Urteil des LSG Hessen vom 02.04.2017

LSG Hes: ärztliche behandlung, wiederkehrende leistung, beratung, patient, krankheit, abrechnung, versorgung, rka, krankenversicherung, krankenkasse

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.02.1973 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 7 Ka 275/71
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 10. Februar 1971 wird
zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird dieses Urteil in dem Umfange aufgehoben, in dem sie verurteilt worden
ist und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie zur kassenärztlichen Versorgung Anspruchsberechtigter der RVO- und
Ersatzkassen zugelassen.
Mit Bescheid vom 31. Januar 1966 setzte die Beklagte von seiner Abrechnung für das III. Quartal 1967 einmal die
Beratungen ab, die er nach der ersten Inanspruchnahme neben Sonder- oder Sachleistungen zum Ansatz gebracht
hatte. Zum anderen blieben physikalisch-medizinische Leistungen nach den entsprechenden Nummern der
Gebührenordnungen in den Fällen unhonoriert, in denen auf dem Krankenschein der Passus "Patient nicht erschienen”
vermerkt war.
Das Widerspruchsverfahren war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1968). Zur Begründung ist ausgeführt,
von der Regelung der Gebührenordnungen, daß neben einer Gebühr für eine Sonderleistung keine Beratungsgebühr
erhoben werden dürfe, dürfe nur im besonders begründeten Einzelfall abgewichen werden. Wenn der Kläger die von
seinem Hilfspersonal ausgeführten Leistungen als ärztliche und somit als eigene abrechne, dann könne er als
Kassenarzt aus dieser Verlagerung keine Vorteile gegenüber denjenigen Kollegen beanspruchen, die auch die
ärztlichen Sonderleistungen persönlich ausführen. Komme ein Patient nicht zu dem für die Durchführung physikalisch-
medizinischer Sachleistungen vereinbarten Termin, so sei das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen
Kassenarzt und Kassenärztlicher Vereinigung nicht berührt. Insoweit sei auf das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) zu verweisen, das im Verhältnis zwischen Arzt und Patient Anwendung finde. Auch mit der von
den Krankenkassen an die Kassenärztliche Vereinigung geleisteten Gesamtvergütungen werde die dem Kassenarzt
gegenüber seinen Patienten nach § 615 BGB zustehende Vergütung wegen Annahmeverzuges nicht abgegolten. Eine
Verweilgebühr stehe ebenfalls nicht zu.
Nachdem der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main Klage erhoben hatte, erging am 21. November 1968 ein
weiterer Bescheid, der für das III. Quartal 1968 in Fällen vom Terminversäumnissen wiederum nach den
entsprechenden Ziffern der E-Adgo und der GOÄ abgerechnete Leistungen absetzte und bei 8 Patienten vermerktes
und als Mahngebühr bezeichnetes Porto im Gesamtbetrag von 2,80 DM in Abzug brachte. Hiergegen und gegen den
darauf bezüglichen negativen Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 1969 hat sich der Kläger gleichfalls mit der
Klage gewandt, die das Sozialgericht mit der bereits anhängigen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden hat.
Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagte verkenne den Sachverhalt und ziehe unrichtige rechtliche
Schlußfolgerungen. Was die beanstandeten Beratungen angehe, so handele es sich um Fälle, in denen die Patienten
vor oder insbesondere nach dem vereinbarten Besuch der Behandlungsabteilung zur Vornahme von Massage,
Streckbehandlungen oder gymnastischen Übungen noch eine Beratung bei ihm wünschten, die manchmal sogar eine
Untersuchung geringeren Umfanges nach sich ziehe. Hierfür stehe ihm die Gebühr zu, da sie nicht neben einer
Sonder- oder Sachleistung in Ansatz gebracht werde. Folge man der Argumentation der Beklagten, dann würde er
gegenüber denjenigen Kollegen benachteiligt, die am Tage der verabfolgten Sonderleistung keine Sprechstunde
abhielten. Suchten Patienten den Arzt an einem anderen Tag zur Beratung oder Untersuchung gleichen Umfanges wie
bei ihm durchgeführt auf, sei sie ohne weiteres abrechnungsfähig. Überdies könne eine solche zeitliche Trennung von
Sonderleistung und Beratung für die Krankenkasse noch mit dem Ersatz höherer Fahrtkosten verbunden sein.
