Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.01.2010

LSG Nsb: versorgung, abrechnung, facharzt, rka, entziehung, emg, berufliche eignung, persönliche eignung, vertragsarzt, unrichtige angabe

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 27.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 16 KA 400/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 121/06
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26.
Juli 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der
Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 9., die diese selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für
das Berufungsverfahren beträgt 182.199,23 Euro.
Tatbestand:
Der Kläger ist Facharzt für Urologie. Er begehrt die Zulassung als Vertragsarzt als Nachfolger des Beigeladenen zu 9.
in H. im Wege der Praxisnachfolge anstelle des Beigeladenen zu 10.
Dem 1962 geborenen Kläger wurde am 16. Dezember 1990 die Approbation erteilt. Von 1992 bis 1997 arbeitete er -
nach Ableistung des Wehrdienstes in der Zeit von 1991 bis 1992 - als Stabsarzt und danach als Assistenzarzt an der
Urologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses I ... Seit dem 6. August 1997 ist er Facharzt für Urologie.
Vom 1. Januar 1998 bis zum 30. Juni 2001 war er als Facharzt für Urologie in J. zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) K. nahm für die Quartale IV/1998 bis IV/1999 sachlich-rechnerische
Berichtigungen der Ziffer 809 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM;
Elektromyographische Untersuchung mit Oberflächenelektroden oder elektroneurographische Untersuchung mit
Bestimmung(en) der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit) und der Ziffer 8653 (in K.: Onkologische Behandlung
solider Tumoren gemäß Onkologie-Vereinbarung) vor. Die Streichung der Ziffer 809 EBM begründete die KÄV K.
damit, dass diese Ziffer bei zahlreichen Patienten zusammen mit den Ziffern 1784 und 1785 EBM (Blasenspiegelung)
durchgeführt worden sei, nach derartigen Untersuchungen aber das EMG nicht zu verwerten sei. Zudem hätten sich
aus vielen Behandlungsausweisen keine Indikationen für die Untersuchung nach Ziffer 809 EBM gefunden. Bei der
Abrechnung der Ziffer 8653 seien in 5 Fällen aus den in den Behandlungsunterlagen angegebenen Diagnosen keine
Tumorerkrankungen ersichtlich gewesen, in 3 Fällen habe der Kläger den Verdacht auf einen Tumor bzw. Ausschluss
eines Tumors genannt, doch sei bei Verdachtsfällen die Ziffer 8653 nicht abrechenbar, zumal sie sich in den
folgenden Quartalen nicht bestätigt hätten. In 80 weiteren Fällen seien für einen Facharzt für Urologie fachfremde
Tumore abgerechnet worden.
Der Kläger legte Widerspruch ein und reichte eine Liste der Patienten mit der fehlenden Diagnoseziffer ICD 10 ein, um
die Indikation für die Ziffer 809 EBM zu begründen. Da es vielfach Verdachtsdiagnosen oder Ausschlüsse gewesen
seien, habe er vergessen, diese anzugeben. Auch hinsichtlich der Streichung der Ziffer 8653 legte er eine Liste mit 28
urologischen Karzinom-Diagnosen bei. Gegen die übrigen Streichungen der Ziffer 8653 wegen fachfremder Tumore
legte er keinen Widerspruch ein.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens forderte die KÄV K. vom Kläger kombinierte EMG-/Uroflow-Kurven von 6
Patienten je Quartal und Kopien des histologischen Befundes für urologische Tumore von 14 Patienten an.
Daraufhin räumte der Kläger bzgl der Ziffer 8653 ein, dass in 11 der 14 angeforderten Fälle kein urologischer Tumor
vorgelegen habe. Gleichwohl wurden in einigen dieser Fälle bei der Quartalsabrechnung II/2000 wieder urologische
Karzinome behauptet. Aus der Vorlage der 24 Kurven hinsichtlich der Ziffer 809 EBM ergab sich, dass in 3 Fällen
nicht berücksichtigungsfähige Daten (Behandlungen im Jahr 1998 oder sonntags) vorlagen. Dieses erklärte der Kläger
zunächst damit, dass er die falschen Bögen übersandt habe.
Danach kam es am 20. Dezember 2000 zu einem Gespräch zwischen der KÄV K. und dem Kläger. Dabei räumte der
Kläger zur Ziffer 8653 ein, dass bei 2 Patienten keine onkologische Diagnose auf dem Fachgebiet Urologie vorliege,
bei 3 Patienten bestreite er Ungereimtheiten. Zudem seien 3 EMG-/Uroflow-Kurven ursprünglich unvollständig
gewesen, so dass er die Patienten zum Zweck der Vorlage im Widerspruchsverfahren nochmals einbestellt und die
Untersuchungsdaten manipuliert habe.
Auch in der Folgezeit hielt er in einer anwaltlichen Stellungnahme vom 29. Januar 2001 zum Gesprächsprotokoll - mit
Ausnahme von nunmehr 3 Fällen - an seinen Erklärungen zur Ziffer 8653 fest. Nachdem die KÄV K. über die
Krankenkasse die 3 Patienten befragt hatte, ob sie im Mai 2000 nochmals vom Kläger zur Durchführung von EMG-
Untersuchungen einbestellt worden seien, bestätigten 2 Patienten diese Angaben nicht, einer machte keine Angaben.
Erst im November 2003 legte der Kläger zur Ziffer 8653 eine Liste mit 49 Patienten vor, aus denen sich 24 fachfremde
Diagnosen ergaben. Den Widerspruch wegen der Streichung der Ziffer 809 EBM nahm der Kläger zurück, da ihm die
Originalkurven nicht vorlägen.
Mit Schreiben vom 2. April 2001 beantragte der Kläger bei der KÄV K. die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens
gegen sich, das wegen des Antrags der KÄV K. - ebenfalls vom 2. April 2001 -, ein Zulassungsentziehungsverfahren
gegen den Kläger einzuleiten, zunächst nicht eröffnet wurde (Schreiben des Disziplinarausschusses der KÄV K. vom
3. Mai 2001). In diesem Schreiben gab der Kläger zu, dass er die Position 8653 EBM in 2 Fällen unzulässig
abgerechnet und in 3 Fällen nachträglich erstellte EMG-/Uroflow-Kurven vorgelegt habe. Er bedauere sein Verhalten
und erklärte, er habe aus einer Art Panikreaktion gehandelt. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte K.
vom 7. Mai 2001 wurde auf Antrag der KÄV K. das Zulassungsentziehungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom
28. Mai 2001, das bei der KÄV K. am 29. Mai 2001 einging, verzichtete der Kläger mit Ablauf des 2. Quartals 2001
auf seine Zulassung und beantragte parallel die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes im L. Ärzteblatt. Daraufhin
hob der Zulassungsausschuss für Ärzte K. mit Schreiben vom 5. Juni 2001 die vorgesehene mündliche Verhandlung
auf und teilte mit, dass sich durch den Verzicht das Zulassungsentziehungsverfahren erübrigt habe. Auch das
Disziplinarverfahren wurde nicht durchgeführt. Mit Beschluss vom 19. Juni 2001 stellte der Zulassungsausschuss K.
fest, dass die Zulassung des Klägers mit dem 30. Juni 2001 ende.
