Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 05.06.2007

LSG Nsb: umzug, stadt, unterkunftskosten, erlass, firma, niedersachsen, nebenkosten, kostenvoranschlag, gemeinde, ermessen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 05.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Osnabrück S 10 SO 140/06 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 SO 7/06 ER
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. November 2006
aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin unter dem Vorbehalt der
Rückforderung für den Umzug von H. nach I. 1.100,00 EUR zu gewähren.
Die notwendigen Auslagen der Antragstellerin sind vom Antragsgegner zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Umzugskosten, die aus Anlass des Umzugs der Antragstellerin Ende
September 2006 von H. nach I. bei einem Speditionsunternehmen angefallen sind.
Die im September 1934 geborene Antragstellerin bezieht eine kleine Altersrente; ihr wurden vom Versorgungsamt J.
ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "RF" zuerkannt. Sie erhielt von dem
Antragsgegner seit dem 1. Januar 2003 laufende (ergänzende) Hilfe nach dem Grundsicherungsgesetz (Bescheid der
Stadt H. vom 1. Januar 2003) und seit dem 1. Januar 2005 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach
dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Antragstellerin bewohnte seit dem August 1997 eine 3 Zimmer
und ca. 70 qm Wohnfläche umfassende Wohnung in der K. in L., für die sie eine Kaltmiete von 322,00 EUR und
Nebenkosten (einschließlich Heizung und Warmwasserbereitung) i. H. v. 128,00 EUR monatlich zu zahlen hatte.
Allerdings wurden im Bescheid der Stadt H. vom 30. Dezember 2004 betreffend den Leistungszeitraum vom Januar
bis einschließlich Juni 2005 nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, sondern lediglich für die Miete und
Nebenkosten 228,00 EUR und für die Heizung 40,00 EUR monatlich anerkannt und als Bedarf in Ansatz gebracht.
Dieser Bescheid wurde soweit ersichtlich – ebenso wie die späteren Leistungsbescheide der Stadt H., die – soweit
ersichtlich – keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Trägerschaft des Antragsgegners enthalten, bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 und vom 15. Juni 2006 wandte sich die Antragstellerin an die Stadt H. und
beantragte allgemein die Gewährung einer Umzugskostenbeihilfe, da sie wegen ihres Gesundheitszustandes eine
Wohnung im Erdgeschoss oder in einem Haus mit Fahrstuhl finden müsse; eine konkret in Aussicht stehende
Wohnung wurde von ihr nicht genannt, jedoch ein ärztliches Attest eines Orthopäden beigefügt, aus dem vorgeht,
dass sie "praktisch keine Treppen mehr steigen" könne. Mit einem weiteren, am 10. August 2006 bei der Stadt H.
eingegangenen Schreiben teilte die Antragstellerin mit, dass sie nach umfangreicher Suche nun eine konkrete
Wohnung in Aussicht habe, die im Erdgeschoss eines Hauses liege. Bei ihrem letzten Besuch auf dem Sozialamt sei
ihr mitgeteilt worden, dass grundsätzlich Kosten für einen Umzug übernommen werden könnten. Deswegen bitte sie
um eine schnelle Bearbeitung, um möglichst bald den Mietvertrag für die von ihr als optimal empfundene neue
Wohnung unterschreiben zu können. Hinsichtlich der Höhe der Umzugskosten müsse sie noch Angebote einholen. Mit
Schreiben vom 10. August 2006 forderte daraufhin die Stadt H. die Antragstellerin lediglich auf, eine
Mietbescheinigung hinsichtlich der neuen Wohnung vorzulegen, da Umzugskosten nur dann übernommen werden
könnten, wenn diese angemessen seien. Danach hat die Antragstellerin wohl einem Mitarbeiter der Stadt H. mündlich
mitgeteilt, ihre vorgesehene neue Wohnung im M. in I. koste monatlich 340,00 EUR Miete, 70,00 EUR Nebenkosten
und 60,00 EUR Heizung. Daraufhin wurde von einem Mitarbeiter der Stadt wohl mündlich – ein Vermerk darüber
befindet sich nicht in den Akten – mitgeteilt, dass die Unterkunftskosten der neuen Wohnung unangemessen hoch
seien, so dass Umzugskosten nicht übernommen werden könnten.
Am 16. August 2006 hat sich die Antragstellerin an das Sozialgericht (SG) Osnabrück mit der Bitte um Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Sie hat geltend gemacht: Ihre bisherige Wohnung, die für sie Gesamtkosten i.
H. v. 450,00 EUR monatlich verursache, müsse sie deswegen verlassen, weil ihr Vermieter ihr gekündigt und sie sich
im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vor dem Amtsgericht N. vergleichsweise dazu verpflichtet habe, die
Wohnung zum 1. Oktober 2006 zu räumen. Hintergrund dieses Verfahrens seien Auseinandersetzungen wegen eines
lärmenden Mitmieters, Unklarheiten der Nebenkostenabrechnung und eine von ihr vorgenommene Mietminderung
wegen Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung gewesen. Sie habe sich vergeblich um preisgünstigen Wohnraum
bemüht, wobei ihre Körperbehinderung bedacht werden müsse. Ihr ursprünglich auch beim SG angebrachtes
Begehren, den Antragsgegner zur Übernahme der Unterkunftskosten der neuen Wohnung zu verpflichten, nahm die
Antragstellerin später im Verlaufe des Verfahrens zurück. Unter dem 8. September 2006 unterzeichnete sie einen
Mietvertrag für die neue, 74 qm große Wohnung in I. und zog Ende September 2006 in die neue Wohnung um. Zuvor
hatte sie beim SG einen Kostenvoranschlag der Firma O. vom 15. August 2006 vorgelegt, der einschließlich
Mehrwertsteuer für den Umzug einen Betrag von 988,90 EUR vorsah. Später legte sie eine Rechnung der Firma P.
über den durchgeführten Umzug i. H. v. 1.446,87 EUR vor.
Der Antragsgegner ist dem Begehren der Antragstellerin entgegengetreten und hat geltend gemacht, die tatsächlichen
Angebote über den zur Verfügung stehenden Wohnraum im Bereich des Landkreises Q. würden von ihm regelmäßig
erfasst und ausgewertet. Danach seien für den Bereich der Stadt H. für eine Person Unterkunftskosten (einschließlich
der Nebenkosten) lediglich i. H. v. 228,00 EUR monatlich angemessen. Dazu legte er eine dreiseitige tabellarische
Übersicht über Wohnungsangebote in verschiedenen Zeitungen des Gebietes des Landkreises Q. bezogen auf
zahlreiche verschiedene Orte im Gebiet des Landkreises vor.
Mit Beschluss vom 28. November 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt
und zur Begründung ausgeführt, dass es sich nicht um einen notwendigen Umzug im Sinne der Vorschriften des SGB
XII handele, da die Kosten der neuen Wohnung der Antragstellerin unangemessen hoch seien. Die neu angemietete
Wohnung sei zu groß und tatsächlich auch teurer als die bisher inne gehabte Wohnung.
Gegen den ihr am 4. Dezember 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. Dezember 2006
Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Sie macht geltend: Tatsächlich sei ihr Auszug aus der alten
Wohnung aufgrund der zivilrechtlichen Auseinandersetzung und des nachfolgenden Räumungsvergleiches notwendig
gewesen. Der Zuzug in die neue Wohnung sei auch deswegen notwendig, weil sie keine andere für sie geeignete
preisgünstigere Wohnung gefunden habe. Hinsichtlich der Angemessenheit einer Wohnung müsse die neuere
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berücksichtigt werden, nach der für eine Alleinstehende eine
Eigentumswohnung von 80 qm Wohnfläche als schützenswertes Vermögen angesehen worden sei. Selbst wenn man
aber von einer Unangemessenheit der aktuellen Unterkunftskosten ausgehe, so sei dies nicht Voraussetzung für die
von ihr begehrte Kostenübernahme für einen Umzug. Denn tatsächlich würden von der Gemeinde I. auch gegenwärtig
nur angemessene Unterkunftskosten, nicht aber die tatsächlich bei ihr anfallenden Unterkunftskosten anerkannt. Die
Regelung über die Übernahme von Umzugskosten in § 29 Abs. 1 Satz 7 und Satz 8 SGB XII knüpfe weder
ausdrücklich noch sinngemäß daran an, dass die Unterkunftskosten der neuen Wohnung das Merkmal der
Angemessenheit erfüllen müssten. Ihr Begehren habe sich durch den Umzug auch nicht erledigt, denn das
Umzugsunternehmen habe lediglich im Hinblick auf das anhängige sozialgerichtliche Verfahren einstweilen davon
abgesehen, zivilrechtliche Schritte zum Ausgleich seiner Forderung vorzunehmen.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten und verteidigt den angegriffenen Beschluss des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Stadt L., die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, ergänzend Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss des SG begegnet jedenfalls auf der Grundlage des
gegenwärtig dem Senat bekannten Sachverhalts – durchgreifenden rechtlichen Bedenken, so dass er – jedenfalls im
Rahmen eines Eilverfahrens – abzuändern ist. Denn der Antragstellerin ist es gelungen, einen Anspruch auf
Übernahme der Umzugskosten glaubhaft zu machen, da gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden kann, die
Unterkunftskosten der nunmehr von ihr neu bezogenen Wohnung seien unangemessen hoch. Dazu im Einzelnen:
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein
Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein
Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen
Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2
Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die
endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven
Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung
dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende
Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der
Lage wäre (vgl. BVerfG, BVerfGE 79, 69, 74 mwN).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat der Ansicht, dass zugunsten der Antragstellerin hier für den geltend
gemachten Anspruch auf Umzugskosten (weiterhin noch) ein Anordnungsgrund gegeben ist. Zwar ist nicht zu
verkennen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom
28. November 2006 der hier in Rede stehende Umzug vom Ende September 2006 bereits seit langem durchgeführt
worden ist. Die "Notlage" der Antragstellerin ergibt sich hier allein daraus, dass sie sich der Forderung des den Umzug
durchführenden Unternehmens ausgesetzt sieht, die Rechnung vom 29. September 2006 endlich zu begleichen. Der
Senat hat daher erwogen, allein wegen der tatsächlichen Durchführung des Umzugs den Anordnungsgrund zu
verneinen. Denn die Situation des den Umzug durchführenden Unternehmens ist nicht anders als die bei zahlreichen
anderen zivilrechtlichen Gläubigern auch, deren Schuldner aus verschiedensten Gründen nicht in der Lage oder nicht
willens sind, ihre Rechnungen bei ihren Gläubigern zu begleichen. Das wirtschaftliche Risiko eines gänzlichen oder
zeitweisen Forderungsausfalls gehört zum normalen Risiko eines Umzugsunternehmens, auch ist es an sich nicht
Sinn des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, das eigentlich auf die Zukunft bezogene Regelungen
eines streitigen Zustandes erreichen will, wenn der streitige Sachverhalt und die streitigen Rechtsfragen ohne
Weiteres in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten. Indessen stehen diese Erwägungen im Widerstreit
zu dem sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Der mehr oder
minder aus zufälligen Umständen sich ergebende Zeitpunkt der Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit
über einen (rechtzeitig) gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (der wesentlich durch die
Geschäftsbelastung der Sozialgerichts beeinflusst wird, die der rechtsuchende Bürger nicht zu vertreten hat) würde
sonst im Hinblick auf den Zeitablauf bei normalen Lebensverhältnisse dazu führen, dass in einer Vielzahl von Fällen
praktisch eine Entscheidung in einem Eilverfahren oder eine dagegen gerichtete spätere Beschwerde sinnlos würden,
weil in der Sache keine Überprüfung mehr stattfände. Dies erscheint dem Senat in Anbetracht der zu erwartenden
langen Dauer der Hauptsacheverfahren aus den Bereichen des Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und des
SGB XII und dem praktischen Bedürfnis nach der Klärung von strittigen Tatsachen und Rechtsfragen in einem
Beschwerdeverfahren sowohl durch den rechtsuchenden Bürger als auch durch die das Gesetz ausführende
Verwaltung nicht hinnehmbar (vgl. auch BVerfG, 2. Kammer des zweiten Senats, Beschluss vom 27. Dezember 2006
2 BvR 803/05 -). Daher entspricht es – soweit ersichtlich – dem gegenwärtigen Stand der obergerichtlichen
Rechtsprechung, bei Beschwerdeentscheidungen hinsichtlich des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanpruchs
an den Zeitpunkt anzuknüpfen, zu dem der Bürger bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit den Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angebracht hat. Ausnahmsweise mag etwas anderes dann gelten, wenn
durch weiter hinzutretende Ereignisse während des Laufs eines gerichtlichen (Beschwerde-) Verfahrens der
Anordnungsgrund entfällt, etwa wenn eine nachträgliche Rentengewährung oder ein Lottogewinn erfolgt (vgl.
