Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.06.2007

LSG Berlin-Brandenburg: belastung, stationäre behandlung, diabetes mellitus, berufliche tätigkeit, druck, berufskrankheit, anerkennung, baustelle, einwirkung, wahrscheinlichkeit

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 3 U 157/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 SGB 7, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7,
Nr 2106 BKV
Druckschädigung der Nerven; Berufskrankheit;
arbeitstechnische Voraussetzungen
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni
2007 abgeändert.
Die Klage wird auch im Übrigen abgewiesen.
Kosten sind für das gesamte Streitverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten zuletzt noch die Anerkennung einer
Berufskrankheit nach Nr. 2106 (BK 2106) der Anlage der Berufskrankheitenverordnung
(BKV) – Druckschädigung der Nerven -.
Der 1950 geborene Kläger war seit dem 13. Juli 1972 bei der B AG in Berlin als Schlosser
beschäftigt und seit dem 01. Februar 1999 krankgeschrieben, ohne danach wieder
erwerbstätig gewesen zu sein.
Im November 2001 leitete die Beklagte ein Verfahren zur Feststellung einer
Berufskrankheit ein. Der Kläger legte eine Tätigkeitsbeschreibung und ärztliche Atteste
der ihn behandelnden Ärzte T – Allgemeinmedizin -, Dres. W und anderen – Orthopädie -,
Dres. E und anderen – (Unfall-)Chirurgie, Sportmedizin, Durchgangsärzte -, Dr. B –
Neurologie/ Psychiatrie - vor, aus welchen sich neben Spondylosis deformans,
Gonarthrose, Fettstoffwechselstörung, chronischem Schmerzsyndrom bei degenerativer
Wirbelsäulenerkrankung und anderen Erkrankungen die Diagnosen Sulcus-ulnaris-
Syndrom mit Zustand nach mehrfachen Operationen und schwer einstellbarem,
insulinpflichtigem Diabetes mellitus mit Polyneuropathie und erektiler Dysfunktion
ergaben. Ferner legte er unter anderem diverse Krankenhausberichte unterschiedlicher
Kliniken der C einen Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik H vom 10. April 2000, einen
Bericht des Chefarztes der Klinik für vaskuläre und endovaskuläre Chirurgie der D GmbH
vom 13. Juli 2001, einen Operationsbericht der Klinik H über eine am 03. Mai 2001
durchgeführte Ulnarisoperation, sowie eine Epikrise des Instituts „N“ für Prävention,
Behandlung und Rehabilitation der rheumatischen und kardiovaskulären Patienten über
eine stationäre Behandlung vom 05. Mai bis zum 17. Mai 2003 vor. Die Beklagte lehnte
mit Bescheiden vom 07. November 2003 einen Anspruch auf Leistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung wegen der BK 2101, 2102, 2103 und 2106 ab. Den
hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom
10. Februar und 11. März 2004 zurück.
Der Kläger hat sein Begehren mit den am 09. März 2004 und 07. April 2004 zum
Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klagen weiterverfolgt, welche zunächst unter den
gerichtlichen Aktenzeichen S 25 U 132/04 und S 25 U 182/04 geführt worden sind. Das
SG hat mit Beschluss vom 12. Juli 2004 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 25 U 132/04 verbunden. Das
SG hat aus dem anhängig gewesenen Rentenverfahren S 32 RJ 2371/01 ein
nervenärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T vom 31.
Oktober 2000, einen sozialmedizinischen Untersuchungsbericht des Facharztes für
Chirurgie und Sozialmedizin P vom 09. August 2001, ein Gutachten der Fachärztin für
Arbeitsmedizin Dr. F vom 08. September 2004, einen Untersuchungsbericht Prof. Dr. Ws
vom 09. August 2004 sowie neuere Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte
beigezogen. Das SG hat ein zum Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-
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beigezogen. Das SG hat ein zum Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg (LSG) L 3 U 21/04 erstelltes gerichtliches Sachverständigengutachten des
Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 03. Januar 2005 beigezogen und von Amts wegen
beim Facharzt für Orthopädie Dr. W-R das medizinische Sachverständigengutachten
vom 11. August 2005 eingeholt. Dr. W-R hat unter anderem das Vorliegen eines
mehrfach operierten Sulcus-ulnaris-Syndroms links bestätigt, wobei die Erkrankung des
Nervus ulnaris links bereits Anfang 1999 vorgelegen habe. Ob diese Erkrankung auf eine
nachgewiesene berufliche Belastung zurückzuführen sei, müsse eine
Arbeitsbelastungsanalyse ergeben. Eine berufsbedingte Erkrankung unterstellt, seien die
auf das Sulcus-ulnaris-Syndrom zurückzuführenden Funktionsausfälle als nicht
wesentlich zu klassifizieren und ihm keine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
als 10 vom Hundert (v.H.) einzuräumen.