Erschienen Patienten nicht zur vereinbarten Behandlung, so sei er zum Ansatz der betreffenden Gebühr berechtigt.
Sein Anspruch resultiere unmittelbar aus der Führung einer Kassenpraxis und sei deshalb im Rahmen der
kassenärztlichen Versorgung von der Beklagten zu honorieren. Auf den Zivilrechtsweg dürfe er bereits deshalb nicht
verwiesen werden, abgesehen davon, daß die unmittelbare Verfolgung von Gebührenansprüchen gegenüber Patienten
praktisch unmöglich sei.
Die Beklagte hat auf die Begründung der Widerspruchsbescheide und bezüglich des Begehrens der Honorierung nicht
abgenommener Leistungen auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. August 1969
verwiesen.
Mit Urteil vom 10. Februar 1971 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 31. Januar 1968 in der Gestalt seines
Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben, als Beratungen abgesetzt worden sind. Im übrigen hat es die Klage
abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die vom Kläger angesetzten und von der Beklagten in
Abzug gebrachten Beratungen stünden nicht in dem untrennbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, welcher
Nr. A I 2 c GOÄ und Nr. A § 5 a E-Adgo mit ihrer Regelung unter Benutzung des Wortes "neben” meinten. Hierunter
fielen zu der Sonderleistung in akzessorischem Verhältnis stehend, nicht eigenständige Beratungen. Um solche habe
es sich nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers aber nicht gehandelt. Er habe seine Beratung im
Anschluß an eine Sonderleistung unbestellt zu ihm gekommener Patienten nicht ablehnen dürfen. Der Umstand, daß
ein Arzt Sprechstunden abhalte, während bei einigen Patienten Sonderleistungen durchgeführt würden, stelle noch
keinen sachlichen Zusammenhang zwischen diesen und den Beratungen her, der aber zugleich mit dem zeitlichen
Zusammenhang vorliegen müsse. Eine Verweilgebühr nach Nr. A III 2 c GOÄ für Zeitverlust wegen des
Nichterscheinens bestellter Patienten stehe dem Kläger dagegen nicht zu. Das Warten auf einen Patienten werde
auch nicht zu einer ärztlichen Behandlung mit dem Recht auf Liquidierung.
Gegen dieses Urteil, das an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 24. Februar 1971 abgesandt und der
Beklagten am 1. März 1971 zugestellt worden ist, richten sich deren Berufungen, wobei die des Klägers am 12. März
und die der Beklagten am 23. März 1971 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen ist.
Der Senat hat mit dem Beschluss vom 8. Mai 1972 die Landesverbände der Ortskrankenkassen, F.,
Betriebskrankenkassen, F., Innungskrankenkassen, W., und den Verband der Angestellten-Krankenkassen, H., –
Beigeladene zu 1) bis 4) – gemäß § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Verfahren beigeladen.
Der Kläger trägt unter Beschränkung seines Begehrens auf die Honorierung nicht in Anspruch genommener
Leistungen vor, in seiner Behandlungsabteilung geschehe es häufig, daß fest vereinbarte Termine ohne
Benachrichtigung durch die Patienten nicht eingehalten würden. Dadurch entstehe dort ein nicht überbrückbarer
Leerlauf. Seine Versuche zivilrechtlicher Geltendmachung von Honorarforderungen seien meist erfolglos geblieben
und hätten immer zur Verärgerung geführt. Abgesehen davon halte er sie rechtlich nicht für möglich, weil dem
Patienten seitens seiner Kasse Sachleistungen gewährt und keine Behandlungskosten erstattet würden. Besteller und
Empfänger sei also die Kasse selbst, der Patient quasi nur Bote. Nehme aber die Kasse bestellte Leistungen nicht
ab, so sei sie zahlungspflichtig.
