Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 09.02.2005
LSG Nsb: auflösende bedingung, entziehung, auflage, beendigung, entziehen, verwaltungsakt, versorgung, umdeutung, post, approbation
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 09.02.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 24 KA 539/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 360/03
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Juni 2003 und der Beschluss des Beklagten vom 02. Mai 2001
werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen
Versorgung nicht zum Ablauf des 1. November 1999 geendet hat. Der Beklagte hat die Kosten der Klägerin aus
beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die bedarfsunabhängige Zulassung der Klägerin zur
vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit geendet hat.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin. Seit 1993 (unterbrochen durch eine ehrenamtliche Tätigkeit 1997/98) war sie für
den Förderkreis der Lebensberatungsstelle E. eV in E. (Landkreis F.) als Psychotherapeutin beschäftigt. Am 30.
Dezember 1998 beantragte sie beim Zulassungsausschuss G. für die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit die
bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologische Psychotherapeutin. Dabei gab
sie an, geplant sei die Eröffnung einer Praxis in E.; sie wolle die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit "sobald wie
möglich" aufnehmen. Sie fügte dem Antrag Unterlagen bei, aus denen sich die Erfüllung der Voraussetzungen der
Approbation nach § 12 Abs 4 Satz 3 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG) und des Fachkundenachweises gemäß § 95c Satz 2 Nr. 3
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergab. Weiterhin legte sie Nachweise über die ambulante
psychotherapeutische Versorgung der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung in der Zeit vom 25. Juni
1994 bis 24. Juni 1997 vor. Unter dem 30. Dezember 1998 erklärte sie außerdem, dass das zurzeit bestehende
Beschäftigungsverhältnis bei dem Förderkreis der Lebensberatungsstelle E. eV mit einem Zeitrahmen von 30 Stunden
in der Woche fortgeführt werden solle. Ihre Approbation als Psychologische Psychotherapeutin vom 04. Januar 1999
ging am 23. April 1999 bei der Bezirksstelle G. der Beigeladenen zu 1) ein. Am selben Tag ging dort eine Erklärung
der Klägerin ein, wonach das zurzeit bestehende Beschäftigungsverhältnis im Umfang von 19,5 Stunden in der Woche
fortgeführt werden solle.
Am 28. April 1999 beschloss der Zulassungsausschuss für Ärzte –G. -, dass die Klägerin mit Wirkung des Datums,
an dem der Beschluss zugestellt werde, für Primärkassen und Ersatzkassen zugelassen werde, "und zwar unter den
nachstehenden Bedingungen sowie mit den nachstehenden Auflagen:
Bedingungen für die Zulassung Die Zulassung erfolgt unter der 1. Bedingung, dass die jetzige Angestelltentätigkeit der
Antragstellerin drei Monate nach dem Zeitpunkt endet, in dem dieser Beschluss unanfechtbar geworden ist.
Die Zulassung erfolgt ferner unter der 2. Bedingung, dass die Antragstellerin ab dem Zeitpunkt der Aufnahme ihrer
vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit keine heilkundliche Tätigkeit in anderweitiger abhängiger Beschäftigung
ausübt.
Der Zulassungsausschuss kann die Zulassung entziehen, wenn und sobald mindestens eine der beiden Bedingungen
nicht bzw nicht mehr erfüllt ist. Die Antragstellerin ist verpflichtet, dem Zulassungsausschuss alle erforderlichen
Auskünfte zu erteilen/Unterlagen vorzulegen für die Überprüfung der Erfüllung der obigen Bedingungen.
1. Auflage Die Zulassung erfolgt mit der Auflage, dass die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit am Praxissitz
innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses aufgenommen wird (§ 19 Abs 2 Ärzte-ZV).
2. Auflage Die Zulassung erfolgt ferner mit der Auflage, dass die Antragstellerin ihre Wohnung spätestens bei
Aufnahme ihrer vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit so wählt, dass die Wohnung nicht mehr als 30
Straßenkilometer von der Praxis entfernt ist."
