet werde (Bl. 30 VA). Die Neulast würde dabei die
Entschädigungsleistungen für die Versicherungsfälle um-fassen, die im
Beobachtungszeitraum eingetreten seien. Wegen der Aktualität in Bezug auf
das Unfallgeschehen würde sich die Neulast für die Errechnung der
Gefahrtarifstellen am besten eignen. Im Beobachtungszeitraum sei
entsprechend dieser Formel der Entschädigungslast der Gefahrtarifstelle 03 i.
H. v. 32.067.813,86 € eine Summe an Arbeitsentgelten i. H. v.
73.802.629.761,00 € gegenübergestellt worden, so dass sich eine
Belastungsziffer i. H. v. 0,4345 – gerundet 0,43 – ergeben habe (Bl. 30 ff. VA).
Hiergegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigen am 28.04.2011
beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben und geltend gemacht,
dass die Beklagte das Zahlenmaterial, welches zur Berechnung der neuen
Belastungsziffer geführt habe, nicht öffentlich gemacht habe.Nachdem die
Beklagte der Klägerin die allgemeinen Berechnungsgrundlagen und das
Zahlenmaterial zur neuen Gefahrtarifstelle 03 zur Verfügung gestellt hatte,
führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom 18.01.2013
aus, dass der Gefahrtarif 2011 gegen § 157 Abs. 2, S. 1 SGB VII verstoßen
würde, weil danach nur Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken
zusammengefasst werden dürften. Im neuen Gefahrtarif würden hingegen die
Belastungsziffern verschiedener Gewerbezweige vom Tarifstellendurchschnitt
um bis zu 36,6 % nach unten und um bis zu 36,2 % nach oben abweichen. Es
sei nicht ersichtlich, dass sich die Gefährdungsrisiken eines Unternehmens der
alten Gefahrtarifstelle 04, d. h. eines Unternehmens für Informations- und
Kommunikationsdienstleistungen, und die-jenigen eines
Veranstaltungsunternehmens der alten Gefahrtarifstelle 29 ähneln bzw.
gleichen würden. Im Übrigen würde es bei Unternehmen der
Kommunikationsdienstleistungen und Veranstaltungsunternehmen an einer
technologischen Artverwandtschaft fehlen, so dass ein hinreichender Grund
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für die Ungleichbehandlung nicht zu erkennen sei. Daher würde auch ein
Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (= GG) vorliegen. Die Beklagte hält
demgegenüber ihren Gefahrtarif für rechtmäßig. Auf die Ausführungen im
Schriftsatz vom 28.02.2013 wird Bezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten über die Veranlagung zu den
Gefahrklassen ab dem 01.01.2011 vom 03.11.2010 und den
Widerspruchsbescheid vom 31.03.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten
zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig. Auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheids
wird Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend sei nur auf folgende
Gesichtspunkte hingewiesen:
Zunächst ist zu beachten, dass die Beklagte für die Zeit ab dem 01.01.2011
nicht an die vor-angegangeneTarifstellenbildung gebunden war.Der
vorangehende Gefahrtarif war von vorne-herein auf die die Zeit vom
01.01.2010 bis zum 31.12.2010 befristet, so dass sich der aufgrund des
Gefahrtarif für das Jahr 2010 erlassene Verwaltungsakt vom 25.08.2010 mit
Ablauf des Jahres 2010 durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 Alt. 4 SGB X;
vgl. BSG, Urt. v. 11.04.2013 – B 2 U 4/12 R, Nr. 22).
Rechtsgrundlage für den streitigen Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 S.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB VII), nach dem die
Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem
Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagen. Bei der Frage, ob eine Veranlagung
rechtmäßig ist, ist zunächst zu beachten,
dass die
Unfallversicherungsträger den Gefahrtarif als autonomes Recht
festsetzen
durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin überprüfbar, ob sie
mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, und mit
sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind. Den
Unfallversicherungsträgern ist als ihre Angelegenheiten selbst regelnden
öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Entscheidungs- und
Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten
gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen (BSG SozR 4-2700 § 157 Nr. 1, Rz.
