Urteil des LSG Hessen vom 02.04.2017

LSG Hes: wirtschaftlichkeit, honorarforderung, unbestimmter rechtsbegriff, rentner, stadt, vergleich, arzneimittel, missverhältnis, hessen, abrechnung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.02.1973 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 7 Ka 538/70
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 29. April 1970 und die Bescheide
der Beklagten vom 10. Mai 1965, 14. November 1966, 2. August 1967, 13. Februar 1968 und 28. Oktober 1968 in der
Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist als praktischer Arzt in W. zur Kassenpraxis zugelassen.
Hinsichtlich der RVO-Kassenabrechnung für das 4. Quartal 1964 machte er bei einer Fallzahl von 443 einen Betrag
von 1.717,10 DM für große Sonderleistungen geltend. Der Prüfungsausschuß nahm daraufhin mit Bescheid vom 10.
Mai 1965 eine Honorarkürzung an der Forderung für große Sonderleistungen von 429,20 DM vor, da der errechnete
Fallwert von 26,05 DM erheblich über dem Gruppenfallwert von 16,40 DM liege. Die durchgeführte Honorarabänderung
betrage 25 v.H. Auf den Widerspruch des Klägers teilte die Prüfungsausschußwiderspruchsstelle am 16. Juli 1965
mit, seinem Widerspruch könne nicht stattgegeben werden. Es seien in einer Vielzahl von Fällen in einem Übermaß
diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden, die andererseits ohne therapeutische Konsequenz geblieben seien.
Die Prüfung habe auch gezeigt, daß er bei gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen ohne erheblichen Laboraufwand
auskomme. Diese Mitteilung erkannte der Kläger nicht an, so daß es zu dem Beschluss des
Beschwerdeausschusses für Ärzte vom 11. Januar 1966 kam, mit dem sein Widerspruch gegen den
Honorarkürzungsbescheid IV/64 des RVO-Prüfungsausschusses bei der Bezirksstelle W. vom 10. Mai 1965 als
unbegründet zurückgewiesen wurde, da er mit seiner Honorarforderung pro Behandlungsfall den Durchschnittssatz
seiner Fachgruppe um rund 59 v.H. überschritten habe. Die eingehende Einzelfallprüfung habe ergeben, daß die
ausgesprochene Honorarkürzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach durch eine nicht zu übersehende
Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise gerechtfertigt sei. Besonders seien Fälle mit einem völlig unmotivierten
hohen diagnostischen Aufwand häufig zu finden. Die vom Kläger angeführten angeblichen Besonderheiten seiner
Praxisführung hätten nicht als ausreichende Rechtfertigung für die Überhöhung seiner Honorarforderung anerkannt
werden können. Er liege in allen Bereichen über dem Gruppendurchschnittswert. Auf dem Sektor der großen
Sonderleistungen habe er den Gruppendurchschnitt um 1000 v.H. überschritten. Durch die Kürzung der
Honorarforderung für große Sonderleistungen nur um 25 v.H. sei allen eventuellen Besonderheiten und Einsparungen
in der Gesamtpraxisführung ausreichend Rechnung getragen worden. Sie sei mit 429,20 DM im Verhältnis zu der
verbleibenden Gesamthonorarforderung von 11.112,95 DM angemessen.
Bei einer Fallzahl von 360 Fällen nahm der Prüfungsausschuß hinsichtlich der RVO-Kassenabrechnung für das 2.
Quartal 1966 mit Bescheid vom 14. November 1966 eine Honorarabänderung von 1.138,95 DM vor, da die
Honorarforderung für Sonderleistung mit 7.593,– DM mit einem Fallwert von 21,09 DM um mehr als 300 v.H. über dem
Gruppendurchschnitt von 6,37 DM gelegen habe. Dabei sei ein Fallwert von 26,96 DM gegenüber einem
Gruppendurchschnitt von 21,24 DM anerkannt worden.
Die Honorarabänderung im Rahmen der RVO-Kassenabrechnung für das 1. Quartal 1967 setzte der
Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 2. August 1967 mit 807,21 DM fest, da bei einer Fallzahl von 430 gegenüber
554 der Gruppe die durchschnittliche Honorarforderung pro Patient 29,90 DM gegenüber einem
Fachgruppendurchschnitt von 21,23 DM ausgemacht habe. In einem offensichtlichen Mißverhältnis zum
Fachgruppendurchschnitt habe dabei erneut die Forderung für Sonderleistungen mit einem Fallwert von 18,77 DM zu
5,91 DM der Gruppe gestanden.
