Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2017

LSG Berlin-Brandenburg: stationäre behandlung, mastektomie, ärztliche behandlung, plastische chirurgie, innere medizin, nichtigkeit, krankenkasse, versorgung, transsexualität, gerichtsakte

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 534/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 13 Abs 3 S 1 SGB 5, § 121
SGB 5, § 1 Abs 1 KHEntgG, § 2
Abs 1 KHEntgG, § 2 Abs 2 S 1
KHEntgG
Kostenerstattung für eine stationär durchgeführte Mastektomie
- Wirksamkeit einer zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung gegen
den Versicherten - Vergütungsanspruch des Krankenhauses -
Nichtigkeit einer Vergütungsabrede zwischen Krankenhaus und
Patient
Leitsatz
Werden allgemeine Krankenhausleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntG) unter stationären
Bedingungen erbracht, steht der Vergütungsanspruch hierfür von belegärztlichen Leistungen
abgesehen ausschließlich dem Krankenhaus zu. Eine Vergütungsabrede zwischen den für das
Krankenhaus tätigen Operateuren und dem Patienten verstößt gegen §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1
und 2, 7 KHEntG und ist gemäß § 134 BGB nichtig.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30.
November 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine bei dem Kläger stationär
durchgeführte Mastektomie.
Dem 1960 geborenen Kläger, der aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts
Schöneberg vom 05. Dezember 2008 (Geschäftsnummer ) nicht mehr seinen
ursprünglichen weiblichen, sondern nunmehr die Vornamen B C führt, verordnete die
Internistin Dr. R am 11. Oktober 2004 aufgrund der Diagnose „Transsexualität“
Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Mastektomie. Den hierauf bezogenen
Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2005 ab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, dass er auch ohne künstliche
Hormone einen Bart, Geheimratsecken sowie eine männliche Stimme habe. Ferner
verwies er auf das Gutachten des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. rer. nat. S
vom 16. Dezember 2004, demzufolge bei ihm eine nicht heilbare Transidentität
(Transsexualität) vorliege. Der Kläger empfinde sich aufgrund der transidenten Prägung
dem männlichen Geschlecht als zugehörig, was sich aufgrund der Tatsache, dass andere
mögliche Ursachen für die Ablehnung des männlichen Geschlechts ausgeschlossen
werden könnten, nicht mehr ändern werde. Auch stehe er seit mehr als drei Jahren unter
dem Zwang, seinen Vorstellungen entsprechend leben zu müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch
des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Voraussetzung für eine
Kostenübernahme sei, dass die Diagnose „Transsexualität“ gesichert sei. Diesbezüglich
habe der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) anlässlich einer
persönlichen Begutachtung festgestellt, dass eine manifeste Transsexualität nicht
zweifelsfrei festgestellt werden könne, was der Gutachter insbesondere damit begründet
habe, dass der Kläger sich bislang keiner psychotherapeutischen Behandlung
unterzogen habe.
Im anschließenden Klageverfahren brachte der Kläger vor, dass bei ihm ein
pflaumengroßer Tumor in der linken Brust festgestellt worden sei. Er lasse sich
inzwischen hormonell behandeln. Außerdem reichte der Kläger zwei Arztbriefe des
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inzwischen hormonell behandeln. Außerdem reichte der Kläger zwei Arztbriefe des
Facharztes für Innere Medizin Dr. D vom 21. April 2006 und 04. Juli 2006 ein. Danach sei
bei der Chromosomenanalyse des Klägers ein normaler XX-Chromosomensatz gefunden
worden, wobei drei von 60 ausgezählten Zellen mit X0 beschrieben worden seien. In der
genetischen Diagnostik sei jetzt im 11-Hydroxylase-Gen festgestellt worden, dass an
zwei Stellen in heterozygoter Form Punktmutationen bestünden, die in der Literatur nicht
beschrieben seien und deren Beurteilung daher etwas schwierig sei. Weitere Recherchen
seien durchzuführen. Ferner habe der Kläger seine Klitoris als relativ groß beschrieben.
