Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.01.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 13.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 4 U 404/98
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 U 25/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Folgen eines Unfallereignisses nach dem Recht der gesetzlichen
Unfallversicherung sowie um die Zuerkennung einer Verletztenrente.
Der 1942 geborene Berufungskläger erlitt bei versicherter Tätigkeit am 5. August 1997 einen Unfall. Bei
Entladearbeiten auf einem LKW stürzte er rückwärts von einer Rampe auf den Rücken.
In dem Durchgangsarztbericht des Unfallchirurgen Dr. C. vom 7. August 1997 heißt es, es hätten sich keine äußeren
Verletzungen und röntgenologischen Hinweise auf knöcherne Verletzungen gefunden. In der Folge war der
Berufungskläger in laufender Behandlung bei dem Unfallchirurgen Dr. D., der der Berufungsbeklagten immer wieder
berichtete. Aufgrund anhaltender Beschwerden wurde der Berufungskläger vom 29. September bis zum 6. Oktober
1997 ambulant im Friederikenstift in Hannover zur Abklärung aufgenommen. Hierüber berichteten der Unfallchirurg
Prof. Dr. E. und Kollegen unter dem 9. Oktober 1997, bei dem Berufungskläger hätten röntgenologisch keine
pathologischen Auffälligkeiten festgestellt werden könne; er sei in subjektiv beschwerdefreiem Zustand entlassen
worden. In einem Arztbrief des Nuklearmediziners Dr. F. vom 15. Oktober 1997 in dem über die Durchführung einer
Magnet-Resonanz-Tomographie am 14. Oktober 1997 berichtet wurde, wird über eine Protrusion bei Th 5/6 und eine
verdächtige Struktur bei Th 7/8 berichtet. Darüber hinaus befundete Dr. F. osteochondrotische Veränderungen im
mittleren Drittel der Brustwirbelsäule (BWS). Nach dem der Unfallchirurg Dr. D. unter dem 17. Oktober 1997 berichtet
hatte, bei erneutem Röntgen habe sich nunmehr eine Rippenserienfraktur 6 bis 10 links gezeigt, wurde das
berufsgenossenschaftliche Verfahren erneut eröffnet. Insoweit berichtete der Chirurg Prof. Dr. G. unter dem 22.
Oktober 1997, die Rippenserienfraktur könne bestätigt werden. Dies gelte auch für die Veränderung der Bandscheibe
bei Th 5/6, die aber nicht unfallbedingt sei. Ein Ende der unfallbedingten Krankschreibung sei zum 9. November 1997
zu erwarten. Dies bestätigte auch der Unfallchirurg Dr. D. unter dem 31. Oktober 1997.
Die Berufungsbeklagte zog ua ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Berufungsklägers bei. Hierin ist
im Januar 1994 eine schwere Thoraxprellung vermerkt. Weiter gelangte ein Befund des Neurochirurgen Dr. H. vom 8.
Dezember 1997 zum Verwaltungsvorgang, der die diagnostizierte Raumforderung an der BWS des Berufungsklägers
für unfallunabhängig hielt.
Sodann veranlaßte die Berufungsbeklagte das Zusammenhangsgutachten des Orthopäden Dr. I. vom 20. Januar
1998. Dieser kam nach sorgfältiger Auswertung aller vorliegenden Befunde von bildgebenden Verfahren zu dem
Ergebnis, die nunmehr noch vorliegenden Befunde stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Das
Unfallereignis habe auch keine diesbezüglich zu berücksichtigende Verschlimmerung ausgelöst.
Daraufhin lehnte die Berufungsbeklagte mit Bescheid vom 10. März 1998 die Gewährung von Leistungen der
gesetzlichen Unfallversicherung ab, da nach der 26. Kalenderwoche nach dem Unfallereignis keine Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Umfang mehr vorgelegen habe. Auf den Widerspruch des
Berufungsklägers erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 10. November 1998.
Am 1. Dezember 1998 ist Klage erhoben worden.
Im Klageverfahren hat der Berufungskläger das neurochirurgische Gutachten von Prof. Dr. J. und Dr. K. vom 3.
