Urteil des LSG Hessen vom 22.06.1984

LSG Hes: arbeitskampf, innerdienstliche weisung, arbeitsbedingungen, neutralität, verwaltungsakt, hauptsache, aussetzung, allgemeines verwaltungsrecht, vorläufiger rechtsschutz

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 22.06.1984 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 7 Ar 534/84 A
Hessisches Landessozialgericht L 10 Ar 813/84 A
1. Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Frankfurt am Main vom 12. Juni 1984 werden zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 1984
wird zurückgewiesen.
3. Der zum Antrag 5 der Antragstellerin gestellte Hilfsantrag wird zurückgewiesen.
4. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am
Main (SG) vom 12. Juni 1984, mit dem im Wege der einstweiligen Anordnung einem Antrag der Antragstellerin in
bezug auf Maßnahmen der Antragsgegnerin, die in Zusammenhang mit einem Arbeitskampf stehen, stattgegeben
worden ist und durch den die übrigen Anträge zurückgewiesen worden sind.
Im wesentlichen wird um einen Erlaß des Präsidenten der Antragsgegnerin gestritten, mit dem angeordnet worden ist,
daß Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an mittelbar von einem Arbeitskampf betroffene
Arbeitnehmer außerhalb des umkämpften Tarifgebiets aber im fachlichen Geltungsbereich des umkämpften
Tarifvertrages nicht zu zahlen sind.
Die Tarifverträge zwischen der Industriegewerkschaft Metall und den Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie, die
jeweils auf regionaler Ebene abgeschlossen worden waren, wurden zum 31. Dezember 1983 gekündigt. Die
Antragstellerin und die Beigeladenen zu 2) und 3) befinden sich in den Tarifgebieten Nord-Württemberg/Nord-Baden
und Hessen im Arbeitskampf. In zahlreichen Unternehmen im fachlichen Geltungsbereich und außerhalb des
räumlichen Geltungsbereichs der umkämpften Tarifgebiete wurden die Betriebe einstweilen stillgelegt mit der
Begründung, die Arbeitskämpfe hätten zu Materialmangel geführt, so daß nicht weitergearbeitet werden könne.
Mit "Schnellbrief” vom 18. Mai 1984 an die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter teilte der Präsident der
Antragsgegnerin mit:
"Betreff: Arbeitskampf in der Metallindustrie
hier: Ruhen des Leistungsanspruchs gemäß § 116 Abs. 3 AFG i.V.m. § 4 Neutralitätsanordnung
Zu der Frage, ob bei mittelbar arbeitskampfbedingtem Arbeitsausfall im fachlichen Geltungsbereich des umkämpften
Tarifvertrages, aber außerhalb des Arbeitskampfbezirkes, Lohnersatzleistungen (Alg, Alhi, Kug) zu gewähren sind,
vertrete ich nach Unterrichtung des Vorstandes der BA die Auffassung, daß ein Leistungsanspruch nach § 4 NeutrA
ruht. Ich bitte entsprechend zu verfahren.
Dieser Auffassung liegt zugrunde, daß bei der gegenwärtigen Tarifrunde in allen Tarifbezirken i.S. des § 4 NeutrA
sowohl "nach Art und Umfang gleiche Forderungen” erhoben werden, als auch mit dem Arbeitskampf "nach Art und
Umfang gleiche Arbeitsbedingungen” durchgesetzt werden sollen. Bei der Beurteilung war entscheidend, daß der in
allen Tarifbezirken erhobenen Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich die
weitaus überragende Bedeutung beigemessen werden muß, so daß die übrigen Forderungen im Verhältnis hierzu nicht
mehr als gravierend angesehen werden können.”
Weitere Weisungen würden in Kürze ergehen.
Dieser Schnellbrief wurde seitens der Antragsgegnerin auch der Presse und dem Fernsehen bekanntgegeben und
erläutert. Der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin stimmte in seiner Sitzung vom 23. Mai 1984 dieser Entscheidung
des Präsidenten der Antragsgegnerin zu.
In allen Tarifbezirken der Metallindustrie, in der die Tarifverhandlungen nicht zentral, sondern regional zwischen dem
jeweils räumlich zuständigen Mitgliedsverband der Beigeladenen zu 1) und dem jeweils zuständigen Landesverband
der IG Metall geführt werden, wird in der Tarifrunde 1984 die 35-Stunden-Woche gefordert. Die sonstigen Forderungen
unterscheiden sich. Es werden unterschiedliche Höchstgrenzen der Arbeitszeit, teils täglich, teils wöchentlich, teils
jährlich gefordert. In den Tarifgebieten Nord-Württemberg/Nord-Baden und Hessen fordert die IG Metall als Grundsatz
den 7-Stunden-Tag; in Nord-Württemberg/Nord-Baden mit der Möglichkeit einer anderweitigen betrieblichen Verteilung
der Arbeitszeit. In Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Osnabrück ist keine Regelung der täglichen
Arbeitszeit vorgesehen. Hinsichtlich der Begrenzung von Mehrarbeit werden unterschiedliche Höchstgrenzen
gefordert. In Nord-Württemberg/Nord-Baden ist eine Obergrenze von 9 Stunden täglich und 10 Stunden monatlich
vorgesehen; in Hessen eine Begrenzung auf 7 Stunden wöchentlich; in anderen Tarifgebieten wird eine
Jahresobergrenze für Mehrarbeit angestrebt. In einigen Tarifgebieten wird die Forderung nach einem Freizeitausgleich
für geleistete Mehrarbeit aufgestellt. Auch die Abgeltung der Mehrarbeitszuschläge soll unterschiedlich geregelt
werden. In Hessen ist vorgesehen, nicht nur die geleistete Mehrarbeit, sondern auch die Zuschläge in Freizeit
abzugelten. Der Zeitraum für den Freizeitausgleich soll unterschiedlich geregelt werden. In Baden-Württemberg und in
Bayern wird eine Neuregelung der Mehrarbeitszuschläge gefordert, was in anderen Tarifgebieten nicht der Fall ist (vgl.
Anlagen 15, 16, 17, 19 zur Antragsschrift vom 28. Mai 1984).
In den Tarifgebieten Nord-Württemberg/Nord-Baden, Süd-Baden und Süd-Württemberg-Hohenzollern hat die
Antragstellerin vollständige Entwürfe für neue Manteltarifverträge vorgelegt, wobei sie besondere Bedeutung dem § 3
zumißt, der eine Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit
vorsieht und die Einzelheiten durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden sollen.