Der Kläger beantragt, 1) das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 10. Februar 1971 insoweit aufzuheben, als
seine Klage abgesehen von den geltend gemachten Portokosten abgewiesen worden ist und die Beklagte unter
entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 31. Januar 1968 und 21. November 1968 in der Gestalt ihrer
Widerspruchsbescheide zu verurteilen, die gekürzten Leistungen auszuzahlen, hilfsweise, festzustellen, daß die
Beklagte einen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung dieser Honorarforderungen gegenüber den RVO- und
Ersatzkassen habe; 2) die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, 1) das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 10. Februar 1971 aufzuheben, soweit sie
verurteilt worden ist und die Klage in vollem Umfange abzuweisen, hilfsweise, im Wege der Anschlußberufung; 2) die
Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Zum Antrag unter 2) nimmt sie auf ihr bisheriges Vorbringen, die einschlägige Rechtsprechung und auf die ihrer
Meinung nach zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug. Soweit das Sozialgericht aber im übrigen
gemeint habe, die vom Kläger durchgeführten Beratungen nach Nr. 1 GOÄ und der entsprechenden Bestimmung der
E-Adgo seien unter der Voraussetzung zu honorieren, daß zwischen Sonderleistung und Beratung kein zeitlicher und
ursächlicher Zusammenhang bestanden habe, könne ihm zumindest dann nicht gefolgt werden, wenn der betreffende
Patient den Kläger wegen desselben Krankheitsbildes am selben Tage aufgesucht habe. Die vom Kläger
vorgenommene organisatorische Trennung zwischen Behandlungsabteilung und Sprechstundenpraxis dürfe nicht zur
Umgehung der in den Gebührenordnungen festgelegten Ausschlußbestände führen. Liege ein anderes Krankheitsbild
vor, sei sie vorbehaltlich der Zustimmung der Krankenkassen grundsätzlich zur Anerkennung des Klageanspruchs
bereit.
Die Beigeladenen zu 1), 2) und 4) schließen sich den Anträgen der Beklagten an, wohingegen sich die Beigeladenen
zu 3) nicht gemeldet hat. Sie halten die Voraussetzungen für die Abgabe eines Teilanerkenntnisses nicht für gegeben
und verweisen hinsichtlich der Abrechnungsfähigkeit von Beratungen neben Sonderleistungen auf höchstrichterliche
Rechtsprechung (Urteil des BSG vom 18.2.1970 – Az.: 6 RKa – 1/69 –). In einem Behandlungsfall im Sinne des § 9
Abs. 2 BMV dürfe auch beim Hinzukommen einer weiteren Krankheit nicht erneut eine Beratungsgebühr berechnet
werden. Behandlungsfall sei die gesamte von demselben Arzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an
demselben Kranken vorgenommene Behandlung. Eine Beratungsgebühr dürfe zugleich mit einer Gebühr für eine
Sonderleistung nur einmal und auch nur dann angesetzt werden, wenn nicht zuvor schon eine Beratungsgebühr
berechnet worden sei.
Hierzu entgegnet der Kläger, bei seinen Beratungen am Tage durchgeführter Sonderleistungen handele es sich sowohl
um neue Gesichtspunkte bisheriger Krankheiten als auch um neue Erkrankungen dieser Patienten. Organisatorische
Gegebenheiten, seiner Praxis hätten damit nichts zu tun. Entscheidend sei, daß seine Beratungen keinen
akzessorischen Charakter hätten, wie das Sozialgericht zutreffend herausgestellt habe.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Frankfurt/Main mit dem Az.: S-5/Ka-43/68
haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind – als selbständige Berufungen – gemäß § 151 Abs. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) frist- und formgerecht eingelegt worden. Das Rechtsmittel der Beklagten ist indessen
in bezug auf den in Ziff. 1) ihres Berufungsantrages gestellten Hauptantrag im übrigen nicht zulässig. Denn die
Absetzung der Beratungsgebühren neben Sonderleistungen betrifft nur das III. Quartal 1967. Der nach Verbindung
beider Klagen durch das Vordergericht auch Streitgegenstand gewordene Bescheid vom 21. November 1968 befasst
sich nicht damit, sondern ausschließlich mit der Absetzung von Gebühren in Terminsversäumnisfällen. Hiernach