12 m. w. N.). Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste
oder gerechteste Regelung trifft, ist demgegenüber nicht Aufgabe der Gerichte;
die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung
bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkten und die
daraus folgende Entscheidung obliegt vielmehr den
Unfallversicherungsträgern. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zum einen sog. Tätigkeitstarife,
zum anderen aber auch sog. Gewerbezweigtarife aufstellen können. Es ist
dabei von Gesetzes wegen nicht zu beanstanden, dass § 157 SGB VII davon
absieht, den Unfallversicherungsträgern vorzugeben, ob sie bei der
Festsetzung des Gefahrtarifs einen Tätigkeitstarif, einen Gewerbezweigtarif
oder eine Kombination von beiden zu wählen haben (Bereiter-Hahn/ Mehrtens,
Kommentar zu gesetzlichen Unfallversicherung, § 157, Rz. 4 unter Bezug auf
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BVerfG SozR 4-2700 § 157 Nr. 3).
Bei Anwendung der o. g. Kriterien liegt hier weder ein Verstoß gegen § 157
SGB VII noch Art. 3 GG vor. Innerhalb des aufgezeigten Rahmens hat sich die
Beklagte für die Zeit ab dem 01.01.2011 für einen
Gewerbezweigtarif
entschieden. Differenzierungskriterium ist dabei allein die Art und der
Gegenstand des Unternehmens, in denen Beschäftigte tätig werden, nicht
hingegen die konkreten, in dem betreffenden Betrieb ausgeübten Tätigkeiten
innerhalb des Gewerbezweigtarifs. Die Beklagte hat außerdem aufgrund der
Fusionen mit der ehemaligen BG Bahnen und BG der keramischen und
Glasindustrie zum 01.01.2011 die Gefahrklassen neu strukturiert und teilweise
zusammengefasst, wobei aus den bisherigen 61 Tarifsstellen nunmehr 22
geworden sind. Hierdurch wird die Beitragsberechnung nicht nur
übersichtlicher und praktikabler, sondern auch eine einheitlichere
Berechnungsgrundlage des Beitrags ermöglicht. Außerdem wurden die
einzelnen Gefahrtarifstellen hinsichtlich der Zahl der Unternehmen und
Entgeltsummen größer, so dass Schwankungen besser ausgeglichen werden
können. Alleine hieraus ergibt sich schon ein sachlicher Grund für die
Neugestaltung des Gefahrtarifs ab dem Jahr 2011.
Da innerhalb eines gewerbezweigorientierten Gefahrtarifs die
Gefährdungsrisiken durch die hergestellten Erzeugnisse, die
Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen,
sonstigen Betriebseinrichtungen und die Arbeitsumgebung geprägt werden,
setzt nach der Rechtsprechung des BSG die Zusammenfassung der
Unternehmen in einer Tarifstelle voraus, dass zwischen diesen strukturelle,
technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten bestehen (BSG, Urt. v.
11.04.2013 – B 2 U 4/12 R, Nr. 28). Dies ist hier der Fall, da in die neue
Gefahrtarifstelle 03 (= Information, Kommunikation, Medien) Unternehmen
eingeordnet wurden, die sich im weiteren Sinne mit Kommunikation, d. h. dem
Austausch und der Übertragung von Information, befassen. Hierunter lassen
sich zwanglos auch Unternehmen der Forschung (alte Gefahrtarifstelle 12)
aber auch Veranstaltungsunternehmen (alte Gefahrtarifstelle 29) einordnen, da
der Kommunikations- und Informationsbereich zum Kernstück derartiger
Unternehmen gehört und für ein erfolgreiches Geschäftsmodell innerhalb
dieser Branchen unerlässlich ist. Bei den Veranstaltungsunternehmen gilt dies
außerdem im verstärkten Maße auch für deren mediale Präsenz.