Februar 1999 vorgelegt. Diese haben über die am 21. Juli 1998 an der BWS des Berufungsklägers durchgeführte
Operation berichtet. Zusammenfassend sind sie dann – auch nach Auswertung der pathologischen Befunde – zu dem
Ergebnis gekommen, für das vom Kläger behauptete Schmerzsyndrom ließen sich keine objektiven Anhaltspunkte
finden. Dennoch sei die Kausalität des Unfallgeschehens für das Schmerzsyndrom zu bejahen.
Weiter ist der Arztbrief des Bathildis Krankenhauses in Bad Pyrmont vom 7. August 1998 (Neurochirurgische
Abteilung – Oberarzt Dr. L.) zur Gerichtsakte gelangt. Dieser hat im wesentlichen ausgeführt, die an der
Brustwirbelsäule diagnostizierte Veränderung sei wegen der Zeitnähe zu dem Unfall nicht wahrscheinlich kausal mit
dem Unfall in Zusammenhang zu bringen.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat eine gutachtliche, pathologische Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 8.
September 1999 veranlaßt. Dieser hat einen kausalen Zusammenhang der nunmehr vorliegenden Veränderungen an
der BWS des Berufungsklägers mit dem Unfallereignis für wahrscheinlich gehalten. Der gutachtlichen Stellungnahme
war auch das Privatgutachten von Prof. Dr. M. für den Berufungskläger vom 19. Juli 1999 beigefügt.
Sodann hat das SG ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr. N. vom 10. Juli 2000 eingeholt. Dieser ist nach
ausführlicher Befundung der vorliegenden Ergebnisse bildgebender Untersuchungsverfahren zu dem Ergebnis gelangt,
die früher diagnostizierte Rippenserienfraktur könne nur teilweise bestätigt und objektiviert werden. Auch ein
Wirbelkörperbruch habe vom Gutachter nicht nachvollzogen werden können. Gleiches gelte für eine Verletzung der an
der Wirbelsäule gelegenen Weichteile. Daher sei auch eine Verursachung des anläßlich der Operation am 21. Juli
1998 entfernten und von Prof. Dr. M. pathologisch befundeten Elastofibroms durch den Unfall nicht wahrscheinlich.
Insoweit hat der Berufungskläger die fachärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. O. vom 27. September 2000
vorgelegt, der sich im einzelnen mit dem Gutachten von Dr. N. auseinandergesetzt hat.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im wesentlichen auf
die übereinstimmenden Gutachten von Dr. N. und Dr. I. bezogen. Hieraus habe sich ergeben, daß für die nunmehr
noch vorliegenden Beeinträchtigungen des Berufungsklägers an der BWS das Unfallereignis vom 5. August 1997 nicht
kausal im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen sei.
Der Berufungskläger hat gegen das seinen Bevollmächtigten am 21. Dezember 2000 zugestellte Urteil am 19. Januar
2001 Berufung einlegen lassen. Zu deren Begründung hat er sich im wesentlichen auf die Bescheinigung von Dr. O.
vom 27. September 2000 bezogen.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. Dezember 2000 aufzuheben sowie den Bescheid der
Berufungsbeklagten vom 10. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1998
abzuändern,
2. festzustellen, daß die Gesundheitsstörung durch das bei der Operation am 21. Juli 1998 entfernte Elastofibrom
Folge des Arbeitsunfalls vom 5. August 1997 ist,
3. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vH der Vollrente zu
gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre angefochtenen Bescheide, das erstinstanzliche Urteil, sowie auf das
Ergebnis der weiteren medizinischen Sachverhaltsermittlung.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme von Dr. N. vom
4. April 2001 beigezogen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf diese Stellungnahme Bezug
genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Berufungsbeklagten (1 Bd.) Bezug
genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten in Anwendung von §§ 155, 124 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat in seinem Urteil vom 5. Dezember 2000 zu Recht erkannt, daß der Berufungskläger weder Ansprüche auf
Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folge des Unfallereignisses vom 5. August 1997 noch auf
Zuerkennung einer Verletztenrente hat. Hierbei ist es von den richtigen Rechtsgrundlagen ausgegangen und hat diese
zutreffend angewendet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen
Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).
Im Berufungsverfahren sind insoweit keine neuen Gesichtspunkte zutage getreten.