Im Zusammenhang mit dem psychologischen Gutachten von Frau B sei eindeutig eine
Intersexualität zu diagnostizieren.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage
abgewiesen. Es folgte hierbei der Begründung der angefochtenen Bescheide und führte
ergänzend aus: Die Beklagte verlange vom Kläger zu Recht die Klärung, ob nicht
psychiatrische oder psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen
seinem körperlichen weiblichen Geschlecht und seinem männlichen Erscheinungsbild
bzw. seiner seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht zu lösen vermögen.
Es sei nicht verfassungswidrig, vom Kläger zu verlangen, sich vor dem in Rede
stehenden tiefgreifenden Eingriff in seinen biologisch offenbar gesunden Körper einer
psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.
Gegen diesen ihm am 07. Dezember 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die
Berufung des Klägers vom 20. Dezember 2006, zu deren Begründung er sein
erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Ergänzend trägt er vor: Er habe die
Mastektomie im Januar 2007 auf eigene Kosten in den D-Kliniken B W durch Herrn P und
Frau Dr. W – diese sind nach eigenen Angaben nicht beleg-, sondern konsiliarärztlich in
diesem Krankenhaus tätig – stationär durchführen lassen. Im Zusammenhang mit
dieser OP sei auch der Tumor in der linken Brust entfernt worden. Die Kosten für die
Tumorentfernung und die Anästhesie habe die Beklagte übernommen. Seit Februar
2008 sei er bei Frau F in psychotherapeutischer Behandlung.
Der Kläger, der seit dem 01. Oktober 2009 Mitglied der Techniker Krankenkasse ist, hat
eine am 28. Dezember 2006 von den Fachärzten für Plastische Chirurgie Dr. D W und P
S P erstellte „Rechnung nach GOÄ“ über einen Betrag von 3.500,20 € sowie die von
denselben Ärzten am 05. Januar 2007 ausgestellte Quittung über 3.500,00 € zur
Gerichtsakte gereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2006 und den
Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 04. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3 500,20 €
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die D-Kliniken B W haben der Beklagten für die stationäre Behandlung des Klägers in der
Zeit vom 08. bis 12. Januar 2007 einen Betrag von 1.782,50 € in Rechnung gestellt und
hierbei die DRG J 25 Z nach dem 2007 geltenden Fallpauschalen-Katalog („Kleine
Eingriffe an der Mamma bei bösartiger Neubildung ohne äußerst schwere oder schwere
CC“) sowie Ziffer 5-870.5 L des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) nach §
301 Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), Version 2007, („partielle
(brusterhaltende) Exzision der Mamma und Destruktion von Mammagewebe ohne
axilläre Lymphadenektomie: Quadrantenresektion (mit Mamillensegment)“) in Ansatz
gebracht; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 149 der Gerichtsakte verwiesen.
Der Senat hat die Stellungnahme von Dr. W Dr. P vom 22. April 2010 veranlass, wegen
deren Einzelheiten auf Bl. 142 der Gerichtsakte verwiesen wird.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens
der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die
Klage abgewiesen.
Der vom Kläger bis zum Verfahren vor dem Sozialgericht geltend gemachte
Sachleistungsanspruch wurde durch seine stationäre Behandlung im Januar 2007
zwischenzeitlich erfüllt. Ein hierauf gerichteter Klageantrag wäre daher unbegründet. Ein
ggf. bestehender Sachleistungsanspruch wandelt sich jedoch, wenn - wie hier - der
Versicherte sich diese Leistung zunächst auf eigene Kosten selbst beschafft, in einen
Kostenerstattungsanspruch. Dessen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht
erfüllt.
1) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen
oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt bzw. sind den Versicherten für die
selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der
entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1
SGB V). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Ob die
Leistungsablehnung der Beklagten in den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht erfolgte
oder ob die im Januar 2007 durchgeführte Mastektomie unaufschiebbar war, kann offen
bleiben. Denn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war der
Kläger keiner wirksamen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner
Krankenkasse über den Leistungsanspruch sind nur in zwei Konstellationen denkbar:
Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als
Sachleistung oder er hat sich die Behandlung zunächst privat auf eigene Rechnung
beschafft und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten. Konnte er
hingegen im Zeitpunkt der Behandlung davon ausgehen, er erhalte die Leistungen als
Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung, so kann eine
eigene Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer nicht entstehen; der
Leistungserbringer muss einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der
Krankenkasse dann unmittelbar mit dieser austragen. Das Kostenerstattungsverfahren
nach § 13 Abs. 3 SGB V bietet daher keine Handhabe, die Leistungspflicht der
Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des
Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess
zu ersparen (BSGE 89, 39 m.w.N.).
Der Kläger ist derzeit keiner wirksamen zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung
ausgesetzt. Kosten im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind ihm daher bislang nicht
entstanden. Denn der Vergütungsanspruch für die Mastektomie steht nur den D Kliniken
B W, nicht hingegen den Ärzten Dr. W und P zu (hierzu unter a). Selbst wenn diese Ärzte
Inhaber der Forderung wären, wäre der Kläger zu deren Erfüllung - zumindest derzeit -
aufgrund der Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht verpflichtet
(hierzu unter b).
a) Die gesamte stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 8. bis 12. Januar
2007 unterfällt den Regelungen des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Hierdurch
begründete Vergütungsansprüche stehen allein dem Krankenhaus zu und bestimmen
sich hinsichtlich ihres Umfangs nach dem auf § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz
(KHG) basierenden Fallpauschalen-System.
aa) Die D Kliniken B W, die in den Berliner Landeskrankenhausplan aufgenommen sind,
unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich des KHEntgG. Sie zählen nicht zu den
Krankenhäusern, die nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes von seiner Anwendung
ausgenommen sind.
bb) Die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser werden gemäß
§ 1 Abs. 1 KHEntgG nach diesem Gesetz und dem KHG vergütet. Krankenhausleistungen
im Sinne dieser Vorschrift sind nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KHEntgG insbesondere
ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die
für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind, sowie Unterkunft und Verpflegung;
sie umfassen allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen. Zu den
Krankenhausleistungen gehören nicht die Leistungen der Belegärzte (§ 18 KHEntgG)
sowie der Beleghebammen und -entbindungspfleger.
Allgemeine Krankenhausleistungen sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG die
Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des
Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch
zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen
Voraussetzungen gehören dazu nach Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift auch die vom
Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter. Demgegenüber sind Wahlleistungen
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Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter. Demgegenüber sind Wahlleistungen
andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen. Sie dürfen neben den Entgelten für
die voll- und teilstationäre Behandlung gesondert berechnet werden, wenn die
allgemeinen Krankenhausleistungen durch die Wahlleistungen nicht beeinträchtigt
werden und die gesonderte Berechnung mit dem Krankenhaus vereinbart ist (§ 17 Abs.
1 Satz 1 KHEntgG). Wahlleistungen sind nach Satz 2 dieser Vorschrift vor der Erbringung
schriftlich zu vereinbaren; der Patient ist vor Abschluss der Vereinbarung schriftlich über
die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten.
Die im Januar 2007 durchgeführt Mastektomie ist eine Krankenhausleistung i.S.v. § 2
Abs. 1 KHEntgG; denn die Ärzte Dr. W und Dr. P haben sie nicht als Belegärzte i.S.v. § 18
KHEntgG, § 121 SGB V erbracht. Ob sie als eine über die allgemeinen
Krankenhausleistungen hinausgehende Wahlleistung zu qualifizieren ist, kann an dieser
Stelle dahinstehen. Denn es ist sowohl nach dem klägerischen Vorbringen als auch nach
den Angaben der Ärzte Dr. W und Dr. P nichts dafür ersichtlich, dass mit dem Kläger eine
schriftliche Vereinbarung über mögliche Wahlleistungen getroffen wurde. Die
Mastektomie ist daher als allgemeine Krankenhausleistung i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1
KHEntgG einzuordnen, wobei in diesem Zusammenhang unterstellt werden soll, dass sie
„nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende
Versorgung“ des Klägers notwendig war.
