Urteil des LSG Hessen vom 14.03.2017

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.01.1978 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 3 U 318/76
Hessisches Landessozialgericht L 3 U 778/77
Die Berufung von Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1977 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Wegeunfalls).
Die im Jahre 1957 geborene Klägerin ist Unternehmerin eines Schaustellungsunternehmens (Schießbude). Aufgrund
vertraglicher Vereinbarung mit der Stadt F. wurde ihr dafür ein Platz in F. anläßlich der W. Kirchweih 1975 vom 16.
August bis 24. August 1975 zugeteilt mit der Verpflichtung, das Geschäft an den "Nachkerbtagen” zu betreiben. Am
21. August 1975 hatte sie ihren Wagen auf dem Festplatz in W. aufgestellt und beabsichtige, ihm am Nachmittag des
22. August 1975 zu dekorieren. Da sie am Vormittag dieses Tages die Führerscheinprüfung in dem ihrem Wohnort F.
unmittelbar benachbarten F. machen wollte, verabredete sie mit dem Kraftfahrzeugmechaniker B. (B.), sie
nachmittags in H. von der Fahrschule abzuholen, um sie auf direkten Wege nach F. zu ihrer Schießbude zu bringen.
Nachdem ihr der Führerschein mit der Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge der Klassen 3 und 4 ausgehändigt worden
war, wurde sie gegen 13.00 Uhr von B. in dessen Pkw von der Fahrschule S. in F. abgeholt. Er fuhr ihr auf der H.
F.straße in Richtung S. H. und W. Kurz vor dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte er. Die Klägerin erlitt
dabei nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. J. vom 22. August 1975 und dem Arztbrief vom 29. August 1975 der
Ärzte Prof. Dr. S. und Dr. E. folgende Verletzungen: Trümmerfraktur der rechten Beckenschaufel und Hüftpfanne,
insbesondere Frakturen aller drei Pfeiler der Hüftpfanne, Platzwunde am rechten Oberschenkel, Platzwunde an der
Oberlippe. Sie war deshalb bis zum 4. Januar 1976 arbeitsunfähig. Nach dem ersten Rentengutachten des Dr. Sch.
von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in F. vom 22. April 1976 betrug die unfallbedingte MdE für die Zeit
vom 5. Januar bis 4. April 1976 30 v.H. und ab 5. April 1976 bis auf weiteres 20 v.H.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1976 lehnte die Beklagte eine Unfallentschädigung ab, weil kein
Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Versicherungsschutz scheide aus, da die Klägerin den Weg zur Arbeitsstätte nicht
von ihre Wohnung, sondern aus privaten Gründen von ein anderen Ort aus angetreten habe, ohne noch vor dem Unfall
den üblichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte erreicht zu haben.
Gegen diesen am 13. Juli 1976 zur Post gegeben Bescheid legte die Klägerin am 26. Juli 1976 Widerspruch bei der
Beklagten ein. Nachdem sie ihre Zustimmung zur Weiterleitung des Widerspruchs als Klage an das Sozialgericht
erteilt hatte, entschied die Widerspruchsstelle der Beklagten am 18. Oktober 1976, sie wolle dem Widerspruch nicht
abhelfen; er werde als Klage an das zuständige Sozialgericht weitergeleitet.
Am 27. Oktober 1976 ist der Widerspruch dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) zugeleitet worden. Mit Urteil vom
8. Juli 1977 hat das SG die Beklagte verurteilt, "die Klägerin wegen der Gesundheitsschäden aus dem Verkehrsunfall
vom 22. August zu entschädigen”. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 25. Juli 1977 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. August 1977 Berufung beim Hessischen
Landessozialgericht eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 1978 hat der Senat den Vater der Klägerin, W. S. zu den
Berufsanforderungen an sein einen selbständigen Schausteller und zu den Plänen der Klägerin als Zeugen
vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Vernehmungsniederschrift (Bl. 42
bis 43 GA.) Bezug genommen.
Unter Wiederholung der Ablehnungsgründe des angefochtenen Bescheides vertritt die Beklagte die Meinung, entgegen
der Ansicht des SG sei die Ablehnung der Fahrprüfung grundsätzlich dem eigenwirtschaftlichen Bereich der Klägerin
zuzurechnen, auch wenn sie die Fahrerlaubnis in ihrem Unternehmen verwerten könne.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 1977 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Unfallakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG der zulässigen Klage stattgegeben. Der Klägerin steht dem Grunde
nach ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie am 22. August 1975 einen Arbeitsunfall auf einem
Betriebsweg erlitten hat (§§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1 RVO). Hierzu ist zunächst festzustellen: Die Klägerin
stammt aus einer Familie, die seit Generationen ein Schaustellungsunternehmen betriebt. Nach Vollendung ihres 18.