kommt § 144 Abs. 1 Ziff. 2 SGG zum Zuge, weil als Honoraranspruch des Klägers eine wiederkehrende Leistung für
einen Zeitraum bis zu drei Monaten im Streit steht. Daran ändert nichts, daß im Berufungsverfahren die
erstinstanzlich insoweit unterlegene Beklagte den Anspruch verficht. Es bleibt ein Honoraranspruch des Klägers und
auf diesen kommt es allein an (Peters-Sautter-Wolff, Anm. 2 a.E. zu § 144 SGG). Der streitige Sachverhalt im
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, der zwei Quartale umfaßte, ist nicht
maßgebend. Auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR SGG § 144 Da 8 Nr. 21 kann sich die
Beklagte nicht mit Erfolg beziehen. Zwar ist danach die Berufung nach § 144 Abs. 1 Ziff. 2 SGG nicht
ausgeschlossen, wenn Gegenstand des Rechtsstreits Kürzungen des Honorars eines Kassenarztes sind, die sich auf
mehrere Vierteljahre erstrecken. Dieser Grundsatz trifft jedoch nicht den vorliegenden Fall. Denn die Beklagte ist
durch das Urteil erster Instanz tatsächlich nur bezüglich eines Quartals beschwert. Ihr mit der selbständigen Berufung
geltend gemachtes Begehren umfaßt lediglich das Quartal III/67, mithin einen Anspruch auf eine wiederkehrende
Leistung für einen Zeitraum bis zu drei Monaten. Hierzu hat das BSG in seinem Urteil vom 23. September 1961 (SozR
SGG § 144 Da 7 Nr. 20) ausgeführt, unter Anspruch im Sinne des § 144 SGG sei nicht der in der ersten Instanz
geltend gemachte, sondern der mit der Berufung verfolgte zu verstehen. Die Richtigkeit dieser Auffassung, welcher
sich der erkennende Senat anschließt, ergibt sich zwingend aus der Neufassung der §§ 145 ff. SGG durch das 2.
Änderungsgesetz vom 25.6.1958 (BGBl. I S. 409). Es hat für diese Vorschriften den Willen des Gesetzgebers
eindeutig zum Ausdruck gebracht, ohne Rücksicht auf den Streitgegenstand der ersten Instanz die Statthaftigkeit der
Berufung von dem Umfang des Anspruchs abhängig zu machen, der mit ihr verfolgt wird. Das muß auch für die
Bestimmung des § 144 SGG gelten, obwohl sie keine Änderung erfahren hat. Anderenfalls würde der
gesetzgeberische Sinn und Zweck der Berufungsausschlußvorschriften, Streitigkeiten geringeren Umfanges von der
zweiten Instanz fernzuhalten, nicht erreicht werden können. Unbeschadet seiner Rechtsauffassung war der Senat
aber dennoch in der Lage, über das Berufungsbegehren der Beklagten auch sachlich zu entscheiden. Denn sie hat im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 1973 hilfsweise noch eine unselbständige Anschlußberufung
eingelegt, die der Form entspricht und als von dem Anspruch des Klägers abhängiger Rechtsbehelf an dessen
Berufungsbegehren, das zwei Quartale umfaßt, angekoppelt ist. Die Berufung der Beklagten ist auf ihren Hilfsantrag
hin somit in vollem Umfange statthaft, da die Berufung des Klägers nach § 143 SGG uneingeschränkt zulässig ist.
In der Sache war seiner Berufung kein Erfolg beschieden, wohingegen die Anschlußberufung der Beklagten als
begründet anzusehen war. Der Auffassung des Vordergerichts konnte für diesen Teil des Rechtsstreits nicht
beigetreten werden.
Der streitige Sachverhalt birgt insoweit die Frage in sich, ob der Kläger berechtigt war, im III. Quartal 1967 neben
Gebühren für erbrachte physikalisch-medizinische Leistungen für denselben Patienten am selben Tage noch
Beratungsgebühren anzusetzen. Das ist in den von der Beklagten konkret beanstandeten Fällen zu verneinen, ohne
daß der Senat auf die im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1968 erwähnten beschränkten Ausnahmemöglichkeiten
einzugehen hatte. Denn nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich nicht um einzelne Sonderfälle des
überraschenden Eintretens einer völlig neuen Situation in dem bisherigen Krankheitsbild, was im übrigen auf dem
Behandlungsschein zu vermerken gewesen wäre. Auch hat er zwingende organisatorische Gründe auf seiner Seite
nicht geltend gemacht, sondern im Gegenteil betont, die organisatorischen Gegebenheiten seiner Praxis hätten mit
dem Beratungsmodus nichts zu tun.