Mit Schreiben vom 24. September 1999 stellte die Klägerin bei dem Zulassungsausschuss den Antrag, ihr vorläufig
bis zum 31. März 2000 die Fortführung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit für die Lebensberatungsstelle E. zu
gestatten oder anderenfalls einen entsprechend späteren Termin für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit
festzusetzen. Sie könne ihre Arbeit derzeit noch nicht aufgeben, da zu der Einrichtung und deren Träger besondere
persönliche Beziehungen bestünden; sie selbst stehe als Person und Mitglied des Trägers für das Projekt, das mit
ihrem Weggang sofort in Frage stünde. Diese Anträge lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 10.
November 1999 ab. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 01. Dezember 1999 aus den im
Verlängerungsantrag genannten Gründen das Ruhen ihrer Zulassung bis längstens zum 30. Juni 2000.
Im November 1999 (Abschluss des Abstimmungsverfahrens: 8. November 1999) ordnete der Landesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen für den Landkreis F. (Planungsbereich 353) Zulassungsbeschränkungen für
Psychotherapeuten an.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 1999 stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die Zulassung der Klägerin zum
Ablauf des 01. November 1999 aufgrund § 20 Abs 3 iVm Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-
ZV) geendet habe. Außerdem wies er den Antrag auf Ruhen der Zulassung zurück. Zur Begründung führte er aus, es
sei eine auflösende Bedingung festgesetzt worden, die zur Folge habe, dass die Zulassung wieder entfalle, wenn das
Zulassungshindernis nicht beseitigt werde. Da die Klägerin auch drei Monate nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit
des Beschlusses vom 28. April 1999 (am 01. August 1999) weiter bei der Lebensberatungsstelle E. eV als Angestellte
beschäftigt sei, habe die Zulassung mit Ablauf des 01. November 1999 geendet.
Gegen den am 07. Februar 2000 zur Post gegebenen Beschluss legte die Klägerin am 14. Februar 2000 Widerspruch
ein, den sie nicht begründete.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 02. Mai 2001 zurück. Die vom Zulassungsausschuss
vertretene Auffassung, wonach die Zulassung infolge Fristablaufs mit Ablauf des 01. November 1999 geendet habe,
sei vertretbar, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag der
Klägerin vorgelegen habe. Denn ob die Beendigung der Tätigkeit bereits automatisch zu dem Zeitpunkt des 01.
November 1999 geendet habe oder ob diese Beendigung erst durch den Beschluss des Zulassungsausschusses
herbeigeführt worden sei, ändere an dem Ergebnis der Beendigung der Zulassung nichts. Der Beschluss wurde der
Klägerin per Einschreiben zugestellt, das am 01. Juni 2001 zur Post gegeben worden ist.
Gegen den ihr nach eigenen Angaben am 05. Juni 2001 zugegangenen Beschluss hat die Klägerin unter dem 04. Juli
2001 Klage erhoben, die am 05. Juli 2001 bei dem Sozialgericht (SG) Hannover eingegangen ist. Eine Begründung
ihres Klageziels, die Beschlüsse der Zulassungsgremien insgesamt aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
sie hinsichtlich ihres Antrags auf Ruhenlassen ihrer Zulassung erneut zu bescheiden bzw hilfsweise festzustellen,
dass ihre Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin nicht geendet habe, hat sie erstinstanzlich nicht
vorgelegt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. Juni 2003 abgewiesen, wobei es sich zur Begründung auf die Ausführungen
des Beklagten im angefochtenen Beschluss bezogen hat, gegen die die Klägerin konkrete Einwände nicht erhoben
habe.
