Urteil des LSG Hessen vom 18.12.1980

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Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.12.1980 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden
Hessisches Landessozialgericht L 1 B 10/77
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. November
1976 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerin wendet sich mit der Beschwerde nur noch gegen eine Auflage in der Entscheidung über die
einstweilige Regelung durch das Sozialgericht, mit der ihr der Abschluß von Arbeitsvertragsverhältnissen zwischen
Verleiher und Leiharbeitnehmer untersagt worden war, die sich auf die Zeit des Einsatzes beim Entleiher beschränken
(Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz –).
Die Antragstellerin befaßt sich seit 1968 mit der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ihr war letztmals bis zum
19. April 1976 die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung erlaubt worden. Ein Antrag auf weitere Erlaubnis vom 16.
Januar 1976 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12. April 1976 ab. Den Widerspruch wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 10. August 1976 zurück. Zur Begründung führte sie u.a. an, die Antragstellerin habe
ausländische Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis verliehen, befristete Arbeitsverträge ohne einen sachlichen
Befristungsgrund abgeschlossen, gegen das Verbot der Deckungsgleichheit im Sinne des Artikel 1 § 3 Absatz 1
Nummer 5 AÜG sowie gegen die Dreimonatsbegrenzung gemäß Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 6 AÜG verstoßen.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main am 27. August 1976 Klage
erhoben und zugleich einen "Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 97 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG
–” gestellt. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 9. November 1976 im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes entschieden, daß die der Klägerin erteilte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung
nach dem Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung vom 7. August 1972, zuletzt
verlängert durch den Bescheid des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18. April 1975, bis zur Entscheidung in der
Hauptsache durch das erkennende Gericht verlängert wird, vorbehaltlich der jederzeit möglichen Aufhebung der
Verlängerung. Der Beschluss ist mit verschiedenen Auflagen versehen, u.a. mit dem hier allein noch streitbefangenen
der Einhaltung des sogenannten Verbotes der Deckungsgleichheit nach Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1976, eingegangen beim
Sozialgericht Frankfurt am Main am 6. Dezember 1976, Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Erteilung
einer Auflage gemäß Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG wendet. Sie ist der Auffassung, es erscheine fraglich, ob
eine einstweilige Regelung unter einer Auflage erfolgen könne. Zudem habe das Sozialgericht zu der allein noch
streitbefangenen Auflage keine nähere Begründung gegeben. In der Sache sei sie ungerechtfertigt, weil der Wortlaut
des Gesetzes eine "unzulässige Synchronisation” nur für den Fall vorsehe, daß das Arbeitsverhältnis auf die Zeit der
erstmaligen Überlassung an einen Entleiher beschränkt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 1976 dahin abzuändern, daß die Auflage
gemäß Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz hinsichtlich des Verbots der sogenannten
Deckungsgleichheit aufgehoben wird.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie schließt sich inhaltlich dem Beschluss des Sozialgerichts an und sieht ihre Auffassung durch die
höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere den der
Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist unbegründet. Der
Beschluss ist hinsichtlich der allein streitbefangenen Auflage rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht
konnte in seinem Beschluss die einstweilige Regelung, die die Fortführung der Überlassung von Arbeitnehmern im
Ergebnis ermöglichte, mit einer Auflage versehen. Wird ein Verwaltungsakt angefochten, der eine laufende Leistung
herabsetzt oder entzieht, so kann das Gericht auf Antrag des Klägers nach Anhörung des Beklagten anordnen, daß
der Vollzug des Verwaltungsaktes einstweilen ganz oder teilweise ausgesetzt wird. Dasselbe gilt, wenn ein
Verwaltungsakt angefochten wird, mit dem eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Gesetzes zur Regelung der
gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zurückgenommen, widerrufen oder nicht verlängert wird (§ 97 Absatz 2
Satz 1 und 2 SGG). Die von dem Sozialgericht getroffene Auflage erscheint vornehmlich deshalb gerechtfertigt, weil
der Antragstellerin durch den Beschluss im Ergebnis die Fortführung der Verleihtätigkeit ermöglicht worden war und
sie damit vorläufig so gestellt wird, als ob sie in der Hauptsache obsiegt hat; sie hierbei an die gesetzliche Regelung
zu binden, erscheint nur rechtens. Das Sozialgericht hat allein zur Auflage – soweit diese noch streitbefangen ist –
erhoben, was ohnedies von jedem Verleiher zu beachten ist und lediglich eine bestimmte – s.Zt. umstrittene –
Auslegung des Gesetzes für die Ausübung festgelegt. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sieht ausdrücklich die
Möglichkeit der Erteilung von Auflagen vor (Artikel 1 § 2 Absatz 2 AÜG), so daß die verfahrensrechtliche Regelung
durch das Sozialgericht ihre Parallele im materiellen Recht des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes findet.