Beschluss des Senats vom 4. Mai 2007 – L 13 AS 32/06 ER – V. n. b.). Dafür sind indessen im vorliegenden Streit
Anhaltspunkte weder ersichtlich noch vorgetragen. Mithin steht der Umstand, dass der hier in Rede stehende Umzug
nach Antragstellung bei der Behörde mit Schreiben vom 8. August 2006 und nach Antragstellung beim SG am 16.
August 2006 bereits am 29. September 2006 erfolgt ist, der Bejahung eines Anordnungsgrundes im vorliegenden Fall
nicht entgegen.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist im vorliegenden Streit – nach dem dem Senat vorliegenden
Tatsachenmaterial – gegenwärtig davon auszugehen, dass ein Anordnungsanspruch zu bejahen ist.
Gem. § 29 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB XII können Umzugskosten vom Träger der Sozialhilfe bei vorheriger
Zustimmung übernommen werden; eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der
Sozialhilfe veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in
einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Dabei hat das SG im angegriffenen Beschluss wohl
zutreffend darauf abgestellt, dass die Notwendigkeit eines Umzugs im Sinne der Vorschriften nur dann gegeben ist,
wenn nicht nur der Auszug aus der bisherigen Wohnung an sich, sondern auch der Einzug in die konkrete Wohnung
notwendig ist, was auch voraussetzt, dass diese keine unangemessenen Kosten verursacht. Denn die in § 29 Abs. 1
Satz 7 SGB XII angesprochene "vorherige Zustimmung" bezweckt offensichtlich zweierlei: Das
Zusicherungsverfahren dient sowohl dem Interesse des Hilfebedürftigen, das Entstehen einer erneuten Notlage in
Folge einer nur teilweisen Übernahme der Umzugskosten und der späteren Wohnungskosten zu vermeiden, als auch
dem Interesse des Trägers, im Falle der Unangemessenheit der Umzugskosten und der späteren Wohnungskosten
das Entstehen weiterer Schulden durch einen dann erforderlichen zweiten Umzug zu verhindern. Die Prüfung der
Angemessenheit der Wohnungsbeschaffungskosten setzt daher notwendigerweise mit voraus, dass die neue
Unterkunft, in die der Hilfebedürftige einziehen will, konkret benannt wird, weil nur so auch die übrigen Fragen, die sich
im Zusammenhang mit einem Umzug ergeben, beantwortet werden können (z. B. Kosten einer Auszugs- oder
Einzugsrenovierung, Notwendigkeit einer Mietkaution, Unmöglichkeit, eine andere Unterkunft in angemessener Zeit zu
finden). Jedenfalls spricht für ein derartiges Verständnis der Notwendigkeit bei der Übernahme von Umzugskosten
viel, wenn man auf die parallel ausgestalteten Regelungen in § 22 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II abstellt (vgl. dazu: LSG
Hamburg, Beschluss vom 28. September 2005 – L 5 B 255/055 ER – AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss
vom 16. Septem-ber 2005 – L 8 AS 180/05 ER).
