Urteil des LSG Hessen vom 14.03.2017

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.12.1979 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 16 Ar 173/77
Hessisches Landessozialgericht L 1 Ar 15/78
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 1977 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Leistungsgruppen-Einstufung bei der Berechnung des der Klägerin von der Beklagten gewährten
Arbeitslosengeldes (Alg).
Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 1976 als Verwaltungs-Angestellte berufstätig; ebenso wie ihr berufstätiger
Ehemann hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt auf ihrer Lohnsteuerkarte für das Jahr 1976 die Steuerklasse IV
eingetragen. Auch die von der Gemeinde G. für das Jahr 1977 ausgestellten Lohnsteuerkarten wiesen zunächst für
beide Ehegatten die Steuerklasse IV auf. Da aber bereits im Herbst 1976 feststand, daß die Klägerin zum Jahresende
1976 aus ihrem Beschäftigungsverhältnis wegen Kündigung ausscheiden mußte, ließ der Ehemann der Klägerin noch
im Jahre 1976 auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 1977 die Steuerklasse IV in die Steuerklasse III abändern;
entsprechend wurde auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin für das Jahr 1977 die Steuerklasse IV in die Steuerklasse V
abgeändert. Die Klägerin ihrerseits gab ihre so geänderte Lohnsteuerkarte ebenfalls noch im Jahre 1976 wieder an die
Gemeinde G. zurück, da sie kein neues Beschäftigungsverhältnis für das Jahr 1976 in Aussicht hatte.
Am 29. Dezember 1976 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt H., Dienststelle G., mit Wirkung vom 1. Januar
1977 an arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In dem von ihr unterschriebenen Antragsformular ist die
Steuerklasse V als die zu Beginn des Jahres 1977 geltende Steuerklasse eingetragen. Außerdem wurde der Klägerin,
wie sie selbst angibt, bei dieser Arbeitslosmeldung des von der Beklagten herausgegebene "Merkblatt für
Arbeitslose”, das dem Gericht in einem von der Beklagten überreichten Exemplar vorliegt und auf dessen Inhalt
Bezug genommen wird, ausgehändigt. Die Klägerin war in der Folgezeit arbeitslos bis zum 16. November 1977. Im
Anschluß an eine am 17. November 1977 angetretene, von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
durchgeführte Heilmaßnahme wurde ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt.
Mit Verfügung vom 12. Januar 1977 gewährte die Beklagte der Klägerin Alg ab dem 1. Januar 1977 unter Einstufung
in die Leistungsgruppe D bei der der Alg-Berechnung zugrunde zu legenden Lohnsteuer. Am 25. Januar 1977 legte die
Klägerin unter Vorlage einer Kopie ihrer Lohnsteuerkarte 1975 Widerspruch ein und begehrte die Leistungsgruppe A.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1977, der Klägerin zugestellt am 3. März 1977, wies die Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück, wobei sie sich im wesentlichen darauf stützte, maßgeblich sei die zu Beginn
des Jahres 1977 in der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1977 für die Klägerin eingetragene Lohnsteuerklasse V.
Am 15. März 1977 hat die Klägerin durch Einreichen einer Klageschrift bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage
erhoben. Sie hat sich zunächst darauf berufen, seit Beginn des Jahres 1977 besitze sie überhaupt keine
Lohnsteuerkarte, und ihr Vorlagen sodann ergänzt, eine Änderung der Steuerklasse wäre unterblieben, wenn sie von
seiten der Beklagten auf die sich für sie aus dieser Änderung ergebenden Nachteile hingewiesen worden wäre. In
diesem Zusammenhang hat die Klägerin weiterhin angegeben, sie habe zwar das von der Beklagten herausgegebene
"Merkblatt für Arbeitslose”, nicht aber die dazugehörige Leistungstabelle ausgehändigt erhalten. Die Beklagte hat sich
demgegenüber darauf berufen, maßgeblich sei allein das Geltung der Lohnsteuerkasse V für die Klägerin ab dem 1.
Januar 1977.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat nach Einholung einer Auskunft über die Eintragung der Lohnsteuerklasse V
in der für die Klägerin für das Jahr 1977 ausgestellten Lohnsteuerkarte von der Stadt G. mit Urteil vom 30. September
1977 die Klage unter gleichzeitiger Zulassung der Berufung abgewiesen. Diese Klageabweisung ist im wesentlichen
darauf gestützt, daß zu Beginn des Jahres 1977 die Lohnsteuerklasse V in der Lohnsteuerkarte der Klägerin
eingetragen gewesen sei.