cc) Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren
Kostenträgern mit in den Ziffern 1 bis 8 im einzelnen umschriebenen Entgelten
abgerechnet (§ 7 Satz 1 KHEntgG in der bis zum 24. März 2009 geltenden, hier
anzuwendenden Fassung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift werden mit diesen Entgelten
alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen
vergütet. Geprägt von den detaillierten Vorgaben des § 17 b KHG erfolgt die Vergütung
nach einem Entgeltsystem, das - von den Bereichen Psychiatrie und Psychosomatik
abgesehen - nur noch auf Fallpauschalen basiert und keine Einzelleistungen, wie in der
o.g. „Rechnung“ vom 28. Dezember 2006 enthalten, mehr vorsieht.
dd) Somit stehen Vergütungsansprüche für die stationäre Erbringung allgemeiner
Krankenhausleistungen ausschließlich dem Krankenhaus, keinesfalls hingegen den
(natürlichen) Personen zu, die diese Leistungen im Einzelfall im Auftrag des
Krankenhauses - sei es als Angestellte des Krankenhauses oder als mit ihm vertraglich
verbundene Externe - durchführen. Soweit der Kläger mit den Dres. W und P
demgegenüber eine (offensichtlich nur mündliche) Abrede getroffen hat, derzufolge die
Vergütung für die Erbringung der Mastektomie nach den Regelungen der GOÄ und
unmittelbar an sie zu zahlen ist, ist diese Abrede gem. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB) i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und 2, § 7 KHEntgG nichtig. Diese Vorschriften stellen
ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB dar.
(1) Ob eine Norm als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist und deshalb
zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ergibt sich aus Sinn und Zweck der
Verbotsnorm. Deren Formulierung oder ihr rechtlicher Charakter sind nicht maßgebend.
§ 134 BGB schreibt für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt,
nicht ausnahmslos Nichtigkeit vor. Ordnet die als Verbotsnorm in Betracht kommende
Vorschrift selbst eine Rechtsfolge an, ist diese maßgeblich; fehlt eine verbotseigene
Rechtsfolgenregelung, ist im Rahmen einer normbezogenen Abwägung zu klären, ob es
mit dem Sinn und Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar wäre, die durch das
Rechtsgeschäft gewollte Regelung hinzunehmen bzw. bestehen zu lassen. Das Verbot
muss sich gerade gegen die Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäftes richten.
Die Einordnung einer Norm als Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB hängt nach der
Rechtsprechung wesentlich davon ab, ob sich das Verbot an alle Beteiligten des
Geschäfts richtet, das verhindert werden soll, oder ob es nur eine Partei bindet. Sind
beide Teile Adressaten des Verbots kann regelmäßig angenommen werden, das
verbotswidrige Geschäft solle keine Wirkungen entfalten. Richtet sich das Verbot
dagegen nur gegen eine Partei, ist ebenso regelmäßig der gegenteilige Schluss
berechtigt. Diese Unterscheidung, die vom Bundesgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung vertreten wird, führt dazu, dass in den Fällen, in denen das betreffende
Verbot allein den einen Teil trifft, die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in
Betracht kommt, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die
Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert. Das kann der Fall sein, wenn das
Verbot ohne die Nichtigkeitsfolge weitgehend leer liefe, wenn gerade der angestrebte
Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert oder wenn
der Zweck des Gesetzes nicht anders zu erreichen ist. Reicht es dagegen aus, dem
gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu
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gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- bzw. strafrechtliche Maßnahmen Nachdruck zu
verleihen, so hat die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit daneben keinen Platz
(Nassall, in: jurisPraxisKommentar-BGB, 4. Aufl. 2008, § 134 BGB, Rd. 4ff, m.w.N.).