Weitere Forderungen in den drei Tarifgebieten in Baden-Württemberg sind einschränkende Regelungen zur Kurzarbeit
und zur Teilzeitarbeit. Außerdem sollen die geltenden Regelungen über den Arbeitsausfall bei Betriebsstörungen nach
den Vorstellungen der Antragstellerin ersatzlos gestrichen werden.
In Nordrhein-Westfalen, Süd-Württemberg-Hohenzollern und Osnabrück wird die Forderung nach einer Angleichung der
Kündigungsschutzbestimmungen und Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte erhoben. Im Tarifgebiet Nord-
Württemberg/Nord-Baden wird diese Forderung nicht aufgestellt, da dort diese Regelung bereits gilt. Hinsichtlich
weiterer Einzelheiten wird insoweit auf die Anlagen 15 bis 17.19 zur Antragsschrift verwiesen. Die Lohnforderungen
differieren in den Tarifgebieten zwischen 3,3 % und 3,5 %.
Am 29. Mai 1984 hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit vier Anträgen beim
Sozialgericht Frankfurt am Main gestellt, auf die verwiesen wird. Am 5. Juni 1984 hat sie gegen den Schnellbrieferlaß
Widerspruch eingelegt.
Mit Beschluss vom 30. Mai 1984 hat das SG die Beigeladene zu 1) gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
dem Verfahren beigeladen. Die Beigeladenen zu 2) und 3) hat das SG mit Beschluss vom 12. Juni 1984 gemäß § 75
Abs. 2 SGG beigeladen.
Die Antragstellerin hat die Meinung vertreten, der Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Sie
sei durch den Schnellbrieferlaß vom 18. Mai 1984, dem Verwaltungsaktcharakter beizumessen sei, in ihrem Recht auf
Koalitionsfreiheit des Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) sowie in ihrem Recht aus § 116 AFG auf Neutralität der
Antragsgegnerin verletzt. Durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, keine Lohnersatzleistungen zu zahlen, werde
in den Arbeitskampf eingegriffen und Druck in Richtung auf eine Beendigung des Arbeitskampfes hin ausgeübt, da die
Gewerkschaftsmitglieder, die nur mittelbar streikbetroffen seien und durch Betriebsstillegungen in nicht zum
räumlichen Geltungsbereich der umkämpften Tarifgebiete gehörenden Bereiche durch die finanziellen Einbußen in Not
geraten, unzufrieden mit ihrer Gewerkschaft seien und mit Gewerkschaftsaustritten drohten, falls nicht schnell –
finanzielle – Abhilfe für sie geschaffen werde. Der Erlaß verstoße gegen § 4 Neutralitätsanordnung (NeutrA). Der
Präsident der Antragsgegnerin habe nicht die Unterschiedlichkeit der Forderungen zur Kenntnis genommen. Eine
Unterscheidung nach Kernforderungen und anderen Forderungen sei in § 4 NeutrA nicht vorgesehen. Die
Entscheidung verstoße gegen § 116 Abs. 3 AFG und gegen Art. 69 i des Übereinkommens Nr. 112 der Internationalen
Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit (BGBl. II 1957, 1321, 1347) –
ILO – Abkommen Nr. 112. Im übrigen stehe dem Präsidenten der Antragsgegnerin bei der Auslegung des
unbestimmten Rechtsbegriffes "nach Art und Umfang gleiche Forderungen bzw. Arbeitsbedingungen” kein
Beurteilungsspielraum zu. Die Antragsgegnerin hat die Meinung vertreten, der Schnellbrieferlaß sei eine
innerdienstliche Weisung, die gerichtlich nicht überprüfbar sei. Im übrigen sei der Erlaß einer einstweiligen Anordnung
unzulässig, da diese einer Vorwegnahme der Hauptsache gleichkomme. Der Erlaß ihres Präsidenten sei auch nicht
offensichtlich rechtswidrig, da die Entscheidung durch den Vorstand und den Verwaltungsrat der Bundesanstalt für
Arbeit bestätigt worden sei und mit der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung als
Rechtsaufsichtsbehörde und mit der Mehrheitsmeinung im Bundestag übereinstimme. Dem Präsidenten der
Bundesanstalt stehe bei der Frage, ob gleiche Forderungen und Arbeitsbedingungen im Sinne von § 4 NeutrA
vorlägen, eine Einschätzungsprärogative zu, die nicht überschritten sei. Es könne nicht darauf ankommen, ob die
Forderungen im Tarifkampf identisch seien, sondern nur darauf, ob sie im wesentlichen übereinstimmten. Der
Forderung nach der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich komme die überragende Rolle zu, während die
übrigen Forderungen unwesentlich seien. Die Einschätzungsprärogative lasse eine Bandbreite der
Entscheidungsmöglichkeiten zu. In Grenzfällen sei ein gerichtlich unüberprüfbarer Beurteilungsspielraum
anzuerkennen. Im übrigen seien die finanziellen Folgen des Arbeitskampfes von der Antragstellerin einzukalkulieren
gewesen und seien das Risiko des Arbeitskampfes.
Die Beigeladenen haben die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des § 4 NeutrA seien erfüllt. Die Forderung
der 35-Stunden-Woche gebe dem Arbeitskampf das beherrschende Gepräge, während die Unterschiede der übrigen
Forderungen relativ geringfügig seien.
Am 12. Juni 1984 hat das SG folgende Entscheidung getroffen:
1) Der an die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter gerichtete Schnellbrieferlaß der Antragsgegnerin vom 18. Mai
1984 – Geschäftszeichen III a 4 7116 (betreff: Arbeitskampf in der Metallindustrie – Tarifrunde 1984; hier: Ruhen des
Leistungsanspruchs gemäß § 116 Abs. 3 AFG i.V.m. § 4 NeutrA) wird einstweilen bis zur Entscheidung im
Klageverfahren in seiner Anwendung ausgesetzt.
2) Im übrigen werden die Anträge zu 2. bis 3. und der hierzu gestellte Hilfsantrag sowie der Antrag Nr. 4 auf Erlaß
einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
3) Der Antragstellerin wird aufgegeben, bis zum 18. Juni 1984 Klage zu erheben.
4) Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin 3/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
5) Die Beschwerde wird zugelassen.
Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Am 14. Juni 1984 hat die Antragstellerin Klage beim SG gegen die Bundesanstalt für Arbeit erhoben.