Gegen dieses zwecks Zustellung an die Klägerin am 29. November 1977 bei der Postanstalt zu G.-H. niedergelegte
Urteil richtet sich die mit Schriftsatz um 22. Dezember 1977, eingereicht beim Arbeitsamt H., Nebenstelle G., am 22.
Dezember 1977 und eingegangen beim Hess. Landessozialgericht am 4. Januar 1978, eingelegte Berufung der
Klägerin.
Die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihr früheres Vorbringen und beantragt sinngemäß, das Urteil des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 1977 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.
Januar 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1977 abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, ihr für Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 16. November 1977 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der
Leistungsgruppe A zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie räumt ein, daß der die Berufungseinlegung enthaltende Schriftsatz der Klägerin bei rechtzeitiger Weiterleitung
noch vor Ablauf der Berufungsfrist bei dem Hess. Landessozialgericht eingegangen wäre. In der Sache selbst hält sie
das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend, die Klägerin habe sich, falls dem "Merkblatt für
Arbeitslose” tatsächlich keine Leistungstabelle beigelegen haben sollte, wegen dieser Tabelle an die
Arbeitsamtsnebenstelle in G. wenden können und dann dort eine weitere Aufklärung über alle mit einem
Steuerklassenwechsel zusammenhängenden Fragen erhalten.
Das Gericht hat sich wegen der Verzögerung bei der Weiterleitung des Berufungsschriftsatzes der Klägerin an des
Arbeitsamt E. gewandt; insoweit wird auf das diesbezügliche Antwortschreiben vom 26. Januar 1978 Bezug
genommen. Weiterhin ist dem Gericht vom Hessischen Statistischen Landesamt in W. eine Kopie der
Lohnsteuerkarte 1977 des Ehemannes der Klägerin vorgelegt worden; insoweit wird auf den Inhalt dieser Kopie
verwiesen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. XXXXX,
Arbeitsamt H., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb eines Monats nach der am 29. November 1977 erfolgen
Zustellung des Urteils (§ 63 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – i.V.m. § 3 Abs. 3
Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG –, § 182 Zivilprozeßordnung – ZPO –) bei dem Hessischen
Landessozialgericht bzw. der Gericht erster Instanz eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG), da der Schriftsatz
der Klägerin mit der Berufungseinlegung erst am 4. Januar 1978 bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingegangen ist. Der Klägerin ist jedoch von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 S. 4 SGG) – hinsichtlich der Nichteinhaltung
der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den geringen Stand zu gewähren. Sie war ohne ihr Verschulden verhindert, die
Berufungsfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Sie hat zwar insoweit schuldhaft gehandelt, als sie die Berufungsschrift
bei der Arbeitsamtsnebenstelle G. eingereicht hat, denn sie war in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen
Urteils zutreffend darüber belehrt worden, daß die Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht oder bei dem
Sozialgericht Frankfurt am Main einzulegen ist; § 91 Abs. 1 SGG, wonach die Frist für die Erhebung der Klage u.a.
auch damals gewahrt gilt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist bei dem Versicherungsträger eingegangen ist,
findet bezüglich der Berufungseinlegung keine Anwendung. Als eine dieses Verschulden überholende und
ausschaltende Ursache ist jedoch im Sinne der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
berücksichtigen gewesen, daß bei normalen Lauf der Dinge durch eine von der Arbeitsamtsnebenstelle G. zu
erwartende pflichtgemäße Weiterleitung des Berufungsschriftsatzes an das Hessische Landessozialgericht die
Berufungsfrist eingehalten worden wäre (siehe zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei überholender
Ursachlichkeit Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 1977, § 67 SGG, Randziffer 4, mit weiteren
Nachweisen). Die Arbeitsamtsnebenstelle G. war jedenfalls aufgrund des durch die Alg-Beantragung zwischen der
Klägerin und Beklagten begründeten Sozialrechtsverhältnisses zur unverzüglichen Weiterleitung der Berufungsschrift
verpflichtet; im Falle einer solchen unverzüglichen Weiterleitung wäre aber, wie auch die Beklagte einräumt, der am
22. Dezember 1977 bei der Arbeitsamtsnebenstelle G. eingereichte Schriftsatz der Klägerin spätestens bis zum 29.
Dezember 1977 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen. Im übrigen ist die Berufung formgerecht
eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG) und infolge der Zulassung statthaft (§ 150 Nr. 1 1. Halbsatz SGG)
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf ein höheres, unter Zugrundelegung
der Leistungsgruppe A berechnetes Alg. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus den Vorschriften über die Höhe
des Alg. (§ 111 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) noch aufgrund eines sozialrechtlichen Schadensersatz – bzw.