Auch für das 3. Quartal 1967 ist hinsichtlich der RVO-Kassenabrechnung mit Bescheid vom 13. Februar 1968 eine
Honorarabänderung von 2.046,10 DM vorgenommen worden, da die Honorarforderung 32,80 DM und die für
Sonderleistungen 22,58 DM betragen habe. Die Abweichung von der mittleren Streuung ergeben 354 v.H.
Auf die Widersprüche des Klägers ist ihm von Seiten des Prüfungsausschusses – Widerspruchsstelle – am 23. April
1968 mitgeteilt worden, daß diesen nicht abgeholfen werden könne und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung
an den Beschwerdeausschuß bei der Beklagten abgegeben werde.
Der Beschwerdeausschuß für Ärzte setzte hiernach mit Beschluss vom 4. September 1968 für das 2. Quartal 1966
eine 10%ige Kürzung des Honorars für Sonderleistungen – 759,30 DM – und für das 3. Quartal 1967 eine 15%ige
Kürzung des Honorars für Sonderleistungen – 1.534,50 DM – fest. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid
der Prüfungskommission der Bezirksstelle W. vom 2. August 1967 für das 1. Quartal 1967 wies er als unbegründet
zurück. Der Beschluss führte aus, der Kläger überschreite den Durchschnittssatz seiner Arztgruppe im 2. Quartal
1966 um 41,7 v.H., im 1. Quartal 1967 um 40,8 v.H. und im 3. Quartal 1967 um 59,6 v.H ... Dieses offensichtliche
Mißverhältnis der Durchschnittswerte rechtfertige die pauschale Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher
Behandlungsweise.
Für das 2. Quartal 1968 beschloß der Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 28. Oktober 1968 eine
Honorarabänderung mit 1.017,– DM, da die durchschnittliche Honorarforderung pro Patient 31,99 DM und die für
Sonderleistungen pro Fall 10,30 DM betrage. Unverändert sei dabei der routinemäßige Ansatz der Ziffern 25, 26, 790,
791 Ugn., 716 und 885 GOÄ. Auf den Widerspruch teilte die Prüfungsausschuß-Widerspruchsstelle dem Kläger am
24. Februar 1969 mit, daß dieser als unbegründet zurückgewiesen werde. Der Beschwerdeausschuß für Ärzte nahm
dann mit Beschluss vom 13. August 1969 die Honorarkürzung für das 2. Quartal 1968 mit 1,50 DM pro Fall und damit
insgesamt 610,50 DM vor, da der Kläger mit seinen Honorarforderungen pro Fall den Durchschnittsatz seiner
Arztgruppe um 11,74 DM oder um 255 v.H. des Betrages der "mittleren Abweichung” überschreite. Dabei komme es
bei der Beurteilung seiner Praxisführung nicht auf die verursachten Gesamtkosten an, sondern auf die außerordentlich
hohe Honorarforderung auf dem Teilbereich der Laborleistungen. Diese sei allein am Maßstab einer wirtschaftlichen
Behandlungsweise zu messen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten seiner Praxis, wonach diese internistisch
ausgerichtet sei, habe man ihm einen Mehrbetrag von 9,24 DM pro Fall belassen. Der für Laborleistungen zur
Abrechnung gestellte Gesamtbetrag habe eine Überschreitung des Falldurchschnittes der Arztgruppe "Praktiker” in W.
um 546 v.H. aufgezeigt.
Das Sozialgericht Frankfurt/Main hat mit Beschluss vom 29. April 1970 die Verfahren S 5-Ka-6/66, S-5-Ka-57/68 und
S-5-Ka-57/69 gemäß § 113 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
miteinander verbunden.
