Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2007

LSG Berlin und Brandenburg: heizung, amtsblatt, wohnfläche, angemessenheit, unterkunftskosten, wohnungsbau, betriebskosten, wohnraum, räumung, auskunft

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 22.03.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 104 AS 10771/06 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 B 269/07 AS ER
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die 1961 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem 1990 geborenen Sohn in einer 3-Zimmer-Wohnung (beheizbare
Wohnfläche 72 qm, Wohnfläche insgesamt 83,99 qm) in Berlin-S. Die Miete beträgt monatlich 335,12 EUR brutto
zuzüglich einer monatlich im Voraus zu zahlenden Betriebskostenumlage von 141,05 EUR (bis 31. Oktober 2006)
bzw. 118,96 EUR (seit 1. November 2006) und einer im Voraus zu zahlenden Heizungskostenumlage (Heizung und
Warmwasser) in Höhe von 44,74 EUR (bis 31. Mai 2006) bzw. 53, 69 EUR (bis 30. Oktober 2006) bzw. 106,50 EUR
(seit 1. November 2006). Die Antragstellerin ist als Raumpflegerin in Vollzeit beschäftigt (Grundgehalt 658 EUR brutto)
und hat in den Monaten April bis Juni 2006 je nach geleisteter Mehrarbeit ein Nettogehalt zwischen 985,97 EUR und
1061,56 EUR erzielt. Daneben erhält sie Kindergeld in Höhe von 154 EUR, der Sohn, der die Schule besucht, erhält
Unterhaltsleistungen von seinem Vater in Höhe von 316 EUR monatlich. Die Antragstellerin ist aufgrund erheblicher
Kreditverbindlichkeiten überschuldet.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2006 kündigte die Vermieterin wegen Zahlungsverzugs per 7. Juli 2006 in Höhe von 1618,51
EUR nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 569 Abs. 3 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fristlos.
Mittlerweile hat die Vermieterin einen Räumungstitel erwirkt, im Februar 2007 sind nach telefonischer Auskunft der
Vermieterin Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden, die Räumung stehe unmittelbar bevor. Bis zur
Entscheidung des Senats sind nach Auskunft der Vermieterin Mietrückstände in Höhe von 3017 EUR aufgelaufen.
Am 23. August 2006 wandte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner mit dem Antrag, die Mietschulden zu
übernehmen, da ansonsten Wohnungslosigkeit drohe. Laufende Leistungen machte sie ausdrücklich nicht geltend.
Der Antragsgegner stellte für die Zeit ab 1. November 2006 einen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von 662,00 EUR (345 EUR Regelleistung und 41 EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für die Antragstellerin zu 1)
sowie 276 EUR Regelleistung für den Sohn) sowie einen Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von
627,37 EUR fest. Diesem Gesamtbedarf in Höhe von 1289,37 EUR stehe ein Gesamteinkommen in Höhe von
1214,16 EUR gegenüber, so dass ein monatlicher Hilfebedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 75,21 EUR
bestehe. Den Antrag auf Übernahme der Mietschulden lehnte sie mit Bescheid vom 9. November 2006 ab, da die
innegehabte Wohnung nicht erhaltenswert sei. Die Bruttowarmmiete übersteige die für einen 2-Personen-Haushalt
angemessene Miete (440 EUR), so dass eine Übernahme der Mietrückstände nicht gerechtfertigt sei. Zugleich sagte
der Antragsgegner mit Schreiben vom 9. November 2006 zu, künftig eine Bruttowarmmiete bis zu 440 EUR als Bedarf
im Rahmen der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen, solange die übrigen Voraussetzungen weiterhin vorlägen,
und eine Mietkaution in Höhe von maximal 3-Monats-Kaltmieten zu übernehmen.
Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und stellte am 23. November 2006 einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (SG) Berlin. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 5. Dezember
2006 zurückgewiesen. Die Antragstellerin bewohne unangemessen teuren Wohnraum, der über die Vorschrift des § 22
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nicht gefördert werden könne. Mit Sinn und Zweck der
Gesamtregelung des § 22 SGB II stehe es in Einklang, dass auch die Übernahme von Mietschulden deshalb
ausscheiden müsse. Die Entscheidung vom 9. November 2006 könne daher nicht als ermessensfehlerhaft angesehen
werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat und die die Antragstellerin trotz
ausdrücklicher Aufforderung unter Fristsetzung am 31. Januar 2007 und am 9. März 2007 nicht begründet hat.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) kann in der Sache keinen Erfolg
haben.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass das Vorliegen eines Anordnungsgrundes
(Eilbedürftigkeit) und eines Anordnungs-anspruchs (materieller Anspruch in der Sache) glaubhaft gemacht wird.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anordnungsanspruch kann nur § 22 Abs. 5 SGB II (in der Fassung
des Artikels 1 Nr. 6 c des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom
24. März 2006, BGBl I Seite 558) sein. Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können
danach auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies
gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Mit dieser zum 1. April 2006 in Kraft
getretenen Änderung des § 22 Abs. 5 SGB II ist die Übernahme von Schulden (Mietschulden und/oder
Energieschulden), die für die Sicherung der Unterkunft unabweisbar ist, unmittelbar im SGB II und nicht mehr durch
Verweis auf § 34 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt worden, ohne dass das bis dahin in der
Sozialhilfepraxis übliche Verfahren in der Sache geändert werden sollte (vgl. BT-Drucks 16/688 S. 14). Daher kann zur
Auslegung von § 22 Abs. 5 SGB II ohne weiteres auf Literatur und Rechtsprechung zu § 34 SGB XII und zu der bis
zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorgängervorschrift § 15 a BSHG zurückgegriffen werden. Im Verfahren auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes brauchte nicht geklärt zu werden, ob der Anspruch auf Übernahme von
Mietschulden sämtlichen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu gleichen Anteilen oder – abweichend vom
Regelungskonzept des SGB II im Übrigen – nur demjenigen zusteht, der den zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt
ist. Denn ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden scheidet vorliegend jedenfalls aus.
§ 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II eröffnet dem Leistungsträger eine Ermessensentscheidung. Für den Fall bereits drohender
Wohnungslosigkeit ist das Ermessen allerdings eingeschränkt. Nach Satz 2 sollen in diesen Fällen die Schulden
übernommen werden, sofern die Tatbestands-voraussetzungen erfüllt sind. In diesen Fällen ist die Übernahme von
Schulden der Regelfall; der Träger der Grundsicherung kann nur in atypischen Einzelfällen von Leistungen (nach § 22
Abs. 5 Satz 3 SGB II zumeist in Form eines Darlehns) zur Mietschuldentilgung absehen.
Soweit ein Anspruch nach § 22 Abs. 5 SGB II nur für Hilfebedürftige besteht, denen laufende Leistungen für
Unterkunft und Heizung erbracht werden, ist nach Auffassung des Senats ausreichend ein Anspruch auf Leistungen
für Unterkunft und Heizung dem Grunde nach, der an die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin im Sinne der §§ 7, 9ff
SGB II geknüpft ist. Mit dieser Einschränkung des berechtigten Personenkreises sollen erwerbsfähige Personen von
Leistungen nach § 22 SGB II ausgeschlossen werden, die über hinreichendes Einkommen zur Deckung der laufenden
Unterkunftskosten verfügen, denen aber gleichwohl allein wegen Mietschulden Wohnungslosigkeit droht (Mester, ZfF
2006, 97, 98). Über Leistungsansprüche muss aber nicht positiv entschieden sein (Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, §
22 RdNr. 111). Da die Antragstellerin und ihr Sohn erwerbsfähig sind und ihre Einkünfte den aktuell bestehenden
Bedarf nicht decken, besteht – wovon auch der Antragsgegner ausgeht – ein Anspruch auf laufende Leistungen für
Unterkunft und Heizung; unerheblich ist dabei, dass die Antragstellerin auf die Auszahlung solcher Leistungen in der
Vergangenheit verzichtet hat. Vorliegend droht durch die bevorstehende Räumung auch Wohnungslosigkeit. Die
Übernahme von Mietschulden ist jedoch nicht gerechtfertigt, so dass mangels Erfüllung der
Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II gleichwohl ein Anspruch nicht besteht.