Gegen das der Klägerin am 18. Juli 2003 zugestellte Urteil hat sie am 12. August 2003 Berufung vor dem
Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Zulassungsausschuss habe die Zulassung nicht an
eine rechtswirksame Bedingung geknüpft. Nach dem Wortlaut des Bescheides, wonach der Zulassungsausschuss die
Zulassung entziehen könne, sei dieser so zu verstehen gewesen, dass die Zulassung nicht automatisch bei
Nichterfüllung der "Bedingung" enden werde. Aus ihrer Sicht der Sache habe vielmehr eine Auflage vorgelegen, so
dass ihr die Zulassung nur durch einen weiteren Bescheid habe entzogen werden können. Ein derartiger
Entziehungsbescheid liege jedoch nicht vor. Auch könne der Beschluss vom 15. Dezember 1999 nicht in einen
solchen umgedeutet werden. Nach dem Wortlaut des Zulassungsbescheides "könne" die Zulassung entzogen werden,
so dass eine Ermessensentscheidung vorliege; die Umdeutung der mit dem angefochtenen Bescheid gebundenen
Entscheidung in eine Entziehung der Zulassung sei deshalb nicht möglich. Die Klägerin erfülle mittlerweile alle von ihr
im Zulassungsbescheid geforderten Voraussetzungen. So sei sie seit Ablauf des 31. August 2003 nicht mehr bei der
Lebensberatungsstelle E. beschäftigt und gehe auch sonst keiner abhängigen Beschäftigung nach. Sie werde ihre
vertragspsychotherapeutische Tätigkeit unverzüglich aufnehmen, sobald die rechtlichen Voraussetzungen dafür
gesichert seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Juni 2003 sowie den Beschluss des Beklagten vom 02. Mai 2001
aufzuheben und festzustellen, dass ihre Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung nicht zum Ablauf
des 1. November 1999 geendet hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Trotz des im bestandskräftigen Beschluss des Zulassungsausschusses enthaltenen Hinweises auf die Möglichkeit
einer Entziehung der Zulassung könne die als "1. Bedingung" formulierte Nebenbestimmung nur als Bedingung
ausgelegt werden. Dies folge aus dem normalen Sprachgebrauch, aus den inhaltlichen Ausführungen in den Gründen
des Beschlusses und aus der Notwendigkeit gesetzeskonformer Auslegung von Bescheiden, wobei zu
berücksichtigen sei, dass der Beschluss Doppelwirkung entfalte und deshalb nicht allein auf den Empfängerhorizont
eines juristischen Laien abgestellt werden könne. Der Begriff "entziehen" müsse in diesem Zusammenhang
untechnisch aufgefasst werden, und zwar im Sinne einer Berechtigung zur Feststellung des Endes einer Zulassung.
Im Übrigen sei diese unscharf formulierte Passage aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG;
Urteil vom 05. Februar 2003 – B 6 KA 22/02 R -) überholt. Denn sie besage nichts anderes, als dass der
Zulassungsausschuss bei Nichteintritt der Bedingung auf die Möglichkeit einer Entziehung – und sei es auch nur des
Rechtsscheins – einer Zulassung hinweise.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung
entschieden hat, ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Gegenstand des Klageverfahrens ist allein der Beschluss des Beklagten vom 02. Mai 2001. Denn der nach Anrufung
des Berufungsausschusses gemäß § 96 Abs 4 SGB V von diesem erlassene Bescheid tritt als Regelung der
Zulassungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheids des Zulassungsausschusses und bildet den
alleinigen Gegenstand der weiteren – gerichtlichen, bei aufhebendem Gerichtsurteil auch erneuten
verwaltungsmäßigen – Beurteilung der Zulassungssache (BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1; SozR 3-1500 § 54 Nr 30).
Streitbefangen ist im Berufungsverfahren nur noch die dort getroffene Feststellung, dass die Zulassung der Klägerin
infolge Fristablaufs mit Ablauf des 01. November 1999 geendet hat. Soweit im Beschluss des Beklagten außerdem
das Ruhen der Zulassung abgelehnt worden ist, ist der Verwaltungsakt gemäß § 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch (SGB X) auf andere Weise erledigt, weil die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 01. Oktober 2003 zu erkennen
gegeben hat, dass sie nunmehr ihre vertragspsychotherapeutische Tätigkeit unverzüglich aufnehmen möchte, und
damit im Ergebnis den Antrag auf Ruhen ihrer Zulassung zurückgenommen hat (zur Erledigung des Verwaltungsakts
bei Rücknahme des Antrags vgl Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Lsbls – Stand:
August 2004 -, § 39 SGB X Rdnr 26 mwN).