Lebensjahres (13. Mai 1975) meldete sie am sie am 17. Mai 1975 ein eigenes Schaustellungsunternehmen an,
dessen Gegenstand u.a. der Betrieb einer Schießbude verbunden mit dem Vertrieb abgepackter Lebensmittel, Süß-
und Backwaren, Spielwaren, Keramikwaren und Steinzeug war. Ihr Vater hatte ihr die Schießbude (3 m × 6 m)
überlassen und zu deren Transport eigens einen Gerätewagen angeschafft, damit in der Familie neben seinem ein
zweites, bei der Platzvergabe selbständig zu berücksichtigendes Schaustellungsunternehmen betrieben wurde.
Vorläufig ließ die Klägerin die Schießbude auf dem Gerätewagen von ihren Vater mit dessen Spezialzugmaschine
oder durch einen Spediteur zu den jeweiligen Veranstaltungsorten befördern. Später wollte sie eine eigene
Zugmaschine anschaffen. Darüber hinaus beabsichtigte sie, für ihren Betrieb einen Pkw und ein damit zu
transportierenden Wohnmobil zu kaufen. Diese Gegenstände, über die auch ihr Vater verfügt, sind auf die Dauer für
einen rationellen Betrieb eines derartigen Schaustellungsunternehmens notwendig, um die Schließbude an den
verschiedensten Orten aufstellen, am Ort der Aufstellung kostengünstig übernachten, die Ware heranschaffen sowie
ihr Unternehmen nachts bewachen zu können. – Die Klägerin hatte ihre Schießbude bereits bei sechs
Veranstaltungen aufgestellt. Ein siebentes Mal geschah dies am 21. August 1975 auf dem Festplatz in F ... Weil sie
noch nicht in Besitz einer Fahrerlaubnis war, benötigte sie dazu stets zusätzliche Hilfe durch andere Personen, die im
Besitz einer Fahrerlaubnis waren, vornehmlich diejenige ihres Vaters oder ihrer Mutter. Deshalb hatte sie bei der
Fahrschule S. im benachbarten Stadtteil F. Fahrunterricht genommen. Die Führerscheinprüfung fand am 22. August
1975 statt. Da sie im unmittelbaren Anschuß daran nach W. wollte, um ihre Schießbude weiter zu dekorieren,
verabredete sie sich mit B., sie in F. abzuholen und direkt nach W. zu fahren. Sie wohnte damals noch bei ihren
Eltern in F. F.straße ; von dort aus betrug die Entfernung bis W. ca. 8,5 km. Am 22. August 1975 begab sich die
Klägerin zur Fahrschule S. in der Z.straße in F., etwa 5 km von ihrer Wohnung entfernt, und legte von dort aus die
Fahrprüfung ab. Gegen 13.00 Uhr ließ sie sich an der Fahrschule verabredungsgemäß von B. in dessen Pkw abholen.
B. wollte sie auf dem nächsten Wege über die breite, gut ausgebaute H.straße unter Umgehung des Ortskerns S. in
dem die Wohnung der Klägerin lag, über H. nach W. fahren. Diese Wegstrecke beträgt ungefähr 12,5 km. Kurz vor
dem Verkehrskreisel am Ortsanfang S. verunglückte der Wagen des B. Die Klägerin erlitt dabei erhebliche
Verletzungen, die auch nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingten.
Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Aussagen des Zeugen W. S. den Ermittlungen der Beklagten,
insbesondere den darin einbezogenen Feststellungen des polizeilichen Unfallkommandos, den Angaben der Klägerin
und des B. vor dem Versicherungsamt F., den fotokopierten Auszügen von Straßenplänen der betroffenen Gegend
(Bl. 25, 58, 68 UA.) und der Stadtumgebungskarte von F., Maßstab 1: 200 000, Der Große Shellatlas, 1976/77, S.
214/215 sowie dem Generalstadtplan F. Maßstab 1: 22 000, Mairs Geographischer Verlag, 11. Auflage.
Danach und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind die Voraussetzungen der §§ 539 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs.