Gegen den Beschluss des SG vom 12. Juni 1984 haben die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 1) bis 3) am
12. Juni 1984 beim SG Beschwerden eingelegt, denen das SG am 13. und 18. Juni 1984 nicht abgeholfen hat.
Der am 13. Juni 1984 beim SG eingelegten Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 12. Juni 1984
hat das SG am 13. Juni 1984 nicht abgeholfen.
Alle Beteiligten wiederholen und vertiefen ihre bisherigen Standpunkte.
Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, der Erlaß ihres Präsidenten vom 18. Mai 1984 sei kein Verwaltungsakt
bzw. keine Allgemeinverfügung, sondern es handele sich um eine nicht anfechtbare innerdienstliche Weisung, die sich
ausschließlich an die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit wende und nur diesen gegenüber unmittelbare
Wirkung entfalte. Die Meinung werde bestätigt durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September
1975 – 7 RAr 5/75 – und durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1978 – 1 BvR
104/74 –. Durch die Veröffentlichung des Erlasses in den Medien erhalte diese innerdienstliche Weisung keine
Verwaltungsaktquälität. Denn die Publizität und rechtliche Außenwirkung seien nicht identisch.
Der Beschluss des SG sei auch inkonsequent, weil statt auf Aufhebung auf Aussetzung entschieden sei. Durch die
Suspendierung werde ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit geschaffen, denn es sei bei einem "weisungslosen
Zustand” nicht auszuschließen, daß die Direktoren der Arbeitsämter bei gleichem Sachverhalt unterschiedliche
Entscheidungen träfen bzw. die Entscheidung über Anträge bis zur Entscheidung in der Hauptsache ebenfalls
aussetzten.
Im übrigen seien die Anträge der Antragstellerin auch unbegründet. Zwar liege formell eine Vorwegnahme der
Hauptsache nicht vor. Diese Vorwegnahme liege jedoch in der Rechtsauffassung, mit der das SG die Aussetzung des
Erlasses begründet habe. Das SG sei materiell-rechtlich der Auffassung, daß Leistungsansprüche nicht nach § 4
NeutrA ruhten. Damit habe es sich die Rechtsauffassung im Eilverfahren zu eigen gemacht, die den eigentlichen
Streitgegenstand des Hauptverfahrens bilden werde. Das SG habe § 4 NeutrA und § 116 Abs. 3 AFG unrichtig
angewandt, indem es davon ausgegangen sei, daß gleiche Forderungen identische Forderungen seien. Eine solche
extreme Auslegung sei im Eilverfahren unstatthaft. Das SG habe bei seiner Auffassung prüfen müssen, ob § 4 NeutrA
ermächtigungskonform sei. § 4 NeutrA sei aber bei der Annahme einer Identität der Forderungen durch § 116 Abs. 3
Satz 2 AFG nicht gedeckt. Hierbei sei die Entstehungsgeschichte des § 116 Abs. 3 AFG zu berücksichtigen, die
deutlich mache, daß diese Vorschrift einen Kompromiß zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der
Arbeitgeber darstelle. Von einem Kompromiß könne aber nicht mehr gesprochen werden, wenn man eine Vorschrift so
auslege, daß sie in der sozialen Wirklichkeit niemals Geltung erlange. Bei Unwirksamkeit des § 4 Nr. 2 NeutrA wäre
der Runderlaß des Präsidenten dann unmittelbar an § 116 AFG zu messen. Hiernach sei der Erlaß rechtmäßig, weil §
116 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AFG den Grundsatz enthalte, daß in Fällen, in denen sowohl die Zahlung als
auch die Nichtzahlung von Leistungen eine Beeinflussung des Arbeitskampfes darstellen könnte, der geringere
Eingriff in der Nichtzahlung zu sehen sei und deshalb nicht die Nichtgewährung der Leistungen, sondern die
Gewährung der Leistung verbiete.
Im übrigen habe das SG zu Recht die sonstigen Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 1984 abzuändern
und die von der Antragstellerin gestellten Anträge und die Beschwerde der Antragstellerin insgesamt zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) beantragen, den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 1984
abzuändern und die von der Antragstellerin gestellten Anträge und die Beschwerde der Antragstellerin insgesamt
zurückzuweisen.
Die Beigeladenen sind der Auffassung, die von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Regelungen seien
unzulässig bzw. unbegründet. Es fehle ein Anordnungsgrund sowie ein Anordnungsanspruch. Das SG habe § 4
NeutrA verfassungswidrig und gesetzeswidrig angewandt. Die Neutralität des Staates und der Bundesanstalt für Arbeit
beruhten auf Art. 9 Abs. 3 GG, der den Tarifvertragsparteien die Koalitionsgründung und Koalitionsbetätigung
gewährleiste. § 116 Abs. 1 AFG gebiete daher, daß durch die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nicht in
Arbeitskämpfe eingegriffen werde. Würde die Bundesanstalt für Arbeit jedoch Leistungen aus der
Arbeitslosenversicherung erbringen, greife sie massiv in den Arbeitskampf ein. Die arbeitskampfbedingte "kalte
Aussperrung” sei von der Antragstellerin gewollt und sie wolle sich auf Kosten der Bundesanstalt für Arbeit vom
kampfbedingten Druck der mittelbar betroffenen Arbeitslosen befreien. Die Antragstellerin würde in die Lage versetzt,
einen für sie risikolosen, kostenneutralen Arbeitskampf durchzuhalten, weil der Staat die von der Antragstellerin in den
Arbeitskampf bundesweit einbezogenen Arbeitnehmer unterstützen würde. Dieses Ergebnis widerspreche Art. 9 Abs.
3 GG und der Neutralitätspflicht aus § 116 AFG.
Mit der Entscheidung des SG würde die vom Bundesarbeitsgericht anerkannte Arbeitskampfordnung in ihrem Kern
aufgehoben. Die Autonomie der Koalitionen und das darin enthaltene Kampfgleichgewicht baue auf der Neutralität des
Staates und seiner Institutionen auf.
Die Antragstellerin beantragt zu erkennen:
1) Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Frankfurt vom 12. Juni 1984, Az.: S-7/Ar – 534/84 (A), werden zurückgewiesen.
2) Der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt vom 12. Juni 1984, Az.: S-7/Ar – 534/84 (A), wird auf die Beschwerde
der Antragstellerin aufgehoben, soweit die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen worden sind.