Als in Frage kommende Vorschriften des ärztlichen Gebührenrechts sind das Gebührenverzeichnis der GOÄ
(Abschnitt A I 2 c) und Nr. A § 5 a der E-Adgo zu Grunde zu legen. Danach kann eine Beratungsgebühr nach Ziff. 1
(Grundleistung des Abschnitts B) nicht neben einer Leistung nach den Abschnitten C bis G (Sonderleistungen und
physikalisch-medizinische Leistungen) in Ansatz gebracht werden (vgl. § 5 a E-Adgo). In § 5 b dieser Vorschrift ist
zusätzlich bestimmt, daß neben ärztlichen Verrichtungen der Abschnitte C bis G eine erbrachte Beratung nach Ziff. 1
in einem Behandlungsfall jedoch bei der ersten Verrichtung nach C bis G, aber wiederum nicht dann berechnet werden
darf, wenn eine oder mehrere Beratungsgebühren in diesem Behandlungsfall bereits in Ansatz gebracht wurden. Die
entsprechende Vorschrift der GOÄ lautet dahin, daß neben einer Gebühr für eine Sonderleistung eine
Beratungsgebühr in einem Behandlungsfall nur zusammen mit der ersten Sonderleistung berechnet werden kann.
Dieser Satz gilt nicht, wenn in dem Behandlungsfall bereits eine Beratungs- oder Besuchsgebühr angesetzt worden
ist.
Nach diesen geltenden Gebührenregelungen ist die gleichzeitige Berechnung einer Beratung und einer Sonderleistung
nur mit der ersten Sonderleistung des Behandlungsfalles zulässig und das auch nur dann, wenn nicht schon zuvor
eine Beratungsgebühr angesetzt worden war. Ob diese Beratung nun selbständig oder akzessorisch, wie das
Sozialgericht interpretiert hat, unmittelbar nach der Sonderbehandlung oder zu anderer Stunde erfolgt, ist dabei
rechtlich unbeachtlich. Der Begriff "neben”, auf den der Kläger in seinem Vortrag abgehoben hat und den das
Sozialgericht nur auf die Fälle bezieht, in denen die Beratung zeitlich und sachlich untrennbar mit der Erbringung der
Sonderleistung verbunden ist, ist zwar tatsächlich auf den zeitlichen Zusammenhang bezogen (s. Komm. von Brück
zur GOÄ Anm. 12 zu A I 2). Er kann aber durchaus lockerer sein, so daß Sonderleistung und Beratung auf zwei
verschiedene Tage fallen. Die vom Kläger gebrachten Einwände in bezug auf seine Benachteiligung gegenüber
Kollegen, die an anderen Tagen als solchen, an denen Sachleistungen durchgeführt werden, von ihren Patienten
aufgesucht werden, gehen daher fehl. Auch aus dieser Handhabung folgt keine Berechtigung für den Ansatz weiterer
Beratungsgebühren, ohne daß eine Akzessorietät von Bedeutung ist. Die zwei Fallgruppen, welche das Vordergericht
gebildet hat, ergeben sich keinesfalls aus der Auslegung des Begriffs "neben”. Die denkbare Unterscheidung im
entsprechenden Sinne wäre vielmehr allein aus dem Wort "Behandlungsfall” abzuleiten. Denn es könnten Fälle
möglich sein, in denen Beratungen, so wie sie der Kläger im beanstandeten Quartal vorgenommen hat, in keinem
Zusammenhang mit der Sonderleistung desselben Tages stehen, weil sie ein anderes Krankheitsbild betreffen. Eine
andere – neue – Erkrankung kann nach Brück (Anm. 15) allerdings einen neuen Behandlungsfall erst nach sich
ziehen, wenn der vorhergehende abgeschlossen und eine angemessene Zeitspanne abgelaufen ist (das z.B. bei
einem Rezidiv derselben Krankheit, sonst aber bei Behandlung einer anderen Krankheit nach der erstbehandelten).