Herstellungsanspruchs wegen unterlassener bzw. fehlerhafter Aufklärung oder Beratung.
Die Höhe des Alg. Richtet sich u.a. nach der Einteilung in Leistungsgruppen (§ 111 Abs. 2 S. 2 AFG). Die Zurechnung
zu den einzelnen Leistungsgruppen bestimmt sich nach dem Familienstand, der Lohnsteuerklasse und nach den
Vorhandensein eines Kindes (§ 111 Abs. 2 S. 2 AFG). Die Leistungsgruppe A ist u.a. zugrundezulegen bei
verheirateten Arbeitnehmern, auf deren Lohnsteuerkarte IV eingetragen (§ 111 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchstabe a AFG).
Maßgeblich ist dabei die Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Alg.
entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 113 Abs. 1 S. 1 AFG i.d.F. des Gesetzes
zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des
Bundesversorgungsgesetzes – HStruktG – AFG – vom 18. Dezember 1975, BGBl. I S. 3113).
Im vorliegenden Falle ist die Lohnsteuerklasse V und nicht die Lohnsteuerklasse IV für die Klägerin maßgebend.
Diese Steuerklasse war zu Beginn des Kalenderjahres 1977 auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragen; der
Anspruch auf Alg. ist auch erst zu Beginn dieses Jahres entstanden, und zwar allein schon deshalb, weil die Klägerin
erst ab dem 1. Januar 1977 arbeitslos war (§ 100 Abs. 1 AFG i.V.m. § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil
– SGB I –). Unerheblich ist dabei, daß die Klägerin die noch im Jahre 1976 abgeänderte Lohnsteuerkarte wieder an die
Karte ausstellende Gemeinde zurückgab und nicht (mehr) selbst im Besitz einer Karte war. Hierdurch ändert sich
nichts an der Fortdauer der Geltung der Steuerklasse V, wie sich auch daraus ergibt, daß während des gesamten
Jahres 1977 auf der Lohnsteuerkarte des Ehemannes der Klägerin die der Steuerklasse V korrespondierte
Steuerklasse III eingetragen war. Die Vorschrift des § 113 Abs. 2 AFG über die Beachtlichkeit eines
Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten findet von vornherein keine Anwendung, da sie einen nachträglichen
Wechsel der zu Beginn des Kalenderjahres 1977 eingetragenen Steuerklasse voraussetzt; hieran fehlt es jedoch.
Auch eine andere Leistungsgruppenzuordnung ist nicht in Betracht gekommen. Vielmehr ist die Klägerin von der
Beklagten aufgrund der Eintragung der Lohnsteuerklasse V zu Recht in die Leistungsgruppe D eingestuft worden (§
111 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchstabe d AFG).
Ein sozialrechtlicher Schadensersatz – bzw. Herstellungsanspruch – scheitert daran, daß die Beklagte nicht
verpflichtet war, die Klägerin auf die Möglichkeit einer – erneuten – Änderung der Lohnsteuerklasse zwecks Erhalt
eines höheren Alg hinzuweisen. Durch die Beantragung des Alg ist zwischen den Beteiligten zwar ein
Sozialrechtsverhältnis als gesetzliches Schuldverhältnis entstanden, aus dem für die Beklagte nach dem auch im
öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) gewisse –
vertragsähnliche – Nebenpflichten folgen. So muß sie die Interessen der Klägerin behutsam wahren und
verständnisvoll fördern und ihr zu den Rechten, insbesondere zu den Leistungen, verholfen, die ihr nach dem Gesetz
zustehen (siehe BSG, Urteil vom 14. Juni 1962 – 4 RJ 75/60 – SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; BSG, Urteil vom 22.