Die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage ist gemäß §§ 54 Abs 1 und 55 Nr 1 SGG statthaft. Sie
ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der einmonatigen Klagefrist gemäß § 87 Abs 1 Satz 1
SGG erhoben worden. Nachdem der Beklagte den Beschluss zwecks Zustellung (vgl. §§ 45 Abs. 3, 41 Abs. 5 Satz 1
Ärzte-ZV) per Einschreiben am 01. Juni 2001 zur Post gegeben hatte, lief die Klagefrist grundsätzlich zwar gemäß § 4
Abs 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) mit dem 04. Juli 2001 ab, so dass die erst am 05. Juli 2001 bei dem SG
Hannover eingegangene Klage verspätet sein könnte. Nach der Angabe in der Klageschrift war der Beschluss
tatsächlich jedoch erst am 05. Juni 2001 zugegangen. Da Zweifel hieran weder geltend gemacht werden noch von
Amts wegen ersichtlich sind, ist in diesem Fall nach § 4 Abs. 1 VwZG auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs
abzustellen, so dass die Klage noch fristwahrend erhoben worden ist.
Die Klage ist auch begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 2. Mai 2001 ist rechtswidrig. Zu Unrecht ist dieser
zum Ergebnis gekommen, dass die Zulassung der Klägerin mit Ablauf des 1. November 1999 geendet hat.
Eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Beendigung der Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit
könnte im vorliegenden Zusammenhang vorliegen, wenn der Zulassungsausschuss die Zulassung im
vorangegangenen Beschluss vom 28. April 1999 unter der auflösenden Bedingung erteilt hätte, dass die Klägerin ihre
bisherige Beschäftigung beim Förderkreis der Lebensberatungsstelle E. e. V. binnen drei Monaten nach
Unanfechtbarkeit des Beschlusses aufgibt. Da sie ihre Tätigkeit (bis 2003) weitergeführt hat, wäre eine zuvor erteilte
Zulassung hierdurch nachträglich wieder entfallen.
Zutreffend weist die Klägerin jedoch darauf hin, dass die im Beschluss vom 28. April 1999 verfügte Nebenbestimmung
trotz ihrer Bezeichnung als "1. Bedingung" nicht als auflösende Bedingung im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X
ausgelegt werden kann.
Auch bei der Auslegung des Inhalts von Nebenbestimmungen ist allerdings zunächst vom Wortlaut der
entsprechenden Regelung auszugehen. Insbesondere ist anerkannt, dass eine Bedingung regelmäßig nicht als
Auflage (und umgekehrt) anzusehen ist, wenn in einem Verwaltungsakt - wie hier im Beschluss vom 28. April 1999 –
eindeutig zwischen Bedingungen und Auflagen unterschieden wird. Hierzu bedürfte es im Einzelfall gewichtiger
entgegenstehender Gründe (BVerwGE 29, 261, 265; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 36 Rdnr.
30). Derartige Gründe liegen hier aber vor, weil der Zulassungsausschuss den Bedeutungsgehalt der
Nebenbestimmung in unmittelbarem textlichem Zusammenhang mit den "Bedingungen" zu 1. und 2. in einer Weise
erläutert hat, dass der Erklärungsempfänger in Wirklichkeit nur von einer Auflage ausgehen konnte.
Zunächst war aus der Formulierung: "Der Zulassungsausschuss kann die Zulassung entziehen, wenn ..." für die
Klägerin unschwer zu erkennen, dass ihr mit Beschluss vom 28. April 1999 eine Zulassung erteilt worden ist. Hiervon
ging selbst die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung aus, wie ihr Schreiben vom 28. Juni 1999 zeigt, in
welchem sie die Klägerin darauf hinwies, diese sei (nunmehr) berechtigt und verpflichtet, an der
vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilzunehmen.
Eine auflösende Bedingung kann angesichts dessen aber nicht angenommen werden, weil deren –
zulassungsbeendende – Wirkung bei Nichteintritt der Bedingung automatisch eintreten würde, so dass die
angekündigte "Entziehung" überflüssig wäre. Der Eindruck, dass die Beendigung der Zulassung eine entsprechende
konstitutive Entscheidung des Zulassungsausschusses voraussetzt, wird noch durch die Formulierung verstärkt,
dass der Zulassungsausschuss die Zulassung entziehen "kann". Aus der Sicht eines verständigen
Erklärungsempfängers kann dies nur so verstanden werden, dass sich die Zulassungsbehörde bei Weiterführung der
Beschäftigung der Klägerin eine Entscheidung darüber vorbehält, ob es bei der erteilten Zulassung bleibt oder diese
beendet wird.