Weiterhin dürfen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall,
dass Unternehmen aus verschiedenen Gewerbezweigen in einer Tarifstelle
zusammengefasst werden, die Belastungsziffern nicht auffällig von der
durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Der Grad der
noch unschädlichen Abweichung hängt dabei allerdings auch von der Größe
der einzelnen Gewerbezweige ab. Dabei hat das BSG eine Differenz des
Gefährdungs-risikos zwischen dem betroffenen Gewerbezweig und dem
Durchschnitt der Gefahrengemeinschaft von einem Drittel (= 33,3 %)
grundsätzlich für zulässig erachtet (BSG, Urt. v. 11.04. 2013 – B 2 U 4/12 R,
Nr. 40). Im vorliegenden Fall hat die rechnerische Belastungsziffer für die vor
dem Jahr 2011 bestehende Gefahrtarifstelle „Unternehmen für Informations-
und Kommunikationsdienstleistungen“, zu der die Klägerin bis 2010 veranlagt
war und zu der sie ohne die Neuordnung zu veranlagen gewesen wäre, in
dem dem Gefahrtarif 2011 zugrundeliegenden Beobachtungszeitraum (= 2006
– 2008) 0,35 betragen. Die Abweichung dieser rechnerischen Belastungsziffer
von der neuen Gefahrklasse 04 mit der Belastungsziffer 0,43 beträgt somit nur
22,6 % und bewegt sich damit noch in dem vom BSG für zulässig erachteten
Rahmen. Dabei kann die Klägerin nicht geltend machen, dass die ehemalige
Unternehmensart „Veranstaltungsunternehmen“ mit einer Belastungsziffer von
1,68 nicht der neuen Gefahrtarifstelle 03 hätte zugeordnet werden dürfen. Die
Beklagte hat vielmehr schlüssig dargelegt, dass es sich hierbei um die kleinste
Unternehmensart der neuen Gefahrtarifstelle 03 handelt, deren Anteil an den
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Entschädigungsleistungen nur 7 % und hinsichtlich der Entgelte sogar nur 2 %
beträgt. Sofern die ehemalige Unternehmensart „Veranstaltungsunternehmen“
nicht in die neue Gefahrtarifstelle 03 integriert worden wäre, hätte deren
Belastungsziffer bei 0,41 gelegen. Die geringe Anhebung der Gefahrtarifstelle
03 um 0,02 auf 0,43 liegt daher ebenfalls noch im zu tolerierenden Bereich.
Die streitige Regelung des Gefahrtarifs verletzt auch nicht den Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1GG. Da die Regelungen des Gefahrtarifs nicht an persönliche
Eigenschaften der Unter-nehmer anknüpfen, sondern an der Art des
Unternehmensgegenstands, sind die Gliederungen im Gefahrtarif der
Beklagten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüfbar, ob
der Satzungsgeber sich in den Grenzen einer zulässigen, den Bedürfnissen
einer Massenverwaltung genügenden Typisierung gehalten hat. Für die
Bildung der Gefahrtarifstelle 03 im Gefahrtarif 2011 sind sachfremde oder
willkürliche Erwägungen nicht erkennbar. Der Gefahrtarif wählt vielmehr eine
an Sachkriterien orientierte und seit langem anerkannte Anknüpfung, indem er
sich in dem hier streitigen Teil nach Gewerbezweigen gliedert. Die Beklagte
hat dabei eine gem. Art. 3 Abs. 1 GG zulässige Typisierung getroffen, als sie -
wie bereits ausgeführt - bei Erlass des Gefahrtarifs davon ausging, dass
Unternehmen im Informations-, Kommunikations- und Medienbereich ähnliche
Risiken für den Eintritt von Versicherungsfällen und vergleichbare
Präventionserfordernisse haben. Dabei ist es auch zulässig, dass alle
gewerbezugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher
Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne
von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden, als es ihrem tatsächlichen
Gefährdungsrisiko entsprechen würde.
