Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.07.2007

LSG Nsb: angemessenheit der kosten, wohnung, medikamentöse behandlung, avb, räumung, pflegeheim, wechsel, niedersachsen, ausführung, umzug

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 16.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 2 SO 54/07 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 SO 26/07 ER
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. April 2007 wird
zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für
das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sich diese gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg
vom 10. April 2007 wendet, in dem sie im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Vorbehalt der
Rückforderung verpflichtet worden ist, die Kosten für die Räumung und Auszugsrenovierung der früheren Wohnung der
Antragstellerin in der F. in G. zu übernehmen, bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das SG Oldenburg die Antragsgegnerin
verpflichtet, sowohl die Kosten der Auszugsrenovierung für die frühere Wohnung (hierzu 1.) als auch die Kosten für
die Räumung der Wohnung (hierzu 2.) vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu übernehmen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen
Beschluss und macht sich diese zu eigen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1. Die Antragsgegnerin gewährt der Antragstellerin seit dem 1. Januar 2003 Leistungen der Grundsicherung. Vor ihrer
Aufnahme in das Pflegeheim, H. G., die am 7. Februar 2007 erfolgte, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der
Gewährung der Grundsicherungsleistungen gemäß §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - auch Kosten
der Unterkunft für die frühere Wohnung der Antragstellerin in der F. (vgl. Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom
27. November 2006). Der Anspruch auf die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ergibt sich aus § 42
Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i. V. m. § 29 SGB XII. Zutreffend weist das SG in dem angefochtenen Beschluss vom 10. April
2007 darauf hin, dass zu diesen Unterkunftskosten auch die hier strittigen notwendigen Auszugsrenovierungskosten
gehören. Kosten der Unterkunft i. S. v. § 29 Abs. 1 SGB XII sind nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige
Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Unterkunft zusammenhängen (ebenso: LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 23. November 2006, L 7 SO 4415/05 Rz. 23, zit. nach juris). Die Kosten einer
Auszugsrenovierung sind im Rahmen der Grundsicherung jedenfalls dann zu erstatten, wenn der Hilfeempfänger
hierzu mietvertraglich verpflichtet ist und der Wechsel in eine andere Wohnung unter dem Gesichtspunkt der
Angemessenheit der Kosten notwendig war (LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). Diese Voraussetzungen sind
vorliegend gegeben. Die am 2. Mai 1948 geborene Antragstellerin leidet nach einem Schlaganfall im Jahre 2001 an
einem Multiinfarkt-Syndrom bei bestehender vasculärer Encephalopathie, arterieller Hypertonie, diabetischer
Polyneuropathie sowie Herzrhythmusstörungen bei Zustand nach Herzschrittmacherimplantation und Zustand nach
Nephrektomie rechts. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 teilte Dr. W., Praktischer Arzt, mit, dass die
medikamentöse Behandlung – Insulin 2-mal pro Tag, Blutzuckerwertbestimmungen und generelle Pflege auf Dauer
durch die Antragstellerin selbst nicht mehr sichergestellt sei. Aus diesen Gründen erfolgte dann zum 7. Februar 2007
die Aufnahme der Antragstellerin im Pflegeheim H. G ... Die Antragstellerin war somit nach Kenntnisstand des
Gerichts in diesen Eilverfahren aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, in der früheren Unterkunft F.
weiter zu wohnen. Dies wird von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten. Die Antragsgegnerin gewährt der
Antragstellerin vielmehr seit dem 1. März 2007 Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach § 61 ff. SGB XII (vgl. Bescheid
der Antragsgegnerin vom 28. Februar 2007). Nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts ist die Antragstellerin auch
mietvertraglich verpflichtet, die streitgegenständlichen Kosten der Auszugsrenovierung für die frühere Wohnung zu
übernehmen. Gemäß § 2 Ziffer 5 a des Mietvertrages vom 12. März 1998 war die Antragstellerin verpflichtet, die
Schönheitsreparaturen gemäß Nrn. 4 und 11 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) auszuführen. Gemäß Nr.