Die Beklagte veranlasste auf das Gutachten hin Ermittlungen des Technischen
Aufsichtsdienstes (TAD), welcher sich an den Arbeitskollegen des Klägers G wandte,
welcher als Polier von 1972 bis 1998 mit dem Kläger eng zusammengearbeitet hatte
und unter dem 09. Oktober 2005 berichtete. Danach sei der Kläger ein Teil der
Stammkolonne gewesen, welche seit 1970 bestanden habe und bis zur Baukrise 2000
immer zusammen von Baustelle zu Baustelle gezogen sei. Der Kläger sei grundsätzlich
für alle Stahlarbeiten zuständig gewesen. Er habe nichthandelsübliche Stahlteile
hergestellt und diese oft unter besonders schwierigen Bedingungen und räumlich sehr
beengten Verhältnissen einbauen müssen. Er habe des Weiteren alle anfallenden
Schweißarbeiten ausgeführt. Das Zuschneiden der Stahlteile sei auf der Baustelle nicht
wie in einer stationären Werkstatt mit Sägen, sondern überwiegend mit Trennschneidern
(Winkelschleifern) erfolgt. Die meistgebrauchten Werkzeuge des Klägers seien
Winkelschleifer und das Schweißgerät gewesen. Bei Betonagearbeiten sei der Kläger für
die Innenrüttler verantwortlich gewesen. Die Wartung und Instandhaltung dieser
Hochleistungsrüttler sei dem Kläger übertragen gewesen. Soweit keine
Schlosserarbeiten auszuführen gewesen seien, sei er auch mit Schalarbeiten,
Stemmarbeiten (Drucklufthammer), Verpressen von Rissen im Beton mit Kunststoffen
beschäftigt gewesen. Der TAD erstellte unter dem 15. Februar 2006 eine technische
Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition. Angesichts des von Herrn G beschriebenen
Tätigkeitsbilds habe der Kläger keine im Sinne der BK 2106 gefährdende Teiltätigkeiten
ausgeübt, weil bei der Vielfältigkeit seiner Betätigungen ein ständiger Wechsel in der
Beanspruchung von Muskelgruppen gegeben gewesen sei.
Der Kläger hat zum Klageverfahren eine ergänzende Stellungnahme Herrn Gs vom 27.
November 2005 vorgelegt, wonach die Arbeiten mit einem Trennschleifer äußerst
kraftaufwändig gewesen seien, weil das Gerät allein sieben bis acht Kilogramm wiege.
Hinzu komme beim Schneiden und Schleifen die Unwucht der unausgewuchteten
Maschine. Das größte Übel beim Arbeiten mit solchen Maschinen sei die durch die nicht
abstellbare Unwucht auftretende Vibration. Weil der Kläger fast täglich mit solchen
Maschinen einige Stunden zum Teil unter sehr schwieriger Körperhaltung an sehr schwer
zugänglichen Stellen und bei jeden Wetter gearbeitet habe, seien Schäden an Gelenken,
Muskeln und Nerven aus laienhafter Sicht nicht auszuschließen. Bei
Elektroschweißarbeiten sei die körperliche Anstrengung vergleichbar mit dem Arbeiten
mit einem Trennschleifer, nur dass die Elektrode nicht so schwer sei. Diese Arbeiten
erforderten ebenfalls eine körperliche Anspannung. Dort, wo der Kläger zunächst
geschnitten habe, seien die Teile danach auch zusammengeschweißt und beschliffen
worden. Dass er mit Schleifen, Schneiden und Elektro-Schweißen über die Hälfte seiner
täglichen Arbeitszeit verbracht habe, könne er ruhigen Gewissens bestätigen. Beim
Arbeiten mit dem Innenrüttler werde durch eine eingebaute Unwucht eine Vibration von
hoher Frequenz erzeugt. Der Beton werde durch die Vibration verdichtet. Dabei sei nicht
zu vermeiden, dass sich die Vibration in den Körper des Bedieners stark übertrage. Die
Vibration der von der Kolonne benutzten Hochleistungsrüttler sei wesentlich stärker
gewesen als diejenige des Trennschleifers; dafür sei mit den Rüttlern nicht so oft
gearbeitet worden. Der Kläger habe bei Betonierarbeiten immer den Rüttler bedient;
außerdem sei er mit der Pflege dieser Maschine betraut gewesen, so dass er immer
noch länger der Vibration ausgesetzt gewesen sei. Für Schal- und Ausschalarbeiten
seien im Spezialbrückenbau selten Kräne im Einsatz gewesen. Somit sei auch diese
Leistung eine große körperliche Anstrengung, weil sehr viel Quertransport und
Höhentransport von Hand habe ausgeführt werden müssen.