Das zuständige Organ der Beklagten durfte bei der Normsetzung auch
berücksichtigen, dass es dem Willen des Gesetzgebers des SGB VII
entspricht (vgl. Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung
UVMG vom 30.10.2008, BGBl I 2130), die Vielzahl früher getrennt bestehender
Solidargemeinschaften, wie sie sich in Form einer größeren Anzahl von
Berufsgenossenschaften unterschiedlicher Größen, Betriebszahlen und
Anzahlen von Versicherten herausgebildet hatten, langfristig zu nur noch neun
Unfallversicherungsträgern zusammenzufassen, um die Unterschiede in den
Beiträgen der Berufsgenossenschaften deutlich zu reduzieren (vgl. BT Drucks
16/9154, S 1; zu den Auswirkungen der Fusionen von
Berufsgenossenschaften auf die Beitragsbelastung vgl. Rothe, DGUV-Forum
5/2009, 18 ff; Spellbrink, BPuVZ 2012, 88). Damit entspricht es gerade dem
Willen des Gesetzgebers, größere Solidargemeinschaften zu bilden, die einen
geringeren Lastenausgleich erfordern und deren Beitragsbelastung sich
einander angleicht. Von diesen Zielvorgaben ausgehend ist es auch
sachgerecht, innerhalb der größer organisierten Solidargemeinschaften bei der
Bildung von Gefahrengemeinschaften für den Gefahrtarif eine
Zusammenfassung zu größeren Gruppen von Gewerbezweigen anzustreben
und nicht für jeden früher getrennt geführten Gewerbezweig weiterhin eine
eigene Gefahrtarifstelle anzubieten (so: BSG, Urt. v. 11.04.2013 – B 2 U 4/12
R, Nr. 51d - 56, m. w. N.). Zudem ist der Solidarausgleich innerhalb des
gesamten Systems der gewerblichen Berufsgenossenschaften auf den
verschiedenen Ebenen ein stets zu beachtendes Strukturelement, der vom
Ausgleich innerhalb der Gefahrtarifstellen bis zum Ausgleich zwischen den
Berufsgenossenschaften reicht (vgl. BSG, Urt. v. 07.05.2005 - B 2 U 32/03 R).
Die von der Beklagten bei der Ermittlung des Gefahrtarifs verwendeten Formel
hat ihre Grundlage in § 157 Abs. 3 SGB VII, die Formel für die Berechnung des
Beitrags in § 153 SGB VII (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Kommentar zum SGB
VII, § 157, Rz. 91 ff.).
Sofern die Prozessbevollmächtigten anfänglich das von der Beklagten
verwendete Zahlenmaterial hinterfragt haben, ergeben sich aus Sicht der
Kammer keine konkreten Hinweise für dessen Unrichtigkeit. Dieser Ansatz
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wurde von der Klägerseite offenbar auch nicht weiterverfolgt. Es wird aber
darauf hingewiesen, dass der Amtsermittlungsgrundsatz nicht schrankenlos
gilt, da für das Sozialgericht keine Verpflichtung besteht, Ermittlungen ins
Blaue hinein durchzuführen (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 29/04 R).
Die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 103 SGG) bedeutet
nicht, dass die Gerichte auf bloße von einem Beteiligten geäußerte allgemeine
Zweifel hin in Ermittlungen eintreten müssten; eine Überprüfung ist nur insoweit
erforderlich, als substantiierte Einwände erhoben worden sind (vgl. BVerwGE
116, 188, 197). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte für die
Bildung der Gefahrtarifstellen den Unternehmern gegenüber auch nicht
darlegungs- und nachweispflichtig ist. Die Bildung des Gefahrtarifs ist eine
Maßnahme untergesetzlicher Normsetzung, die zwar einer
Ermächtigungsgrundlage bedarf, für deren einzelne Regelungen der
Normgeber dem Normunterworfenen aber nicht im Einzelnen
begründungspflichtig ist. Insofern besteht eine Beweislast der Beklagten für die
Zweckmäßigkeit und Sachgerechtigkeit einer getroffenen Satzungsregelung
nicht (BSG, Urt. v. 11.04.2013 – B 2 U 4/12 R, Nr. 39, m. w. N.).
Der Rechtsstreit konnte im Wege des Gerichtsbescheids entschieden werden,
da der Sachverhalt, soweit er für die Entscheidung von Bedeutung ist, geklärt
ist und die Beteiligten hierzu gehört wurden.Die Sache weist auch weder in
rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf, da
bei einem unstreitigen Sachverhalt innerhalb eines von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung bereits abgesteckten Rahmens nur zu klären war, ob die
Klägerin unter die Gefahrtarifstelle 03 des Gefahrtarifs der Beklagten zu
subsumieren war und diese Gefahrtarifstelle unter Berücksichtigung des
weiteren Ermessensspielraums im Rahmen der Satzungsautonomie
ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Die Beteiligten haben sich mit dieser
Entscheidungsform auch einverstanden erklärt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1, § 183 SGG und § 154
Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wurde in einem gesonderten Beschluss
festgesetzt.