Der Kläger hat vorgetragen, seine Praxis, die mit einer internistischen zu vergleichen sei, könne nicht an
Durchschnittswerten gemessen werden. Die Durchschnittswerte seien im übrigen keine geeignete Grundlage für die
Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Dabei stünden Laborleistungen im Vordergrund, die zu einer Einsparung von Kosten
führten, da er viele Untersuchungen selbst ausführen könne, die sonst von einem Facharzt vorgenommen werden
müßten. Seine Überweisungsfälle seien deswegen relativ gering. Es müsse bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit
die Gesamtpraxisführung berücksichtigt werden. Diese zeige, daß er recht erhebliche Beträge einspare.
Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt, die angefochtenen Widerspruchsbescheide entsprächen in jeder Hinsicht
der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Hessischen Landessozialgerichts. Es handele
sich vorliegend um eine nach Sachlage in der vorgenommenen Form zulässige und in vollem Umfang gerechtfertigte
pauschale Honorarkürzung wegen des festgestellten offensichtlichen Mißverhältnisses der Honorarforderung des
Klägers auf dem Sektor der Sonderleistungen zu den durchschnittlichen Honorarforderungen der vergleichbaren
Fachgruppe. Die Prüfung habe gezeigt, daß er keine Einsparungen auf anderen Teilbereichen seiner kassenärztlichen
Tätigkeit glaubhaft gemacht habe, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Mehraufwand auf dem Sektor der
Sonderleistungen stünden. Er habe nämlich durch seine aufwendige Laboratoriumsdiagnostik keine Kosten auf dem
Sektor Arzneimittel, Arbeitsunfähigkeit oder Krankenhauspflege einsparen können. Einsparungen in diesen Bereichen
könnten vom Kassenarzt allenfalls dadurch erzielt werden, daß er seine Patienten unter vermehrtem therapeutischem
Aufwand selbst behandele. Er betreibe eine aufwendige Diagnostik, die in den meisten Fällen keinerlei
Behandlungsmaßnahmen nach sich zöge.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und durch Dr. med. H. das Gutachten vom 28. Februar 1968 zu der Frage
erstellen lassen, ob die Sonderleistungen in dem 4. Quartal 1964 auf Grund der aufgeführten Diagnosen notwendig
gewesen oder zum Teil durch einfachere Untersuchungen zu ersetzen gewesen seien. Der Sachverständige kam darin
zu dem Ergebnis, daß lediglich eine Honorarkürzung von 137,74 DM berechtigt gewesen sei.
Dazu hat die Beklagte vorgetragen, ein richtiges Urteil über die Berechtigung der Honorarforderung eines Arztes lasse
sich nur an Hand eines Gesamtüberblickes gewinnen. Der Gutachter habe die Gesamtpraxisführung hinsichtlich der
Kosten nur in einigen Einzelfällen erwähnt.
Mit Urteil vom 29. April 1970 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es
ausgeführt, die durchgeführte pauschale Honorarkürzung sei auf Grund von Durchschnittswerten zulässig. Die
Beklagte habe die Praxisführung des Klägers sachgerecht beurteilt und bei der Ausübung ihres Ermessens sachlich
vertretbar gehandelt. Dabei habe sie den Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit nicht verkannt. Die Höhe der Kürzung
berücksichtigte in ausreichendem Maße die bestehende Praxisbesonderheit, die in dem großen Labor und die damit
verbundene Häufigkeit großer Sonderleistungen zu sehen und auch zum anderen in der eingeschränkten
Überweisungstätigkeit zu erblicken sei. Die Kürzung habe dem Kläger noch eine Durchschnittsüberschreitung
zwischen 40 und 50 v.H. zugebilligt. Damit seien seine Praxisbesonderheiten zutreffend gewürdigt worden. Auch das
Gutachten des Sachverständigen Dr. H. könne zu keinem anderen Ergebnis führen, weil auch dieser eine gewisse
Unwirtschaftlichkeit in der Behandlungsweise bejaht habe. Es biete aber nur einen Anhaltspunkt für die Kürzung
überhaupt, da der Sachverständige sein Gutachten ausschließlich auf die großen Sonderleistungen konzentriert habe.
