Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.08.2001

LSG Nsb: schiedsstelle, vergütung, neubau, grundsatz der gleichbehandlung, schiedsverfahren, materielles recht, patient, schiedsspruch, folgekosten, unverzüglich

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 22.08.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 2 Kr 99/96
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 187/98
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im
Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches betreffend die Höhe der Fallpauschale für
ambulante sozialpädiatrische Behandlungen ab 1. Januar 1996.
Die Klägerin betreibt ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ). Es ist im Stadtkrankenhaus Wolfsburg als ärztlich
geleitete Einrichtung zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von behinderten und von Behinderung bedrohten
Kindern auf Überweisung durch Vertragsärzte ermächtigt. Nachdem das SPZ ursprünglich vollständig in der
Kinderklinik des Stadtkrankenhauses untergebracht gewesen war, wurden Teile des Zentrums in das Gesundheitsamt,
andere Teile in die Räume zweier Schulen verlegt. Im Jahre 1992 informierte die Klägerin die Volkswagen-
Betriebskrankenkasse (federführend für die gesetzlichen Krankenkassen in Wolfsburg) über ihre Pläne zur Errichtung
eines Neubaues. Der Neubau wurde komplett durch Kreditaufnahme fremdfinanziert. Er ist am 1. April 1996 in Betrieb
genommen worden.
Im Frühjahr 1995 stellte die Klägerin bei der beklagten Schiedsstelle den Antrag, die von den Beigeladenen zu 1) bis
zu 7) zu zahlende Vergütung für die ambulante sozialpädiatrische Behandlung für das Jahr 1995 festzusetzen, und
zwar auf 812,41 DM je Patient und Quartal. Denn bislang sei das SPZ zum Teil von den Krankenkassen und zum Teil
von den Sozialhilfeträgern finanziert worden. Letztere würden sich mit Hinweis auf die geänderte Gesetzeslage nun
jedoch weigern, noch Kosten des SPZ zu übernehmen. Mit Beschluss vom 7. Juni 1995 setzte die Beklagte die
Vergütung für die ambulante sozialpädiatrische Behandlung ab 1. Januar 1995 auf je 784,74 DM pro Patient und
Quartal bei insgesamt 2550 Fällen und Gesamtkosten in 1995 von 2.001.099,00 DM fest.
Mit Schreiben vom 6. März 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die von den Beigeladenen zu 1) bis 7) zu
zahlende Vergütung für die Zeit ab 1. Januar 1996 auf 909,37 DM je Patient und Quartal zu erhöhen. Zur Begründung
führte sie aus: Die räumliche Zergliederung des SPZ sei nicht nur für Patienten und Personal unbefriedigend, sondern
auch ineffektiv gewesen. Diese Unwirtschaftlichkeit hätten alle Beteiligten beseitigen wollen. Deshalb habe man sich
in 1992 auf die Errichtung eines Neubaues geeinigt. Mit dem Einvernehmen über das Raumprogramm im Detail sei die
grundsätzliche Bereitschaft der Krankenkassen zur Übernahme der Folgekosten verbunden gewesen. Ein erster
Verhandlungstermin zum Budget 1996 einschließlich der Übernahme der Folgekosten des Neubaues habe zwischen
ihr – der Klägerin – und den Beigeladenen zu 1) bis zu 7) am 12. Februar 1996 stattgefunden. Hier hätten die
Kostenträger erneut ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, Folgekosten zu übernehmen; streitig sei lediglich deren
Höhe gewesen. Ein zweiter Verhandlungstermin sei kurzfristig von den Landesverbänden abgesagt, ein weiterer
Termin nicht mehr angeboten worden.
Nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 1) bis zu 7) haben sie in der Vergütungsverhandlung am 12. Februar 1996
unmissverständlich erklärt, dass der Grundsatz der Beitragsstabilität auch für die Klägerin gelte. Die Erhöhung der
Vergütung um 15,88 vH erlaube nicht die Schlussfolgerung, dass das SPZ in dem Neubau nun wirtschaftlicher
arbeite. Die Berücksichtigung kalkulatorischer Abschreibungen, Betriebsmittelkreditzinsen (Mietkosten), zusätzlicher
Benutzer-und Personalkosten in Höhe von insgesamt 317.808,50 DM verstoße gegen den Grundsatz der
Beitragsstabilität. Im Übrigen seien Mietkosten auch in den Vorjahren schon berücksichtigt worden. Hinsichtlich der
Erhöhung der Personalkosten zeige die den Kassen vorliegende Leistungsübersicht, dass die direkten Leistungen am
Kind seit 1993 rückläufig seien. Vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit anderer Zentren mit vergleichbaren oder
geringeren Personalansätzen sei eine Anerkennung der von der Klägerin angestrebten Vergütungsregelung
ausgeschlossen.
Mit Beschluss vom 14. Mai 1996 setzte die Beklagte die Vergütung für ambulante sozialpädiatrische Behandlung für
die Zeit ab 1. Januar 1996 je Patient und Quartal auf 784,74 DM fest. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Die
Vergütung des SPZ richte sich insbesondere nach §§ 12, 71, 120, 141 Abs 2 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V). Von
ausschlaggebender Bedeutung sei das Gebot der wirtschaftlichen Betriebsführung. Die vom SPZ für das Jahr 1996
geltend gemachte Kostensteigerung sei sehr hoch. Es habe für Ärzte und Therapie Räume in der Kinderklinik, dem
Gesundheitsamt und zwei Schulen genutzt. Der Neubau sei konzipiert worden, um die Arbeit des SPZ effektiver und
wirtschaftlicher zu gestalten. Das SPZ habe nicht hinreichend dargelegt, dass und weshalb es nicht wirtschaftlicher
arbeiten könne. Es erwarte zwar eine Fallzahlsteigerung (die von den Antragsgegnern bestritten werde), prognostiziere
aber dennoch Kosten pro Fall und Quartal, die erheblich über den bisherigen Kosten lägen. Mit Recht wiesen die
Krankenkassen darauf hin, dass die Aufwendungen für Schreib-, Verwaltungs- und Organisationsarbeiten die größte
Steigerungsrate (fast 50 %) hätten. Diese Position allein erkläre die Kostensteigerung allerdings nicht. Sie deute aber
auf mangelnde Wirtschaftlichkeit hin. Die Beklagte könne nicht erkennen, weshalb das mit dem Neubau verfolgte Ziel,
effektiver und wirtschaftlicher zu arbeiten, nicht erreichbar sein solle. Aus diesem Grunde müsse es bei der im Vorjahr
festgesetzten Fallpauschale bleiben.
Gegen diesen frühestens am 23. Mai 1996 (siehe Stempel der Schiedsstelle auf dem Original des Beschlusses vom
14. Mai 1996) abgesandten Beschluss hat die Klägerin am 25. Juni 1996 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover
erhoben. Sie hat beantragt, die Fallpauschale je Patient und Quartal bei Gesamtkosten von 2.218.339,00 DM und
angenommenen 2700 Fällen auf 821,61 DM festzusetzen. Die überproportionale Erhöhung des Budget erkläre sich
ausschließlich durch den Neubau für das SPZ. Es handele sich im Einzelnen um folgende Positionen: 1. Wasser,
Energie, Kanal, 2. Fremdreinigung, 3. Instandhaltung Gesamt und 4. Mietkosten/Gebäudekosten. Lasse man diese
Folgekosten des Neubaues außer Betracht, dann sei das Gesamtbudget von 2.001.099,00 DM im Jahre 1995 auf
2.010.311,00 DM im Jahre 1996 gestiegen. Das entspreche einem Prozentsatz von 0,5 %. Die
Meinungsverschiedenheiten mit den Beigeladenen zu 1) bis zu 7) beträfen daher im Ergebnis nur die Frage, ob die
Klägerin die Folgekosten des Neubaues im Budget geltend machen dürfe. Der Forderung der Beigeladenen zu 1) bis
zu 7), mit dem Neubau müssten nicht nur die Raumprobleme gelöst, sondern auch die Effektivität der Arbeit
gesteigert werden, habe das SPZ erfüllt. Offenbar habe sie – die Klägerin – vor der Schiedsstelle den Sachverhalt in
dieser Hinsicht nicht deutlich genug herausgearbeitet. Denn es heiße in dem angefochtenen Beschluss, dass das
SPZ die Effektivitätssteigerung "nicht hinreichend dargelegt habe". Das wolle sie nun nachholen.
Mit Urteil vom 28. Juli 1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Rechtsweg zu den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit sei nach § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Zuständig für die
Entscheidung sei das SG Hannover (§ 57a Alternative 4 SGG). Die Schiedsstelle sei beteiligtenfähig (§§ 69 Nr 2, 70
Nr 2 SGG). Bei dem angefochtenen Beschluss handele es sich um einen anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 54 Abs 1
Satz 1 SGG). Eines gesonderten Vorverfahrens habe es nicht bedurft. Ein prozessualer Anspruch auf eine bestimmte
Vergütungsfestsetzung durch das Gericht bestehe nicht. Denn nach dem Gesetz sei die Festsetzung einer Vergütung
der Selbstverwaltungskompetenz der Vertragspartner bzw den Schiedsstellen überlassen. Demgemäß sei die
Entscheidung der Schiedsstelle gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar; der Schiedsstelle komme bei ihrer
Entscheidung nach § 120 Abs 2 SGB V ein Beurteilungsspielraum zu. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien –
auch vor dem Grundsatz der Gewaltenteilung – nicht befugt, in den Entscheidungsspielraum der Schiedsstelle
einzugreifen und gerichtliches Ermessen an die Stelle von Verwaltungsermessen zu setzen. Für das Vorliegen des
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung lägen keine Anhaltspunkte vor. Der angefochtene Schiedsspruch
sei nicht rechtswidrig, sondern entspreche § 120 Abs 2, 3 und 4 SGB V. Anders als in 1995 habe die Beklagte ab 1.
Januar 1996 keine Begrenzung der Vergütung nach Fallzahlen bzw Gesamtkosten (Gesamtbudget) ausgesprochen.
Vor diesem Hintergrund sei es der Klägerin unbenommen gewesen, die Fallzahl auf die beantragten 2700 Fälle zu
erhöhen. Dadurch habe die Beklagte dem im Schiedsstellenverfahren geltend gemachten Mehraufwand (bezogen auf
den Neubau) Rechnung getragen, die mit dem Neubau erwarteten Synergieeffekte gewürdigt und das mit dem Neubau
verfolgte Ziel der Wirtschaftlichkeit zu Gunsten der Klägerin gewürdigt. Die von der Klägerin vorgelegten
Veränderungsdaten seien somit durch die erhöhte Fallzahl kompensiert. Soweit die Klägerin einen Vergleich mit
anderen sozialpädiatrischen Einrichtungen, insbesondere dem SPZ Hannover, fordere, sei nicht erkennbar, dass die
Beklagte andere Vergütungsvereinbarungen als Indiz für ihre Entscheidung herangezogen habe.
Gegen das ihr am 22. August 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. September 1998 Berufung eingelegt. Sie
hält das angefochtene Urteil für unrichtig. Das SG habe sich nicht auf einen Beurteilungsspielraum der Beklagten
berufen dürfen. Denn eine Reihe von entscheidungserheblichen Fakten seien der Beklagten unbekannt gewesen, weil
sie erst im Sozialgerichtsverfahren vorgetragen worden seien. Sie seien nachweislich nicht Gegenstand des
Schiedsverfahrens gewesen und hätten also auch durch die Beklagte nicht "beurteilt" werden können. So sei der
Beklagten unbekannt gewesen, dass die bis dahin genutzten Räume dem SPZ nicht mehr zur Verfügung gestanden
hätten. Dadurch habe bei der Beklagten der unzutreffende Eindruck entstehen können, der Neubau sei nur geschaffen
worden, "um die gegebene Unwirtschaftlichkeit zu beseitigen". Hinzu komme, dass sie – die Klägerin – im
Schiedsverfahren keine Fakten vorgetragen habe, aus denen die tatsächlich erreichte Effektivitätssteigerung
ersichtlich geworden sei. Dem SG hätte auffallen müssen, dass die Beigeladenen zu 1) bis zu 7) die Antwort schuldig
geblieben seien, weshalb sie als Kostenträger einem Neubau zwar zustimmten, ihn jedoch gleichwohl nicht für
notwendig hielten. Bei dem Sachverhalt, wie er sich der Beklagten dargestellt habe, habe es zwar keinen Anlass
gegeben, sich mit der marktbeherrschenden Stellung der Beigeladenen zu 1) bis zu 7) auseinander zu setzen. Ganz
anders aber sei die Situation bei dem Sachverhalt gewesen, der dem SG zur Entscheidung vorgelegen habe. Die
Begründung des erstinstanzlichen Urteils enthalte eine Fülle von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, von
Denk- und Rechenfehlern, von Verstößen gegen Verfahrensrecht und materielles Recht. Das Urteil verstoße
außerdem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Klägerin mit anderen sozialpädiatrischen Zentren in
Niedersachsen. Im Übrigen beschränke sich der Rechtsstreit nur formell auf ein Budgetjahr. Da jedes Budget zugleich
die Basis für das Budget des Folgejahres sei, habe das Verfahren entscheidende Bedeutung auch für Jahre nach
1996.
Nach Übersendung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 18/00 R – und – B 3
P 19/00 R – rügt die Klägerin eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte. Ihr Hinweis im
Schiedsspruch, sie könne nicht erkennen, weshalb das mit dem Neubau verfolgte Ziel einer effektiveren und
wirtschaftlicheren Arbeit nicht erreichbar sein solle, reiche nicht aus. Vielmehr hätte sie den Sachverhalt weiter
aufklären und sich dann im Einzelnen damit auseinandersetzen müssen. Hätte die Beklagte dieser Pflicht
entsprochen, so hätte sie festgestellt, dass sich einige Budgetansätze nur durch den Neubau überproportional
verändert hätten und sich die Synergieeffekte erst im Laufe der Zeit kostenmäßig niederschlagen könnten. Insgesamt
fehle dem Schiedsspruch eine Begründung, die von den Beteiligten und den Gerichten auf Nachvollziehbarkeit unter
Beachtung der allgemeinen Beweisgrundsätze einschließlich der Denkenssätze überprüft werden könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 28. Juli 1998 und den Beschluss der Beklagten von 14. Mai 1996 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 3), 5) und 6) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2), 4), 7) und 8) haben keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. In ihm sei der Sachverhalt so wiedergegeben, wie er
sich den Mitgliedern der Schiedsstelle dargeboten habe. Soweit die Klägerin im Gerichtsverfahren neue Tatsachen
vorgetragen habe, gelte sinngemäß § 18 Abs 4 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Danach habe die
Schiedsstelle die Pflegesätze unverzüglich festzusetzen. § 19 Abs 2 Bundespflegesatzverordnung (BPfV)
konkretisiere diese Verpflichtung dahin, dass die Schiedsstelle binnen sechs Wochen zu entscheiden habe. Auch
wenn diese Vorschriften im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anzuwenden seien, müsse der in ihnen zum Ausdruck
kommende Rechtsgrundsatz doch jedenfalls im Wege der Rechtsanalogie auch hier gelten. Das Nachschieben von
Gründen sei mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar und daher unzulässig. Die Klägerin habe im
Schiedsverfahren weder durch Vorlage ihrer Kalkulation noch in anderer Weise dargelegt, weshalb ein wirtschaftliches
Arbeiten nicht erreichbar gewesen sei. Die Stellungnahme der Krankenkassen im Schiedsverfahren enthalte
demgegenüber wesentlich mehr Substanz. Angesichts des Schweigens der Klägerin habe die Schiedsstelle davon
ausgehen müssen, dass die Klägerin ihren Antrag nicht näher habe begründen können. Schon deshalb sei für weitere
Ermittlungen kein Raum gewesen. Außerdem hätten weitere Ermittlungen das Verfahren in unzulässiger Weise
verzögert. Durch die Urteile des BSG vom 14. Dezember 2000 werde die Rechtsansicht der Beklagten bestätigt. Das
BSG habe insbesondere keine Ermittlungen ins Blaue hinein gefordert.
Die Beigeladenen zu 1), 3), 5) bis 7) halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie weisen darauf hin, dass
angesichts des Vortrages der Klägerin im Schiedsverfahren keine Ermittlungspflicht der Beklagten bestanden habe.
Die Beigeladenen zu 2), 4) und 8), haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Mit den Beteiligten hat am 27. Februar 2001 ein Erörterungstermin vor der Vorsitzenden stattgefunden.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind mit den Prozessakten der ersten und zweiten Instanz
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der
Beteiligten wird auf diese Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich noch die Aufhebung des Schiedsspruchs der Beklagten vom
4. Mai 1996. Hierauf beschränkt sich der Berufungsantrag der Klägerin. Demgegenüber hatte sie vor dem SG
außerdem die Anträge gestellt, die Fallpauschale je Patient und Quartal bei Gesamtkosten von 2.218.339,00 DM und
angenommenen 2700 Fällen auf 821,61 DM festzusetzen und hilfsweise, die Beklagte zur Neubescheidung unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Diese beiden Anträge hat die Klägerin im
Berufungsverfahren nicht mehr gestellt. Hierin liegt eine teilweise Klagerücknahme nach § 102 Satz 1 SGG iVm § 2
SGG, § 269 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Klage ist zulässig.
Gemäß § 98 SGG iVm § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hat der Senat nicht zu prüfen, ob der
beschrittene Rechtsweg zulässig ist und ob das SG das örtlich zuständige Gericht zur Entscheidung des Verfahrens
gewesen ist. Der Senat weist gleichwohl daraufhin, dass das SG zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGG bejaht hat. Denn die beklagte Schiedsstelle ist gemäß §
120 Abs 4 SGB V iVm § 18a Abs 1 KHG ein gemeinsames Gremium im Sinne des § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGG. Das
SG Hannover war auch örtlich zur Entscheidung zuständig, vgl § 57a Alternative 4 SGG.
Gegen die Beteiligtenfähigkeit der Beklagten nach § 70 Nr 4 SGG bestehen keine Bedenken (vgl Meyer-Ladewig,
SGG, 6. Auflage, § 70 Rdnr 5).
Mit ihrem Antrag, den Beschluss der Beklagten vom 4. Mai 1996 aufzuheben, hat die Klägerin eine zulässige
Anfechtungsklage erhoben. Denn nach allgemeiner Rechtsauffassung ist der Schiedsspruch einer Schiedsstelle nach
§ 120 Abs 4 SGB V iVm § 18a Abs 1 KHG ein Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Sozialgesetzbuch (vgl; LSG
Baden-Württemberg, Urteil vom 22. März 1996 – L 4 Kr 2129/94 – in E-LSG Kr–098; Krauskopf, Soziale
Krankenversicherung, Stand: Januar 2001, § 120 Rdnr 7).