In der Folge war der Kläger als Facharzt für Urologie in privatärztlicher Tätigkeit in H. tätig. Zudem war er daneben als
Arzt für die Bundeswehr tätig.
Am 13. Juni 2001 beantragte der Kläger erstmals beim Zulassungsausschuss für Ärzte M. (im Folgenden:
Zulassungsausschuss) die Zulassung als Vertragsarzt für Urologie im Wege der Praxisnachfolge für einen frei
gewordenen Vertragsarztsitz in H. zum 1. Oktober 2001. Nachdem der Zulassungsausschuss die bei der KÄV K. in
der Arztregisterakte des Klägers aufgeführten Vorgänge beigezogen hatte, lehnte er den Antrag auf Zulassung wegen
schwerwiegender in der Person des Klägers liegender Mängel für die Ausübung einer Kassenarztpraxis ab (Beschluss
des Zulassungsausschusses vom 15. August 2001). Der Beklagte bestätigte diesen Beschluss mit Beschluss vom
12. Oktober 2001, der bestandskräftig wurde.
In der Folgezeit stellte der Kläger beim Zulassungsausschuss weitere Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen
Tätigkeit als Facharzt für Urologie im Planungsbereich Landkreis N. vom 17. Januar 2002, vom 18. November 2002
und vom 9. Mai 2003. Sämtliche Anträge wurden unter dem Hinweis auf die schwerwiegenden Mängel in der Person
des Klägers für die Ausübung einer vertragsärztlichen Praxis abgewiesen. Die Beschlüsse des Beklagten vom 2. Juli
2003 (betreffend die Anträge vom 17. Januar 2002 und vom 18. November 2002) sowie der Beschluss des Beklagten
vom 24. November 2004 (der den Antrag vom 9. Mai 2003 betrifft) sind Streitgegenstände der noch nicht
abgeschlossenen Verfahren S 16 KA 215/03, S 16 KA 216/03 und S 16 KA 16/05, die beim Sozialgericht (SG)
Hannover anhängig sind und im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ruhend gestellt wurden.
Im November 2004 bewarb sich der Kläger auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 9., der
mit Ablauf des 30. Juni 2005 den Verzicht auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für
Urologie in H. erklärte. Neben dem Kläger bewarb sich der Beigeladene zu 10., der am 1. August 1992 seine
Approbation und am 15. November 2000 die Anerkennung als Facharzt für Urologie erhalten hatte. Vom August 1992
bis zum Antritt der Praxisnachfolge des Beigeladenen zu 9. war er als Assistenzarzt im Allgemeinen Krankenhaus O.
in K. beschäftigt.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2005, der am 4. Juli 2005 zur Post gegeben wurde, wählte der Zulassungsausschuss den
Beigeladenen zu 10. als Nachfolger des Beigeladenen zu 9. aus. Gleichzeitig wurde der Antrag des Klägers auf
Zulassung zurückgewiesen. Er sei wegen eines in seiner Person liegenden schwerwiegenden Mangels für die
Ausübung der Kassenpraxis ungeeignet, nachdem er sich zur Zeit seiner Mitgliedschaft bei der KÄV K. eine Anzahl
von Verstößen gegen das Vertragsarztrecht habe zuschulden kommen lassen. Mit ergänzendem Beschluss vom 22.
Juni 2005 ordnete der Zulassungsausschuss die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung an.
Der Kläger legte gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 11. Mai 2005 am 3. August 2005
Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass kein schwerwiegender Mangel in seiner Person vorliege, der ihn
ungeeignet im Sinne von § 21 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) mache. Auf jeden Fall könnten die
Vorwürfe, die dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt worden seien, wegen Fristablaufs jetzt nicht mehr
berücksichtigt werden. Der Kläger habe sein Fehlverhalten im Hinblick auf die Manipulation der Geräteausdrucke
zugestanden. Er habe versucht zu erklären, wie es dazu gekommen sei. Abwegig sei die Behauptung, der Kläger
habe für den Zeitraum IV/1998 bis zum 20. Dezember 2000 planmäßig und vorsätzlich falsch abgerechnet. Es hätte
nahegelegen, eventuell durch Rückfragen bei der KÄV K. Informationen über den Umfang der angeblichen
Falschabrechnungen einzuholen. Das Gespräch mit der KÄV K. vom 20. Dezember 2000 sei in einer höchst
unerfreulichen Atmosphäre verlaufen. Dieses könne ein Protokoll nicht wiedergeben. Das Protokoll zeige, dass die
von der KÄV K. beanstandeten Positionen mit guten Argumenten so abgerechnet werden könnten, wie es geschehen
sei. Selbst wenn die Abrechnung falsch gewesen sein sollte, entfalle damit das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlich".
Der Zulassungsausschuss meine zu Unrecht, die fünfjährige "Bewährungsfrist" sei zum Zeitpunkt seiner
Entscheidung noch nicht abgelaufen. § 21 Ärzte-ZV sehe eine Fünf-Jahresfrist bei Ärzten vor, die suchtkrank
gewesen seien. Diese Frist auch auf andere in der Person des Betroffenen liegenden Mängel zu beziehen, erscheine
angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift kühn. Auch ein Hinweis auf die Entscheidung des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Oktober 1986 (Az.: 6 RKa 32/86 - juris) trage nur bedingt. Unter Hinweis auf die
verfassungsrechtliche Relevanz des Art. 12 Grundgesetz (GG) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse
jeder Fall einzeln geprüft werden. Somit komme man zum Ergebnis, dass in vielen Fällen schon eine kürzere Frist als
fünf Jahre reiche.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Beschluss vom 26. Oktober 2005, der am 22. November 2005
zur Post gegeben wurde, zurück und führte zur Begründung aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zulassung im
Wege der Praxisnachfolge gemäß § 103 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) habe, da er gemäß § 21
Ärzte-ZV wegen sonstiger in seiner Person liegender schwerwiegender Mängel ungeeignet sei. Der Beklagte war der
Auffassung, dass eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten, die nach § 27 Ärzte-ZV zur Entziehung der
Zulassung führe, im Rahmen eines Zulassungsverfahrens zu würdigen sei, wenn ein Arzt einer ihm drohenden
Entziehung der Zulassung durch Verzicht zuvorgekommen sei und in einem anderen Zulassungsbezirk einen
Zulassungsantrag stelle. Dieses gelte solange, als das Vertrauen der KÄV und der Krankenkassen, der Arzt werde
zukünftig seine vertragsärztlichen Pflichten erfüllen, noch nicht wiederhergestellt sei. Bei dem Kläger hätten die
nachgewiesenen und zum Teil von ihm zugegebenen Verfehlungen zu einer Entziehung der Zulassung in K. führen
müssen, wenn er nicht zuvor auf seine Zulassung verzichtet hätte. Der Beklagte war daher der Auffassung, dass
jedenfalls bis zum Zeitpunkt, in dem der Kläger Anfang April 2001 beim Disziplinarausschuss der KÄV K. die
Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn beantragt habe, im Wesentlichen gegenüber den ihm zur Last
gelegten Vorwürfe uneinsichtig gewesen sei. Die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung hänge
entscheidend davon ab, dass die KÄV und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf
die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen könnten. Dieses Vertrauen sei deshalb von
so entscheidender Bedeutung, weil Leistungserbringung und Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der
Überprüfung zugänglich seien und deshalb insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung zu den
Grundpflichten des Vertragsarztes gehöre. Das fehlerhafte Abrechnungsverhalten des Klägers und die damit
zusammenhängenden Erklärungsversuche bis hin zum Gespräch mit der KÄV K. am 20. Dezember 2000 und die in
diesem Zusammenhang stehende Einlassung von Januar 2001 stellten einen unentschuldbaren Angriff auf das auf
Vertrauen basierende vertragsärztliche Abrechnungssystem dar. Sie seien als gröbliche Pflichtverletzung im Sinne
des § 95 Abs. 6 SGB V zu werten. Es wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der
Verhältnismäßigkeit vereinbar gewesen, dem Kläger aufgrund dessen die Zulassung zu entziehen. Daher sehe der
Beklagte auch aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Notwendigkeit, hier eine kürzere Bewährungszeit als fünf
Jahre bezüglich der bestehenden Ungeeignetheit des Klägers zugrunde zu legen. Selbst wenn man zugunsten des
Klägers davon ausgehe, dass einem Arzt fünf Jahre nach einer solchen schwerwiegenden Verfehlung "eine zweite
Chance" gegeben werden müsse, so seien diese fünf Jahre noch nicht verstrichen, weil eine solche Fünf-Jahresfrist
frühestens ab 1. April 2001 mit Stellung des Disziplinarantrages zu laufen begonnen habe. Die sofortige Vollziehung
dieses Beschlusses wurde angeordnet (Beschluss vom 7. Dezember 2005).