Gegen das dem Kläger am 26. Mai 1970 zugestellte Urteil ist die Berufung am 24. Juni 1970 bei dem Hessischen
Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, das Prüfverfahren sei unrichtig durchgeführt, da
es nicht seine gesamte Tätigkeit als Kassenarzt sachgemäß und ausreichend gewürdigt habe. Zur gesamten
Praxisführung gehöre auch die Überweisungstätigkeit eines Kassenarztes. Durch seine gezielte und aufwendigere
Diagnostik habe er große Einsparungen im Arzneimittelbereich erreicht, wie das die Zahlen auswiesen. Daß er den
vom Senat geforderten Nachweis nicht führen könne, gehe nicht zu seinen Lasten. Die Verordnungsblätter der
Arzneimittel seien von dem Beigeladenen zu 1) vernichtet worden. Diese benötige er aber, um nachzuweisen, daß er
durch die gezielte Diagnostik weniger verordnet habe. Arzneimittel der pharmazeutischen Industrie habe er nicht in
großem Umfang ausgegeben. Die von der Rechtsprechung geforderte Kausalität zwischen Mehr- und Minderaufwand
in verschiedenen Teilbereichen sei damit voll erfüllt. Die Besonderheit seiner Praxis, die darin liege, daß er eine den
Internisten vergleichbare Praxisführung ausübe, sei nicht hinreichend bei der Prüfung berücksichtigt worden. Das gelte
besonders im Bereich der Labortätigkeit und damit hinsichtlich der beanstandeten Sonderleistungen. Die
Prüfungsinstanzen der Beklagten hätten damit nicht im Rahmen der Pauschalkürzung Honorarabänderungen
vornehmen dürfen, da das sogenannte "offensichtliche Mißverhältnis” nicht gegeben sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 29. April 1970 und die Bescheide der
Prüfungsausschüsse vom 10. Mai 1965, 14. November 1966, 2. August 1967, 13. Februar 1968 und 28. Oktober 1968
in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Januar 1966, 4. September 1968 und 13. August 1969 aufzuheben
und ihn von einer Honorarkürzung freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, der Kläger liege mit den für die
Leistungsgruppe Sonder- und Laborleistungen ermittelten durchschnittlichen Honorarforderungen pro Behandlungsfall
in offensichtlichem Mißverhältnis zu dem entsprechenden Durchschnittswert der vergleichbaren Arztgruppe
"praktische Ärzte”. Der Laborkosten-Fallwert liege bei dem Kläger bei rund 10,92 DM. Dagegen betrage der der
praktischen Ärzte höchstens 3,24 DM. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den erhöhten Kosten für Labor- und
Sonderleistungen und eventuellen Einsparungen auf anderen Teilbereichen seiner kassenärztlichen Tätigkeit bestehe
nicht. Die Einsparung von Arzneikosten sei nämlich nicht durch die zahlreichen diagnostischen Leistungen bedingt,
sondern durch die Ausgabe von Arzneimustern verursacht worden. Die Honorarforderungen des Klägers überschritten
im gesamten Bereich der Bezirksstelle W. die der Internisten.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Der nicht erschienene Beigeladene zu 3) hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. September 1971 den Landesverband der Ortskrankenkassen in Hessen, den
Landesverband der Innungskrankenkassen für das Land Hessen und den Landesverband der Betriebskrankenkassen
in Hessen beigeladen und den Aufklärungsbeschluß vom 1. Dezember 1971 erlassen.
Die Akten des Sozialgerichts Frankfurt/Main S-5/Ka-6/66 sowie S-5/Ka-57/68 und die Verwaltungsakten der Beklagten
betreffend die RVO-Honorarkürzungen und die Honorarkürzungen der Quartale 1 und 2 1969 hinsichtlich der
Ersatzkrankenkassen haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der
auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie
ist auch begründet.
Der Bescheid des Prüfungsausschusses für das 4. Quartal 1964 vom 10. Mai 1965, der in der Gestalt des
Beschlusses des Beschwerdeausschusses für Ärzte vom 11. Januar 1966 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95
SGG) und die Bescheide des Prüfungsausschusses für das 2. Quartal 1966, 1. Quartal 1967 und 3. Quartal 1967 vom
14. November 1966, 2. August 1967 und 13. Februar 1968 in der Gestalt des Beschlusses des
Beschwerdeausschusses für Ärzte vom 4. September 1968 sowie der Bescheid des Prüfungsausschusses für das 2.
Quartal 1968 vom 28. Oktober 1968 in Gestalt des Beschlusses des Beschwerdeausschusses für Ärzte vom 13.
August 1969 sind rechtswidrig.