Indessen ist nicht zu verkennen, dass die parallele Regelung, die hier mit § 29 Abs. 1 SGB XII in Rede steht,
hinsichtlich der Übernahme der laufenden Kosten etwas anders formuliert ist. In § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII ist
nämlich bestimmt, dass der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen für die neue
Unterkunft verpflichtet ist, soweit die Aufwendungen für die neue Unterkunft unangemessen hoch sind, es sei denn, er
hat vorher den darüber hinausgehenden Aufwendungen zugestimmt. Diese Zustimmung ist möglicherweise etwas
anderes als die in Rede stehende Zustimmung in Sätzen 7 und 8 der Vorschrift. Daher wird in der Literatur auch die
Ansicht vertreten, bei der Beurteilung der zu übernehmenden notwendigen Umzugskosten sei es unerheblich, ob die
neue Wohnung unangemessene oder angemessene Kosten verursache (vgl. Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII,
München 2005, § 29 Rdn. 56 unter Hinweis auf VGH Mannheim, FEVS 47, 325 und BVerwG, FEVS 51, 49).
Indessen muss diesen Fragen im vorliegenden Fall im Rahmen des anhängigen Eilverfahrens nicht weiter
nachgegangen werden, denn für den Senat ergibt sich aus der gegenwärtig bekannten Sachlage nicht die
Überzeugung, die nunmehr von der Antragstellerin bewohnte Wohnung verursache unangemessene Kosten.
Allerdings ergibt sich dies entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht etwa daraus, dass nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts bestimmte Größen einer selbst bewohnten Eigentumswohnung – etwa 80 qm für eine
einzelne Person – einer Übernahme der Unterkunftskosten nicht entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November
2006 – B 7 b AS 2/05 R -). Denn in dieser Entscheidung hat sich das Bundessozialgericht lediglich zu der Frage
geäußert, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Eigentumswohnung zum einzusetzenden Vermögen im Sinne
des § 12 SGB II gehört. Auf diese Rechtsprechung zu den Wohnungsflächen bei Eigentumswohnungen oder
Eigenheimen kann daher bei der Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten bei Mietwohnungen nicht
abgestellt werden (Senat, Beschluss vom 24. Mai 2007 L 13 AS 9/07 ER -). Dies ergibt sich auch durch die
unterschiedlichen Maßstäbe wie sie in einem anderen Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 zu
Aktenzeichen B 7 b AS 18/06 R ausgeführt worden sind.
Ausgehend vom zuletzt genannten Urteil ist zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten bei
Mietwohnungen im Sinne von § 22 SGB II in erster Linie hinsichtlich eines räumlichen Vergleichsmaßstabs auf den
Wohnort des Hilfebedürftigen abzustellen, wobei es insbesondere im ländlichen Raum geboten sein kann, größere
Gebiete bzw. Gemeinden als Vergleichsgebiete zusammenzufassen. Diese Rechtsprechung zum SGB II kann nach
Ansicht des Senats ohne Weiteres auch auf die Anwendung des SGB XII übertragen werden. Vorliegend spricht nach
Überzeugung des Senats aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin
hinsichtlich des räumlichen Vergleichsmaßstabes nicht auf das gesamte Kreisgebiet des Antragsgegners verwiesen
werden kann (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 23. Mai 2007 – L 13 AS 11/06 ER -). Dies wird schon dadurch
deutlich, dass die im Verfahren vor dem SG vom Antragsgegner vorgelegte Liste mit preisgünstigen Wohnungen auch
Wohnungen im Gebiet der Stadt R. aufführt, die etwa 70 km Luftlinie vom alten und neuen Wohnort der Antragstellerin
entfernt liegen und in der sich der Mietwohnungsmarkt völlig anders als im Bereich der Stadt H. und der Gemeinde I.