Diese oder ähnliche Erwägungen über Beratungen in verschiedenen Krankheitsfällen führen jedoch im
Kassenarztrecht nicht zum Auseinanderklaffen des Behandlungsfalles. Denn nach § 9 Abs. 2 des
Bundesmantelvertrages (BMV) ist die gesamte von demselben Arzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an
denselben Kranken vorgenommene Behandlung ein und derselbe Behandlungsfall, was Brück-Guillemet im
Kommentar zur E-Adgo für A § 5 in Anm. 6 gleichfalls besonders betonen. Teilbar ist eine Beratung nicht. Nach ihrer
Meinung darf, wenn die Berechnung einer Beratungsgebühr überhaupt statthaft ist, diese nur einmal in Rechnung
gestellt werden, selbst wenn es sich um mehrere Krankheiten handelt. Dasselbe regelt § 9 Abs. 2 BMV in seinem
zweiten Satz, wenn es dort heißt, ein einheitlicher Behandlungsfall liege auch dann vor, wenn sich aus der zuerst
behandelten Krankheit eine andere entwickelt oder während der Behandlung hinzutritt oder wenn der Kranke, nachdem
er eine Zeitlang einer Behandlung nicht bedurfte, innerhalb desselben Kalendervierteljahres wegen derselben oder
einer anderen Krankheit von demselben Arzt behandelt wird. Hieran muß sich der Kläger festhalten lassen.
Schwierigkeiten der Auslegung, die sich nach dem Kommentar von Heinemann. Liebold zum Kassenarztrecht (Anm. 1
a zu § 9 BMV) nach Inkrafttreten der GOÄ deshalb ergaben, weil in der allgemeinen Bestimmung des
Gebührenverzeichnisses unter A I 2 c unter dem Begriff "Behandlungsfall” abweichend vom Kassenarztrecht ein Fall
verstanden wurde, der nicht auf ein Abrechnungsquartal beschränkt ist, sind durch die gemeinsame Empfehlung (E 1)
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Orts-, Land-, Betriebs- und
Innungskrankenkassen ausgeräumt worden. Danach ist für die Anwendung der GOÄ im Bereich der kassenärztlichen
Versorgung davon auszugehen, daß Behandlungsfall in der einschlägigen Vorschrift im Sinne der Definition des § 9
Abs. 2 BMV zu verstehen ist.
Hiervon ausgehend folgt der erkennende Senat dem BSG in seinem Urteil vom 18. Februar 1970 (Az.: 6 RKa 1/69),
das dort ausgeführt hat; neben einer zweiten oder weiteren Sonderleistung sei die Beratungsgebühr in einem
Behandlungsfall im Sinne des § 9 Abs. 2 BMV nicht mehr berechnungsfähig. Dem missverständlich formulierten Satz
3 in Abschnitt A I 2 c GOÄ hat es keine rechtliche Bedeutung beigemessen, ihn vielmehr gleichfalls sinnentsprechend
ausgelegt. Die in dieser Entscheidung anschließend diskutierte Frage, die dahingehend bejahend beantwortet worden
ist, daß der Arzt bei Berechnung von Sonderleistung und – weiterer – Beratung unter den beiden in Betracht
kommenden Gebührenpositionen wählen und sich für die höherwertige entscheiden könne, stellte sich vorliegend
nicht. Denn die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 1973 vorgenommene Prüfung der
Abrechnungsunterlagen hat ergeben, daß die für den Kläger in Betracht kommenden Sonderleistungsgebühren in allen
beanstandeten Fällen des III. Quartals 1967 höher gelegen haben, als die daneben und zusätzlich zur Abrechnung
gestellten Beratungsgebühren der einschlägigen Gebührenordnungen.
Nach alledem war die Anschlußberufung der Beklagten im Gegensatz zu der in der Sache beschränkten Berufung des
Klägers erfolgreich.
Ihm stehen in Fällen, in denen Patienten zum vereinbarten Sonderbehandlungstermin unentschuldigt nicht erschienen
sind, die entsprechenden Gebühren für die vorgesehenen Leistungen physikalisch-medizinischer Art nicht zu. Denn er
hat diese Leistungen tatsächlich nicht selbst erbracht oder durch sein Hilfspersonal erbringen lassen. Zwar ist es
richtig, daß die ärztliche Behandlung gemäß § 182 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als Sachleistung
von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt wird. Damit wird der Patient aber nicht deren "Bote”.