Der vom Beklagten vertretenen Auffassung, der Begriff "entziehen" müsse untechnisch im Sinne einer Berechtigung
zur Feststellung des Endes der Zulassung ausgelegt werden, kann demgegenüber schon deshalb nicht beigepflichtet
werden, weil das Zulassungsrecht (§ 95 Abs. 6 und 7 SGB V) scharf zwischen der Entziehung und dem Ende der
Zulassung entscheidet. Auch die Ansicht des Beklagten, die im Bescheid "unscharf formulierte Passage" sei
aufgrund des o. a. BSG-Urteils (a.a.O.) überholt und unschädlich, kann nicht nachvollzogen werden. Denn ein
Verwaltungsakt wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
Danach eingetretene Umstände, wie später erlassene höchstrichterliche Entscheidungen, müssen deshalb bei der
Auslegung des Bescheidinhalts von vornherein unberücksichtigt bleiben.
Soweit der Beklagte sich weiterhin auf den Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung – der ohnehin regelmäßig
nur zu Gunsten des betroffenen Bürgers eingreifen dürfte (Stelkens aaO, § 35 Rdnr. 48) - berufen will, hilft dies schon
deshalb nicht weiter, weil bei richtiger Gesetzesanwendung gerade nicht von einer auflösenden, sondern von einer
aufschiebenden Bedingung auszugehen wäre. Dies hat das BSG (SozR 4-5520 § 20 Nr 1) für den vorliegenden Fall
einer Bedingung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV überzeugend dargelegt. Da in diesem
Fall eine Zulassung überhaupt noch nicht wirksam wäre, bliebe auch für die hier erklärte Feststellung ihrer Beendigung
kein Raum. Wie bereits ausgeführt, mussten jedoch die Klägerin und die übrigen Bescheidempfänger vorliegend
davon ausgehen, dass eine Zulassung erteilt worden ist.
Der Beklagte konnte das Ende der Zulassung auch nicht im Hinblick auf § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV feststellen, wonach die
Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen
Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung
aufgenommen wird. Ihrem Wortlaut nach könnte diese Vorschrift zwar einschlägig sein, weil der Planungsbereich
F.inzwischen – seit November 1999 – für Psychotherapeuten gesperrt ist. Allerdings spricht von vornherein viel dafür,
dass § 19 Abs. 3 nur in den Fällen gilt, in denen der Planungsbereich bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung
gesperrt gewesen ist (vgl. insoweit auch § 19 Abs. 1 S. 2). Jedenfalls ergibt aber die Auslegung der Vorschrift unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung, dass sie den vorliegenden Fall nicht betrifft.
§ 19 Ärzte-ZV gilt seit 1. Januar 1993 unverändert in der (jetzigen) Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG)
vom 21. Dezember 1992. Die in Abs. 3 festgesetzte Rechtsfolge des Zulassungsendes dient der Durchsetzung des
Gebots, eine erteilte Zulassung gemäß Abs. 2 durch tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zu
realisieren. Unter der Geltung von Zulassungsbeschränkungen sollen hiermit Verwerfungen im Rahmen der
Bedarfsprüfung vermieden werden, die entstehen könnten, wenn Zulassungen nur auf dem Papier bestehen, ohne
dass der hierdurch begünstigte Arzt praktiziert und damit seinen Versorgungsauftrag erfüllt (vgl. Liebold/Zalewski,
Kassenarztrecht, Lsbls. – Std.: Mai 2004 - , Rdnr E 19-3). Die vorliegend umstrittene Zulassung ist jedoch als
bedarfsunabhängige erteilt worden, und zwar auf der Grundlage des - erst zum 1.Januar 1999 in Kraft getretenen - §
95 Abs. 10 SGB V. Ihr besonderer Inhalt besteht gerade darin, dass dem hierdurch berechtigten Psychotherapeuten
(übergangsrechtlich) ein besonderer Zulassungsstatus eingeräumt wird, der von den Folgen regionaler
Zulassungsbeschränkungen auf Dauer freigestellt bleibt. Zu diesen Folgen gehört auch das automatisches Ende der
Zulassung bei Nichtaufnahme der Tätigkeit gemäß § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV.