Der Senat teilt insoweit den Ausgangspunkt des Antragsgegners und des SG, dass eine Leistung nach § 22 Abs. 5
SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist (so auch Berlit
aaO § 22 RdNr. 112 mit Hinweisen auf entsprechende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; Mester aaO S. 100;
Landes-sozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2006 - L 19 B 751/06 AS ER, nicht
veröffentlicht; ebenso zu § 34 SGB XII Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. August 2006 - L 7
SO 2938/06 B-ER, zitiert nach juris, dort RdNr. 5). Die Hilfegewährung zur Sicherung der Unterkunft verfolgt immer
das Ziel des längerfristigen Erhalts einer angemessenen Unterkunft. Der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II,
wonach bei neu in den Bezug von SGB II Leistungen Kommenden zunächst die Unterkunftskosten in voller Höhe zu
übernehmen sind, ist keine andere Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen (so aber Landessozialgericht Bremen-
Niedersachsen, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - L 9 AS 529/06 ER, zitiert nach juris, dort RdNr. 20). Zwar
beinhaltet § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Zumutbarkeitsregelung, die es verhindern soll, dass Leistungsberechtigte
ggf. sofort (bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen werden sollen, ihre bisherige Wohnung aufzugeben (BSG
Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R; zitiert nach juris, dort RdNr. 24). Diesem Zweck widerspricht es aber
nicht, wenn bei unangemessen teuren Wohnungen gleichwohl Mietschulden nicht übernommen werden. Denn auch die
Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zeigt, dass ein langfristiger Erhalt unangemessen teurer Wohnungen nicht
erwünscht ist. Den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird auch im Rahmen dieser Regelung lediglich eine zeitlich
überschaubare Frist eingeräumt, innerhalb derer sie die Möglichkeit haben, die Kosten für die Unterkunft auf das
angemessene Maß zu senken. Die gleichzeitige Übernahme von Mietschulden ist hierfür nicht notwendig, denn es
verbleibt mit der Übernahme von laufenden Mietkosten – wie auch der vorliegende Fall zeigt – zumeist die vom
Gesetzgeber vorgesehene Frist zur Suche einer angemessenen Wohnung. Nur wenn aufgrund des örtlichen
Wohnungsmarktes die Möglichkeit der Kostensenkung durch Umzug nicht besteht, sind die laufenden Aufwendungen
dauerhaft und in Konsequenz dazu auch die Mietschulden zu übernehmen. Ob Mietschulden für eine unangemessen
teuere Wohnung ausnahmsweise dann zu übernehmen sind, wenn die Angemessenheit der Unterkunftskosten für die
Zukunft durch andere Maßnahmen als einen Umzug erreicht worden sind (etwa Untervermietung), braucht hier nicht
entschieden zu werden.
Ob die innegehabte Wohnung angemessen ist, ist allerdings entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des
SG nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung
gemäß § 22 SGB II (AVWohnen) zu bestimmen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R, zitiert nach juris RdNr. 19ff), von der
abzuweichen der Senat nach erster Prüfung keinen Anlass sieht, vielmehr eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist
zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von
Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen
Mietwohnungsbaus. In Berlin erscheint damit für 2 Personen eine 2-Zimmer-Wohnung angemessen, vgl. insoweit die
zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) iVm § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz
(WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 (Mitteilung
Nr. 8/2004), und zwar mit einer Größe bis zu 65 qm, vgl. insoweit die im Land Berlin maßgeblichen Richtlinien für den
öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 –WFB 1990 -) vom 16.
Juli 1990 (Amtsblatt 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13.
Dezember 1992 (VVÄndWFB 1990;Amtsblatt 1993, 98 f). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem
Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als
Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. Letztlich kommt es darauf an, dass das
Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht
(so genannte Produkttheorie, vgl BSG aaO).
Zur Bestimmung des angemessenen Mietzinses stützt sich der Senat auf den örtlichen, gemäß §§ 558c und 558d
BGB qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 22. August 2005 (Amtsblatt 2005 S. 3109 und Amtsblatt 2006
S. 515) und den Nachtrag zum Berliner Mietspiegel 2005 vom 22. Mai 2006 (Amtsblatt S. 1928). Die Wohnung der
Antragstellerin liegt in einer mittleren Wohnlage. Im Bezirk S sind jedoch genügend Vergleichswohnungen in einfacher
Wohnlage vorhanden. Die Spannen für solche Wohnungen in einfachen Wohnlagen reichen von 4,19 EUR pro m² bei
Bezugsfertigkeit bis 1918 (mit Sammelheizung und Bad) bis zu 5,01 bzw. 6,50 EUR bei Bezugsfertigkeit in den
Jahren ab 1973 in Berlin (West), wobei die Mietwerte für die Bezugsjahre ab 1973 wegen der geringen Zahl der
vorhandenen und erhobenen Daten in diesem Mietsegment nur bedingte Aussagekraft haben. In dem von der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin herausgegebenen 4.