11 Abs. 3 AVB sind die nach Nr. 4 Abs. 2 AVB fälligen Schönheitsreparaturen rechtzeitig vor Beendigung des
Mietverhältnisses nachzuholen. Der konkrete Umfang der mietvertraglich geschuldeten Renovierungsmaßnahmen
ergibt sich hier aus dem Vorabnahmeprotokoll der I. vom 6. März 2007. Letztlich haben die streitgegenständlichen
Kosten der Auszugsrenovierung ihre Ursache darin, dass die Antragstellerin es offensichtlich unterlassen hat,
während der Mietdauer die mietvertraglich vereinbarten Schönheitsreparaturen regelmäßig durchzuführen. Es handelt
sich also um "Folgekosten" wegen nachträglicher Ausführung der Schönheitsreparaturen. Die Kosten für
Schönheitsreparaturen waren jedoch nicht im Regelsatz enthalten. Daher gehören auch Kosten einer
Auszugsrenovierung, die wegen der verspäteten Ausführung der Schönheitsreparaturen entstanden sind, zu den
Kosten der Unterkunft im Sinne von § 29 Abs. 1 SGB XII (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2006,
a. a. O, Rz. 24). Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass vorliegend die
mietvertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung von Schönheitsreparaturen unwirksam seien mit der Folge,
dass diese Leistungen nicht geschuldet seien. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23. Juni 2004 (VIII ZR
361/03, NJW 2004, S 2586) entschieden, dass eine starre Fristenregelung im Hinblick auf die Durchführung von
Schönheitsreparaturen unwirksam ist. Eine derartige Formularklausel stelle eine unangemessene Benachteiligung
(des Mieters) i. S. v. § 307 BGB dar und verstoße zudem gegen § 309 Nr. 5 BGB analog. Denn im Einzelfall habe
eine solche Klausel zur Folge, dass der Mieter Schönheitsreparaturen unabhängig vom tatsächlichen
Renovierungsbedarf auszuführen hat (BGH a. a. O.; Palandt, BGB-Kommentar, 65. Auflage 2006, § 535 Rdn. 47).
Allerdings liegt eine starre Fristenregelung erst dann vor, wenn die Schönheitsreparaturen zu einem fixen
Endzeitpunkt ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache zu erbringen sind. Entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin vermag der Senat vorliegend nicht von einer "starren" Fristenregelung auszugehen.
Die Regelung in Nr. 4 Abs. 3 AVB lässt ausdrücklich eine Verlängerung und (Verkürzung) der in Nr. 4 Abs. 2 AVB
genannten Fristen für die Durchführung der Schönheitsreparaturen bei bestimmten Umständen zu. Hierdurch soll
erkennbar den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Eine abschließende Bewertung
muss allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der Antragstellerin ist es aber nicht zuzumuten, den
Ausgang des Hauptsacheverfahrens zunächst abzuwarten.
2. Der angefochtene Beschluss des SG Oldenburg vom 10. April 2007 ist auch insoweit rechtlich nicht zu
beanstanden, als die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Übernahme der Räumungskosten
der früheren Wohnung verpflichtet worden ist. Auch die hier streitgegenständlichen Räumungskosten sind nicht vom
Regelsatz erfasst, sondern vielmehr den Kosten der Unterkunft im Sinne von § 29 Abs. 1 SGB XII zuzuordnen.
Ebenso wie die Kosten einer Auszugsrenovierung stellen auch die Räumungskosten einmalige Aufwendungen dar, die
mit dem Wechsel der Unterkunft zusammenhängen. Zwar gilt auch insoweit der Nachranggrundsatz des § 2 SGB XII,
wonach grundsätzlich der Hilfeempfänger gehalten ist, die Räumung der Wohnung selbst bzw. mit Hilfe von Freunden
und Bekannten durchzuführen. Nach Aktenlage bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Möglichkeit hier
in Betracht kam. Allein der oben dargestellte Gesundheitszustand und die Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin
sprechen gegen der Möglichkeit der Selbsthilfe. Auch ist der Betreuer nicht verpflichtet, selbst die Räumung der
Wohnung durchzuführen. Nach der vorliegenden Bestellungsurkunde des Amtsgerichts G. umfasst der Aufgabenkreis
des Betreuers der Antragstellerin u. a. "Entscheidung über die Unterbringung" sowie "Wohnungsangelegenheiten".
Dies bedeutet aber nur, dass der Betreuer den Betroffenen in diesen Aufgabenkreisen gerichtlich und außergerichtlich
vertritt. Da es sich im Übrigen offensichtlich um einen notwendigen Umzug in das Pflegeheim handelte, wäre die
Antragsgegnerin wohl auch verpflichtet gewesen, die notwendigen Umzugskosten zu übernehmen. Nach Angaben des
Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin scheiterte ein Umzug nur daran, dass die Antragstellerin nur wenige
persönliche Gegenstände mit in das Pflegeheim mitnehmen konnte. In dem hier vorliegenden Fall sind
"Umzugskosten" also auch Kosten der Räumung und Entsorgung in der alten Wohnung vorhandener Möbel und
Geräte.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).