Gegen den Beschluss hat der Kläger am 21. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und
diese ebenso wie den Widerspruch begründet.
Mit Urteil vom 26. Juli 2006, das dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1. jeweils am 21. August 2006 zugestellt
wurde, hat das SG den Beschluss des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, dem Antrag des Klägers auf
Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Nachfolger des Beigeladenen zu 9. im Wege der Praxisnachfolge
stattzugeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass der
Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 9. zwischenzeitlich durch den Beigeladenen zu 10. besetzt worden sei. Die
Wahl des Beigeladenen zu 10. als Praxisnachfolger sei rechtsfehlerhaft. Bei der Auswahl von mehreren Bewerbern
erfolge diese nach pflichtgemäßem Ermessen. Maßgeblich für das pflichtgemäße Ermessen sei die Rechtslage zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten. Durch die Auswahl des Klägers seien auch die wirtschaftlichen Interessen
des Beigeladenen zu 9. gewahrt. Zudem habe der Kläger etwa 19,5 Monate früher seine Approbation erhalten als sein
Mitbewerber und sei länger ärztlich tätig. Der längeren ärztlichen Tätigkeit des Klägers könne nicht entgegengehalten
werden, er sei lediglich eingeschränkt ärztlich tätig gewesen, da er eine Privatpraxis mit ca. 600 Patienten betrieben
habe. Der Beigeladene zu 10. sei dagegen seit dem 1. August 1992 als Arzt in einer Klinik beschäftigt, so dass ihm
im Zeitpunkt seiner Bewerbung die Erfahrung als niedergelassener Arzt fehle. Auch sei der Kläger zur Ausübung der
vertragsärztlichen Tätigkeit einschränkungslos geeignet. Bedenken gegen seine ärztliche Qualifikation seien nicht
vorgetragen und auch nicht zu erkennen. Der Kläger sei auch nicht aufgrund eines in seiner Person liegenden
Mangels im Sinne des § 21 Ärzte-ZV zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeignet. In Betracht käme hier
allein das Verhalten des Klägers während seiner Zulassung als Facharzt für Urologie in J ... Das in dieser Zeit
gezeigte vertragswidrige Verhalten stehe einer Zulassung jedoch nicht mehr entgegen. Die Zulassung sei erst dann zu
versagen, wenn durch diese die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei.
Dieses sei dann zu bejahen, wenn durch die Art und Schwere des Vorstoßes das Vertrauensverhältnis zwischen dem
Arzt, der KÄV und den Krankenkassen derart gestört sei, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheine.
Zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit sei nur derjenige geeignet, dem das notwendige Vertrauen
entgegengebracht werden könne. Jede unrichtige Angabe im Rahmen der Abrechnung beeinträchtige dieses
Vertrauensverhältnis empfindlich und gehe zu Lasten der übrigen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden
Ärztinnen und Ärzte. Das Fehlverhalten des Klägers während seiner Tätigkeit als Vertragsarzt in J. sei jedoch von
keinem für die Sanktionierung von vertragsärztlichem Fehlverhalten zuständigen Gremium abschließend beurteilt
worden. Unstreitig sei lediglich, dass der Kläger in 2 Fällen die Ziffer 8653 falsch abgerechnet und in 3 Fällen
nachträglich erstellte EMG-/Uroflow-Kurven vorgelegt habe. Zwar rechtfertige allein dieses Verhalten den Vorwurf des
Vertragsbruchs durch den Kläger. Zu berücksichtigen seien aber die Motive, die zu dem pflichtwidrigen Verhalten
geführt hätten und die Energie, die für das pflichtwidrige Verhalten aufgebracht worden sei. Dazu könne jedoch
lediglich auf die Einlassung des Klägers zurückgegriffen werden. Dieser habe angegeben, er sei in Panik geraten, das
erste fehlerhafte Verhalten habe zwangsläufig weitere Pflichtwidrigkeiten nach sich gezogen. Eine Berücksichtigung
dieser einseitigen Sichtweise sei nicht unproblematisch. Auch die Höhe des relativ geringen Betrages des Regresses
von 6.205,66 DM könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, denn die Höhe eines Regresses allein
sage nichts über das Ausmaß des Pflichtvorwurfs aus. Aufgrund des Zeitablaufs sei das Gericht jedoch der
Überzeugung, dass dem Kläger sein Fehlverhalten bei der Frage der Geeignetheit für die Ausübung einer
vertragsärztlichen Tätigkeit nicht mehr entgegengehalten werden könne. Der Beklagte habe im Oktober 2005 über den
Antrag des Klägers entschieden. Die Falschabrechnungen des Klägers seien in den Quartalen IV/1998 bis IV/1999
erfolgt. Unter Berücksichtigung dieses Zeitraumes halte die Kammer es nicht mehr für verhältnismäßig, den Antrag
des Klägers unter Hinweis auf sein Fehlverhalten zurückzuweisen. Zu berücksichtigen sei auch, wie sich der Arzt
nach seinem pflichtwidrigen Verhalten in seinem beruflichen Bereich verhalten habe. Aus seiner Tätigkeit als Betreiber
einer Privatarztpraxis sei kein Fehlverhalten bekannt. Daneben sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seit dem 1.
September 2002 als Arzt bei der Bundeswehr vertraglich verpflichtet sei. Auch wenn er seit einem Jahr nur noch
selten Aufträge erhalte, so lägen die Gründe nicht in der Person des Klägers, sondern in strukturellen Änderungen bei
der Bundeswehr.
Die Beigeladene zu 1. hat am 24. August 2006 und der Beklagte hat am 20. September 2006 Berufung gegen das
Urteil des SG Hannover eingelegt.