Die unmittelbare Verrechnung mit der zuständigen Krankenkasse ist ausgeschlossen, weil die Honorierung der
kassenärztlichen Versorgung in § 368 f RVO erschöpfend geregelt ist. Für Versäumnisse eines Mitgliedes kann die
Versicherungsgemeinschaft nach herrschender Auffassung nicht belastet werden. Hierbei ist der Gedanke
maßgebend, daß diese Gemeinschaft nicht für Leistungsstörungen (in Form eines Annahmeverzuges) einzustehen
hat, die in den persönlichen Verantwortungsbereich des einzelnen Versicherten fallen (s. Urteil des BSG v. 18.2.1970
– Az.: 6 RKa 29/69). Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Begriffsbestimmung ist als ärztliche Behandlung
gemäß § 182 Abs. 1 RVO die auf Erkennung, Heilung oder Linderung der Krankheit oder ihrer Auswirkungen
gerichtete, auf medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis beruhende Tätigkeit des Arztes oder seiner Gehilfen zu
verstehen (Handbuch der Krankenversicherung von Peters, S. 274 ff. Der Anspruch des Versicherten auf ärztliche
Behandlung umfaßt alle Leistungen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst hierfür zweckmäßig und ausreichend
sind (§ 368 e RVO). Damit ist die Leistungspflicht der Krankenkassen klar umgrenzt. Sie umfasst nur die Leistungen,
welche tatsächlich erbracht wurden.
Der Kläger hat darüber hinaus aber auch keinen ersatzweisen Anspruch auf eine Verweilgebühr nach Nr. 24 GOÄ und
den dazugehörigen Allgemeinen Bestimmungen oder nach Abschnitt A § 14 E-Adgo. Die letztere Bestimmung ist
ganz klar dahin gefaßt, daß eine Verweilgebühr nur erhoben werden darf, wenn der Arzt nach Beschaffenheit des
Krankheitsfalles länger als eine halbe Stunde verweilen muß. Damit ist eine tätige Bereitschaft außerhalb der
Ausführungszeit für eine in der E-Adgo genannte Leistung gemeint, weshalb es zu einer berechnungsfähigen Leistung
an sich nicht kommt, keinesfalls aber Zeitversäumnis anläßlich oder wegen des Nichterscheinens eines bestellten
Kranken (vgl. Brück-Guillemet Anm. 1 b zu A § 14 E-Adgo). Die Frage, ob ein Zeitversäumnis hier in den konkreten
streitigen Fällen schon deshalb gar nicht eintreten konnte, weil das Nichterscheinen die organisatorisch getrennte
Behandlungsabteilung des Klägers und nicht seine Sprechstundenpraxis berührte, weshalb seine eigene tätige
Bereitschaft von vornherein nicht vorgesehen war, konnte der Senat in Wertung der eindeutig gebührenrechtlichen
Bestimmung unbeantwortet lassen, obwohl sie grundsätzlich für eine eingeengte Auslegung in dieser Weise zu
sprechen scheint.
Nach den Allgemeinen Bestimmungen zu Nr. 24 GOÄ unter Buchst. c), letzter Satz, soll die Verweilgebühr zwar auch
für den Zeitverlust berechnet werden dürfen, der dadurch entsteht, daß ein Kranker nicht zu der mit dem Arzt
vereinbarten Zeit erscheint. Satz 1 und 2 unter Buchst. c) lauten dahin, daß eine Verweilgebühr entsteht, wenn der
Arzt nach der Beschaffenheit des Krankheitsfalles länger als eine halbe Stunde verweilen muß, wobei der für die
Berechnung einer Leistung erforderliche Zeitaufwand mit der Gebühr für die Leistung abgegolten ist. Schmatz-Goetz-
Matzke interpretieren in ihrem Kommentar zur GOÄ diese Bestimmungen dahin, der Arzt könne, wenn ihm ein
erhöhter Zeitaufwand dadurch entstehe, daß der Patient nicht pünktlich zu der vereinbarten Behandlung erscheine,
diesen durch den Ansatz der Verweilgebühr nach Nr. 24 geltend machen. Brücke schließt sich in seinem Kommentar
zur GOÄ in Anm. 24 zu den Allgemeinen Bestimmungen A III dieser Auffassung mit der Maßgabe an, daß die
Berechnung erst nach Ablauf einer halben Stunde erfolgen dürfe, d.h. dann, wenn der Kranke länger als 30 Minuten