darstellt. Ein Verweis auf einzelne preiswertere Wohnungen in Zeitungsannoncen, wie er in der von dem
Antragsgegner vorgelegten Liste auch vorkommt, soweit sie die Gemeinde I. betreffen, kann aber nicht als
repräsentativ angesehen werden, denn dies würde dazu führen, dass eine Vielzahl von Hilfeempfängern auf einzelne
Wohnungen verwiesen würde (vgl. hierzu auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 – L 7 AS
494/05 -). Jedenfalls verbietet es sich für das vorliegenden Eilverfahren, in dieser Hinsicht zur Frage der
Angemessenheit der Unterkunftskosten weitere Ermittlungen vorzunehmen, zumal bei der Antragstellerin im Hinblick
auf ihre außergewöhnliche Gehbehinderung längst nicht alle Wohnungsangebote für eine Alleinstehende in Frage
kommen.
Nach alledem ist nach Ansicht des Senats gegenwärtig von einer Notwendigkeit des Umzugs auszugehen, so dass
der Antragstellerin die notwendigen Umzugskosten zuzusprechen sind – allerdings wegen des vorläufigen Charakters
des Eilverfahrens unter dem Vorbehalt der Rückforderung -. Dabei hat sich der Senat hinsichtlich des ausgeworfenen
Betrages von 1.100,00 EUR davon leiten lassen, dass mit dem von der Antragstellerin selbst vorgelegten
Kostenvoranschlag der Firma O. vom 15. August 2006 ein Betrag von knapp unter 1.000,00 EUR angegeben wurde,
der sehr deutlich unter dem Betrag liegt, wie er später tatsächlich von der Firma P. in Rechnung gestellt wurde
(1.446,87 EUR). Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens kann den tatsächlichen Gründen für die Unterschiede
zwischen dem Kostenvoranschlag und der tatsächlich erstellten Rechnung nicht weiter nachgegangen werden. Dies
muss den Ermittlungen von Amts wegen in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Jedenfalls erscheint dem
Senat ein Zuschlag zum Kostenvoranschlag von etwa 10 v. H. angemessen, so dass einstweilen im tenorierten
Umfang vom Antragsgegner der Antragstellerin in diesem Umfang Hilfe zu leisten ist. Da im einstweiligen
Anordnungsverfahren ohnehin nur Regelungen unter Vorbehalt ergehen (s. o), muss der tatsächlich der Antragstellerin
zustehende Umfang der Umzugskostenbeihilfe der Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. In
diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Heranziehungssatzung des Antragsgegners vom 21.
Dezember 2004 lediglich die verwaltungsmäßige Abwicklung der Aufgaben betrifft, die ihm durch Gesetz zugewiesen
sind. Soweit die Stadt H. in der Vergangenheit die Antragstellerin aufgefordert hat, sich zuständigkeitshalber an das
Sozialamt der Gemeinde I. zu wenden, werden davon die materiellen Ansprüche der Antragstellerin gegen den
Antragsgegner nicht berührt.
Beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen steht gem. § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII die Übernahme von
Umzugskosten allerdings im Ermessen des Antragsgegners. Dieses Ermessen ist jedoch durch die Regelung in Satz
8 der Vorschrift eingeschränkt und mit einer finalen Zielrichtung versehen, wenn es sich um einen notwendigen
Umzug handelt. Das bedeutet, dass die Zusicherung – und damit die Übernahme der Umzugskosten – im Falle des §
29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII nur in atypischen Einzelfällen verweigert werden darf. Dafür sind hier Gesichtspunkte weder
vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere im Hinblick auf das Alter und die Körperbehinderung der Antragstellerin
spricht hier Überwiegendes dafür, dass das eingeräumte Ermessen im konkreten Fall soweit reduziert ist, dass allein
die Übernahme der notwendigen Umzugskosten als rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Damit erledigt sich zugleich das von
der Antragstellerin angebrachte Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren, da
sie nunmehr über einen leistungsfähigen Kostenschuldner verfügt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).