3) Die Antragsgegnerin wird einstweilen bis zur Hauptsacheentscheidung verpflichtet, bei Arbeitsausfall aufgrund des
Arbeitskampfes in Nordwürttemberg/Nordbaden im Zuge der Tarifrunde 1984 in Betrieben, die unter den fachlichen,
nicht aber unter den räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages in der Metallindustrie von
Nordwürttemberg/Nordbaden fallen, Anträge auf Lohnersatzleistungen (Alg, Alhi, Kug) – bei Kurzarbeitergeld innerhalb
von 8 Tagen seit Anzeige unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, daß ein Anspruch nicht nach §§ 116
AFG, 4 NeutrA ruht – ggf. unter Aufhebung bereits ergangener Ablehnungsbescheide zu verbescheiden.
4) Die Antragsgegnerin wird einstweilen bis zur Hauptsacheentscheidung verpflichtet, bei Arbeitsausfall aufgrund des
Arbeitskampfes in Hessen im Zuge der Tarifrunde 1984 in Betrieben, die unter den fachlichen, nicht aber unter den
räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages in der Metallindustrie von Hessen fallen, Anträge auf
Lohnersatzleistungen (Alg, Alhi, Kug) – bei Kurzarbeitergeld innerhalb von 8 Tagen seit Anzeige – unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts, daß ein Anspruch nicht nach §§ 116 AFG, 4 NeutrA ruht – ggf. unter Aufhebung
bereits ergangener Ablehnungsbescheide – zu verbescheiden.
Hilfsweise zu den Anträgen zu 3. und 4.:
Die Ablehnungsbescheide des Arbeitsamtes Bergisch-Gladbach ohne Datum, Az.: II 11 – 7116 – FA Teves, des
Arbeitsamtes Bergisch-Gladbach vom 30. Mai 1984, II – 313 Kug Nr. 102/315, des Arbeitsamtes Bochum vom 4. Juni
1984, II 111 Kug 343/01, des Arbeitsamtes Brühl vom 25. Mai 1984, II 230 Kug 33, des Arbeitsamtes Düsseldorf vom
4. Juni 1984, II 4–St. Nr. Kug 1674/9–11, des Arbeitsamtes Emden vom 6. Juni 1984, II–Kug 16, des Arbeitsamtes
Gelsenkirchen vom 30. Mai 1984, II–311 Kug Nr. 83, des Arbeitsamtes Hameln vom 21. Mai 1984, II b 6-7070/7116,
des Arbeitsamtes Kaiserslautern vom – ohne Datum –, II b 12-7072, des Arbeitsamtes Oberhausen vom 22. Mai
1984, II 21-7063/7064 Kug-Nr. 98, des Arbeitsamtes Rastatt vom 25. Mai 1984, II a – Kug Nr. 11/0, des Arbeitsamtes
Rheine vom 23. Mai 1984, II 021 – Kug 524/07, des Arbeitsamtes Saarlouis vom 1. Juni 1984, Ila/b – Kug 565, des
Arbeitsamtes Solingen vom 5. Juni 1984, II 013 – Kug Nr. 153/12/385, des Arbeitsamtes Weilheim vom 22. Mai 1984,
II 2 – Kug 145, des Arbeitsamtes Weissenburg – ohne Datum –, II a 1 – Kug 600, des Arbeitsamtes Villingen-
Schwenningen vom 4. Juni 1984,
werden aufgehoben und die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, die Anträge neu und unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts, daß die Ansprüche nicht nach §§ 116 AFG, 4 NeutrA ruhen, zu verbescheiden.
5) Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgegeben, gegenüber den Landesarbeitsämtern
und Arbeitsämtern eine Verfügung zu erlassen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, daß bei einem
mittelbar kampfbedingten Arbeitsausfall während der Tarifrunde 1984 in der Metallindustrie im fachlichen
Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages, aber außerhalb des Arbeitskampfbezirks der Anspruch auf
Lohnersatzleistungen (Alg, Alhi, Kug) nicht gemäß §§ 116 AFG, 4 NeutrA ruht.
Hilfsweise:
Der Antragsgegnerin und insbesondere ihrem Präsidenten wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, die
Landesarbeitsämter und Arbeitsämter anzuweisen oder in sonstiger Weise dazu zu veranlassen, Anträge auf
Lohnersatzleistungen (Alg, Alhi, Kug), die wegen des Arbeitsausfalls aufgrund des Arbeitskampfes in Hessen oder
Nordwürttemberg/Nordbaden im Zuge der Tarifrunde 1984 in Betrieben, die unter den fachlichen Geltungsbereich des
umkämpften Tarifvertrages fallen, gestellt werden, einstweilen nicht zu verbescheiden oder mit der Begründung, die
Ansprüche ruhten gemäß §§ 116 AFG, 4 NeutrA, Ablehnungsbescheide zu erlassen.
Die Antragstellerin wiederholt im wesentlichen ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Die Verweigerung der
Lohnersatzleistungen sei im Ergebnis eine Ausweitung der Aussperrung über das Kampfgebiet hinaus, was nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unzulässig sei. Der Erlaß des Präsidenten der Antragsgegnerin,
der als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei, bewirke eine schwerwiegende und koalitionswidrige Einschränkung ihrer
Rechte. Sie könne auch satzungsgemäß ihren Mitgliedern kein Kurzarbeitergeld im Kreditwege vorstrecken. Dies
übersteige im übrigen auch ihre Kreditmöglichkeiten. Hinsichtlich ihres Antrages zu 1. sei der Beschluss des SG
zutreffend. Das Ruhen des Anspruchs auf Lohnersatzleistungen außerhalb des räumlichen und innerhalb des
fachlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages stelle die Ausnahme dar. § 4 NeutrA halte sich im Rahmen der
Ermächtigungsnorm des § 116 AFG.