Der Beklagte hat seine Berufung damit begründet, dass der Kläger zumindest zum Zeitpunkt der maßgeblichen
Verwaltungsentscheidung am 26. Oktober 2005 wegen sonstiger in seiner Person liegender schwerwiegender Mängel
ungeeignet im Sinne des § 21 Ärzte-ZV gewesen sei. Der Kläger habe, nachdem er vom Zulassungsausschuss für
Ärzte K. am 8. Mai 2001 zum Zulassungsentziehungsverfahren geladen worden sei, mit Schreiben vom 28. Mai 2001
seinen Verzicht auf die Zulassung in J. zum 1. Juli 2001 erklärt. Bereits aufgrund dieser zeitlichen Abfolge müsse
davon ausgegangen werden, dass der Kläger angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe selbst davon
ausgegangen sei, ihm werde vom zuständigen Zulassungsausschuss seine Zulassung in J. entzogen.
Ausgangspunkt für den Vorwurf der gröblichen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten des Klägers seien zwar die
in den Jahren 1998 und 1999 getätigten Falschabrechnungen, allerdings habe das SG Hannover übersehen, dass
diese Vorwürfe bis Anfang des Jahres 2001 reichen würden. Der Kläger habe bis Anfang des Jahres 2001 versucht,
die ihm zur Last gelegten und bewiesenen Verstöße gegen die Abrechnung zu vertuschen. Dieses reiche aus, den
Kläger noch bei der Entscheidung des Beklagten über die Zulassung am 26. Oktober 2005 für ungeeignet im Sinne
des § 21 Ärzte-ZV anzusehen. Selbst bei einer großzügigen Annahme einer Verjährungsfrist für die gröblichen
Verletzungen des Klägers von mindestens fünf Jahren sei diese zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am
26. Oktober 2005 nicht abgelaufen gewesen. Der Beklagte habe erhebliche Zweifel, hier den Zeitpunkt der
Entscheidung der zweiten Verwaltungsinstanz als maßgeblich zugrunde zu legen. Die Falschabrechnungen in den
Quartalen IV/1998 bis IV/1999 seien lediglich Ausgangspunkte für die von der KÄV K. durchgeführte Überprüfung
gewesen. Damit werde der Umstand oder die Behauptung des SG Hannover widerlegt, er habe später in einer Art
Panikreaktion gehandelt. Der Kläger hätte den Berichtigungs- und Rückforderungsbescheid der KÄV K. vom 11. April
2000 akzeptieren können. Stattdessen habe er noch im Jahr 2000 zumindest in drei Fällen die Fälschung von
Geräteausdrucken zu Manipulationszwecken durchgeführt. Dieses Verhalten habe der Kläger teilweise Ende des
Jahres 2000 eingeräumt, teilweise sein Fehlverhalten jedoch auch noch mit Schreiben seines
Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2001 bestritten. Zudem werde darauf hingewiesen, dass der dogmatisch
richtige Ansatz, es komme auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, hier
vom Sinn und Zweck der Regelung nicht für geboten angesehen werde. Weiterhin seien die Behauptungen des
Klägers hinsichtlich des Umfangs seiner Privatpraxis und hinsichtlich der Behandlung von gesetzlich
Krankenversicherten als Privatpatienten nicht verifiziert. Zudem habe der Kläger in den Quartalen III/1998 bis II/2000
und im Quartal I/2001 immer wieder die Ziffern 1745 und 1746 EBM abgerechnet, obwohl er nicht über die dafür
erforderliche Genehmigung verfüge. Das angefochtene Urteil habe auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des
BSG vom 19. Juli 2006 (Az.: B 6 KA 1/06 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 12) keinen Bestand. Nach diesem Urteil könnten
und müssten alle Pflichtverletzungen, auch wenn sie mehr als fünf Jahre zurückliegen, unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Begründung einer Zulassungsentziehung herangezogen werden. Der Kläger
könne sich nicht auf eine sog "Bewährungszeit" von fünf Jahren berufen, denn die genannte Entscheidung stelle auf
eine nicht vollzogene Zulassungsentziehungsentscheidung ab, während der tatsächliche Verzicht des Klägers mit
einer vollzogenen Zulassungsentziehung vergleichbar sei. Nach der Rechtsprechung des BSG komme die Prüfung
eines Wohlverhaltens überhaupt nur in Fällen einer nicht vollzogenen Zulassungsentscheidung in Betracht (Beschluss
des BSG vom 31. März 2006, Az.: B 6 KA 69/05 B - juris).
Die Beigeladene zu 1. begründet ihre Berufung damit, dass die Entscheidung über die Frage, ob der Kläger geeignet
im Sinne des § 21 Ärzte-ZV sei, nicht dazu führen könne, den Beurteilungsspielraum des Beklagten soweit
einzugrenzen, dass das Gericht eine eigene Entscheidung über die Auswahl des Klägers im Wege der
Praxisnachfolge treffen könne. Dem Beklagten müsse es überlassen bleiben, die Erwägungen zur Praxisnachfolge in
einem erneuten Beschluss zu gewichten und danach beurteilungsfehlerfrei zu entscheiden. Bei einer
Auswahlentscheidung nach § 103 Abs 4 - 6 SGB V diene dieses nicht dazu, die Altersversorgung des abgebenden
Vertragsarztes zu sichern. Vielmehr stelle dieses Verfahren darauf ab, dass eine Praxis zunächst als Sachgesamtheit
auf einen Praxisnachfolger übertragen werden solle. Tatsächlich müsse das Vorhandensein einer fortführungsfähigen
Praxis gegeben sein. Daher werde im Bescheid über das Auswahl- und Zulassungsverfahren bei Praxisnachfolgern
auch die Bedingung aufgenommen, dass der ausgewählte und dann zugelassene Bewerber die Praxis fortzuführen
hat. Dieser müsse die ausgewählte Praxis tatsächlich fortführen. Mit dem vereinbarten Kaufpreis der Praxis werde ein
materieller und immaterieller Wert abgegolten. Im Rahmen der Nachfolgezulassung gelte, dass der Nachfolger in den
bestehenden Mietvertrag für die Praxis einsteige und das vorhandene Personal übernehme. Der Kläger habe
angegeben, die finanziellen Forderungen und sonstigen Bedingungen des Beigeladenen zu 9. zu akzeptieren und zu
erfüllen. Der Kläger müsse darlegen, ob und in welcher Form er sich vor Abgabe der Bewerbung am 27. April 2005
ernsthaft um ein Zustandekommen des Praxisübergabevertrages mit dem Abgeber bemüht habe. Es könne nicht im
Interesse des Beigeladenen zu 9. liegen, dass eine Praxisübergabe ohne Einbeziehung der Praxisräume und des
Praxisinventars erfolge. Daher müsse die Ernsthaftigkeit der gegenüber dem Zulassungsausschuss abgegebenen
Bewerbung des Klägers hinsichtlich der akzeptierten Bedingungen in Zweifel gezogen werden. Zudem müsse bedacht
werden, dass der Kläger bereits eine Praxis in P. käuflich erworben und zum Zeitpunkt der Bewerbung auch
tatsächlich betrieben habe. Weiterhin werde auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses
abzustellen sein, ob in diesem Zeitpunkt eine Geeignetheit des Zulassungsbewerbers gegeben sei oder nicht. Zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses wäre festzustellen gewesen, dass beim Kläger eine
Ungeeignetheit im Sinne des § 21 Ärzte-ZV vorliege. Würde man auf die Geeignetheit zum Zeitpunkt eines späteren
Widerspruchs- oder Klageverfahrens abstellen wollen, wäre der Zulassungsausschuss als erstinstanzliche Institution
gezwungen, in eine Zukunftsbetrachtung einzusteigen. Daher könne es in einem späteren Widerspruchs- oder
Klageverfahren nur noch um die Frage gehen, ob zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung eine korrekte
Beschlussfassung erfolgt sei.
Auch halte die Beigeladene zu 1. den Kläger gemäß § 21 Ärzte-ZV wegen seiner HIV-Infektion für ungeeignet. Die
Ärztekammer Niedersachsen gehe davon aus, dass bei Fachärzten für Urologie ein gesteigertes Infektionsrisiko für
Patienten nur bei chirurgischen Eingriffen gegeben sei, die mit dem Skalpell erfolgten. Laserchirurgische Eingriffe
könnten ohne Gefährdungspotential erfolgen. Eine Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis sei danach möglich, wenn
nur solche Untersuchungen/Eingriffe vorgenommen würden, für die kein oder nur ein geringeres Gefährdungspotential
bestehe. Der Beklagte könne jedoch keine nach Leistungsspektren differenzierte Zulassung aussprechen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juli 2006 aufzuheben und die Klage des Klägers gegen den
Beschluss des Beklagten vom 26. Oktober 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen der Beigeladenen zu 1. und des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juli
2006 zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass hinsichtlich des Ausgangspunkts für den Vorwurf der Pflichtverletzung allein auf die Taten
abzustellen sei. Er habe diese sofort nach Aufdeckung rückhaltlos zugegeben. Es könne ihm nicht vorgeworfen
werden, dass er sich bei seiner Anhörung Ende 2000 gegen die ihm gemachten Vorwürfe auch mit Hilfe eines
Rechtsanwalts teilweise zur Wehr gesetzt habe. Zudem habe der Kläger in seiner Anhörung in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG Hannover am 26. Juli 2006 substantiiert zu seiner beruflichen Tätigkeit vorgetragen. Die
Entscheidung des BSG vom 19. Juli 2006 (Az: B 6 KA 1/06 R, aaO) passe schon vom Sachverhalt nicht, denn der
dortige Kläger habe seit Beginn seiner Tätigkeit als Vertragsarzt über einen Zeitraum von zwölf Jahren hinweg
andauernd gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen und sei deshalb Honorarkürzungsmaßnahmen und einer
Disziplinarmaßnahme unterworfen worden. Auch die eingeführten unrichtigen Abrechnungen der Ziffern 1745 und 1746
EBM seien nicht neu. Sie seien bereits Gegenstand der Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss für Ärzte
Hamburg auf Einleitung eines Zulassungsentziehungsverfahrens gewesen. Lege man die Maßstäbe der zitierten
Entscheidung des BSG an den vorliegenden Fall, so könne man nicht feststellen, dass die zurückliegenden
Pflichtverletzungen so gravierend gewesen seien, dass sie auch nach Ablauf der üblichen Wohlverhaltensfrist noch
zur Grundlage einer Zulassungsentziehung gemacht werden könnten. Dieses sei nach dem BSG zB erfüllt bei
systematischem Fehlverhalten im Behandlungs- und Abrechnungsbereich. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Die
immer wieder zitierte Fünf-Jahresfrist werde durch keine Rechtsnorm vorgegeben. Es handele sich vielmehr nach der
Rechtsprechung des BSG um einen Zeitraum, der im Übrigen auch kürzer sein könne. Keinesfalls sei es so, dass vor
Ablauf der angeblichen Fünf-Jahresfrist der betroffene Arzt wegen früheren Fehlverhaltens überhaupt nicht zur
vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden könne. Warum allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung des
Zulassungsausschusses abzustellen sei, erschließe sich nicht.
Der Beigeladenen zu 10. schließt sich dem Antrag der Berufungsführer an.
Bei der Berechnung der Bewährungszeit sei grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Fehlverhaltens, nicht auf den
Zeitpunkt der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit abzustellen. Da das wiederhergestellte Vertrauen der
ausschlaggebende Punkt für eine erneute Zulassung sei, könne die "Bewährungszeit" folglich auch erst dann
beginnen, wenn sich der Arzt zum ersten Mal wieder als vertrauenswürdig erwiesen habe. Es gehe nicht darum, dass
der Kläger dazu verpflichtet werden solle, an seiner eigenen Strafverfolgung mitzuwirken. Es stehe vielmehr im
Interesse des Klägers, das Vertrauen der Beigeladenen zu 1. schnellstmöglich wieder zu erlangen. Erst mit Schreiben
vom 29. Januar 2001 habe der Kläger das ihm vorgeworfene Fehlverhalten bestätigt. Auch sei - Sinn und Zweck der
gesetzlichen Bestimmungen entsprechend - allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des
Zulassungsausschusses maßgebend. Zudem werde bestritten, dass der Kläger 600 Privatpatienten pro Quartal
versorge. Falls der Kläger tatsächlich 600 Privatpatienten versorge, stelle sich die Frage, wie er zusätzlich ca. 1.000
Kassenpatienten versorgen könne. Zudem müsse darauf hingewiesen werden, dass die Praxis des Beigeladenen zu
9. in ihrer ursprünglichen Form nur noch fragmentarisch vorhanden sei. Der Beigeladene zu 10. behandele nunmehr
ca. 1.000 Patienten pro Quartal. Zudem habe er Investitionen in Höhe von ca. 50.000 Euro getätigt. Diese
Investitionen seien durch den ursprünglichen Kaufpreis nicht mit abgegolten. Weiterhin hätte das SG Hannover nicht
den Beklagten zur Stattgabe des Antrags verurteilen dürfen. Da der Verwaltung ein Ermessens- und
Beurteilungsspielraum zustehe, hätte das Gericht sie lediglich zur Neubescheidung verurteilen können.
Dem hält der Kläger entgegen, es sei nicht erkennbar, dass sein Verlangen daran scheitere, dass er die Zulassung
zur vertragsärztlichen Versorgung auf den Vertragsarztsitz des früheren Kollegen erstrebe, dessen Praxis so
angeblich nicht mehr vorhanden sei. Die Zulassung werde nicht in Bezug auf eine konkrete Praxis, bestehend aus
Anlage-Umlaufvermögen und einen Patientenstamm, beantragt. Beim Kläger gehe es darum, als Nachfolger des
ausscheidenden Beigeladenen zu 9. nunmehr an dessen Stelle die vertragsärztliche Tätigkeit zu betreiben. Im Zuge
dieses Wechsels müsse er die Praxis des früheren Inhabers erwerben; dieses diene vorrangig den Interessen des
ausscheidenden Kollegen. Was der Nachfolger mit der erworbenen Praxis mache, bleibe ihm völlig unbenommen.