Wohnungsmarktbericht (Berliner Wohnungs-marktbericht 2005) für das Jahr 2004 ist schließlich als gewichteter
Mietspiegelwert (alle Wohnungen, nettokalt) ein Betrag von 4,49 EUR pro m² sowie als durchschnittliche Miete im
sozialen Wohnungsbau (1. Förderweg, nettokalt) ein Betrag von 4,48 EUR festgestellt worden. Ausgehend von den
zuletzt genannten Zahlen (die nicht nur die einfachen Wohnlagen betreffen) und selbst wenn man zugunsten der
Antragstellerin abweichend vom Berliner Mietspiegel und den AVWohnen von zusätzlichen "warmen" Betriebskosten
von mittlerweile durchschnittlich 2,74 EUR pro m² ausgeht (vgl. Betriebskostenspiegel 2006 des Deutschen
Mieterbundes unter http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-2.html), ergibt sich nach alledem eine
Angemessenheitsgrenze für Bruttowarmmieten in Höhe von 469,95 EUR (291,85 EUR Kaltmiete und 178, 10 EUR
Betriebskosten). Diese Kosten werden vorliegend mit der innegehabten Wohnung (560,58 EUR abzüglich der
Pauschale für Warmwasser) erheblich überschritten.
In einem weiteren Schritt ist im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen, dass eine andere
bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugängig ist. Andernfalls sind die
Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als angemessen anzusehen (BSG aaO RdNr. 22). Der Senat
teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass 2-Zimmer-Wohnungen, die nach den dargestellten abstrakten Kriterien
angemessen sind, in einfacher Wohnlage in S kurzfristig verfügbar sind. Der Berliner Mietmarkt ist derzeit (noch)
entspannt. Die Antragstellerin hat demgegenüber offenbar noch keinerlei Anstrengungen unternommen, in eine
(kleinere und) günstigere Wohnung umzuziehen, so dass entgegenstehende Anhaltspunkte im vorliegenden Einzelfall
nicht erkennbar geworden sind.
Da die Übernahme der Mietschulden schon deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil die Unterkunft nicht angemessen ist,
brauchte nicht zu ermittelt werden, ob die Übernahme der Mietschulden überhaupt noch geeignet wäre, die bisherige
Wohnung zu erhalten. Die Rechtswirkungen der Kündigung lassen sich vorliegend nicht mehr vermeiden, weil die Frist
des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB verstrichen ist. In Betracht kommt allenfalls, dass die Vermieterin, eine große
Immobiliengesellschaft, angesichts des teilweisen Leerstandes ihrer Wohnungen bei Übernahme der Schulden bereit
gewesen wäre, einen neuen Mietvertrag abzuschließen.
Eine abschließende Klärung der vorliegenden Rechtsfragen durch höchstrichterliche Rechtsprechung steht noch aus.
Auch eine Folgenabwägung (vgl. hierzu Bundesver-fassungsgericht Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -
Seite 8 mwN = NVwZ 2005, 927 ff) führt aber nicht zum Erfolg der Antragstellerin. Die Aufgabe der größeren 3-
Zimmer-Wohnung muss der Antragstellerin abverlangt werden; eine Aufgabe ihres weiteren Wohnumfeldes ist damit
nicht verbunden, da es auch in dem von ihr bewohnten Stadtteil einfache Wohnlagen mit angemessenem Wohnraum
gibt. Wie oben ausgeführt ist längerfristige Wohnungslosigkeit als Folge der Ablehnung des Antrages nicht zu
gewärtigen. Zudem hat der Antragsgegner bereits andere Hilfen zur Erlangung angemessenen Wohnraumes
angeboten. Mit der erteilten Zusicherung vom 9. November 2006 ist die Antragstellerin in der Lage, die
Schwierigkeiten, die sich bei der Wohnungssuche ergeben, wenn aus vorangegangenen Mietverhältnissen noch
Schulden bestehen, zu umgehen. Der Antragsgegner stellt im Übrigen auch weitere Hilfen (Umzugskosten und ggf.
Kosten für eine Übergangs-wohnung oder Pension) in Absprache mit dem Bezirksamt S zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).