1 S. 1 RVO erfüllt. Zu Recht hat bereits das SG erkannt, daß die Klägerin einen versicherten Arbeitsunfall auf einem
Betriebsweg vom Ort einer betrieblichen Tätigkeit zum Ort des Betriebes erlitten hat. Sowohl die Ablegung der
Führerscheinprüfung in F. als auch die beabsichtigten Einräumungsarbeiten an der Schießbude in F. sind versicherte
Tätigkeiten gewesen. Der innere ursächliche, den Unfallversicherungsschutz begründete Zusammenhang mit dem
Unternehmen ist im Gegensatz zu der Ansicht der Beklagten auch in Bezug auf die Ablegung der Führerscheinprüfung
gegeben. Die Klägerin war nämlich zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ihres als "Ein-Personen-Betrieb”
konzipierten Schaustellungsunternehmens und auch zur Rationalisierung der eigenen Kräfte existenznotwendig auf
eine Fahrerlaubnis angewiesen. Der Zeuge W. S. hat glaubhaft bekundet, daß er seine Hilfe für die Klägerin nur als
Anfangsunterstützung erbracht und zeitlich absehbar begrenzt hatte. An dem Erfordernis der Fahrerlaubnis für den
Betrieb eines Unternehmens ändert sich nicht dadurch, daß der Unternehmer mit dem Führerschein in seiner Freizeit
auch Privatfahrten durchführen kann.
Die rechtliche Beurteilung dieser Betriebstätigkeit unterscheidet sich nicht von der auf Fortbildungsmaßnahmen von
Unternehmen sowie den Besuch von Messen und Veranstaltungen beruflicher Fachorganisationen bezogenen. Wie in
der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt ist, dient die Fortbildung eines Unternehmers auf den seinen Betrieb
berührenden Sachgebieten wegen seiner besonderen Stellung in Unternehmen unmittelbar dem Interesse des
Betriebes. Hierzu wird noch nicht einmal gefordert, daß die Fortbildung aus einem besonderen konkreten Anlaß
erforderlich ist, vielmehr reicht es aus, daß sie allgemein der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens dient (vgl.
Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand August 1977, S. 484 f. unter Hinweis auf das Urteil des LSG
Baden-Württemberg vom 12.7.1967, Breith. 57 Jahrgang, S. 379). Das gleiche gilt für den noch erheblich schwächer
faßbaren betrieblichen Nutzen der Teilnahme eines Unternehmers an beruflichen Fachveranstaltungen. Der Senat
stimmt dem BSG zu, daß allein die Anwesenheit – ohne aktive Mitwirkung – bei einer Veranstaltung, auf der fachliche
Fragen behandelt und diskutiert werden, in innerem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten
Unternehmertätigkeit steht, wenn dabei besondere Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die die Teilnehmer
zumindest später für ihre betrieblichen Tätigkeiten nutzen können (vgl. BSG, Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 228/67 – und 2
RU 197/67 –). Wenn die Rechtsprechung des BSG darüber hinaus im Einzelfall sogar grundsätzlich die subjektive
Vorstellung über betriebsfördernde Auswirkungen der Veranstaltung rechtlich ausschlaggebend sein läßt (vgl. BSG,
Urt. v. 30.1.1970 – 2 RU 197/67) und auch die Fahrt zu Ausstellungen und Messen unter Versicherungsschutz stellt
(vgl. BSG, Urt. v. 30.7.1971 – 2 RU 84/70 – in SozR. Nr. 29 zu § 548 RVO), sofern sie nicht nur ein Nebenzweck
einer vorwiegend privaten Zwecken dienenden Reise ist (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.1971 – 2 RU 100/71 –), dann kann
die Führerscheinprüfung der Klägerin nicht anders bewertet werden. Ihr Nutzen für die Wettbewerbs- und
Existenzfähigkeit des Schaustellungsunternehmens unter der im modernen Wirtschaftsleben alternativ drohenden
Belastung mit erheblichen Kosten für Fremdleistungen ist handgreiflich. Obwohl die Schaustellungssaison nur von
Ende März bis Ende Oktober reicht, überwiegt doch die Bedeutung der Fahrerlaubnis für den Betrieb der Klägerin, weil
die Existenz ihres Unternehmens maßgeblich davon berührt wird.