Auch könne der Beigeladene zu 10. Vertrauensschutz nicht beanspruchen. Ihm sei klar gewesen, dass die
Entscheidung des Zulassungsausschusses durch den zweiten Bewerber anfechtbar gewesen sei. Nur durch die
Anordnung des Sofortvollzuges sei es ihm ermöglicht worden, sofort die Praxis des Beigeladenen zu 9. zu
übernehmen. Der Kläger habe zu keiner Zeit erklärt oder durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, er sei nicht
bereit, die Praxis des Vorgängers in seiner Gesamtheit zu übernehmen und dafür den vereinbarten Kaufpreis zu
zahlen. Es sei nicht Aufgabe des Klägers darzulegen, wie er sich ernsthaft im Falle der Auswahl um das
Zustandekommen eines Praxisübergabevertrages bemüht hätte. Auch der Umstand, dass der Kläger bereits in P. eine
Praxis erworben habe und betreibe, könne nicht die Ernsthaftigkeit der Bewerbung infrage stellen.
Die Beigeladenen zu 2. bis zu 9. haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren die Gerichtsakten der Parallelverfahren S 16 KA 215/03, S 16 KA 216/03
und S 16 KA 16/05 sowie die Verwaltungsakten des Beklagten, die Verwaltungsakten der KÄV K. über die sachlich-
rechnerischen Berichtigungen der Quartale IV/1998 bis IV/1999, die Verwaltungsakten über das
Zulassungsentziehungsverfahren vom Zulassungsausschuss für Ärzte K. sowie das Disziplinarverfahren des
Disziplinarausschusses der KÄV K. beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt
der beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig; insbesondere ist die Beigeladene zu 1.
rechtsmittelbefugt. Die KÄVen sind aufgrund der ihnen übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und
vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V)
durch die Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse stets und unmittelbar in eigenen Rechten
betroffen (stRspr des BSG, vgl ua Urteil vom 29. September 1999, Az.: B 6 KA 1/99 R SozR 3-2500 § 103 Nr. 5 =
BSGE 85, 1 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 , Az.: 6 RKa 46/95 - SozR 3-2500 § 311 Nr. 4 = BSGE
78, 284).
Die Berufungen sind auch begründet. Das SG Hannover hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, dem Antrag des
Klägers auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Nachfolger des Beigeladenen zu 9. im Wege der
Praxisnachfolge stattzugeben. Das Urteil des SG Hannover war aufzuheben, denn der Kläger ist durch den Beschluss
des Beklagten vom 26. Oktober 2005 nicht in seinen Rechten verletzt.
1) Gegenstand des Verfahrens sind sowohl eine gegen die Ablehnung seines Zulassungsantrags gerichtete
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 S 1 Halbs 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) als auch eine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG gegen die Zulassung des Beigeladenen
zu 10. (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, Az.: B 6 KA 81/03 R SozR 4-2500 § 103 Nr 2 = BSGE 94, 181). In erster
Linie geht es dem Kläger darum, selbst als Praxisnachfolger des Beigeladenen zu 9. anstelle des Beigeladenen zu
10. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, so dass eine sog offensive Konkurrentenklage vorliegt.
Insoweit ist der Kläger zwar klagebefugt; er kann geltend machen, als Mitbewerber um eine nur einmal zu vergebende
Berechtigung durch die Zulassung des Beigeladenen zu 10. in eigenen Rechten verletzt zu sein (BSG aaO).
Allerdings ist seine Klage - entgegen der Auffassung des SG - unbegründet. Er hatte zum hier maßgeblichen
Zeitpunkt der Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses keinen Anspruch darauf, anstelle des
Beigeladenen zu 10. als Nachfolger des Beigeladenen zu 9. in dessen früherer Praxis in H. zugelassen zu werden.
2) Grundlage der vom Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung ist § 103 Abs 4 SGB V. Danach hat die KÄV die in
einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Bereich gelegene Praxis eines Vertragsarztes, dessen Zulassung
endet, auf seinen Antrag auszuschreiben. Unter mehreren Bewerbern hat der Zulassungs¬ausschuss den Nachfolger
nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Maßgebliche Kriterien für die Auswahlentscheidung sind dabei ua die
berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit sowie das etwaige Bestehen
bestimmter Verbindungen zum ausscheidenden Arzt (§ 103 Abs 4 S 4 SGB V). Bei der Auswahl können allerdings
von vornherein nur solche Ärzte berücksichtigt werden, die die Voraussetzungen für die Zulassung zur
vertrags¬ärztlichen Tätigkeit erfüllen (vgl § 95 Abs 2 SGB V iVm den Vorschriften der Ärzte-ZV), weil eine positive
Auswahlentscheidung zu einer vollwertigen Zulassung als Vertragsarzt führt. Im Ergebnis ergibt sich hieraus ein
zweistufiges Entscheidungs¬verfahren der Zulassungsgremien, bestehend aus einer gebundenen Entscheidung über
das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen und einer Ermessensentschei¬dung über die eigentliche Auswahl
unter mehreren zulassungsfähigen Bewerbern.
Bei der gerichtlichen Überprüfung kommt es dabei regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung - hier: auf den Beschluss des Beklagten vom 26. Oktober 2005 - an. Zwar sind für das
kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren des Klägers nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.
Februar 2005 Az.: B 6 KA 81/03 R SozR 4-2500 § 103 Nr. 2 = BSGE 94, 181 mwN) grundsätzlich alle Änderungen der
Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Änderungen der Rechtslage bis
zum Abschluss der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt jedoch, sofern diesem
Vornahmebegehren notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung - hier: der Begünstigung des
Beigeladenen zu 10. - vorangehen muss. Wenn sich für die Berufszulassung des begünstigten Dritten die Sach- oder
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstellt - dies ist hier anzunehmen, wie
noch darzulegen ist -, so ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. Februar 2005 Az.: B 6 KA 81/03 R
aaO) dieser Zeitpunkt maßgeblich.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hat der Beklagte in der fehlenden persönlichen Eignung des Klägers für die
Tätigkeit als Vertragsarzt zu Recht ein zwingendes Zulassungshindernis gesehen (dazu a) und ihn folgerichtig nicht in
seine Auswahlentscheidung für die Nachfolgezulassung des Beigeladenen zu 9. mit einbezogen (dazu b).
a) Nach § 21 Ärzte-ZV ist ein Arzt für die Ausübung der Kassenpraxis ungeeignet, bei dem geistige oder sonstige in
der Person liegende schwerwiegende Mängel vorliegen, wozu insbesondere ein Arzt gehört, der innerhalb der letzten
fünf Jahre vor seiner Antragstellung rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig war. Nach der zutreffenden Rechtsprechung
des BSG (Urteil vom 29. Oktober 1986, Az.: 6 RKa 32/86 - juris) sind solche Eignungsmängel auch dann
anzunehmen, wenn ein Arzt seine vertrags¬ärztlichen Pflichten derart verletzt, dass er für das vertragsärztliche
Versorgungs¬system untragbar geworden ist. War diesem Arzt deshalb die Zulassung entzogen worden, kann eine
erneute Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht vor Ablauf einer Bewährungszeit angenommen
werden. In Anlehnung an die in § 21 Ärzte-ZV aE genannte Frist kann dieser Bewährungszeitraum im Sinne eines
Orientierungswerts auf fünf Jahre bemessen werden (vgl BSG aaO; zuletzt BSG-Urteil vom 17. Juni 2009, Az.: B 6
KA 16/08 R).