Die Prüfungsinstanzen der Beklagten, die gemäß § 368 n Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) berufen
sind, die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung zu überwachen und in diesen Rahmen auch berechtigt
sind, bei unwirtschaftlicher Behandlungsweise eine Honorarabänderung vorzunehmen, waren nicht berechtigt, den
Kläger zu einer Ersatzleistung wegen Verstoßes gegen das Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise
heranzuziehen. Wenngleich auch die von den Prüfärzten der Beklagten festgestellten Verstöße den Schluss
rechtfertigen, dass der Kläger sich bei seiner Behandlungsweise nicht immer nach dem Maßstab der
Wirtschaftlichkeit, zu dessen Beachtung er nach § 368 e RVO verpflichtet ist, gerichtet hat, lag kein Grund für eine
pauschale Honorarkürzung vor. Zwar muss jeder Kassenarzt Art und Umfang der ärztlichen Verrichtungen auf das
notwendige Maß beschränken und jede mit der Erreichung des angestrebten Heilerfolges zu vereinbarende
Sparsamkeit beachten. Daraus folgt, dass die Behandlung, die zur Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder
zweckmäßig ist, notwendigerweise unwirtschaftlich sein muss. Die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise ergibt
sich daraus, dass Überflüssiges getan wird oder auch, dass Behandlungsmethoden durchgeführt werden, die
aufwendiger als andere zum gleichen Erfolg führende sind. Der Senat geht ebenfalls in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 19, 123 ff.) davon aus, dass der Begriff der Wirtschaftlichkeit ein
unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Für die Feststellung der
Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise ist dabei im allgemeinen nicht erforderlich, dass diese an Hand einzelner
Behandlungsfälle überprüft wird, sondern die Prüfungsinstanzen der Beklagten sind auf Grund einer vergleichenden,
von Durchschnittswerten ausgehenden Betrachtung befugt, diese Feststellungen zu treffen. Das gilt insbesondere
dann, wenn der Kassenarzt mit seiner Behandlungsweise in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den
Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen steht und auch die Besonderheit der Praxis, auf die er hinzuweisen
hat, einen Mehraufwand nicht rechtfertigt (BSG, Urteil vom 24. März 1971, Az.: 6 RKa 12/70). Es kommt somit bei
dem Prüfungsverfahren und der Beurteilung der Frage, ob eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher
Behandlungsweise auf Grund einer vergleichenden Betrachtung oder einer Einzelfallprüfung durchzuführen ist, letztlich
auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an, wobei insbesondere die Höhe der Überschreitung des
Kostendurchschnittes der betreffenden Arztgruppe und die Fallzahl der zur Abrechnung gestellten Behandlungsfälle
mitentscheidend sind (BSG 19, 79 ff.). Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer pauschalen Honorarkürzung
sind immer dann gegeben, wenn der Kassenarzt in seiner Behandlungsweise in einem offensichtlichen Missverhältnis
zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen steht und auch die Besonderheit der Praxis einen
Mehraufwand nicht rechtfertigt (so BSG a.a.O.). Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze des
Prüfverfahrens haben sowohl die Prüfungsinstanzen der Beklagten als auch das Vordergericht nicht berücksichtigt,
weil den Besonderheiten der Praxis des Klägers nicht genügend Rechnung getragen worden ist. Dabei ist vor allem
der Umstand nicht beachtet worden, worauf der Kläger besonders hingewiesen hat, dass bei der Frage der
Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise nicht eine einzelne Leistungsgruppe – wie hier die Sonderleistungen – für
sich allein betrachtet werden darf, jedenfalls dann nicht, wenn der Kassenarzt in anderen Bereichen Ersparnisse
erzielt hat. Diese müssen bei der Gesamtabwägung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise mit in Rechnung