(2) Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass nicht der gesamte Vertrag zwischen dem
Kläger und den Dres. W und P nichtig ist. Denn die Vorschriften des KHEntgG wollen
weder die Erbringung einer Mastektomie als solche noch gerade unter stationären
Bedingungen verhindern (vgl. insoweit auch Bundesarbeitsgericht, BAGE 105, 187ff,
m.w.N., wonach bei einer Schwarzgeldabrede nicht der Arbeitsvertrag insgesamt nichtig
ist - weil keine Verbotsnorm bezüglich der Arbeitsleistung existiert -, sondern lediglich
diese Abrede). Ob krankenhausrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen ist, dass die
stationäre Durchführung von Operationen durch nicht bei einem Krankenhaus
angestellte Ärzte ausgeschlossen sein soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. Februar 2007,
Az.: B 3 KR 17/06 R, veröffentlicht in Juris, das zu der mit § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG
inhaltsgleichen Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Bundespflegesatzverordnung
entschieden hat, dass die dort genannten Leistungen Dritter im Verhältnis zu der vom
Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandlungsleistung lediglich ergänzende oder
unterstützende Funktion haben dürfen), kann der Senat offen lassen. Rechtlich
unzulässig soll es nach dem Zweck der o.g. Vorschriften des KHEntgG und des KHG
jedenfalls zum einen sein, dass nicht das Krankenhaus, sondern dessen Mitarbeiter -
gleich, in welcher Weise sie mit ihm vertraglich verbunden sind - Vergütungsansprüche
erwerben. Zum anderen soll es keine Abrechnungen auf der Grundlage von
Einzelleistungen mehr geben. Für Verstöße gegen diese beiden Zielsetzungen sehen
das KHEntgG und das KHG keine (verwaltungs- oder strafrechtlichen) Sanktionen vor.
Die Durchsetzung der o.g. Ziele ist nur dadurch zu erreichen, dass entgegenstehende
zivilrechtliche Vereinbarungen die Nichtigkeit nach sich ziehen.
b) Doch selbst dann, wenn die o.g. Ärzte berechtigt sein sollten, die stationär
durchgeführte Mastektomie nach dem auf Einzelleistungen beruhendem
Vergütungssystem der GOÄ abzurechnen, wäre der Kläger bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat keiner wirksamen Zahlungsverpflichtung
ausgesetzt.
aa) Vorbehaltlich eines anderslautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ
alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen.
Die ärztlichen Leistungen sind in einem Gebührenverzeichnis erfasst (vgl. § 4 Abs. 1
GOÄ) und innerhalb des durch § 5 GOÄ festgelegten Gebührenrahmens zu bewerten.
Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung
wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Gemäß § 12 Abs. 2 GOÄ muss die Rechnung
insbesondere enthalten:
Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des
Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen
verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Bei vollstationären,
teilstationären sowie vor- und nachstationären privatärztlichen Leistungen sind die nach
der GOÄ berechneten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25
von Hundert zu mindern. Abweichend davon beträgt die Minderung für Leistungen und
Zuschläge nach Satz 1 von Belegärzten oder niedergelassenen anderen Ärzten 15 vom
Hundert (§ 6a Abs. 1 Sätze 1 und 2 GOÄ).
bb) Diesen Anforderungen wird die „Rechnung“ der Ärzte Dr. W und P vom 28.
Dezember 2006 nicht gerecht. Die Fälligkeit des ärztlichen Honoraranspruchs trat nicht
aufgrund dieser Rechnung ein. Denn entgegen § 12 Abs. 2 Nr. 1 GOÄ wird das Datum
der Leistungserbringung – ausweislich der Rechnung der D Kliniken B W an die Beklagte
wurde der operative Eingriff am 8. Januar 2007 durchgeführt – nicht genannt. Bereits
dieser Umstand genügt, um das Fehlen einer wirksamen zivilrechtlichen
Zahlungsverpflichtung zu begründen.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die o.g. „Rechnung“ in zahlreichen weiteren
Punkten nicht den von der GOÄ gestellten Anforderungen entspricht. So
Diese schwerwiegenden Mängel stünden allerdings nicht der Fälligkeit der gesamten
„Rechnung“, sondern allenfalls der einzelner Positionen entgegen.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des
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2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des
Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht
vorliegen.
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