Keineswegs kann in der Auflage die Anmaßung einer allein der Antragsgegnerin zugestandenen
Entscheidungsbefugnis gesehen werden. Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, auf die der Beschluss des
Sozialgerichts hinsichtlich der Auslegung des Artikel 1 § 3 Nummer 5 AÜG Bezug nimmt, ist nicht zu beanstanden.
Die Auslegung, die die Antragstellerin Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 3 und 5 AÜG gibt, nämlich daß das
Synchronisationsverbot nur gilt, wenn sich aus der Person des Arbeitnehmers für die zeitliche Begrenzung seines
Arbeitsvertrages kein sachlicher Grund ergibt, ist nicht richtig. Sie trifft bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht
zu. Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 3 AÜG verbietet dem Verleiher, mit dem Leiharbeitnehmer befristete
Arbeitsverträge abzuschließen, und macht von diesem Verbot nur für den Fall eine Ausnahme, daß sich aus der
Person des Arbeitnehmers hierfür ein sachlicher Grund ergibt. Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG verbietet dem
Verleiher, die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer auf die Zeit der erstmaligen Überlassung an einen
Entleiher zu beschränken, ohne in gleicher Weise wie Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 3 AÜG hierfür eine Ausnahme
vorzusehen. Eine derartige Ausnahme hier anzunehmen, wäre eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut des
Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG. Die Regelung findet ihren Grund maßgeblich darin, in ausreichendem Umfang
das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit zu sichern. Arbeitnehmerüberlassung soll nicht an die Stelle
oder in Konkurrenz zu dieser Vermittlungstätigkeit treten, wenn hierfür nicht ausdrücklich eine Erlaubnis erteilt ist.
Damit wird zugleich das Ziel verfolgt, den Verleiher als den für den Leiharbeitnehmer maßgeblichen Arbeitgeber
anzusehen und nicht etwa den Entleiher. Wenn ein Unternehmen einen Arbeitnehmer für eine begrenzte Zeit einstellt
und ihn für dieselbe Zeit einem anderen Unternehmer überläßt, so überdauert das Verhältnis zwischen dem
überlassenden Unternehmer und dem Arbeitnehmer bereits zeitlich nicht das Verhältnis, in das notwendigerweise der
Arbeitnehmer zu dem entleihenden Unternehmer tritt. Auch alle Verfügungsrechte über die Arbeitskraft liegen bei dem
Entleiher. Es läßt sich dann nicht mehr sagen, daß die eigentliche Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehung zwischen der
verleihenden Firma und dem Arbeitnehmer liegt. Diese Tatsache ist auch nicht durch rechtliche Konstruktionen
abwendbar; vielmehr ist auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse abzustellen. Beim Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verleiher und dem überlassenen Arbeitnehmer nicht auf einen einzelnen
Fall beschränkt, sondern sind von Dauer und bleiben insbesondere während der Zeit, in der der Arbeitnehmer in dem
fremden Betrieb tätig wird, weiterbestehen.
Das Verbot des Artikel 1 § 3 Absatz 1 Nummer 5 AÜG, die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeitnehmer
auf die Zeit der erstmaligen Überlassung an einen Entleiher zu beschränken, gilt damit auch dann, wenn in der Person
des Arbeitnehmers ein sachlicher Grund besteht, das Arbeitsverhältnis zu befristen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März
1979 – 7 RAr 47/78 – SozR 7815 Artikel 1 § 3 Nummer 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung der Bestimmung des § 193 SGG.
Die Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).