Urteil des LSG Hessen vom 02.04.2017

LSG Hes: landwirtschaft, minderung, erwerbsfähigkeit, arbeitskraft, rente, verfügung, bezahlung, hessen, ermessen, behinderung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.02.1972 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg
Hessisches Landessozialgericht L 4 V 1196/69
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg/L. vom 21. Oktober 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 58-jährige Kläger ist vom Beruf Landwirt und betreibt eine Landwirtschaft vom 4,75 ha. Er erhielt durch
Umanerkennungsbescheid vom 29. November 1952 wegen Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel mit
Nervenlähmung (Peroneuslähmung) Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. ab 1.
Oktober 1950. Eine Nachuntersuchung durch Dr. H., Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten vom 3. Oktober
1962 ergab, dass der Kläger ohne Benutzung eines Stockes die Treppen hinaufgehen konnte, so dass die
Gehstörungen nur geringfügig waren. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. hielt der Gutachter für
zutreffen. Wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins als Landwirt hielt er eine Minderung der
Erwerbstätigkeit um 50 v.H. für angemessen.
Das Sozialgericht Marburg verurteilte den Beklagten am 3. September 1964 ab 1. Juli 1962 Rente wegen einer MdE
von 60 v.H. zu zahlen.
Der Beklagte gewährt den Kläger durch Bescheid vom 14. Juli 1966 ab 1. Januar 1964 auf seinen Antrag
Berufsschadensausgleich, wobei er ihn als selbständigen Landwirt in die vergleichbare Beamtengruppe A 7 des
Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) einstufte und als Wert der eigenen Arbeitsleistung 70 v.H. des Einkommen
eines männlichen Spezialarbeiters in der Landwirtschaft zugrunde legte.
In dem dagegen eingelegten Widerspruch vertritt der Kläger die Auffassung, dass seine Einkünfte aus Landwirtschaft
nach § 9 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) errechnet werden müssten.
Der dagegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 30. Dezember 1966). Der Beklagte vertritt die
Auffassung, das bei der Berechnung des Einkommens des Klägers nicht von den Einkünften gem. § 9 DVO zu § 33
BVG ausgegangen werden könne, sondern von dem Einkommen eines nämlichen Spezialarbeiters in der
Landwirtschaft. Auch könne die Arbeitsleistung nicht nach dem Grade der MdE, wie er in dem Rentenbescheid
festgelegt werden ist, vermindert werden. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nur ein Anhaltspunkt für
die noch verbliebene Arbeitsleistung sein.
Das Sozialgericht Marburg wies die dagegen eingelegte Klage durch Urteil vom 21. Oktober 1969 ab, weil der
Beklagte das Arbeitseinkommen des Klägers zutreffend geschätzt habe. Trotz seiner Verletzung sei der Kläger noch
in der Lage, seinen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb voll zu versorgen. Der Kläger sei nur kurzzeitig und
gelegentlich auf die Mithilfe fremder Arbeitskräfte angewiesen. Die Festsetzung des Arbeitseinkommens des Klägers
mit 70 v.H. eines gesunden Spezialarbeiters in der Landwirtschaft sei daher zutreffend.
Gegen dieses dem Kläger am 31. Oktober 1969 zugestellte Urteil legte er am 1. Dezember 1969 Berufung ein. Er ist
der Auffassung, dass von einem Arbeitseinkommen als landwirtschaftlicher Arbeiter von 70 v.H. nicht ausgegangen
werden dürfe, sondern ein geringer Ertrag zugrunde gelegt werden müsse.
Der Kläger beantragte, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. Oktober 1969 und den Widerspruchsbescheid
vom 30. Dezember 1966 aufzuheben und den Bescheid vom 14. Juli 1966 dahin abzuändern, dass bei der
Berechnung des Berufsschadensausgleichs nur ein Wert an verbliebener Arbeitsleistung in Höhe von 60 v.H. des
Durchschnittseinkommens eines landwirtschaftlichen Facharbeiters zugrunde gelegt wird.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. Oktober 1969 für zutreffend.