Februar 1972 – 3 RK 56/70 – SozR Nr. 12 zu § 242 BGB, BSG, Urteil vom 26. April 1977 – 4 RJ 35/76 – SozR 2200 §
1286 Nr. 3; BSG, Urteil vom 25. April 1978 – 5 RJ 18/77 – BSGE 46, 124 – SozR 2200 § 1290 Nr. 11). Zu einem
Hinweis auf besondere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten ist sie dann verpflichtet, wenn diese
Gestaltungsmöglichkeiten klar zutage liegen und ihre Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, daß jeder
verständige und vernünftige Leistungsberechtigte sie mutmaßlich nutzen wird (siehe BSG, Urteil vom 14. Juni 1962
a.a.O.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – BSGE 41, 126; BSG, Urteil vom 25. April 1978, a.a.O.;
BSG, Urteil vom 27. April 1978 – 11 RA 69/77 – SozR 2200 § 1241 Nr. 8; BSG, Urteil vom 7. Juni 1979 – 12 RK
33/78 –; BSG, Urteil vom 20. Juni 1979 – 5 RKn 16/78 –). Allerdings braucht sie von nicht aus, d.h., ohne daß ein
konkretes Auskunfts- oder Beratungsersuchen des Berechtigten vorliegt, nur dann tätig zu werden, wenn eine
derartige Evidenz der Gestaltungsmöglichkeiten und der Zweckmäßigkeit ihrer Wahrnehmung gegeben ist (so auch
BSG, Urteil vom 7. Juni 1979 – 12 RK 33/78 –). Die Leistungsträger wären überfordert, wenn sie von Amts wegen
verpflichtet wären, in jedem Falls in die individuellen Gegebenheiten und rechtlichen Zusammenhänge der
Lebenssituation der Leistungsberechtigten einzudringen, um einen nützlichen Hinweis geben zu können (siehe BSG,
Urteile vom 14. Juni 1962 und 22. Februar 1972 a.a.O.).
Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze überhaupt dann zur Anwendung kommen, wenn die wahrzunehmende
Gestaltungsmöglichkeit nicht auf dem Gebiete des Sozialrechts, sondern – wie hier – auf dem Gebiete des
Steuerrechts liegt. Jedenfalls liegt die Wahl der Lohnsteuerklasse IV durch einen verheirateten Arbeitslosen nicht klar
zutage und ist ihre Wahrnehmung nicht offensichtlich so zweckmäßig, daß jeder verständige und vernünftige
Leistungsberechtigte sie mutmaßlich nutzen wird. Dies gilt auch dann, wenn beide Eheleute für die Zeit vor dem
Beginn der Arbeitslosigkeit eines von ihnen die Lohnsteuerkarte IV gewählt hatten. Die Entscheidung über die auch
unter Berücksichtigung des Einkommens des nicht arbeitslosen Ehegatten im konkreten Einzelfalle zweckmäßigste
und vorteilhafteste Wahl der Lohnsteuerklassen kann nicht ohne ein näheres Eingehen auf die Umstände dieses
Einzelfalles getroffen werden. Zu einen solchen vertieften Eindringen in die persönlichen Lebensverhältnisse der
Klägerin und ihres Ehemannes war die Beklagte jedoch nicht von sich aus verpflichtet. Sie hatte, indem sie der
Klägerin bei Arbeitslosmeldung das von ihr herausgegebene "Merkblatt für Arbeitslose” überreichte, in jedem Falle das
ihr Zumutbare getan.
In diesem Merkblatt sich aus den Ausführungen auf Seite 14, daß die Lohnsteuerklasse für die Höhe des Alg
maßgeblich ist. Falls die Leistungstabelle, auf die in den Ausführungen des Merkblattes hingewiesen wird und die
nach diesen Ausführungen dem Merkblatt beiliegen soll, dem der Klägerin überreichten Merkblatt tatsächlich nicht
beigefügt gewesen sein sollte, so vermag auch dieses Fehlen letztlich keine für die Klägerin günstige Beurteilung des
Streitfalles zu begründen. Es wäre für die Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, sich diese Tabelle bei dem
zuständigen Arbeitsamt zu besorgen. Die in dem Unterlassen dieser Besorgung liegende Mitverursachung des
eingetretenen Schadens wäre so hoch anzusetzen, daß sie einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten
völlig ausschließen würde (siehe zur Ablehnung eines Schadensersatz- bzw. Herstellungsanspruchs Hess. LSG,
Urteil vom 31. Mai 1979 – L-1/Ar – 32/77 –), so daß insoweit keine weiteren Ermittlungen des Gerichts erforderlich
gewesen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160
Abs. 2 Nr. 1 SGG).