Urteil des LSG Hamburg vom 25.01.2011

LSG Ham: diabetes mellitus, erektionsstörung, berufskrankheit, anerkennung, belastung, kopfschmerzen, konzentration, hauptsache, gehalt, anzeige

Landessozialgericht Hamburg
Urteil vom 25.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 24 U 176/05
Landessozialgericht Hamburg L 3 U 48/08
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Mai 2008 wird zurückgewiesen. 2.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung eines Libidoverlustes und einer
Erektionsstörung als weitere Folgen der anerkannten Berufskrankheit sowie Gewährung einer höheren Verletztenrente
als die laufend gezahlte nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 hat.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des
Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Mai 2008 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Der
Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung eines Libidoverlustes und einer Erektionsstörung als weitere Folgen
der anerkannten Berufskrankheit, weil es an einem ursächlichen Zusammenhang fehle. Damit entfalle auch der
geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger unter Verweis auf seinen bisherigen Vortrag Berufung eingelegt und
ergänzend zu seiner Unterstützung verschiedene weitere Stellungnahmen von Prof. Dr. M. vorgelegt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Mai 2008 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 3. Dezember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten als weitere Folgen der anerkannten Berufskrankheit auch einen Libidoverlust und eine
Erektionsstörung anzuerkennen sowie eine höhere Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zur Unterstützung ihrer Auffassung hat sie die
beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 12. März 2009 eingereicht.
Im Berufungsverfahren ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung von Prof. Dr. M. als Zeuge zu der Frage, bei
welcher Gelegenheit der Kläger ihm gegenüber über einen Libidoverlust geklagt habe. Hinsichtlich seiner Aussage wird
auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Januar 2011 verwiesen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 25. Januar 2011 aufgeführten Akten
verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Gerichts gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats entscheiden, weil sich die Beteiligten damit
einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143,
144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind weder formell noch materiell zu beanstanden. Zu Recht und mit
zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Anerkennung eines Libidoverlustes und einer Erektionsstörung als weitere Folgen der anerkannten Berufskrankheit.
Da somit gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 5. Juli 1994 eine Änderung nicht eingetreten ist, besteht auch
kein Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente als die jetzt gezahlte nach einer MdE von 20. Zur
Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153
Abs. 2 SGG).
Abs. 2 SGG).
Im Berufungsverfahren hat der Kläger nichts vorgetragen, was zu einer anderen Entscheidung führt. Insbesondere
überzeugt das Berufungsgericht wie auch schon das Sozialgericht die von Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 12.
März 2009 nochmals dargelegte medizinische Einschätzung, dass eine Kausalität zwischen einer Belastung mit
Dioxin und dem Auftreten eines Diabetes nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Das folgt daraus, dass der Diabetes
das Auftreten von Erektionsstörung (und Libidoverlust) im Jahre 2002 zu erklären vermag, während bei im Zeitverlauf
abnehmender Dioxinkonzentration im Blut die Ausbildung weiterer Dioxinfolgeerkrankungen zu einem so späten
Zeitpunkt einen Ursachenzusammenhang mit der Dioxinbelastung nicht wahrscheinlich erscheint. Es kann offen
bleiben, ob die frühere Alkoholerkrankung des Klägers als weitere konkurrierende Ursache zusätzlich zu
berücksichtigen wäre.
Ein Auftreten von Erektionsstörung und Libidoverlust zeitlich vor Feststellung des Diabetes mellitus ist – abgesehen
davon, dass eigene ausdrückliche Erklärungen des Klägers auf entsprechende Nachfrage dagegen sprechen – auch
nicht im Wege des Zeugenbeweises erwiesen. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger gegenüber
Prof. Dr. M. schon im Rahmen dessen ersten Befragungen in der Beratungsstelle von Libidoverlust und/oder
Erektionsstörungen berichtet hat. Zwar hat Prof. Dr. M. bei seiner Vernehmung als Zeuge ausgesagt, sämtliche
seinerzeit betreuten ehemaligen Beschäftigten der Fa. B. – und damit auch der Kläger – hätten ihm gegenüber
entsprechende Klagen geäußert, aber es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Zeuge hier eine eigene
Beobachtung aus seiner Erinnerung zutreffend wiedergibt. Die Zweifel ergeben sich aus Folgendem: Schon vor der
Zeugenvernehmung ist aufgefallen, dass Prof. Dr. M., der den Sitzungssaal betrat, als die mündliche Verhandlung
bereits begonnen hatte, bei dem Anblick des Klägers diesen nicht sogleich erkannt hat, denn er hat den Raum
verlassen, um noch einmal einzutreten und nunmehr zu fragen, wo der Rechtsstreit des Klägers verhandelt werde.
Weiter hat Prof. Dr. M. auf Befragen, ob er ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, ein solches mit
der Begründung bejaht, er halte den vorliegenden Fall für einen Präzedenzfall, dessen Ausgang ihm für alle weiteren
Fälle der ehemaligen Beschäftigten der Fa. B. wichtig sei. Nachdem er dargelegt hat, dass er – ohne sich
entsprechende Notizen gefertigt zu haben – erinnere, dass sich in den Beratungen der ehemaligen Beschäftigten der
Fa. B. das auffällige Ergebnis gezeigt habe, dass alle Personen Libidostörungen hatten, hat er auf die spätere
Nachfrage, ob er bei dem Personenkreis, der damals von ihm untersuchten Mitarbeiter der Fa. B. auch Personen
vorgefunden habe, die nur eine Potenzstörung nicht aber gleichzeitig eine Libidostörung aufwiesen, gesagt, er könne
diese Frage mangels genauer Erinnerung nicht beantworten. Diese beiden Aussagen stehen konträr zueinander.
Außerdem zeigt die zuletzt genannte Darlegung, dass gerade kein sicheres Erinnerungsvermögen (nach der langen
Zeit) besteht. Ebenso ist der Umstand zu werten, dass Prof. Dr. M., dem das Ergebnis der Beratungsarbeit mit den
ehemaligen Mitarbeiter der Fa. B. sehr am Herzen liegt, nicht mehr genau weiß, wer über die auffällige Häufung von
Libidostörungen als einen wesentlichen Teil dieses Ergebnisses publiziert hat. Der Zeuge ist sich nämlich unsicher
gewesen, ob dies "Wende" sei. Zu guter Letzt wird die Richtigkeit der Behauptung, der Kläger habe schon zu Beginn
der Beratungstätigkeit Prof. Dr. M. gegenüber von Libidostörung und Erektionsstörungen gesprochen, dadurch in
Frage gestellt, dass Prof. Dr. M. in der ärztlichen Anzeige der Berufskrankheit vom 31. Oktober 1988 als vom
Versicherten geäußerte Beschwerden nur "Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen, Müdigkeit, Störungen von
Konzentration und Merkfähigkeit" und als Ergebnis seiner Untersuchung "Störung peripherer Nerven
(Polyneuropathie), Leberfunktionsstörung, erhöhter Gehalt des Fettgewebes an 2,3,7,8-TCDD" angegeben hat. Ein
Hinweis auf weitere angegebene Beschwerden findet sich dort nicht.
Da ein Ursachenzusammenhang der geltend gemachten weiteren Folgen einer Belastung mit Dioxin nicht überwiegend
wahrscheinlich ist, kann unentschieden bleiben, ob - angesichts der wechselnden Angaben des Klägers gegenüber
verschiedenen Gutachtern - eine höhere MdE überhaupt angemessen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.