auf sich habe warten lassen. Erscheine er gar nicht am Bestelltage, erfolge die Berechnung nach Nr. 24 höchstens für
diejenige Zeit, die der Arzt für die beabsichtigte Leistung voraussichtlich benötigt hätte, es sei denn, daß er
währenddessen seine Berufstätigkeit durch Untersuchung anderer Patienten habe ausüben können. Soweit gehen
Schmatz-Goetz-Matzke dagegen nicht. Sie halten die Allgemeinen Bestimmungen zu Nr. 24 GOÄ unter c) insoweit für
missverständlich, als aus ihnen geschlossen werden könne, daß sowohl der Fall der Verspätung des Kranken als
auch der des Nichterscheinens damit habe umfaßt werden sollen. Hierin folgt ihnen der Senat. Er hält es im Hinblick
auf §§ 615 bff., 324 BGB für unvertretbar, den Annahmeverzug im Falle eines Dienstvertrages, wie er im
Innenverhältnis Arzt – Patient vorliegt, in Nr. 24 GOÄ überhaupt unterzubringen und darüber hinaus speziell zu regeln,
insbesondere auch was die Höhe der aus dem Verzuge resultierenden Ansprüche angeht. Das umso mehr, als die
Allgemeinen Bestimmungen unter c) nicht klar gefaßt sind. Wenn es dort im letzten Satz heißt, die Verweilgebühr
dürfe auch für den Zeitverlust berechnet werden, der dadurch entstehe, daß ein Kranker nicht zu der vereinbarten Zeit
erscheint, dann ist keinesfalls gesagt, daß sowohl der Fall der Verspätung als auch der des völligen Fernbleibens
umfaßt ist. Aus allgemeinen Erwägungen des ärztlichen Gebührenrechts, vor allem in Einbeziehung und Wertung der
entsprechenden Bestimmung der E-Adgo, ist viel eher davon auszugehen, daß allenfalls der Fall der Verspätung
angesprochen sein sollte.
Für diese Gedankengänge bezieht sich der Senat wiederum auf die Entscheidung des BSG vom 18. Februar 1970
(Az.: 6 RKa 29/69). Dort ist im einzelnen ausgeführt, warum und wodurch für das Gebiet des kassenärztlichen Rechts
das unentschuldigte Fernbleiben eines Patienten zum vereinbarten Termin die Erhebung einer Verweilgebühr
ausschließt. Wenn die Versichertengemeinschaft für Leistungsstörungen dieser Art bei Zahnärzten nicht einzustehen
hat, dann muß das auch für die Ärzte bei Abrechnung nach der E-Adgo und nach der GOÄ gleichermaßen gelten.
Anderenfalls würde man dem Sinn und Zweck des durch Bezugnahme ineinander verzahnten Gebührengefüges nicht
gerecht. Diese Auffassung hat sich der Verfasser des von der Beklagten mit Schriftsatz vom 22. Januar 1973
eingereichten Artikels aus dem Deutschen Ärzteblatt (Heft 44, vom 31. Oktober 1970 S. 3316 ff.), Rechtsanwalt Dr.
H. in K., ebenfalls zu eigen gemacht. Er sagt zutreffend, das BSG habe auf dem Gebiet der Anwendung der
Ersatzkassenvertrags-Zahnärzte Feststellungen zur Auslegung der Gebührenordnung getroffen, die wegen gleicher
Rechtslage auch für die kassenärztliche Abrechnung Gültigkeit hätten. Aus diesem Urteil des BSG folgt nach
Meinung des Senats daher ganz allgemein der Grundsatz, daß der Arzt der Krankenkasse auch in Ansehung der Nr.
24 GOÄ eine Verweilgebühr nicht in Rechnung stellen darf, wenn ein Kassenpatient einen vereinbarten Termin
unentschuldigt versäumt. Denn eine solche ist eben nur für eine nach der Beschaffenheit des Krankheitsfalles
gebotene tätige Bereitschaft des Arztes vorgesehen und lediglich unter dieser Prämisse von der Kasse zu tragen. Die
Bereithaltung eines unter Umständen leer gebliebenen Zeitraumes wird nicht zur ärztlichen Behandlung im Sinne der
gesetzlichen Krankenversicherung.
Darüber, ob und inwieweit der Kläger auf dem Zivilrechtswege anspruchsberechtigt ist, hatte der erkennende Senat
ebenso wenig wie das BSG a.a.O. zu befinden. Mangels Zulässigkeit des Rechtsweges und sachlicher Zuständigkeit
konnte auch keine Entscheidung über den Hilfsantrag ergehen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.