Soweit das SG ihre Anträge zurückgewiesen habe, sei die Entscheidung fehlerhaft. Ihre Anträge zu 2. bis 4. seien
lediglich die Kehrseite des vom SG stattgegebenen Antrags zu 1. Sie sollten eine Verbescheidungspraxis der
Antragsgegnerin in einer hinreichend bestimmten Vielzahl von Fällen sicherstellen. Da sie Ablehnungsbescheide
angreifen könne, müsse dies auch im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein. Der Hinweis des SG auf
die Gewährung von Sozialhilfe sei unzutreffend. Ihr Antrag zu 5. und der dazu gestellte Hilfsantrag sei begründet. Das
Vorgehen des Präsidenten der Antragsgegnerin zeige die Notwendigkeit, daß die Verwaltung im Interesse eines
effektiven Rechtsschutzes im einstweiligen Anordnungsverfahren zur Setzung eines actus contrarius verpflichtet
werde. Es handele sich um eine Art Folgenbeseitigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, sowie auf den Inhalt der Antragsakte L-10/S –
117/84, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Beschwerden aller Beteiligten sind zulässig, §§ 172, 173 SGG, aber unbegründet. Zutreffend hat das SG nur dem
Antrag 1. der Antragstellerin insoweit stattgegeben, als es angeordnet hat, der Schnellbrief vom 18. Mai 1984 werde
einstweilen bis zur Entscheidung im Klageverfahren in seiner Anwendung ausgesetzt. Durch diese Entscheidung ist
die Neutralität der Antragsgegnerin, zu der sie verpflichtet ist, soweit wie es in einem einstweiligen
Anordnungsverfahren möglich und erforderlich ist, wiederhergestellt. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung ist trotz fehlender ausdrücklicher Regelung auch im Sozialgerichtsverfahren im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4
GG statthaft (BVerfGE 46, 166). Vorläufiger Rechtsschutz ist jedenfalls dann erforderlich, wenn ohne ihn schwere und
unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Unter Berücksichtigung dieser aufgezeigten Grundsätze folgt das
anzuwendende Verfahren aus der Regelung des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist eine einstweilige Anordnung nur statthaft, wenn die Gefahr besteht, daß durch
eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder
wesentlich erschwert werden könnte. Es darf jedoch grundsätzlich die endgültige Entscheidung im Hauptverfahren
nicht vorweggenommen werden (vgl. Eyermann-Fröhler, Kommentar zur VwGO, § 123 VwGO Anm. 8). Da
Widerspruch und Klage mangels ausdrücklicher Regelung keine aufschiebende Wirkung haben (§§ 86, 97 SGG), muß
jedoch im Wege der einstweiligen Anordnung eine Aussetzung des Erlasses, was einer Entscheidung in der
Hauptsache nahekommt, möglich sein, weil ein wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist
und dies für die Antragstellerin zu unzumutbaren Folgen führen würde.
Die Antragstellerin hat nach ihrem glaubhaften Vorbringen hinsichtlich ihres Antrages zu 1. vor dem 29. Mai 1984
erfolglos versucht, im Verwaltungswege eine Aufhebung des Erlasses zu erreichen. Hieraus ergibt sich insoweit das
Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Bezüglich des Antrags zu 1. der Antragstellerin ist Eilbedürftigkeit gegeben. Denn durch den Erlaß des Präsidenten
der Antragsgegnerin ist die Antragstellern in ihrem Recht auf Neutralität der Antragsgegnerin, das sich insbesondere
aus § 116 Abs. 1 AFG ergibt, sowie in ihrem Recht auf Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG, das die Befugnis der
Tarifpartner umfaßt, autonom im Rahmen der sozialen Ordnung ungehindert Arbeitsbedingungen zu vereinbaren,
beeinträchtigt. Durch eine Entscheidung im Klageverfahren könnte der Antragstellerin kein wirksamer Rechtsschutz
mehr gewährt werden, weil davon auszugehen ist, daß im Zeitpunkt der Entscheidung im Klageverfahren die
Tarifrunde 1984 abgeschlossen sein dürfte. Eine Entscheidung des Gerichts nach Abschluß der Tarifrunde kann das
Recht der Antragstellerin auf Neutralität im Arbeitskampf nicht wiederherstellen, da durch eine Verletzung der
Neutralitätspflicht eine Verschiebung im Kräfteverhältnis des Arbeitskampfes erfolgt, die zu geänderten
Arbeitskampfbedingungen führt und zu einem späteren Zeitpunkt nicht wiedergutzumachen ist.
Die Anordnung der Aussetzung des Erlasses des Präsidenten der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb unzulässig,
weil der Schnellbrieferlaß kein Verwaltungsakt, sondern eine innerdienstliche Anordnung ist, wie die Antragsgegnerin
und die Beigeladenen zu 1) bis 3) meinen. Vielmehr stellt sich der Erlaß vom 18. Mai 1984 im Verhältnis zu den
Tarifpartnern als Verwaltungsakt dar.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten
oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung
durch die Allgemeinheit betrifft, § 31 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB 10 –.
Zwar ist der Erlaß vom 18. Mai 1984, der sich an die untergeordneten Behörden der Antragsgegnerin wendet, eine
norminterpretierende Verwaltungsvorschrift und damit eine innerdienstliche Anweisung, die der Präsident der
Bundesanstalt für Arbeit kraft der ihm zustehenden Befugnis, die laufenden Verwaltungsgeschäfte zu führen (§ 209
AFG), erteilen kann. Erlasse, die der Interpretation von gesetzlichen Vorschriften dienen, sollen eine einheitliche
Verwaltungstätigkeit der Behörden ermöglichen. Sie entfalten grundsätzlich nur eine Bindungswirkung im
Innenverhältnis und gelten nicht für Dritte, die außerhalb der Verwaltungsorganisation stehen. Als Weisungen an
untergeordnete Behörden sind sie keine Verwaltungsakte, da sie behördeninternen Charakter tragen und erst den
aufgrund der Weisung einem Dritten gegenüber ergehenden Maßnahmen der angewiesenen Behörde Außenwirkung
zukommt. Treten jedoch besondere Umstände hinzu, die der beabsichtigten Innenwirkung einer solchen Weisung
zugleich eine – beabsichtigte oder unbeabsichtigte – unmittelbare Außenwirkung zukommen lassen, so kann eine an
untergeordnete Behörden gerichtete interne Dienstanweisung die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes erfüllen,
wenn sie allein schon durch ihre Existenz unmittelbar in die Rechte des Einzelnen eingreift und sich für diesen
nachteilig auswirkt (vgl. OVG Lüneburg in NJW 1961, S. 936, VGH Baden-Württemberg in DRZ 1950, 500; Bachof in
DÖV 1957, 262). Dies ist hier der Fall.