Nichts anderes kann gelten, wenn ein Vertragsarzt - wie hier - auf seine frühere Zulassung verzichtet, bevor die
Zulassungsgremien wirksam über eine Entziehung seiner Zulassung wegen des Vorwurfs einer massiven
Pflichtverletzung entscheiden können. In einem solchen Fall hat der mit einer anschließend beantragten
Neuzulassung zuständige Ausschuss stets zu prüfen, ob die frühere Zulassung des Antragstellers wegen einer
gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten nach § 95 Abs 6 SGB V mit der Folge hätte entzogen werden
müssen, dass eine Neuzulassung zum beabsichtigten Zeitpunkt (noch) nicht (wieder) in Betracht kommt. Andernfalls
hätte es ein persönlich ungeeigneter Arzt durch eine rechtzeitige Rückgabe seiner Zulassung in der Hand, den
Zeitpunkt seiner erneuten Zulassung als Vertragsarzt selbst zu wählen. Eine solcher "Umgehungsverzicht" aber wäre
mit dem Ziel des § 21 Ärzte-ZV, ungeeignete Ärzte vom vertragsärztlichen System fernzuhalten, nicht vereinbar.
aa) Vor diesem Hintergrund ist der Beklagte im angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass der
Kläger in der Zeit seiner Mitgliedschaft bei der KÄV Hamburg seine vertragsärztlichen Pflichten in einer Weise verletzt
hat, die einer erneuten Zulassung zum hier maßgeblichen Zeitpunk entgegensteht.
Nach dem Gesetzeswortlaut in § 95 Abs 6 SGB V ist eine Zulassung ua zu entziehen, wenn Arzt seine
vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat. Dies ist anzunehmen, wenn durch die Pflichtverletzung das
Vertrauensverhältnis zur KÄV und zu den Krankenkassen so schwer gestört ist, dass diesen eine weitere
Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989, Az.: 6 RKa
28/88 SozR 2200 § 368a Nr 24; Urteil vom 24. November 1993, Az.: 6 RKa 70/91 SozR 3-1500 § 95 Nr 4). Von
besonderer praktischer Bedeutung ist dabei die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung, die zu den
Grundpflichten des Arztes gehört (BSG, Urteil vom 30.03.1977, Az.: 6 RKa 4/76 SozR 2200 § 368a Nr 3). Der Arzt
verstößt hiergegen, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein
Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat. Der Verstoß erweist sich in der Regel auch als gröbliche
Pflichtverletzung, die zur Entziehung der Zulassung führt (zu alledem: BSG, Urteil vom 24. November 1993, Az.: 6
RKa 70/91 SozR 3-1500 § 95 Nr 4).
Der Kläger hat aber bereits bei der Besprechung mit der KÄV Hamburg am 20. Dezember 2000 eingeräumt, EMG-
Leistungen im Fall von 3 Patienten unvollständig erbracht und damit die Ziffer 809 EBM zu Unrecht abgerechnet zu
haben. Schon in diesem unstreitigen Verhalten ist eine vorsätzliche Falschabrech¬nung zu sehen. Darüber hinaus hat
der Kläger zugestanden, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens versucht zu haben, sich das Honorar hieraus zu
erhalten, indem er nachträgliche Veränderungen an den EMG-/Uroflow-Kurven vorgenommen hat, die von der KÄV
angefordert worden sind. Insoweit ist auch seine Behauptung, er habe die Patienten zu Nachuntersuchungen
einbestellt, dadurch widerlegt worden, dass dies durch 2 (von 3) Patienten im Rahmen einer Befragung der
Krankenkassen nicht bestätigt worden ist. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass er im
Widerspruchverfahren gefälschte Kurven vorgelegt hat, denen keine Untersuchung zugrundegelegen hat.
Ferner hat der Kläger der KÄV K. im November 2003 bezüglich der Ziffer 8653 eine Liste vorgelegt, aus der sich die
Abrechnung der Onkologie-Ziffer in 24 von 49 Fällen bei Patienten ergeben hat, bei denen kein urologischer Tumor
diagnostiziert worden ist. Jedenfalls in diesen Fällen ist damit bestätigt, dass er zu Unrecht für ihn fachfremde
Leistungen abgerechnet hat. Auch insoweit hatte er zuvor im Widerspruchsverfahren beträchtliche Energie darauf
verwandt, diesen Umstand zu verschleiern. So hatte er - wie der Verwaltungsakte der KÄV K. zu entnehmen ist - in
der Anlage zu seiner Widerspruchsbegründung für 28 Patienten ICD 10-Diagnosen von Karzinomerkrankungen aus
dem urologischen Fachgebiet angegeben, musste dann aber einräumen, dass diese zu einem beträchtlichen Teil nicht
richtig waren, nachdem die KÄV ihn aufgefordert hatte, für 14 dieser Patienten histologische Befunde vorzulegen. Wie
sich später herausgestellt hat, hat er im späteren Quartal II/2001 für einzelne dieser Patienten gleichwohl erneut die
Ziffer 8653 abgerechnet.
Diese Umstände ergeben sich - auch soweit der Kläger sie im Verlauf des Verfahrens durch einfaches Bestreiten in
Abrede gestellt hat - aus den in der Verwaltungsakte der KÄV K. enthaltenen Vorgängen zu den
Widerspruchs¬verfahren der Quartale IV/1998 bis IV/1999. Sie sind zusammengefasst in der Begründung des Antrags
der KÄV auf Entziehung der Zulassung vom 2. April 2000 dargelegt worden und belegen, dass der Kläger nicht nur
unrichtig abgerechnet, sondern es nachhaltig darauf angelegt hat, dies zu leugnen und sich die finanziellen Vorteile
seiner Falschabrechnungen mit immer wieder neuen Täuschungsversuchen zu erhalten. Dieses fortgesetzte Verhalten
kann nicht unter Hinweis auf eine Panikreaktion entschuldigt werden (abgesehen davon, dass es auf ein Verschulden
im Rahmen der Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung ohnehin nicht ankommt (BSG, Urteil vom
25. Oktober 1989, Az.: 6 RKa 28/88 SozR 2200 § 368a Nr 24)). Weiter ist es geeignet, das Vertrauen der KÄV und
der Kassen darauf, das Abrechnungsverhalten des Klägers werde in Zukunft der Pflicht zur peinlich genauen
Abrechnung nachkommen, schwerwiegend zu erschüttern. Auch unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit (vgl hierzu BSG, Urteil vom 24. November 1993, Az.: 6 RKa 70/91 SozR 3-1500 § 95 Nr 4) wäre
deshalb eine Entziehung der damaligen Zulassung des Klägers das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der
vertragsärztlichen Versorgung gewesen.
bb) Weiter ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die sich an die vorangestellt dargelegten gröblichen
Pflichtverletzungen des Klägers anschließende Bewährungszeit zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen
Auswahlentscheidung noch nicht abgelaufen war.