Die Akten des Sozialgerichts Marburg S-1/V-105/63 waren beigezogen und wurden zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch statthaft, denn es stehen ihr
Berufungsausschließungsgründe nicht entgegen. Die Berufung betrifft insbesondere nicht eine Gradstreitigkeit im
Sinne des § 148 Ziff. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Beteiligten streiten lediglich darüber, ob 70 oder 60 v.H.
des Einkommens eines männlichen Spezialarbeiters als Einkommen des Klägers wegen Schädigung zugrunde gelegt
werden soll. Es handelt sich somit nicht um den Streit über den Grad der Erwerbsminderung im allgemeinen
Erwerbsleben, sondern um die Berechnungsweise des Berufsschadenausgleiches.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht Marburg hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger
Berufsschadensausgleich zugebilligt, ohne das Vorliegen eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes
festzustellen, obwohl dieser Voraussetzung für die Gewährung von Berufsschadensausgleich ist. Es fehlen insoweit
nähere Ermittlungen. Der Beklagte hat vielmehr unter besonderer Berücksichtigung der geringen Betriebsgrösse, der
Art der Schädigungsfolge und der krankheitsbedingten Behinderung der Ehefrau für schwere landwirtschaftliche
Arbeiten angenommen, dass der Kläger wegen seiner Schädigungsfolgen fremde Hilfe gegen Bezahlung in Anspruch
nahm. Damit hat er sich lediglich auf die Angaben des Klägers gestützt, ohne Nachweise der von fremden Kräften
durchgeführten Arbeiten und der hierfür gezahlten Leistungen zu erheben. Aus der Verfügung des
Landesversorgungsamtes Hessen vom 10. Februar 1966, auf die sich der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung
bezieht, geht nicht hervor, dass auf die Feststellung einen Einkommensverluste, der ursächlich auf die
Schädigungsfolgen zurückgeht, verzichtet wird. Vielmehr wird darin lediglich ausgeführt, wir nach Bejahung eines
schädigungsbedingten Einkommensverlustes die Berechnung des Berufungsschadensausgleiches bei Fehlen
sonstiger Anhaltspunkte bei Selbständigen durchzuführen ist. Da aber der Beklagte im vorliegenden Falle ohne
Prüfung der Verursachungsfrage einen Berufsschadensausgleich gewährte, muss es bei dieser Festsetzung bleiben,
denn, als den Kläger insoweit begünstigen, ist der Bescheid vom 14. Juli 1986 bindend gewesen (vgl. BSG Bd. 12 S.
26). Indessen nimmt an dieser Bindung nur der Verfügungssatz "Zahlung zu gewähren”, nicht aber die gesetzwidrige
Bejahung eines Ursachenzusammenhangs teil. Steht aber den Kläger ohne Feststellung eines schädigungsbedingten
Einkommensverlustes ein Berufsschadensausgleich nicht zu, so kann er auch nicht dessen Erhöhung – hier im Wege
geringer Bewertung seiner verbleibenden Arbeitskraft – erreichen.
Darüber hinaus hat der Beklagte aber auch die verbliebene Arbeitskraft des Klägers zutreffend beurteilt. bereits im
Rundschreiben des Bundesarbeitsministers vom 5.11.1963 (abgedruckt im BVBl. 1963 S. 130) war ausgeführt
worden, dass die Versorgungsbehörde bei der Ermittlung des eigenen Arbeitseinkommen eines Landwirtes nicht von
dem damaligen § 7 Abs. 1 und 3 (jetzt § 9 Abs. 1 u. 3) DVO zu § 33 BVG ausgehen kann. Diese für die Berechnung
der Ausgleichsrente von Landwirten günstige Regelung ist nach dieser – zutreffenden – Auffassung bei der
Berechnung des Berufsschadensausgleichs nicht anwendbar, weil sie nicht den – hier erforderlichen – tatsächlichen
Wert der Arbeitsleistung angibt, sondern nur der Ermittlung des Ertrags aus der Landwirtschaft dient. Der Wert der
eigenen Arbeitsleistung eines Landwirts entspricht dem eines landwirtschaftlichen Spezialarbeiters. Da der Kläger
aber in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist war es richtig, dass der Beklagte nicht den vollen Verdienst eines
landwirtschaftlichen Spezialarbeiters zugrunde legte, sondern nur 70 v.H. hiervon. Bei dieser Einstufung hat der
Beklagte sein Ermessen nicht verletzt. Er hat sie – wie es etwa nach §§ 202 BVG, 287 ZPO dem Gericht möglich
gewesen wäre, nach dem ärztlichen Feststellungen und dem allgemeinen Umständen zutreffend vorgenommen. Dabei
ist zu berücksichtigen gewesen, dass es nur aus formalen Gründen nach dem Urteil des Sozialgerichts Marburg vom
3. September 1964 bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. zu verbleiben hatte. Der Beklagte konnte zu
Recht nach der Stellungnahme von Dr. H. vom 30. Oktober 1962, in der er von einer MdE von 40 % ausging, die
Berechnung der verbliebenen Arbeitsleistung vornehmen. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die
angefochtenen Bescheide des Beklagten unrichtig waren. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg
konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.