Die Klage ist nicht begründet. Der Beschluss vom 4. Mai 1996 ist rechtmäßig.
Nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V wird die Vergütung der sozialpädiatrischen Zentren von den Landesverbänden der
Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam mit den Krankenhäusern oder den sie vertretenden
Vereinigungen im Land vereinbart. Satz 3 des § 120 Abs 2 SGB V bestimmt, dass die Vergütung die
Leistungsfähigkeit der Zentren bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten muss. Kommt eine Vereinigung nach
§ 120 Abs 2 Satz 2 SGB V ganz oder teilweise nicht zustande, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Abs 1 KHG auf
Antrag einer Vertragspartei die Vergütung fest (§ 120 Abs 4 SGB V). Auch bei den Vergütungsregelungen für
sozialpädiatrische Zentren gilt der Grundsatz der Beitragsstabilität. Nach § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V haben die
Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vereinbarungen über Vergütungen so zu
gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische
Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu
gewährleisten. Diese gesetzlichen Vorgaben gelten für die vertraglichen Vereinbarungen der gemeinsamen Gremien
ebenso wie für den Schiedsspruch, der sie ersetzt.
Nach herrschender Rechtsprechung wird für den gerichtlichen Prüfungsmaßstab eines Schiedsspruches von einer
eingeschränkten Kontrolldichte ausgegangen. Denn der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen
Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Mit der paritätischen Zusammensetzung (§
18a Abs 2 KHG), dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§ 18a Abs 3 KHG) will der Gesetzgeber
die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer
Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter
aufweist (so zur Schiedsstelle für die Vergütungen stationärer Pflegeleistungen: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000
– B 3 P 19/00 R -, noch nicht veröffentlicht). Bei Berücksichtigung dieses Entscheidungsspielraums sind durch das
Gericht ausschließlich die Fragen zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter
Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgte, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes
Gesetzesrecht beachtet worden ist (BSG, aaO). Das setzt voraus, dass die gefundene Abwägung hinreichend
begründet worden ist. Daraus folgt aber auch, dass den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit – nicht zuletzt nach dem
Grundsatz der Gewaltenteilung – eine Festlegung der angemessenen Vergütung grundsätzlich verwehrt ist (BSG,
Urteil vom 24. Januar 1990 – 3 RK 11/88 – in SozR 3-2200 § 376d Nr 1).
Der Beschluss der Beklagten vom 4. Mai 1996 entspricht zwingendem Gesetzesrecht. Nach § 120 Abs 2 Satz 3 SGB
V muss die Vergütungsregelung die Leistungsfähigkeit der Zentren bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten.
Bei der Beurteilung der zu sichernden Leistungsfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist insbesondere diejenige
Leistungsfähigkeit gemeint, die sich an den Ansprüchen der Versicherten auf ausreichende, zweckmäßige,
wirtschaftliche, das Maß des Notwendigen nicht übersteigenden Leistungen im Sinne von § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V
orientiert (vgl LSG Baden-Württemberg, aaO). Die Beklagte ist in ihrem Beschluss vom 4. Mai 1996 stillschweigend
davon ausgegangen, dass die Leistungen der Klägerin den Voraussetzungen des § 12 Abs 1 Satz 1 SGB V
entsprechen. Da dies von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt worden ist, bedurfte es insofern keiner weiteren
Ausführungen der Beklagten. Ebenfalls stillschweigend ist die Beklagte von dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität
bei Vergütungsvereinbarungen ausgegangen. Das ergibt sich aus der Festsetzung der Vergütung je Patient und
Quartal auf 784,74 DM. Diese Fallpauschale entspricht der bereits für das Jahr 1995 durch die Beklagte mit
Beschluss vom 7. Juni 1995 festgesetzten Fallpauschale.