Nach alledem konnte die "Bedingung", innerhalb der Dreimonatsfrist die bisherige Beschäftigung für den Förderkreis in
H. aufzugeben, nur als Auflage angesehen werden, die bei Nichterfüllung die Entziehung der Zulassung nach § 95
Abs. 6 SGB V ermöglicht hätte.
Eine derartige Entziehung ist im Beschluss vom 2. Mai 2001 bzw. im zugrunde liegenden Beschluss des
Zulassungsausschusses vom 15. Dezember 1999 nicht erklärt worden. Die Beschlüsse können auch nicht in dieser
Weise ausgelegt werden, weil bereits der Zulassungsausschuss im Beschluss vom 15. Dezember 1999 ausgeführt
hatte, die Frage der Entziehung der Zulassung sei nicht mehr zu entscheiden, weil die Zulassung geendet habe.
Die Feststellung der Beendigung der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit kann auch nicht in entsprechender
Anwendung des § 43 SGB X (zur Zulässigkeit der gerichtlichen Umdeutung vgl. Steinwedel a.a.O., § 43 SGB X Rdnr.
4 ff.) in eine Entziehung der Zulassung umgedeutet werden.
Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt ist gemäß § 43 Abs. 1 SGB X
nur möglich, wenn dieser auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen
Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass
erfüllt sind.
Im Hinblick auf die hier umstrittene Weiterbeschäftigung beim Förderkreis E. e.V. fehlt es aber schon an der
letztgenannten Voraussetzung, weil eine darauf gestützte Entziehung der Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 SGB V im
jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich wäre. Denn nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung des
Vorliegens von Entziehungsgründen nicht auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung an, sondern auf den der
mündlichen Verhandlung im hiergegen gerichteten Gerichtsverfahren, es sei denn – was vorliegend von vornherein
ausscheidet – der Sofortvollzug der Entziehungsentscheidung wäre angeordnet worden (BSG SozR 2-2500 § 95 Nr. 4;
Beschluss vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 56/99 B). Die Klägerin hat ihre bisherige Beschäftigung jedoch mit Ablauf des
31. August 2003 aufgegeben, so dass das entsprechende Zulassungshindernis gemäß § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV
mittlerweile ausgeräumt ist.
Allerdings liegen weitere Gründe vor, die die Zulassungsgremien verpflichten, die Zulassung der Klägerin gemäß § 95
Abs. 6 SGB V zu entziehen; ein Ermessensspielraum steht ihnen dabei nicht zu, weil § 95 Abs. 6 den §§ 45 ff. SGB
X als Spezialvorschrift vorgeht (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 20).
So hätte die bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von vornherein nicht
erteilt werden dürfen, weil die Klägerin entgegen § 95 Abs. 10 Nr. 2 SGB V ihre Approbationsurkunde nicht bis zum
31. März 1999 vorgelegt hat. Ausweislich des Eingangsstempels auf Blatt 61 der Verwaltungsakte ist die Approbation
vom 4. Januar 1999 vielmehr erst am 23. April 1999 bei der Bezirksstelle Lüneburg der Beigeladenen zu 1)
eingegangen. Weiterhin sprechen erhebliche Gesichtspunkte dafür, dass es von vornherein an einem wirksamen, bis
zum 31. Dezember 1998 gestellten (vgl. § 95 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 SGB V) Zulassungsantrag fehlte. Ein wirksamer
Antrag liegt nämlich nicht vor, wenn er gestellt wird, obwohl absehbar ist, dass der Arzt oder Psychotherapeut noch
für längere Zeit in einem Beschäftigungsverhältnis stehen wird (sog. "Antrag auf Vorrat", vgl. BSG SozR 3-5520 § 25
Nr. 5). Wenn die Klägerin vorliegend zunächst – zuletzt unter dem 19. April 1999 – erklärt hat, sie beabsichtige die
Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses, dies auf entsprechende Hinweise seitens des Zulassungsausschusses
zwar revidiert, dann aber tatsächlich an der Beschäftigung festgehalten hat, und zwar für mehr als viereinhalb Jahre
nach Antragstellung, liegt ein derartiger Missbrauchstatbestand auf der Hand. Dies gilt umso mehr, als sie bereits mit
ihrem Antrag vom 24. September 1999 auf ihre besonderen Bindungen zum Träger des Förderkreises und damit auf
einen Grund für die Weiterbeschäftigung verwiesen hat, der bereits im Zeitpunkt des Zulassungsantrags bestand.