Im Gegenteil hat die ergänzende gutachtliche Stellungnahme von Dr. N. ergeben, daß die von Dr. O. in seiner
fachärztlichen Bescheinigung vom 27. September 2000 geäußerten Bedenken gegen die in dem Gutachten von Dr. N.
vom 10. Juli 2000 gefundenen Ergebnisse nicht zutreffend sind.
Insoweit geht das erkennende Gericht davon aus, daß Dr. O. die Ausführungen von Dr. N. zur Frage ob eine
Prellmarke als Erstbefund diagnostiziert wurde mißverstanden hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß Dr. N. nach
einer solchen Prellmarke insbesondere deswegen gefragt hat, weil er nach einer Begründung für die von Prof. Dr. M.
in seinem Privatgutachten in die Debatte gebrachten Scherkräfte gesucht hat. Insoweit ergibt sich aber auch für das
erkennende Gericht, bei Durchsicht der gesamten vorliegenden Unterlagen, daß der Berufungskläger mehrfach selbst
anläßlich seiner Untersuchung angegeben hat, er sei "auf den Rücken” gefallen und habe Arme und Beine in die Luft
gestreckt. Aus dieser Unfallschilderung ergibt sich auch für das erkennende Gericht nicht, daß der Berufungskläger
auf den linken Thorax bzw auf eine Kante oder etwas ähnliches gefallen ist. Dies ist auch vom Berufungskläger
während des gesamten Verfahrens nie so vorgetragen worden.
Dr. N. hat – insoweit übereinstimmend mit Dr. I. – auch zu Recht darauf hingewiesen, die von Prof. Dr. M. geäußerten
Vermutungen hinsichtlich der Entstehungen des von ihm diagnostizierten Elastofibroms seien durchaus
nachvollziehbar. Eine traumatische Entstehung sei denkbar. Für den Anspruch auf Feststellung einer
Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist indessen Voraussetzung, dass die Verursachung der
Gesundheitsstörung durch das Unfallereignis wahrscheinlich im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung
ist. Das heißt, daß die für die Verursachung sprechenden Gesichtspunkte die dagegen sprechenden Gesichtspunkte
überwiegen müssen. Eben dies konnten aber weder Dr. N. noch Dr. I. in seinem für die Berufungsbeklagte erstatteten
Gutachten vom 20. Januar 1998 feststellen. Auch Prof. Dr. M. ist in seinem für den Berufungskläger erstatteten
Privatgutachten nur aufgrund der Überlegung zu einem Wahrscheinlichkeitsurteil gelangt, das Unfallereignis sei die
einzig denkbare Sache gewesen, da der Berufungskläger zuvor noch nie Beschwerden seitens der BWS gehabt habe.
Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, daß diese Annahme nicht zutrifft. In dem von der Krankenkasse des
Berufungsklägers vorgelegten Vorerkrankungsverzeichnis ist nämlich zumindest dokumentiert, daß der
Berufungskläger bereits Anfang 1994 eine schwere Thoraxprellung erlitten hat. Darüber hinaus ist aber auch die
Überlegung, es seien zuvor niemals Beschwerden vorhanden gewesen und daher sei das angeschuldigte
Unfallereignis zwingend Ursache im rechtlichen Sinne der nunmehr vorliegenden Beschwerden im gesetzlichen
Unfallversicherungsrecht angesichts der zuvor geschilderten rechtlichen Maßgaben hinsichtlich der nachzuweisenden
Wahrscheinlichkeit generell nicht zulässig. Daher verbleibt es auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts dabei,
daß die Entstehung des Elastofibroms möglicherweise aber nicht wahrscheinlich auf das Unfallereignis am 5. August
1997 zurückzuführen ist.
Auch hinsichtlich des von einigen Medizinern vermuteten Wirbelkörperbruchs und der Protrusion einer Bandscheibe an
der BWS des Berufungsklägers waren für das erkennende Gericht die Ausführungen von Dr. I. und Dr. N.
überzeugend und schlüssig. Insoweit hat schon das SG zutreffend auf den Stand der unfallmedizinischen Erkenntnis
hinsichtlich der Entstehung von traumatischen Bandscheibenverletzungen hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Anlaß für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG.