Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.12.2007

LSG Berlin und Brandenburg: berufliche tätigkeit, degenerative veränderung, anerkennung, befund, gutachter, merkblatt, zahnarzt, kausalität, einwirkung, berufskrankheit

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 17.12.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 25 U 532/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 338/06
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2006 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Berufskrankheit (BK) Nr. 2106 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Drucklähmungen bzw. ab 01. Oktober 2002: Druckschädigung der Nerven -.
Der 1944 geborene Kläger war seit 1975 als Zahnarzt selbständig tätig und bei der Beklagten freiwillig versichert.
Ende 2000 gab er seine Praxis wegen Beschwerden der Halswirbelsäule auf. Am 19. Juni 2002 wandte sich der
Kläger unter Hinweis auf einen Zeitungsartikel über die Aufnahme der berufsbedingten Druckschäden der Nerven als
BK in die BKV an die Beklagte und bat, seinen "Krankheitsfall neu zu beurteilen".
Die Beklagte zog zunächst die Unterlagen aus dem Verfahren auf Anerkennung der BK Nr. 2109
(bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule) bei. Aus den medizinischen Unterlagen ergab sich, dass
bei dem Kläger bereits am 18. August 1998 eine ossäre Spinalkanalstenose bei C 4/5 und C 5/6 mit
Kompressionsmyelopathie festgestellt worden war (Bericht von Dr. M vom 10. Februar 2000). Der neurologische
Befund war 1999 normal (Bericht des Orthopäden Dr. D vom 14. April 1999). Mit bindendem Bescheid vom 26.
Oktober 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung der BK Nr. 2109 ab, weil die
arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 gab der Kläger an, bis
1998 als selbständiger Zahnarzt mit Kassenzulassung gearbeitet zu haben. Er habe im Durchschnitt 20 bis 25
Patienten am Tag behandelt. Bis auf kieferorthopädische Behandlungen habe er alle anfallenden Behandlungen
konservativer, prothetischer und chirurgischer Art ausgeführt, wobei Prothetik und Chirurgie etwa die Hälfte der
Behandlungszeit ausgemacht hätten. Er legte den Bericht einer Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule vom 12. April
2001 vor, aus dem sich der Befund einer ausgeprägten Osteochondrose mit Spondylosen, Uncarthrosen und
Foraminalstenosen C 5/6 beidseits und eine Steilstellung der Halswirbelsäule ergab. In einer beratungsärztlichen
Stellungnahme vom 22. Januar 2003 führte der Chirurg Dr. B aus, das vorliegende Krankheitsbild sei nicht der BK Nr.
2106 zuzuordnen. Es handele sich vielmehr um eine fortgeschrittene degenerative Veränderung der Halswirbelsäule.
Durch knöcherne Anbauten und durch Bandscheibendegenerationen mit Vorfällen in den Segmenten C 5/6 und C 6/7
sei es zu Schädigungen sowohl des Rückenmarks selbst (Kompressionsmyelopathie) wie auch der in dieser Höhe
austretenden Nervenwurzeln gekommen. Folge seien die Gefühlsstörungen und die motorischen Defizite im Arm-
Hand-Bereich. Für die BK Nr. 2109 fehle es an einer berufsspezifischen Belastung. Wenn es durch berufsunabhängige
Veränderungen der Halswirbelsäule - wie hier - zu Schädigungen des Halsmarks und /oder der Nervenwurzeln komme,
sei das eine Folge der BK-unabhängigen Erkrankung, nicht aber eine BK Nr. 2106. Durch die zahnärztliche Arbeit
komme es auch weder zu Einwirkungen auf Hand-, Arm- oder Schulternerven noch werde durch die Kopfbewegungen
und -haltungen bei dieser Beschäftigung die Halswirbelsäule geschädigt.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Gewerbeärztin M vom 12. Februar 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung
der BK Nr. 2106 der Anlage zur BKV ab, da das Krankheitsbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung der
Halswirbelsäule nicht der BK Nr. 2106 zuzuordnen sei, sondern dem Krankheitsbild einer BK Nr. 2109 entspreche.
Hierzu sei bereits am 26. Oktober 2001 eine Entscheidung getroffen worden. Außerdem komme es bei der
zahnärztlichen Tätigkeit weder zu schädigenden Einwirkungen auf Hand-, Arm- oder Schulternerven noch werde durch
die Kopfbewegungen und Kopfhaltungen bei dieser Beschäftigung die Halswirbelsäule geschädigt. Mit dem dagegen
eingelegten Widerspruch machte der Kläger, der seine Tätigkeit eingehend beschrieb, geltend, die Druckschädigung
einzelner Nerven i. S. der BK Nr. 2106 werde durch die sich wiederholenden gleichartigen Körperbewegungen im Sinne
von mechanischen Überbelastungen mit haltungskonstanten Arbeiten bedingt. Dabei rührten diese haltungskonstanten
Arbeiten aus einer nicht oder nur schwer korrigierbaren Zwangshaltung her, wie dies bei der von ihm beschriebenen
Arbeit am Zahnarztstuhl der Fall sei.
Die Beklagte zog darauf hin eine Stellungnahme des Dipl. Ing. S vom Präventionsdienst der Beklagten vom 17. Juni
2004 bei, der zu dem Ergebnis kam, aufgrund der Angaben des Klägers müsse davon ausgegangen werden, dass die
arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, denn mit der Zahnarzttätigkeit seien haltungskonstante Arbeiten
mit schwer korrigierbaren Zwangshaltungen i. S. der BK Nr. 2106 verbunden. Die weiteren Gefahrenquellen, wie sie im
Merkblatt zur BK Nr. 2106 angegeben seien, könnten infolge der Angaben des Klägers zu den Arbeitstechniken vor
allem in den ersten Jahren seiner praktischen Tätigkeit (vor 1990) angenommen werden, wobei es sich sicherlich nicht
um Arbeiten mit hohen Repetitionsraten gehandelt haben dürfe.
Die Beklagte veranlasste dann eine Begutachtung durch Prof. Dr. E/Dr. W/Dr. T. Die Gutachter kamen in dem
Gutachten vom 07. Dezember 2004 zu dem Ergebnis, bei dem Kläger sei eindeutig eine degenerative ossäre
Spinalkanalstenose der Halswirbelsäule im Bereich C 4/5 und C 5/6 mit funktionsspezifischer, d. h. durch bestimmte
Bewegungen auslösbarer Kompressionsmyelopathie nachgewiesen, die die vom Kläger beschriebenen Beschwerden
und Funktionsausfälle verursachten. Diese degenerativen Erkrankungen entsprächen nicht den Voraussetzungen der
BK Nr. 2106. An diesem Gutachten übte der Kläger Kritik, der sich die Beklagte nicht anschloss. Sie wies vielmehr
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2005 unter Bezugnahme auf das von ihr veranlasste
Gutachten zurück.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine
Erkrankung im Bereich der Halswirbelsäule eine entschädigungspflichtige BK sei. Der Leistungsbeginn sei auf den
Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auszudehnen, denn die Beklagte habe schon damals zu Unrecht nur die BK
Nr. 2109, jedoch pflichtwidrig die BK Nr. 2106 nicht geprüft. Er hat seine Kritik an dem von der Beklagten eingeholten
Gutachten wiederholt. Dieses sei, wenn überhaupt, nur als Privatgutachten zu verwerten.
Durch Gerichtsbescheid vom 21. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, der Kläger sei nicht an einer BK Nr. 2106 erkrankt. Er habe deshalb auch keinen Anspruch auf
Entschädigungsleistungen. Im Weiteren hat sich das Sozialgericht auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen
Widerspruchsbescheids bezogen und ergänzend unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur ausgeführt,
Gegenstand der BK Nr. 2106 seien nicht Nervenschäden durch bestimmte Erkrankungen der Halswirbelsäule, die über
andere BKen erfasst seien, wie z. B. bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule. Für das Vorliegen der
BK Nr. 2106 sei eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch
zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend. Die Beschwerden des Klägers seien jedoch einer
Erkrankung der Halswirbelsäule zuzuordnen. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. E/Dr. W/Dr. T, das im
Wege des Urkundsbeweises verwertet werden könne. Das Gutachten entspreche auch den Regeln der ärztlichen und
gutachterlichen Kunst. Ob und in welchem Umfang Prof. Dr. E an der Untersuchung und Erstellung des Gutachtens
mitgewirkt habe, bedürfe keiner Entscheidung, denn es handele sich nicht um ein gerichtliches
Sachverständigengutachten. Die Vorschrift des § 407 a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) greife deshalb nicht. Für
die Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens sei es nicht relevant, dass hinsichtlich des
Geschlechts des Klägers ein offenbarer Schreibfehler vorliege. Auch sei nicht ersichtlich, dass im Gutachten
Textbausteine verwendet oder Feststellungen des Dipl. Ing. S tendenziös und unvollständig wiedergegeben worden
seien. Die entscheidende gutachterliche Feststellung betreffe die Zuordnung der Beschwerden des Klägers zu einer
Erkrankung der Halswirbelsäule im Bereich C 4/5 und C 5/6 und stütze sich nicht auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung
von arbeitstechnischen Voraussetzungen. Da aber bereits kein Erkrankungsbild i. S. der BK Nr. 2106 nachgewiesen
sei, bedürfe es keiner Entscheidung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Gegen den am 27. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22. Dezember 2006 eingelegte
Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, der Vorderrichter hätte eine kritische Distanz zum Parteigutachten
der Beklagten zeigen müssen, insbesondere seinem, des Klägers, Parteivortrag Rechnung tragen und seinen schon
im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Beweisantritten nachgehen müssen. Vor allem hätte er sich von den
rechtlichen Vorgaben der BK Nr. 2106 leiten lassen müssen, insbesondere den dort festgelegten
differentialdiagnostischen Ansatz zum Maßstab all seiner Überlegungen machen müssen. Der Begriff der
Differentialdiagnostik sei jedoch weder substantivisch noch adjektivisch und schon gar nicht inhaltlich vorgekommen.
Stattdessen habe der Vorderrichter distanzlos ein inhaltlich unzulängliches und zudem in der Form schlecht
gemachtes Parteigutachten verteidigt. Der Kläger ist weiter der Auffassung, die bei ihm nachgewiesenen Befunde,
insbesondere die MRT-Befunde, seien auf eine langfristige Zwangshaltung zurückzuführen, wie sie bei Zahnärzten auf
Grund ihrer gebückten Arbeitshaltung die Regel sei. Dies gelte insbesondere in Anbe¬tracht der bis in die frühen
1990er Jahre üblichen Praxisausstattung. Die Umstände, unter denen er gearbeitet habe, seien vom "fachtechnisch-
medizinischen Dienst" der Beklagten festgestellt und bestätigt worden. Aufgrund dieser Umstände sei das
Krankheitsbild eines Zervikalsyndroms bei spinaler Stenose mit Myelopathie C 4 bis C 6 ursächlich auf seine
Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Aus der nach rechts gekrümmten Zwangshaltung und der Rechtsbetonung der
Beschwerden ergebe sich ein Beweis des ersten Anscheins nicht nur für die Ursächlichkeit der Zwangshaltung für die
festgestellten Beschwerden, sondern auch dahingehend, dass aus differentialdiagnostischer Sicht für die
Ursächlichkeit seines Leidens alltägliche Abnutzungserscheinungen auszuschließen seien. Sein Beschwerdebild
entspreche sowohl hinsichtlich der Ursachen als auch der Symptomatik der BK Nr. 2106. Auch dränge sich ein
Vergleich der bei der zahnärztlichen Behandlung einzunehmenden Zwangshaltungen mit denen von Berufsmusikern
geradezu auf, bezüglich derer bei Auftreten der entsprechenden Symptome die Kausalität anerkannt sei. Der Kläger
macht außerdem geltend, allein der Umstand, dass offensichtlich das Krankheitsbild der BK Nr. 2109 vorliege,
schließe nicht aus, dass die BK Nr. 2106 zusätzlich gegeben sei. Dies gelte umso mehr, als in der Tabelle 2 der BK
Nr. 2106 ausdrücklich Bandscheibenschäden in die differentialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen seien.
Aufgrund der Feststellungen des Präventionsdienstes habe er außerdem einen Anspruch auf Neubescheidung und
Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2001.
Der Kläger hat zunächst mit Schriftsatz vom 13. November 2007 auch die Aufhebung des Bescheids vom 27. August
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2007 sowie die Feststellung beantragt, dass seine
Erkrankung im Bereich der Halswirbelsäule eine BK Nr. 2109 und zu entschädigen sei. Nachdem die Beklagte im
Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie willige nicht in die Klageänderung ein, beantragt er nur noch,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2006 und den Bescheid vom 26. März 2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm
Entschädigungsleistungen wegen der Berufskrankheit Nr. 2106 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung zu
gewähren.
Außerdem stellt der Kläger einen Beweisantrag, wegen dessen Einzelheiten auf den als Anlage zum Protokoll
gegebenen Schriftsatz vom 17. Dezember 2007 verwiesen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt aus, der Kläger verkenne nach wie vor, dass er nicht an einem Krankheitsbild der BK Nr. 2106
leide. Drucklähmungen infolge von Kompressionen bei degenerativen oder entzündlichen Erkrankungen an der
Wirbelsäule seien ausdrücklich nicht Gegenstand dieser BK.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger seinen Klageantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung
beschränkt hat, allein der Bescheid vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2005,
mit dem die Beklagte die Anerkennung der BK Nr. 2106 abgelehnt hat. Diese Entscheidung der Beklagten ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat,
keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der BK Nr. 2106, bei der es sich bis zum 30. September 2002
um Drucklähmungen (a. F.) und mit Inkrafttreten der Verordnung vom 05. September 2002 zum 01. Oktober 2002 um
eine Druckschädigung (n. F.) der Nerven handeln muss. Gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BKV kommt hier die BK Nr. 2106 a.
F. noch in Betracht, weil der Kläger die Entschädigung noch im Juni 2002 geltend gemacht hat. Bei ihm liegt aber
weder eine Lähmung noch eine sonstige Schädigung der Nerven vor, die wahrscheinlich auf beruflich verursachtem
Druck beruht.
Nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen, die nach
dem dritten Kapitel des SGB VII zu entschädigen sind. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten
Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Nach Nr. 2106 der Anlage zur BKV sind Drucklähmungen der Nerven
bzw. ab 01. Oktober 2002 Druckschädigungen der Nerven als BK anzusehen. Weitere Voraussetzungen sind im
Verordnungstext nicht normiert.
Die Anerkennung der BK im konkreten Einzelfall setzt voraus, dass die schädigende Einwirkung ihre rechtlich
wesentliche Ursache in der versicherten Tätigkeit haben muss (haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende
Einwirkung die Gesundheitsstörung verursacht hat (haftungsausfüllende Kausalität). Hierbei reicht sowohl bei der
haftungsbegründenden wie auch bei der haftungsausfüllenden Kausalität die Wahrscheinlichkeit des
Ursachenzusammenhangs aus, d. h. nach vernünftiger Abwägung aller Umstände müssen die auf die berufliche
Verursachung der Krankheit deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden
kann (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten
schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen dagegen im Sinne des Vollbeweises, d. h.
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden.
Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 2106, wie der Präventionsdienst der
Beklagten in seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2004 meint, erfüllt sind, kann dahin stehen. Der Kläger leidet zwar an
einer Schädigung des Rückenmarks (Kompressionsmyelopathie) und der in der Höhe C 4/5 und C 5/6 austretenden
Nervenwurzeln, wie Dr. B in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2003 und die Gutachter Prof. Dr. E/Dr. W/Dr. T in
dem Gutachten vom 07. Dezember 2004 festgestellt haben. Der Senat hält es aber nicht für wahrscheinlich, dass die
Nervenschädigung durch seine berufliche Tätigkeit als Zahnarzt verursacht worden ist. Je nach Art der ausgeübten
Tätigkeit werden bestimmte Nerven besonders betroffen, vorwiegend die oberflächlich verlaufenden motorischen
Nerven, die durch ihre Lage einer von außen kommenden anhaltenden Einwirkung gut zugänglich sind. Eine
Nervenschädigung kann z. B. eintreten, wenn ein Nerv wiederholten mechanischen Einwirkungen auf Grund einer
anatomischen Enge nicht genügend ausweichen kann, z. B. über eine knöcherne Unterlage, innerhalb eines
knöchernen oder fibrösen Kanals oder an Sehnenkreuzungen. Sowohl motorische als auch sensomotorische Nerven
oder Nervenanteile können geschädigt sein. Für das Vorliegen einer BK kennzeichnend ist eine eindeutige Beziehung
zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen
Befund. Der elektroneurographische Nachweis einer Veränderung der peripheren Nervenleitfähigkeit ist dabei in der
Regel unverzichtbar (so Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit vom 01. Oktober 2002 zur BK Nr. 2106,
abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, M 2106 Abschnitt IV a. E.). Nicht Gegenstand der BK sind akute traumatische
Nervenschädigungen, das Carpaltunnel-Syndrom bzw. Nervenschäden durch bestimmte Erkrankungen, die über
andere BKen erfasst sind wie etwa bandscheibenbedingte Erkrankungen der Hals- oder Lendenwirbelsäule (vgl.
Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. A. 2003, Kap. 5.7.).
Nach den vorliegenden, im Verwaltungsverfahren zur BK Nr. 2109 eingeholten medizinischen Unterlagen sind keine
der Lokalisation eines einwirkenden Drucks auf Nerven durch die Tätigkeit als Zahnarzt, wie sie der Kläger geschildert
hat, zuzuordnenden Befunde erhoben worden. Der Kläger leidet, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, an einer
ossären, d. h. knöchernen, Spinalstenose C 4/5 und C 5/6 mit Kompressionsmyelopathie. Der Facharzt für
Allgemeinmedizin L-B führte in seinem Attest vom 03. Dezember 2000 aus, bei der neurologischen Untersuchung
seien die Muskeleigenreflexe seitengleich auslösbar gewesen. Die Hypästhesie bestehe im Bereich des rechten
Oberarms bzw. bis in die rechte Hand hinein, den Segmenten C 5-C 7 entsprechend. Nachdem die Befunde sich
zeitweise gebessert hatten, stellte der Arzt sofort wiederauftretende Beschwerden bei der HWS-Flexion von 25° fest.
In seinem Krankheitsbericht bei Wirbelsäulenerkrankung vom 26. Februar 2000 berichtete er von einschießenden
radikulären Schmerzen in den rechten Arm bei einer HWS-Flexion ab ca. 15° bei seiner letzten Befunderhebung am
20. November 1998. Dr. M berichtete am 10. Februar 2000 von einer Dysästhesie und Schwäche in beiden Armen im
Bereich der Wurzel C 6/7. Bei der letzten Untersuchung am 07. Juni 1999 wurde der Befund einer Dysästhesie der
Finger I-III links mehr als rechts bei Flexion und Rotation des Kopfes entsprechend der Arbeit auf dem Zahnarztstuhl
erhoben. Diese Angaben wiederholte er in seinem Krankheitsbericht bei Wirbelsäulenerkrankung vom 19. Juni 2001.
Die Heilpraktikerin K gab in ihrem Bericht vom 03. November 1998 an, der Kläger habe einen Bandscheibenvorfall bei
C 5/6 erlitten. Als Begleiterscheinungen leide er an Schlaflosigkeit. Weitere Symptome seien erhebliche
Spannungskopfschmerzen im Nacken- und Schulterbereich, die mit temporären Taubheitsgefühlen in beiden Händen
einhergingen. Der Orthopäde Dr. D berichtete unter dem 17. November 1998, 11. Februar und 14. April 1999 von
einem praktisch normalen neurologischen Befund. Er gab in seinen Berichten die Ergebnisse der neurologischen
Konsile vom 19. August 1998 und 12. Februar 1999 wieder. Danach fand sich elektromyographisch kein Anhalt für
eine Wurzelläsion, die neurographischen Werte des rechten Arms waren unauffällig. Auch Dr. D nahm Bezug auf die
bekannte Erkrankung der Halswirbelsäule. Weitere Behandlungen haben nach Angaben des Klägers, der im Übrigen
nur Rechnungen über medizinische Behandlungen vorgelegt hat, nicht stattgefunden. Aus den Berichten lässt sich
übereinstimmend ableiten, dass alle behandelnden Ärzte und die Heilpraktikerin die Beschwerden in den Armen auf
die Spinalkanalstenose zurückführen, denn die Beschwerden entsprechen den veränderten Segmenten C 5-7 und
treten unmittelbar bei der Flexion der Halswirbelsäule auf. Auch das von der Beklagten veranlasste Gutachten vom
07. Dezember 2004 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Druckschädigung der Nerven nicht vorliegt. Gegenüber den
Gutachtern hat der Kläger ebenfalls davon berichtet, eine akute Beschwerdezunahme durch eine Vorwärtsneigung des
Oberkörpers und eine Rechtsdrehung des Kopfes provozieren zu können. Dadurch komme es zu einem
Wiederauftreten der starken Schmerzen und zu einer Kraftlosigkeit im Bereich des rechten Arms sowie zu
ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm. Die Gutachter haben unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem
Merkblatt zur BK Nr. 2106 ausgeführt, dass eine Druckschädigung der peripheren Nerven nicht vorliegt. Ihre
Schlussfolgerung, dass die Beschwerden und Funktionsausfälle, an denen der Kläger leidet, auf die
Spinalkanalstenose zurückzuführen sind, ist angesichts der Vorbefunde schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat hat
keine Bedenken, den gutachterlichen Feststellungen zu folgen. Er hat auch keine Zweifel an der Kompetenz der
Gutachter.
Der Vorwurf des Klägers, der differentialdiagnostische Ansatz der BK sei von den Gutachtern nicht beachtet worden,
ist für den Senat unverständlich. Als Differenzialdiagnose bezeichnet man die Gesamtheit aller Diagnosen, die
aufgrund der erfassten Untersuchungsergebnisse in Frage kommen (Zetkin/Schaldach, Lexikon der Medizin, 16. A.
1998, S. 437). Durch die Zurückführung der Beschwerden auf das Zervikalsyndrom ist gerade eine solche
Differentialdiagnose getroffen worden, denn die Gutachter haben abgewogen, ob die berufliche Tätigkeit oder die
Spinalkanalstenose ursächlich für die Nervenschäden ist. Das Ergebnis ihrer Beurteilung berücksichtigt die
medizinischen Erkenntnisse in dem Merkblatt zur BK Nr. 2106 (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 2106 in
Mehrtens/Brandenburg, M 2106 Abschnitt IV). Auch die Auffassung, das Gutachten sei nicht zu verwerten, überzeugt
den Senat nicht. Die Beklagte hat ein Gutachten eines nicht in ihrem Dienst stehenden Arztes eingeholt. Wird - wie
hier - ein Gutachten beigezogen, das eine Verwaltungsbehörde eingeholt hat, ist dieses als Urkundsbeweis bei der
Entscheidungsfindung zu verwerten. Dabei handelt es sich nicht um ein Privatgutachten (vgl. BSG in SozSich 1989,
S. 220). Das Gutachten kann auch Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein (BSG SozR § 118 Nr. 66). Selbst
der Umstand, dass das Gutachten von Prof. Dr. E/Dr. W/Dr. T recht knapp gehalten ist, rechtfertigt allein kein
Abweichen davon. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Ergebnis der Begutachtung eindeutig ist. Wegen der
weiteren Einwendungen zur Verwertbarkeit des Gutachtens bezieht sich der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger hat keine neuen medizinischen Berichte und Befunde vorgelegt, die den Senat veranlassen müssten,
weiteren medizinischen Beweis zu erheben. Deshalb war dem erstmals im Termin am 17. Dezember 2007 gestellten
Antrag des Klägers, einen medizinischen Sachverständigen zu hören, nicht nachzugehen. Der Antrag des Klägers ist
außerdem unzulässig, denn ein zulässiger Antrag setzt neben der Bezeichnung des Beweisthemas und des
Ergebnisses, zu dem der Sachverständige gelangen soll (§ 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 403
ZPO), auch die Benennung eines Sachverständigen voraus. Es bedarf zwar keiner namentlichen Benennung des
Sachverständigen, denn die Auswahl des zu beauftragenden Sachverständigen erfolgt gemäß § 118 Abs. 1 SGG i. V.
m. § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO durch das Prozessgericht. Dem Gericht muss aber die Ermittlung eines brauchbaren
Sachverständigen ermöglicht werden. Es muss deshalb die medizinische (Fach-) Richtung vorgegeben werden, aus
der das Sachverständigengutachten für erforderlich gehalten wird (so Fichte, Der Beweisantrag im Rentenrecht wegen
Erwerbsminderung, in Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, S. 653 ff., S. 655 m. w. N.). Daran fehlt es aber hier, denn der
Kläger hat nicht erklärt, ob das Gutachten auf orthopädischem, chirurgischem, neurologischem oder
neurochirurgischem Fachgebiet eingeholt werden soll. Darüber hinaus ist das Beweisthema auch nicht geeignet, zur
Aufklärung des streitigen Kausalzusammenhangs beizutragen. Dem Antrag, der Sachverständige werde ausführen,
dass aufgrund des differentialdiagnostischen Ansatzes der BK Nr. 2106 zu klären sei, ob die Schädigung der hier
maßgeblichen Nerven auch unmittelbar durch seine Zwangshaltung verursacht worden sei, fehlen nämlich die genau
zu benennenden Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.