Danach kann es dahingestellt bleiben, ob auch nach § 550 Abs. 1 RVO Versicherungsschutz bestand. Der Senat
neigt jedoch dazu, auch dies zu bejahen. Im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG hat der Senat zuletzt in den
Urteilen vom 2. März 1977 (L-3/U – 1024/76) und vom 27. April 1977 (L-3/U – 931/76) entscheiden, daß der
Versicherungsschutz nicht allein deswegen entfällt, weil der Weg zur Arbeitsstätte vom einem anderen Ort als der
Wohnung angetreten wird. In § 550 Abs. 1 RVO ist allein der Ort der Tätigkeit als Ende des Hinwegs und
Ausgangspunkt des Rückweges festgelegt. Andererseits ist nicht jeder Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der
zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Der Weg muß vielmehr mit der Tätigkeit im Unternehmen
zusammenhängen, d.h. mit ihr in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehen. Der Zweck des
Weges muß überwiegend von dem Vorhaben des Versicherten geprägt sein, sich nur Arbeit zu begeben. Das BSG hat
eine der Versicherungsschutz ausschließende Ursache darin gesehen, daß ein Versicherter aus privaten Gründen
eine andere Ortschaft aufgesucht hatte und auf dem Weg von dieser nach der Ortschaft, in der sich seine Wohnung
und seine Arbeitsstätte zugleich befanden, verunglückte (vgl. BSGE 1, 171 und 8, 53). Zutreffend hat das BSG unter
diesen Umständen angenommen, dem zugleich nach dem Ort der Tätigkeit führenden Wege werde überwiegend durch
den privaten Ausflug das Gepräge als bloßer Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gegeben (vgl. BSG,
Urteil vom 27.4.1961 – 2 RU 192/58 – in SozR. Nr. 32 zu § 543 RVO a.F.). Mit Recht hat das BSG allerdings betont,
daß es stets auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt. An der betriebsbedingten Notwendigkeit eines Wegen
fehlt es dann, wenn er nach der Verkehrsanschauung wegen seiner Länge und Dauer (z.B. bei ungewöhnlichen
Entfernungen und Erholungsfahrten in andere Ortschaften) nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen
Weg des Versicherten nach und von dem Ort der Tätigkeit steht (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.1964 – 2 RU 157/63 – in
BSGE 22, 60). Angemessen kann dieses Verhältnis einmal dann sein, wenn beide zu vergleichenden Wege gleich
lang sind (vgl. die Urteile des Senats vom 2.3.1977 – L-3/U – 1024/78 – und vom 27.4.1977 – L-3/U – 931/76 – sowie
BSG, Urt. vom 30.7.1975 – 2 RU 73/74 –). Angemessen ist das Verhältnis beider Wege aber auch unter den
besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles. Obwohl die Klägerin auf einem Wege von einer anderen
Ortschaft verunglückte, der bis zur Unfallstelle mit dem Heimweg übereinstimmte, fehlte diesem Weg das Gepräge
eines unversicherten "Rückweges”. Das Verhältnis des eingeschlagenen Weges zu dem sonst üblichen Weg
zwischen Wohnung und Arbeitsstätte war unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles noch angemessen.
Zwar betrug das Längenverhältnis beider Strecken zueinander 12,5 km: 8,5 km. Ausschlaggebend sind jedoch die
weiteren Umstände. Einmal ist die H.straße als Verbindungsstraße zwischen S. und H. im Gegensatz zu dem Weg
von S. nach W. so breit und bequem zu befahren, daß die Strecke relativ wenig zusätzliche Zeit im Pkw in Anspruch
nimmt. Zum anderen führte der beabsichtigte – als Ganzes zu sehende – Weg nicht über die Wohnung der Klägerin,
sondern als kürzere Verbindung mit W. am Ortskern S. vorbei. Schließlich stand der Weg zwischen H. und W. wegen
der zuvor erworbenen Fahrerlaubnis in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen
der Klägerin, und zwar selbst dann, wenn die Ablehnung der Fahrprüfung in Übereinstimmung mit der Ansicht der
Beklagten keine gemäß § 539 Abs. 1 RVO versicherte Tätigkeit darstellte, weil es sich dabei dann jedenfalls um eine
den Unternehmen dicht unterhalb der Grenze des Versicherungsschutzes liegende nützliche Vorbereitungshandlung
handelte (vgl. zur unversicherten Vorbereitungshandlung: BSG, Urt. v. 25.1.1977 – 2 RU 57/75). Es war dies i.S. des
Urteils des BSG vom 30. Juli 1975 (2 RU 73/749) ein sachgerechter, mit der versicherten Tätigkeit in engem
Zusammenhang stehender Grund für die Wahl des Weges zum Unternehmen, der deshalb keinen unversicherten
Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit darstellte.
Das SG konnte sich schließlich auf den Erlaß eines Grundurteils (§ 130 SGG) beschränken, da die Beklagte
wenigstens die Mindestleitungen zu erbringen hat. Nach dem 1. Rentengutachten des Dr. Sch. haben die Unfallfolgen
nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit noch eine MdE rentenberechtigendem Grad hinterlassen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2
SGG.