Der Schnellbrieferlaß vom 18. Mai 1984 ist im Verhältnis zu den Tarifpartnern des Arbeitskampfes in der Tarifrunde
1984 der Metallindustrie eine Regelung mit Außenwirkung. Er wirkt unmittelbar auf das Recht der Tarifpartner auf
koalitionsmäßige Betätigung ein. Denn durch ihn wird mit der erfolgten Bekanntgabe an die Presse, den Rundfunk und
das Fernsehen, also an die Öffentlichkeit – und damit auch an die Antragstellerin und an die Beigeladenen –, die
Stellung der Tarifpartner im Arbeitskampf unmittelbar verändert, ohne daß es noch eines weiteren Tätigwerdens der
Verwaltung bedarf. Er ist somit geeignet, die Rechte der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Im übrigen könnten auch
durch Kampfmaßnahmen arbeitslos gewordene Arbeitnehmer davon abgehalten werden, Anträge auf
Lohnersatzleistungen zu stellen. Ablehnende Verwaltungsakte brauchten dann in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr
zu ergehen. Der Erlaß ist demnach ein Verwaltungsakt, der einen bestimmbaren Personenkreis betrifft und eine
unmittelbare Regelung mit Außenwirkung enthält. Wäre der Erlaß nur im innerdienstlichen Bereich bekanntgemacht
worden, hätte er derartige Auswirkungen nicht haben können. Er wäre unangreifbar geblieben.
Die Antragstellerin behauptet auch, durch den Verwaltungsakt beschwert, d.h. in ihren Rechten verletzt zu sein, § 54
Abs. 1 Satz 2 SGG. Sie beruft sich auf das ihr zustehende Recht auf Neutralität der Antragsgegnerin. Ein solches
Recht steht ihr, abgesehen von Art. 9 Abs. 3 GG, nach § 116 AFG zu. § 116 AFG dient nicht nur der Abwehr
übermäßiger, durch einen Arbeitskampf der Bundesanstalt für Arbeit möglicherweise zufallender finanzieller Lasten,
sondern weitaus stärker dem Schutz des Rechts der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf koalitionsmäßige
Wahrnehmung ihrer Interessen. Aus dieser Bedeutung des § 116 AFG folgt ein Recht der Tarifpartner auf Neutralität
des Staates und daher auch der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. Urteil des BSG vom 9.9.1975 – 7 RAr 5/73 – in BSGE
40, 190; Bundesverfassungsgericht – BVerfG – in SozR 4410 zu § 4 NeutrA Nr. 1 in bezug auf die Klagebefugnis
eines Arbeitgeberverbandes).
Der Antrag zu 1. der Antragstellerin ist auch im Sinne der Aussetzung des Erlasses vom 18. Mai 1984 bis zur
Entscheidung der Hauptsache begründet, wie das SG zutreffend entschieden hat. Eine Aufhebung des Erlasses
würde die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen und ist auch zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin nicht
erforderlich. Die Aussetzung ist ferner nicht widersprüchlich, wie die Antragsgegnerin meint, sondern gestaltet
eindeutig die Rechtslage dahingehend, daß die Arbeitsämter bis zur Hauptsacheentscheidung zur Begründung von
ablehnenden Entscheidungen sich nicht auf den Erlaß berufen dürfen. Zu entscheiden, welche innerdienstlichen
Folgen daraus zu ziehen sind, ist Aufgabe der dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit obliegenden
Exekutivgewalt, in die ein Gericht nicht eingreifen darf. Sollten Anträge bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht
bearbeitet werden oder nach Auffassung der Betroffenen unrichtig entschieden worden sein, sind hiergegen
gesonderte Rechtsmittel bzw. dienstrechtliche Maßnahmen gegeben.
Der Anordnungsanspruch, der den Antrag zu 1. der Antragstellerin betrifft und den diese hinreichend glaubhaft
gemacht hat, ist bei summarischer Prüfung, wie sie in einem nur vorläufigen Rechtsschutz gewährenden Verfahren
vorzunehmen ist, aus Art. 9 Abs. 3 GG, § 116 AFG i.V.m. § 4 NeutrA begründet.
Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist für jedermann das Recht gewährleistet, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Damit wird nicht nur die Koalitionsfreiheit garantiert, sondern auch
der Staat zur Neutralität bei Arbeitskämpfen verpflichtet. Die Neutralitätsverpflichtung der Antragsgegnerin wird
konkretisiert durch die Vorschrift des § 116 AFG. Diese bestimmt in § 116 Abs. 1 AFG, daß durch die Gewährung von
Arbeitslosengeld nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden darf. Das wird durch die in § 116 Abs. 2 AFG getroffene
Regelung noch verstärkt, wonach der Anspruch auf Alg bis zur Beendigung des Arbeitskampfes ruht, wenn der
Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden ist. Diese (passive)
Neutralitätsverpflichtung bedeutet nicht, daß die Antragsgegnerin in bezug auf ihre Leistungsverpflichtungen während
eines Arbeitskampfes stets möglichst weitgehend Leistungen verweigern muß, sondern daß ihr kein Spielraum für
wertende Regelungen zustehen darf (vgl. BSG, Urteil vom 9.9.1975, a.a.O.). Der Umfang der Neutralitätsverpflichtung
der Antragsgegnerin wird auch durch § 116 Abs. 3 AFG nicht verändert, d.h. weder erweitert noch eingeschränkt.
Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Alg bis zur Beendigung des Arbeitskampfes für Arbeitnehmer, die durch
einen inländischen Arbeitskampf, an dem sie nicht beteiligt sind, arbeitslos geworden sind, wenn der Arbeitskampf auf
eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war, abzielt (Nr.
1), oder die Gewährung des Arbeitslosengeldes den Arbeitskampf beeinflussen würde (Nr. 2). Diese Vorschrift betrifft
nur die mittelbar von einem Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer.
Diese Regelung erscheint verfassungsgemäß (vgl. Urteil des BSG vom 9.9.1975). Wenn sich die Haltung einer
Tarifvertragspartei bei ihren Kampfstrategien ändert, und sie alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpft, so ändert
dies nichts an der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Sollten die Auswirkungen geänderter Kampfstrategien bis zur
Sozialunverträglichkeit gehen, so ist es in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, diese zu beseitigen.
Aufgrund der Ermächtigung des § 116 Abs. 3 Satz 2 AFG kann die Antragsgegnerin Näheres durch Anordnung
bestimmen; sie hat dabei innerhalb des Rahmens des Satzes 1 die unterschiedlichen Interessen der von den
Auswirkungen der Gewährung oder Nichtgewährung Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Diese Anordnung hat der
Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit am 22. März 1973 – Neutralitätsanordnung – (Amtl. Nachrichten der
Bundesanstalt für Arbeit – ANBA – 1973, 365) erlassen.