Nachdem das SG zur BK 2102 ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten
von Dr. W-R vom 23. April 2007 eingeholt hatte, hat es mit Urteil vom 04. Juni 2007 unter
Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden
Bescheide und unter Anerkennung der BK 2106 zur Gewährung von
Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung verurteilt. Das SG hat
unter anderem zur Begründung ausgeführt, dass die arbeitstechnischen
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unter anderem zur Begründung ausgeführt, dass die arbeitstechnischen
Voraussetzungen für eine BK 2106 beim Kläger gegeben seien. Eine arbeitsbedingte
Druckschädigung der Nerven im Sinne der BK 2106 setze nach dem einschlägigen
arbeitsmedizinischen Schrifttum eine sich wiederholende mechanische und durch Druck
schädigende Einwirkung voraus. Gefährdend seien vor allem Tätigkeiten mit körperlichen
Zwangshaltungen, Haltungskonstanz, einseitigen Belastungen oder Arbeiten mit hohen
Wiederholungsraten. Für die Anerkennung eines Sulcus-ulnaris-Syndroms als BK 2106
sei als arbeitsbedingte Belastung ein von außen einwirkender Druck zu fordern, zum
Beispiel bei aufgestütztem Ellenbogen, beziehungsweise eine repetitive Flexion und
Extension im Ellenbogengelenk. Eine entsprechende berufliche Belastung insbesondere
der inneren Ellenbogengelenksregion sei beim Kläger nachgewiesen. Hierbei könne sich
auf die Angaben seines Kollegen G gestützt werden. Demgegenüber gehe der TAD ohne
nähere Begründung davon aus, dass die Ausführung der einzelnen Teilverrichtungen
einen ständigen Wechsel in der Beanspruchung von Muskelgruppen mit sich gebracht
habe, so dass einzelne Muskelgruppen nicht übermäßig beansprucht worden seien.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. Juni 2007 zugestellte Urteil am 27. Juni 2007
Berufung eingelegt. Sie hat Stellungnahmen des TAD vorgelegt, wonach das spezifische
Belastungsmuster für eine BK 2106 beim Kläger nicht gegeben sei, wofür von außen
wirkender Druck, zum Beispiel bei aufgestützten Ellenbogen, oder eine Friktionstrauma
im Sulcus durch repetitive Flexion und Extension im Ellenbogengelenk, zum Beispiel bei
Pianisten, Bläsern und Saiteninstrumentalisten, erforderlich sei. Es gebe keinen
objektiven Befund, dass es durch die angegebenen Schmerzen zu einer wesentlichen
Schonung und Gebrauchsminderung des linken Arms gekommen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juni 2007 abzuändern und die Klage
auch im Übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und tritt der Berufung unter anderem mit
einer Fotodokumentation zu seiner Tätigkeit entgegen. Er verweist insbesondere auf den
immer wieder lang andauernden Einsatz eines Trennschleifers mit einem Gewicht von
fünf bis neun Kilogramm und Schipparbeiten.