gestellt werden, wie das auch § 22 Abs. 4 Landesmantelvertrag (Hessen) vorschreibt, wonach bei der Prüfung der
kassenärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise die Wirtschaftlichkeit der gesamten Tätigkeit des
Kassenarztes zu berücksichtigen ist. Das gleiche schreibt die Geschäftsordnung für die Prüfungs- und
Beschwerdeausschüsse der Beklagten in § 5 vor. Diese genannten Vorschriften haben im vorliegenden Fall durch die
Verwaltungsinstanzen und das Vordergericht nicht die erforderliche Beachtung gefunden, weil bei der Prüfung der
Wirtschaftlichkeit die Leistungsgruppe "Sonderleistungen” sehr oder weniger für sich allein betrachtet worden ist. Dies
beweist die Feststellung, dass eine erhebliche Überschreitung der Honorarforderung gegenüber dem
Durchschnittssatz der Arztgruppe "Praktische Ärzte” im 2. Quartal 1966 von 41,7 v.H. im 1. Quartal 1967 von 40,8
v.H., im 3. Quartal 1967 von 59,6 v.H., im 4. Quartal 1964 von 59 v.H. und im 2. Quartal 1968 ebenfalls in dieser
Größenordnung vorliege. Die Prüfungsinstanzen haben dabei dem Umstand, dass die Praxis des Klägers einen
starken internistischen Einschlag hat, nicht gebührend Rechnung getragen und vor allem nicht die Tatsache beachtet,
dass er durch seine Behandlungs- und Untersuchungsmethode in anderen Behandlungsbereichen Ersparnisse erzielt
hat, die bei der Gesamtabwägung der Wirtschaftlichkeit mit in Rechnung zu stellen sind. Bei der Gesamtabwägung
der Wirtschaftlichkeit müssen neben den Sonderleistungen, die Arzneikosten für Mitglieder und Rentner die
Krankenhauseinweisungen für Mitglieder und Rentner, die Arbeitsunfähigkeitsfälle und die Arbeitsunfähigkeitstage je
Arbeitsunfähigkeitsfall entsprechende Berücksichtigung finden. Werden die hierfür ermittelten statistischen Werte in
den Vergleich miteinbezogen, so kann bei einer Gesamtbetrachtung von einem offensichtlichen Missverhältnis nicht
gesprochen werden. Das gilt hier umso mehr, als die Besonderheit der Praxis des Klägers darin liegt, dass sie stark
internistisch ausgerichtet ist. Indessen kann der Kläger einem Internisten nicht gleichgestellt werden. Soweit wollte
der Senat jedenfalls nicht gehen. Er hält es eher für erforderlich, dass bei dem Vergleich des Klägers mit der Gruppe
der praktischen Ätzte ihm ein Zuschlag eingeräumt wird, der in etwa zwischen dem Gesamtdurchschnitt der
praktischen Ärzte und dem der Internisten liegen sollte. Nur eine solche Betrachtungsweise wird der Praxisführung
des Klägers gerecht, was der Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 13. August 1969 auch dahingehend
anerkannt hat, dass die geltend gemachten Praxisbesonderheiten in höherem Maße berücksichtigt werden müssten.
Die damit angesprochene Konsequenz hat man jedoch nicht gezogen, wenn man dennoch zu einer Honorarkürzung
gelangt ist. Dabei ist unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger in anderen Behandlungsbereichen Ersparnisse
erzielt hat, die bei der Gesamtabwägung der Wirtschaftlichkeit mit zu berücksichtigen sind. Das gilt umso mehr, da
der durch bestimmte häufig erbrachte Leistungen verursachte Mehraufwand durch einen Minderaufwand bei anderen
Leistungssparten ausgeglichen werden kann. Der Mehraufwand muss jedoch ursächlich für die Ersparnis auf der
anderen Seite sein. Insoweit ist auffällig, dass die Arzneikosten durch die gezielt betriebene Diagnostik des Klägers
ein weit geringeres Ausmaß haben als bei den praktischen Ärzten der Stadt W., wie das die statistischen Zahlen
ausweisen. So liegen seine Arzneikosten pro Fall im 4. Quartal 1964 für Mitglieder bei 8,96 DM und den Rentnern bei
26,52 DM, während die der praktischen Ärzte der Stadt W. 11,95 DM und 28,48 DM ausweisen. Im 2. Quartal 1966
hat der Kläger pro Fall für die Mitglieder der Beigeladenen Arzneikosten von 11,44 DM und für die Rentner von 17,25