Auf Grund seiner gröblichen Pflichtverletzungen, die zur Entziehung der früheren Zulassung des Klägers berechtigt
hätte, ist bei seinem Antrag auf Wiederzulassung zu prüfen, ob er inzwischen die nach der BSG-Rechtsprechung
(Urteil vom 29. Oktober 1986, aaO) erforderliche Bewährungszeit erfolgreich absolviert hat. Das BSG hat hierzu aaO
klargestellt, dass es insoweit darauf ankommt, wie sich der Arzt nach der Entziehung der Zulassung in seinem
beruflichen Bereich verhalten hat und welche Schlüsse daraus auf eine berufliche Bewährung zu ziehen sind. Die
Bewährungszeit beginnt deshalb mit dem Zulassungsende - hier: der 30. Juni 2001. Geht man vom Orientierungswert
eines fünfjährigen Zeitraums aus, endete sie erst im Juni 2006 und war deshalb im Zeitpunkt der angefochtenen
Entscheidung vom 26. Oktober 2005 noch nicht abgelaufen.
Eine kürzere Frist als fünf Jahre - hiervon geht der beklagte Berufungsausschuss zu Recht aus - kann dem Kläger
dabei nicht zugebilligt werden. Das BSG hat aaO zwar ausgeführt, in vielen Fällen werde schon eine kürzere Zeit als
fünf Jahre genügen, um feststellen zu können, ob der Arzt wieder für die vertragsärztliche Versorgung geeignet ist.
Das Verhalten des Klägers im Anschluss an seinen Zulassungsverzicht zeigt aber, dass eine derartige Eignung im
Oktober 2005 noch nicht wieder vorgelegen hat.
So kann bei einer gröblichen Pflichtverletzung angesichts des vorangegangenen Vertrauensverlusts bei der KÄV und
den Krankenkassen eine erneute persönliche Eignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nur
angenommen werden, wenn der Arzt sich so verhalten hat, dass die am vertragsärztlichen Versorgungssystem
Beteiligten das Vertrauen in dessen Integrität wiedergewinnen konnten. Dies setzt zumindest voraus, dass der Arzt
sein Fehlverhalten einsieht und bereit ist, die sich hieraus ergebenden Konsequenzen - insbesondere das
Durchstehen einer mehrjährigen Karenzzeit - zu tragen. Denn nur hierdurch zeigt er, dass er in Zukunft bereit sein
wird, die Regeln des Vertragsarztrechts zu akzeptieren. Der Kläger hat jedoch das Gegenteil getan. Er hat sich sofort
nach dem Verzicht auf seine Zulassung auf neu ausgeschriebene Vertragsarztsitze beworben und dabei erkennen
lassen, dass seine Vorgehensweise - Verzicht auf die Zulassung, um einer Zulassungsentziehung zu entgehen,
verbunden mit sofortigen Neuanträgen - von vornherein dem Ziel dienten, den rechtlichen Konsequenzen seiner
Pflichtverletz¬ungen zu entgehen. Dies wird besonders deutlich aus der schriftlichen Stellung¬nahme, die er
ausweislich der Verwaltungsakten des Beklagten den Mitgliedern des Zulassungsausschusses ausgehändigt hat.
Darin hat er angeführt, er sei sich seiner Verfehlungen durchaus bewusst, sehe aber in einem "eingestellten Verfahren
( ) keinen rechtlich haltbaren Vorwurf", der einen in seiner Person liegenden Mangel vorweise. Im Ergebnis hat er
damit die bereits im Berichtigungsverfahren bei der KÄV K. verfolgte Strategie fortgesetzt, Fehler erst dann
zuzugeben, wenn ihm keine andere Möglichkeit mehr bleibt und im Übrigen - trotz nachgewiesener
Falschabrechnungen - durch immer neue Manöver den eigenen Vorteil zu verfolgen. Dies wird auch bestätigt durch
seine Vorgehensweise im Widerspruchs- und Klageverfahren, in denen er konsequent nur einen geringen Teil der
bereits angeführten Unregelmäßigkeiten eingeräumt und weitere Vorwürfe pauschal bestritten hat, obwohl sich deren
Begründetheit im Einzelnen aus der Verwaltungsakte der KÄV K. und - zusammenfassend - aus der Begründung des
Entziehungsantrags vom 2. April 2000 ergibt.
Ein derartiges Verhalten ist nicht geeignet, neues Vertrauen zu gewinnen. Insbesondere kann ein Arzt, der mit
Bedacht das Ziel verfolgt hat, einer Bewährungszeit vor einer neuen vertragsärztlichen Zulassung als solcher zu
entgehen, nicht beanspruchen, dass diese nunmehr verkürzt wird.
b) Nach alledem ist der Kläger bei der Auswahl eines Nachfolgers für den Beigeladenen zu 9. gemäß § 103 Abs 4
SGB V zu Recht nicht berücksichtigt worden. Dies wirkt sich zugunsten des Beigeladenen zu 10. aus, den der
Beklagte - aus zwingenden Rechtsgründen - als einzig zulassungsfähigen Bewerber in die Auswahlentscheidung nach
§ 103 Abs 4 SGB V einbeziehen konnte. Bei der Überprüfung dieser Entscheidung kommt es auf Grund des bereits
angesprochenen Günstigkeitsgrundsatzes auf den seitdem abgelaufenen Zeitraum bis zur jetzigen mündlichen
Verhandlung nicht mehr an.
Schließlich teilt der Senat nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Kläger gegen seine fehlende
Einbeziehung in die Auswahlentscheidung des beklagten Berufungsausschusses vor allem in der mündlichen
Verhandlung am 27. Januar 2010 geltend gemacht hat. So ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Wertung in § 95b
Abs 2 SGB V, dass früheren Vertragsärzten als Folge einer Pflichtverletzung der erneute Zugang zum System der
vertragsärztlichen Versorgung für mehrere Jahre versperrt sein kann. Eine derartige Wiederzulassungssperre schränkt
zwar ebenso wie eine Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung die Berufsfreiheit in einem Maße ein,
das in seiner Wirkung einer Beschränkung der Berufswahl iS von Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) nahekommt.
Sie ist aber durch schwerwiegende Allgemeininteressen - hier insbesondere dem durch die frühere Vorgehensweise
des Klägers nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnis zu den KÄVen und den Krankenkassen - gerechtfertigt (vgl zur
Grundrechtsproblematik von Wiederzulassungssperren auch BSG, Urteil vom 17. Juni 2009, Az.: B 6 KA 16/08 R -
juris, Rn 68 ff mwN, zur Veröffentlichung in SozR und BSGE vorgesehen).
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1, 162 Abs 3, 154 Abs 3
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertbemessung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz
(GKG). In vertragsärztlichen Zulassungsverfahren ist der Streitwert nach den Umsätzen der Arztgruppe abzüglich des
durchschnittlichen Praxiskostenanteils in einem Zeitraum von drei Jahren zur berücksichtigen (vgl Abschnitt C. IX.
16.4 des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsgerichtsbarkeit - Stand: 1. April 2009 = NZS 491, 496). Nach den
vom Beklagten mitgeteilten Honoraren der Facharztgruppe Urologie betrugen diese in den Quartalen III/2005 bis
II/2006 insgesamt 157.748,25 Euro, die auf drei Jahren hochgerechnet werden abzüglich der Praxiskosten von 61,5
%. Dies ergibt den tenorierten Streitwert.