Als autonomes Satzungsrecht stellt die nach § 116 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 191 Abs. 3 AFG ergangene Anordnung
eine materielle Rechtsnorm dar, deren Inhalt bei Anwendung des Gesetzes auch die Gerichte bindet. Die Grenzen für
das Anordnungsrecht bestimmten sich nach den Regelungen des Gesetzes. Nur wenn diese nicht beachtet oder in
einer mit dem Sinn und Zweck des AFG nicht mehr zu vereinbarenden Weise überschritten werden, sind
Anordnungsbestimmungen unwirksam, ebenso bei Verstößen gegen Verfassungsgrundsätze.
Nach § 4 NeutrA ruht der Anspruch des nichtbeteiligten Arbeitnehmers (§ 1) auf Arbeitslosengeld nach § 116 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AFG, wenn der Arbeitnehmer seine Beschäftigung in einem Betrieb verloren hat, weil in einem
anderen Betrieb ein Arbeitskampf geführt wird, sofern
1) dieser Arbeitskampf auf die Änderung von Arbeitsbedingungen eines Tarifvertrages gerichtet ist und der Betrieb, in
dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war, zwar nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des in
Frage kommenden Tarifvertrages zuzuordnen ist und
2) die Gewerkschaften für den Tarifvertragsbereich des arbeitslosen nichtbeteiligten Arbeitnehmers nach Art und
Umfang gleiche Forderungen wie für die im Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer erhoben haben und mit dem
Arbeitskampf nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden sollen.
Auf Grund der Verweisungen der §§ 70, 116 Abs. 3 AFG, 5 NeutrA gilt § 4 NeutrA für Kug entsprechend. Gemäß §
134 Abs. 4 AFG ist § 116 AFG i.V.m. § 4 NeutrA auch für Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) anwendbar. Dabei
soll durch die Vorschrift des § 4 NeutrA neben dem Tatbestand des § 116 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AFG auch dessen Nr. 2
ausgefüllt werden. Die Entstehung der Neutralitätsanordnung zeigt, daß das Ruhen der Leistungsansprüche bei
Arbeitskämpfen abschließend geregelt werden sollte (vgl. Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als
verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfes, S. 15 ff.). Die unbestimmten Rechtsbegriffe "abzielen”
und "beeinflussen” wurden in § 4 NeutrA durch die unbestimmten Rechtsbegriffe "nach Art und Umfang gleiche
Forderungen” und "nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen” geregelt.
Es kann in vorliegendem Fall dahingestellt bleiben, wie diese unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen sind und ob §
4 NeutrA gesetzeskonform ist (zum Problemstand anschaulich, Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und
Arbeitskampf, S. 45 ff.), insbesondere wenn die Begriffe nach "Art und Umfang gleiche Forderungen” und nach "Art
und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen” mit "identischen” Forderungen gleichzusetzen wären. Der Meinungsstreit,
was im Sinne dieser Definition "gleich” bedeutet, geht je nach Standpunkt von "identisch” bis zu "im wesentlichen
gleich”. Bereits bei summarischer Prüfung ergibt sich nämlich, daß die Antragstellerin in den einzelnen Tarifgebieten
nach Art und Umfang unterschiedliche Tarifvertragsforderungen aufgestellt hat und diese auch durchsetzen will. Das
folgt aus dem glaubhaften Vorbringen der Antragstellerin. Insoweit wird auf die Anlagen 15, 17 und 19 der
Antragsschrift bezug genommen. Schon allein die Tatsache, daß die Ausgangsbasis in den einzelnen Tarifgebieten
andersartig ist und zudem noch differenzierte Forderungen der Höhe nach (z.B. bei Lohnerhöhungen 3,3 % bis 3,5 %),
andere Arbeitszeitverteilungen und Ausgestaltungen der übrigen Arbeitsbedingungen in den einzelnen Tarifgebieten
gefordert werden, zeigt die Unterschiedlichkeit der Forderungen, so daß von einer Gleichheit weder im Sinne von
wesentlich gleich noch von identisch gesprochen werden kann. Der Senat neigt im übrigen dazu, "gleich” i.S. von
"fast identisch” zu deuten, was unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 4 NeutrA aus der
Formulierung zu entnehmen ist, daß die Forderungen und Arbeitsbedingungen nach Art und Umfang gleich sein
müssen. Damit können entsprechend der Forderung von Schwerdtfeger ein Teil der Fälle erfaßt werden, welche in der
Arbeitskampfpraxis tatsächlich vorkommen (vgl. Schwerdtfeger a.a.O., S. 96). Fast identisch sind die Forderungen
jedenfalls nicht. Eine Wertung nach Forderungen, denen die "weitaus überragende Bedeutung” sowie nach
Forderungen, die im Verhältnis zu der als überragend angesehenen Forderung als "nicht gravierend” angesehen
werden kann, kann dem Präsidenten der Antragsgegnerin angesichts der ihm auferlegten Neutralitätspflicht als
Außenstehendem des Arbeitskampfes nicht gestattet sein. Wenn § 4 NeutrA gesetzeskonform ist, wäre somit der
Erlaß nicht durch die Vorschrift gedeckt.
Unter der Voraussetzung, daß § 4 NeutrA möglicherweise mit der Ermächtigungsnorm nicht in Einklang steht, ist die
Rechtmäßigkeit der Regelung des Präsidenten der Antragsgegnerin nach § 116 Abs. 3 Satz 1 AFG zu prüfen. Der
Ruhenstatbestand des § 116 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG, der durch das Tatbestandsmerkmal "abzielen” bezeichnet
wird, ist auf den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages begrenzt. Lediglich in den
Fällen, in denen der umkämpfte Tarifvertrag sogenannten Modellcharakter hat, kann in entsprechender Anwendung
der Vorschrift ein Ruhen der Leistungen bei arbeitskampfbedingtem Arbeitsanfall außerhalb des räumlichen
Geltungsbereichs des umkämpften Tarifvertrages eintreten. Das ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 9.
September 1975, Urteilsausfertigung S. 20, 21) nur der Fall, wenn in den anderen Tarifgebieten die Tarife ebenfalls
gekündigt sind und dort die gleichen Forderungen erhoben werden, ferner, wenn die anderen Tarifpartner von
vornherein die Absicht haben, den erkämpften Tarifvertrag für ihr Tarifgebiet inhaltlich zu übernehmen. Dafür, daß
diese Voraussetzungen hier vorliegen könnten, ist kein hinreichend sicherer Anhalt gegeben.