DM verordnet, wohingegen die praktischen Ärzte bei 13,85 und 35,69 DM liegen. Im 1. Quartal 1967 weist der
Vergleich für die Mitglieder Arzneikosten von 12,69 DM und für die Rentner vom 26,35 DM aus, während die der
praktischen Ärzte der Stadt W. in diesem Quartal 15,47 DM und 38,72 DM betragen. Daß 3. Quartal 1967 zeigt
Arzneikosten pro Fall des Klägers für die Mitglieder von 14,68 DM und für die Rentner von 28,23 DM auf, dagegen
haben die praktischen Ärzte der Stadt W. 14,52 DM und 38,89 DM je Fall verordnet. Im 2. Quartal 1968 stellen sich
die Arzneikosten des Klägers pro Fall für die Mitglieder mit 13,11 DM und für die Rentner mit 34,19 DM dar und die
seiner Fachgruppe mit 15,41 DM und 40,33 DM. Dieser statistische Fallvergleich weist bereits auf die gezieltere
Arzneibehandlung und die damit verbundene geringere Arzneiverschreibung hin, wie das bereits der Beschluss der
Beschwerdekommission bei der Beklagten vom 29. Juli 1970 in einem Ersatzkassenverfahren zum Ausdruck
gebracht hat. Die dem Kläger hinsichtlich des Nachweises des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Mehr- und
Minderleistungen aufgegebenen Darlegungspflicht ist er unter Berücksichtigung der noch vorhandenen
Beweisunterlagen nachgekommen. Im einzelnen war dieser Beweis durch ihn nicht mehr zu führen, da die
Verordnungsblätter für die überprüften Quartale infolge Vernichtung nicht mehr zur Verfügung stehen. Ihm ist es daher
nicht möglich gewesen, pro Behandlungsfall für die beanstandeten Quartale darzulegen, in welchem Umfang er
Einsparungen erzielt hat, die ursächlich durch den Mehraufwand bei den Honorarkosten bedingt sind, wie das der
Aufklärungsbeschluss des Senats vom 1. Dezember 1971 verlangt hatte. Die dadurch bedingte Nichterweislichkeit
kann jedoch nicht zu seinen Lasten gehen, sondern muss billigerweise der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis
3) angelastet werden, weil die Vernichtung der Unterlagen ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen ist. Damit obliegt
ihnen nunmehr die Darlegungspflicht dafür, dass der Mehraufwand des Klägers nicht durch einen damit im
Zusammenhang stehenden Minderaufwand bei anderen Leistungen ausgeglichen wird. Diesen Nachweis haben sie
jedoch nicht zu fuhren vermocht, vor allem nicht durch den Hinweis, dass der Kläger dadurch wenigere Arzneikosten
verursache, weil er in erheblichem Umfang Arzneimuster der Pharmazeutischen Industrie an seine Kassenpatienten
ausgebe. Diese Behauptung ist unbewiesen geblieben. Sie ist damit gleichfalls ungeeignet, die vom Kläger
substantiiert dargelegten kompensationsfähigen Ersparnisse auf dem Arzneimittelsektor zu widerlegen, die durch
seine gezielte Diagnostik ermöglicht wurden. So hat er unwidersprochen darauf hingewiesen, dass bei ihm Herzmittel
innerhalb der Verordnungsskala an der ersten und dritten Stelle rangieren und Antidiabetica an der zweiten und elften
Stelle, wohingegen sie bei der Gruppe der praktischen Ärzte erst an sechzehnter und achtzehnter sowie an
achtunddreißigster und neununddreißigster Stelle zu finden sind. Antirheumatica stehen bei ihm an der sechsten und
bei der Gruppe an der siebzehnten Stelle. Wenn diese Feststellung von dem Kläger auf Grund der Verordnungsblätter
für das 2. Quartal des Jahres 1971 geführt worden ist, so beweist sie doch schlüssig, dass seine Diagnostik in der
Behandlung ein gezielteres Vorgehen unter Verzicht auf jene schmerzlindernden und dämpfenden Medikamente
erlaubt, die in anderen Praxen verordnet werden und dort die Höhe der Aufwendungen für Arzneimittel vorrangig
bestimmen. Wenn dieser Vergleich nicht die überprüften Quartale betrifft – einen solchen kann der Kläger nicht führen,
weil die Verordnungsblätter vernichtet sind – so kann er doch als repräsentativ für seine Praxisführung auch für die
zurückliegenden Quartale angesehen werden und lässt den Schluss auf einen konkreten Zusammenhang zwischen
Mehr- und Minderaufwand zu.