Der Senat hat aufgrund Beweisanordnung vom 10. Juni 2008 das medizinische
Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie Dr. B vom 12. November
2008 eingeholt, welches dieser aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers
am 25. September 2008 erstellt hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass neben
der distal-symmetrischen motosensorischen diabetischen Polyneuropathie ein Sulcus-
ulnaris-Syndrom mit motorischen und sensiblen Ausfällen sowie einem neuropathischen
Schmerzsyndrom und ohne wesentliche Änderung zu den Vorbefunden aus den Jahren
2000 und 2001 bestehe. Es liege eine Erkrankung der Druckschädigung der Nerven (BK
2106) vor. Unterstelle man, wie für die Zwecke dieser Beweisanordnung vorgegeben,
dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2106 erfüllt seien, so sei das
Sulcus-ulnaris-Syndrom mit wesentlicher Wahrscheinlichkeit durch diese Tätigkeit
verursacht worden. Eine repetitive Belastung bei schwerer körperlicher Arbeit, wie sie der
Kläger ohne Zweifel im Rahmen seines Arbeitsplatzes ausgeführt habe, könne zu einer
erheblichen Belastung der Muskel- und Sehnenansätze im Bereich des Epicondylus
medialis und des Eintritts des Nervus ulnaris in die Muskel- und Sehnenlogen des
Unterarms führen. Insbesondere repetitive Beuge- und Streckbewegungen im Bereich
des Ellenbogengelenks würden für Irritationen des Nervus ulnaris verantwortlich
gemacht. Eine beruflich bedingte Druckbelastung sei gegeben. Als konkurrierende
Ursache sei das Vorliegen einer diabetischen Polyneuropathie, gleichwohl in der
beruflichen Tätigkeit die wesentliche Teilursache zu sehen. Es sei nur von einem
geringen Funktionsausfall im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris auszugehen. Da es
zusammen mit dem neuropathischen Schmerzsyndrom zu einer Schonung und
verminderten Beanspruchung und damit Einschränkung des Klägers auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt komme, solle hier die MdE auf 20 v.H. veranschlagt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird
auf die Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich
Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat zu Unrecht entschieden, dass beim Kläger eine BK 2106 vorliegt. Die
angefochtenen Bescheide sind insofern rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht.
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2106.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB
VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein
Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die
versicherten Tätigkeiten ergeben sich aus §§ 2, 4 und 6 SGB VII, wozu nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 SGB VII vor allem die Beschäftigung gehört. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in
der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den
Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen
verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in
erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf
bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung
aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Die BK 2106 ist die Druckschädigung der
Nerven. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich etwa bei der BK 2106 folgende
Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten
Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen oder
Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen
müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die
vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und
Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu
beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R
–, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn
nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn
spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch
Rn. 18 und 20).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebotenen Maße überzeugt, dass beim Kläger eine BK
2106 vorliegt, insbesondere nicht, dass die hierauf beruhenden, anhaltenden
Beschwerden des Klägers auf seine berufliche Tätigkeit als Schlosser, welche nach §§ 2
Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII versichert war, zurückzuführen sind.
Zwar ist nach sämtlichen, sich hierzu äußernden ärztlichen Stellungnahmen die
Diagnose eines Sulcus-ulnaris-Syndroms gesichert. Hierbei handelt es sich etwa nach
den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Bum eine für BK 2106 in Frage
kommende Erkrankung, welche auf einer Druckschädigung der Nerven beruht. Dr. Bs
Einschätzung deckt sich insofern mit dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum
(vgl. etwa Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage
2010, 5.7.1. S. 231).
Dies vor Augen bestehen aber vernünftige Zweifel daran, dass der Kläger die
arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt.
Eine arbeitsbedingte Druckschädigung der Nerven setzt eine sich wiederholende
mechanische und durch Druck schädigende Einwirkung voraus. Betroffen sind meist
oberflächlich verlaufende Nerven, welche einer von außen kommenden anhaltenden
Einwirkung gut zugänglich sind. So tritt eine Druckschädigung gegebenenfalls ein, wenn
ein Nerv diesen wiederholten mechanischen Einwirkungen aufgrund einer anatomischen
Enge nicht genügend ausweichen kann, zum Beispiel über einer knöchernen Unterlage
oder innerhalb eines knöchernen oder fibrösen Kanals wie beim Sulcus-ulnaris-Syndrom.