Ein Ruhen der Leistungsansprüche nach § 116 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AEG tritt nur dann ein, wenn die Gewährung des
Arbeitslosengeldes bzw. der sonstigen Lohnersatzleistungen den Arbeitskampf "beeinflussen” würde. Dabei kann
nicht jeder beliebige und unbedeutende Einfluß von Leistungen der Antragsgegnerin rechtserheblich im Sinne von §
116 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 AFG sein. Das "Beeinflussen” des Arbeitskampfes in diesem Sinne ist nur dann als gegeben
anzusehen, wenn die Gewährung der Leistungen in rechtlich oder tatsächlich wesentlichem Umfang die jeweilige
Situation der kämpfenden Tarifpartner zu ändern vermag. Dabei ist davon auszugehen, daß § 116 Abs. 3 AFG
voraussetzt, daß der mittelbar von einem Arbeitskampf betroffene Arbeitnehmer – im Gegensatz zu dem am
Arbeitskampf teilnehmenden Arbeitnehmer (§ 116 Abs. 2 AFG) – grundsätzlich einen Anspruch auf die
Versicherungsleistungen hat und diese Leistungen nur unter den in § 116 Abs. 3 Satz 1 AFG genannten
Voraussetzungen ruhen (vgl. Urteil des BSG vom 9. September 1975 a.a.O.). Rechte der Arbeitnehmer auf
Sozialleistungen können nur dann zum Ruhen kommen, wenn der Ruhenstatbestand zweifelsfrei feststellbar ist. Ob
die Gewährung der Leistungen in rechtlich oder tatsächlich wesentlichem Umfang die Situation der Tarifpartner zu
ändern vermag, ist kaum hinreichend sicher festzustellen. Die Antragstellerin hat satzungsgemäß nur Leistungen an
diejenigen Mitglieder zu zahlen, die sich im Streik befinden. Es könnte durch die Lohnersatzleistungen der
Antragsgegnerin nur ein psychischer Druck von der Antragstellerin genommen werden, der aber nicht meßbar ist.
Hinreichende tatsächliche Erfahrungen und Abgrenzungskriterien fehlen (vgl. BSG a.a.O.). Angesichts dieser
Situation spricht mehr dafür, daß die Nichtgewährung der Leistungen seitens der Antragsgegnerin – als gesetzlicher
Ausnahmetatbestand – das Gleichgewicht der Kräfte im Arbeitskampf mehr als die Gewährung der Leistung stört. Bei
summarischer Prüfung des Sachverhalts erscheint somit der generelle Ausspruch, daß Ansprüche auf
Lohnersatzleistungen für alle mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer im fachlichen Geltungsbereich des
umkämpften Tarifvertrags aber außerhalb des Arbeitskampfbezirkes ruhten, in seiner Pauschalierung unzutreffend
und daher der Anspruch zu 1. der Antragstellerin begründet, so daß die Beschwerde der Antragsgegnerin und die
Beschwerden der Beigeladenen zu 1) bis 3) zurückzuweisen sind.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG vom 12. Juni 1984 ist ebenfalls zurückzuweisen,
sowie der zum Antrag 5. gestellte Hilfsantrag.
Die Anträge der Antragstellerin zu 2. bis 4. (ursprünglich 2. bis 3.) einschließlich der Hilfsanträge hierzu gehen über
den Antrag zu 1. insoweit hinaus, als hier eine Verpflichtung der Verwaltung zu einem Handeln unter Feststellung
eines bestimmten Tatbestandsmerkmals begehrt wird. Dies ist aber zur Vermeidung von schweren und
unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen nicht erforderlich. Zwar kann die Antragstellerin durch bereits
ergangene Ablehnungsbescheide in ihrem Recht auf Neutralität, das für sie allein in Betracht kommt, verletzt sein, sie
kann jedoch auf andere Art und Weise als durch gerichtlichen Schutz ihre Rechte wahrnehmen, nämlich durch
entsprechende Anträge bei der Verwaltung auf Überprüfung dieser Bescheide. Auf diesen naheliegenden, einfacheren
Weg muß die Antragstellerin sich zunächst verweisen lassen, bevor einstweiliger Rechtsschutz gegen einen sie
belastenden Verwaltungsakt in Betracht kommt.
Im übrigen läge bei der Feststellung, daß ein Anspruch nicht nach § 4 NeutrA ruht, eine Vorwegnahme der
Hauptsacheentscheidung vor, was im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich unstatthaft ist. Die
einstweilige Anordnung dient nämlich nur der Sicherung von Rechten der Antragsteller, nicht ihrer Befriedigung
(Redeker v. Oertzen, Erl. 11 zu § 123 VwGO, Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 358).
Der Antrag zu 5. sowie der dazu gestellte Hilfsantrag der Antragstellerin, die auf Anweisung einer bestimmten
Verhaltensweise des Präsidenten der Antragsgegnerin gerichtet sind, sind ebenfalls unzulässig. Im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes können nur solche Ansprüche geltend gemacht werden, die auch im Hauptverfahren
möglich wären. Auf ein bestimmtes behördeninternes Verhalten hat ein außenstehender Dritter jedoch keinen
Anspruch. Der Präsident der Antragsgegnerin führt die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung, § 209 AFG. Auf
Grund der auf verschiedene Verwaltungsinstanzen verteilten Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt der
Exekutive bestimmt er für seinen Zuständigkeitsbereich die Art und Weise, wie die untergeordneten Behörden zu
gesetzmäßigem Verhalten veranlaßt werden. In diesen innerdienstlichen Bereich darf nicht eingegriffen werden. Unter
Berücksichtigung der zum Antrag zu 1. dargestellten Auslegungsregeln und der Besonderheiten der einzelnen
Tarifgebiete wird der Präsident in eigener Verantwortung die Konsequenzen abzuleiten haben. Es besteht kein Anhalt
dafür, daß er in Zukunft die Aussetzung seines Erlasses vom 18. Mai 1984 nicht beachten wird. Soweit dies für die
Vergangenheit bzw. bis zur Entscheidung des Senats behauptet wird, und dies auch der Öffentlichkeit
bekanntgegeben wurde, besteht für eine Aussetzung dieser Anordnung kein Raum, da eine Aussetzung immer nur für
die Zukunft wirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden, § 177 SGG.