Der Rechtsstreit wird - wie die Klägerin in ihrer Klagebegründung vom 6. August 1996 ausdrücklich betont - daher
lediglich um die Frage geführt, ob der Beschluss deshalb rechtsfehlerhaft ist, weil es die Beklagte versäumt hat, sich
bei Festsetzung der Fallpauschale mit den Folgekosten des Neubaues auseinander zu setzen. Das ist nicht der Fall.
Im Schiedsverfahren nach § 120 Abs 4 SGB V iVm § 18a Abs 1 KHG gilt nicht der Grundsatz der Amtsermittlung,
sondern die Beibringungspflicht. Eine Schiedsstelle ist nicht verpflichtet, sich von Amts wegen sämtliche Unterlagen
zu beschaffen, die für ihre Entscheidung erforderlich sein könnten. Denn Aufgabe der Schiedsstelle ist es, einen
Interessensausgleich zwischen Selbstverwaltungskörperschaften zu finden. Ihre Entscheidung ersetzt die mangelnde
Einigung zweier gleichgeordneter Vertragspartner, die im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften über den
Vertragsgegenstand verfügen können und einen Verhandlungsspielraum haben. Diese – in den Grenzen des Gesetzes
bestehende – Vertragsfreiheit wird durch die Anrufung der Schiedsstelle nicht verkürzt oder gar beseitigt. Auch das
Verfahren vor der Schiedsstelle wird entscheidend durch die Vertragspartner geprägt. Ihre Verfügungsbefugnis über
den Vertragsgegenstand beinhaltet das Recht, ihren Vortrag im Schiedsverfahren auf das zu beschränken, was
Gegenstand der Entscheidung der Schiedsstelle sein soll und hierfür aus ihrer Sicht wichtig und
entscheidungserheblich ist. Daraus folgt jedoch zwingend ihre Beibringungspflicht. In ihrem eigenen Interesse haben
sie ohne weitere Aufforderung seitens der Schiedsstelle vollständig vorzutragen und sämtliche Unterlagen zur
Verfügung zu stellen, die sie für die Entscheidung der Schiedsstelle für notwendig halten. Sie allein sind hierzu auch
in der Lage. Ihnen ist der Vertragsgegenstand bestens bekannt. Sie haben die fachliche Kompetenz. Sie wissen, auf
was es ankommt, und besitzen den Überblick über alle Umstände, die bei einer Vergütungsregelung eine Rolle spielen
können. Zudem haben sie Zugriff auf alle notwendigen Unterlagen.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sich die Beibringungspflicht der Selbstverwaltungsgremien im
Schiedsverfahren schließlich auch aus der Verpflichtung der Schiedsstelle ergibt, ihre Entscheidung unverzüglich zu
treffen. Zwar schreiben die §§ 120 SGB V, 18a KHG der Schiedsstelle nicht ausdrücklich vor, ihre Entscheidung
unverzüglich zu treffen. Die Pflicht zur unverzüglichen Entscheidung von Schiedsstellen ist jedoch in zahlreichen
Vorschriften verankert (vgl z.B. § 18 Abs 4 Satz 1 KHG: "unverzüglich", § 89 Abs 1 Satz 1 SGB V: "innerhalb von
drei Monaten", § 113 Abs 1 Satz 2 SGB V: " innerhalb von zwei Monaten", § 85 Abs 5 Satz 1 Elftes
Sozialgesetzbuch, Soziale Pflegeversicherung: "unverzüglich", § 19 Abs 2 BPflV: "innerhalb von sechs Wochen"). Es
kann insoweit von einem allgemeinen Grundsatz gesprochen werden, der für alle Schiedsverfahren der gesetzlichen
Krankenversicherung und damit auch für die Beklagte gilt. Der Grundsatz der unverzüglichen Entscheidung kann aber
nur verwirklicht werden, wenn die Selbstverwaltungsgremien zügig und von sich aus alles das vortragen und belegen,
was Gegenstand der Entscheidung der Schiedsstelle sein soll. Kommen die Vertragspartner ihrer Mitwirkungspflicht
nicht in vollem Umfange nach, so ist es nicht zu beanstanden, wenn die Schiedsstelle ihre Entscheidung auf der
Grundlage des bisher Vorgetragenen trifft. So liegt der Fall hier.