Schließlich liegt ein Grund für die Entziehung der Zulassung auch darin, dass die Klägerin ihre
vertragspsychotherapeutische Tätigkeit nicht aufgenommen hat (§ 95 Abs. 6 Fall 2 SGB V). Nach der "1. Auflage"
des am 25. Juni 1999 per Einschreiben zur Post gegebenen bestandskräftigen Beschlusses vom 28. April 1999 wäre
sie hierzu innerhalb von drei Monaten nach Zustellung verpflichtet gewesen, d. h. bis zum 28. September 1999 (vgl. §
4 Abs. 1 VwZG). Nachdem ihr im Schreiben vom 24. September 1999 enthaltener Antrag auf Fristverlängerung (§ 19
Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV) mit Beschluss vom 10. November abgelehnt worden war, hätte sie zumindest unmittelbar im
Anschluss an die Bekanntgabe der Ablehnung ihre vertragspsychotherapeutische Tätigkeit aufnehmen müssen.
Einer Umdeutung des Beschlusses vom 2. Mai 2001 in eine Zulassungsentziehung aus den zuletzt genannten
Gründen steht jedoch entgegen, dass die Zulassungsentziehung nicht auf das gleiche Ziel gerichtet ist wie die
Feststellung, die Zulassung habe "infolge Fristablaufs" (bzw. richtigerweise: wegen Bedingungseintritts) geendet. Im
Ergebnis besteht zwar in beiden Fällen keine Zulassung (mehr). Die Zielgleichheit von zwei Verwaltungsakten ist
jedoch schon dann zu verneinen, wenn der Verwaltungsakt, in den umgedeutet werden soll, einen weitergehenden
Eingriff in die Rechte des Beteiligten ausspricht als der ursprüngliche, fehlerhafte Bescheid (Meyer in: Knack, VwVfG,
7. Aufl., § 47 Rdnr. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 47 Rdnr. 14; Schäfer in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., §
47 Rdnr. 13, wonach der zweite Verwaltungsakt im ersten "enthalten" sein muss). Dies wäre hier aber zu bejahen, weil
die Entziehung der Zulassung einen rechtsgestaltenden Eingriff in eine bestehende Rechtsposition beinhaltet,
während die vorliegend ausgesprochene Feststellung der Beendigung der Zulassung lediglich die deklaratorische
Bestätigung einer ohnehin gegebenen Rechtslage darstellt (zur zu bejahenden Zielgleichheit im umgekehrten Fall der
Umdeutung einer Widerrufs- in eine Feststellungsentscheidung vgl. Sachs aaO, § 47 Rdnr. 34). Die Zielgleichheit
beider Verwaltungsakte ist darüber hinaus zu verneinen, wenn man (mit Sachs a.a.O., Rdnr. 35) voraussetzt, dass
beide Verfügungen auf identische Lebenssachverhalte gestützt sein müssen. Denn die Feststellung der Beendigung
der Zulassung ist vom Beklagten (und vom Zulassungsausschuss) auf die Weiterführung der Beschäftigung beim
Förderkreis in E. gestützt worden, während – wie dargelegt – die Gründe für die Entziehung darin bestehen, dass es
an der fristgerechten Vorlage der Approbation, der wirksamen Antragstellung bis zum 31. Dezember 1998 sowie an
der Aufnahme der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.