Bei Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten der Praxis des Klägers und der Ersparnis, besonders auf dem
Sektor der Arzneikosten, ist es nicht gerechtfertigt, eine pauschale Honorarkürzung vorzunehmen, wie das die
Prüfungsinstanzen der Beklagten getan haben. Das dabei aufgenommene "offensichtliche Missverhältnis” liegt
nämlich nicht vor, da die durch die Praxisführung des Klägers verursachten Gesamtkosten nur in einem geringen
Ausmaß die der praktischen Ärzte der Stadt W. übersteigen, vor allem, wenn man ihm wegen der internistischen
Ausrichtung seiner Praxis einen Zuschlag zubilligt. So hat der Kläger im 4. Quartal 1964 für die Honorarforderung und
die Arzneikosten einen Betrag von 65,50 DM geltend gemacht, während die praktischen Ärzte 57,20 DM in diesem
Quartal zur Abrechnung gestellt haben. Im 2. Quartal liegen die Zahlen des Klägers für Honorarforderungen, die
Sonderleistungen und Arzneikosten bei 79,90 DM und die der praktischen Ärzte bei 77,15 DM, im 1. Quartal 1967
stellte er 87,71 DM und die praktischen Ärzte 81,33 DM in Rechnung. Im 2. Quartal 1967 und 2. Quartal 1968 hat der
Kläger durch seine Behandlung 98,29 DM sowie 100,84 DM verursacht und die praktischen Ärzte der Stadt W. 78,94
DM und 81,97 DM. Diese Vergleichszahlen lassen nicht die Annahme eines "offensichtlichen Missverhältnisses” zu,
was jedoch gegeben sein muss um die von den Prüfungsinstanzen vorgenommene pauschale Honorarkürzung Platz
greifen zu lassen. Damit durften sich die Prüfungsinstanzen im vorliegenden Fall nicht mit einer vergleichsweisen
Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheit der Praxis des Klägers begnügen, sondern hätten
vielmehr die Einzelprüfung unter Feststellung der ersparten Summen je Behandlungsfall anwenden müssen, was das
Sozialgericht hinsichtlich des 4. Quartals 1964 mit dem Sachverständigenvotum des Dr. H. versucht hat, der bei 443
Fällen eine Kürzung von 287,83 DM als berechtigt angesehen hat. Dieses Gutachten bietet jedoch nur einen
Anhaltspunkt für die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise hinsichtlich der Sonderleistungen, kann jedoch nicht
für die Festlegung des Kürzungsbetrages dienen, da der Sachverständige sich dabei allein an den einzelnen großen
Sonderleistungen orientiert hat ohne die gesamte Praxisführung des Klägers zu würdigen und dem Umstand
Rechnung zu tragen, dass er kompensationsfähige Ersparnisse in anderen Leistungsbereichen erzielt hat. Es muss
der Beklagten überlassen bleiben, ob sie im Wege der Einzelfallprüfung durch die Prüfungsinstanzen den eventuell
nicht gerechtfertigten Ansatz der Positionsnummern 26, 27, 29, 30, 7 ..., 134, 716, 790, 791, 809, 812, 835, 845 und
885 GOÄ aufklären lassen will, um entsprechende Honorarkürzungen vornehmen zu können. Der Senat konnte in
dieser Richtung nicht tätig werden da es sich bei Honorarkürzungen um Ermessensentscheidungen der Verwaltung
handelt, jedenfalls soweit die Höhe der Kürzung in Frage steht. In einem solchen Fall ist die Aufhebung des
fehlerhaften Verwaltungsakts zur Nachholung der Entscheidung durch die zuständige Verwaltungsstelle wegen der der
Verwaltung vorbehaltenen Entscheidungsfreiheit und der eingeschränkten Rechtskontrolle des Gerichts unerlässlich
(BSG 26, 177; 27, 154 ff.).
Der Berufung des Klägers war daher stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Frage, ob ein praktischer Arzt, der eine
internistisch ausgerichtete Praxis betreibt, wegen dieser Praxisbesonderheit überhaupt mit dem Durchschnitt der
praktischen Ärzte verglichen werden kann, eine solche von grundsätzlicher Bedeutung ist.