Der Beklagten lagen bei ihrer Entscheidung am 14. Mai 1996 keinerlei Rechenwerke, Zahlenmaterialien, Statistiken
etc. vor, die sie in die Lage versetzt hätten, auf Einzelheiten einzugehen. So enthält weder die Antragsschrift der
Klägerin auf Einleitung des Schiedsverfahrens vom 6. März 1996 irgendwelche Detailangaben noch hat die Klägerin
die Erwiderung der Beigeladenen zu 1) bis 7) vom 6. Mai 1996 zum Anlass genommen, nunmehr entsprechendes
Material vorzulegen. Sie betont in der Klagebegründung vom 6. August 1996 vielmehr selbst, dass sie den
Sachverhalt in dieser Hinsicht vor der Beklagten nicht deutlich genug herausgearbeitet hat. Noch in ihrer
Berufungsbegründungsschrift vom 13. Oktober 1998 unterstreicht sie mehrfach, dass der Beklagten eine Reihe
entscheidungserheblicher Fakten unbekannt waren, weil sie erst im Gerichtsverfahren vorgetragen worden sind.
Insbesondere hat die Beklagte keine Kenntnis von der Effektivitätssteigerung des SPZ gehabt; die Klägerin hat
diesen Punkt im Schiedsverfahren weder schriftlich noch mündlich vorgetragen. Daher sei es – so die Klägerin - nur
folgerichtig, wenn der angefochtene Beschluss ausführe, sie habe die Wirtschaftlichkeit des SPZ nicht hinreichend
dargelegt. Nach Kenntnis des Urteils des BSG vom 14. Dezember 2000 (aaO) hat die Klägerin ihren Vortrag
umgestellt. Erst in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2001 vertritt sie nun die Auffassung, die Beklagte hätte sich mit der
Wirtschaftlichkeit des SPZ auseinandersetzen müssen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, den Sachverhalt in diesem
Punkt aufzuklären. Schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin konnte die Beklagte in ihrem Beschluss zu diesen
jetzt im Nachhinein bekannten Fakten und Daten daher nicht Stellung nehmen.
Soweit die Klägerin meint, jedenfalls das SG hätte sich gedrängt fühlen müssen, dem nunmehr bekannten Vortrag der
Klägerin nachzugehen, vermag der Senat auch dem nicht zu folgen. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt
grundsätzlich durch die Schiedsstelle. Die gerichtliche Überprüfung erfasst lediglich die Fragen, ob
verfahrensrechtliche Fehler vorliegen, insbesondere ob das rechtliche Gehör gewährt wurde, ob zwingendes
Gesetzesrecht beachtet worden ist und ob der Beurteilungsspielraum eingehalten wurde. Die Gerichte sind nicht
befugt, eigene Vergütungsregelungen festzusetzen. Sie haben auch nicht die Pflicht, die mangelnde Mitwirkung der
Vertragspartner durch eigene Ermittlungen im Gerichtsverfahren zu heilen.
Aus diesem Grunde kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 Satz 2 SGG. Dabei haben die Beigeladenen zu 1) bis 7) keinen
Kostenerstattungsanspruch, weil die Regelung in § 193 Abs 4 Satz 2 SGG auf Kläger und Beklagte beschränkt ist (so
BSG, Urteil vom 19. Juni 1996- 6 RKa 46/95 - in BSGE 78, 284 ff). Der Beigeladene zu 8) hat sich im
Berufungsverfahren nicht geäußert; es entspricht daher der Billigkeit, ihm einen Kostenanspruch zu versagen.
Gesetzliche Gründe zur Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).