Gefährdend sind zwar für das gesamte Spektrum der für eine BK 2106 in Frage
kommenden Erkrankungen vor allem Tätigkeiten mit körperlichen Zwangshaltungen,
Haltungskonstanz, einseitigen Belastungen oder Arbeiten mit hohen
Wiederholungsraten, insbesondere ständig sich wiederholende, gleichartige
Körperbewegungen im Sinne mechanischer Überbelastungen, überwiegend
haltungskonstante Arbeiten mit nicht oder nur schwer korrigierbaren Zwangshaltungen,
zum Beispiel Daueraufstützen des Handgelenks oder der Ellenbogen, Andrücken eines
Werkzeugs oder bestimmte Gelenkstellungen, die längere Zeit beibehalten werden
müssen (Schönberger und andere, a.a.O., S. 232). Es bestehen Hinweise auf vermehrt
betroffene Berufsgruppen wie zum Beispiel Berufsmusiker, Schleifer, Metzger,
Lebensmittelhändler etc. Zusätzlich gibt es zahlreiche Hinweise auf bestimmte
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Lebensmittelhändler etc. Zusätzlich gibt es zahlreiche Hinweise auf bestimmte
schädigende berufliche Expositionsfaktoren wie zum Beispiel großer Kraftaufwand bei
Greifbewegungen, repetitive Bewegungen im Handgelenk, gebeugtes oder überstrecktes
Handgelenk, wobei diese Expositionsfaktoren auch bei einer Vielzahl anderer Tätigkeiten
zu finden ist (Mehrtens/ Brandenburg, BKV – Kommentar, M 2106 S. 1 f.). Jedoch werden
im arbeitsmedizinischen Schrifttum für das - nach übereinstimmender Einschätzung
sämtlicher vorliegender ärztlicher Stellungnahmen - in diesem Zusammenhang allein
zugrunde zu legende Sulcus-ulnaris-Syndrom als typische morphologische
Schädigungsmöglichkeiten lediglich von außen wirkender Druck, zum Beispiel bei
aufgestütztem Ellenbogen, und Friktionstrauma durch repetitive Flexion und Extension
im Ellenbogengelenk, zum Beispiel bei Pianisten, Bläsern und Saiteninstrumentalisten
genannt (etwa Merkblatt zur BK 2106, Bundesarbeitsblatt 11/ 2002, S. 62 ff.).
Hieran gemessen ist der Senat vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen
nicht überzeugt. Die durchgeführten Ermittlungen vermögen nicht im Wege eines
Vollbeweises beim Senat die Überzeugung zu begründen, dass der Kläger während
seiner versicherten Beschäftigung einer Tätigkeit nachging, welche überhaupt geeignet
war, zu einem Sulcus-ulnaris-Syndrom zu führen. Es liefen nach den plausiblen
Schilderungen Herrn Gs am Kläger gerade nicht diejenigen Schädigungsmechanismen
ab, welche im einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum als Gefahrenquellen für das
Sulcus-ulnaris-Syndrom beschrieben werden. Herr G gab in Übereinstimmung mit den
Angaben des Klägers bereits in seiner gegenüber der Beklagten im Vorverfahren
abgegebenen Tätigkeitsbeschreibung an, dass die Tätigkeit des Klägers dadurch geprägt
war, dass er jeweils vor Ort den größten Teil seiner Arbeitszeit unter Zwangshaltungen
und unter Einsatz schwerer Arbeitshandgeräte wie Winkelschleifer und Schweißgeräten
Metallarbeiten vornahm. Gerade derartige Verrichtungen erscheinen unter
Zugrundelegung des einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttums nicht geeignet, das
beim Kläger bestehende Slucus-ulnaris-Syndrom herbeizuführen. Es fehlt an einem
ständigen, lang andauernden Aufstützen und an einer – vollschichtigen – ständigen
Beugung und Streckung des Ellenbogens. Auch wenn nach den plausiblen Angaben
Herrn Gs von der schweren körperlichen Belastung des Klägers durch teilweise schweres
Arbeitshandgerät auszugehen ist, so ist letztlich auch der Einschätzung des TAD zu
folgen, dass die Ausführung der einzelnen Teilverrichtungen einen ständigen Wechsel in
der Beanspruchung von Muskelgruppen mit sich brachte, so dass einzelne
Muskelgruppen nicht in einer für die Verursachung des Sulcus-ulnaris-Syndrom
typischen Weise übermäßig beansprucht wurden. Der TAD lässt hierbei die aus den
Angaben Herrn Gs deutlich gewordenen Aspekte immer wiederkehrender
Dauerbelastungen mit schwerem Arbeitshandgerät entgegen der Einschätzung des
Klägers gerade nicht außer Betracht. Schließlich ist der Beklagten darin zuzustimmen,
dass sich insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B keinerlei
Aufschluss über das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gewinnen lässt.
Auch wenn sich der Sachverständige sprachlich etwas ungenau äußert, indem er
formuliert, dass eine repetitive Belastung bei schwerer körperlicher Arbeit, wie sie gerade
der Kläger ohne Zweifel im Rahmen seines Arbeitsplatzes ausführte, zu einer
erheblichen Belastung der Muskel- und Sehnenansätze führen kann, so verweist er doch
zutreffend darauf hin, dass das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der
BK 2106 gemäß den Vorgaben der Beweisanordnung vom 10. Juni 2008 (Hinweis zu 3.a)
zu unterstellen gewesen ist. Er selbst führt in seinem Gutachten im Einklang mit dem
arbeitsmedizinischen Schrifttum aus, dass insbesondere repetitive Beuge- und
Streckbewegungen im Bereich des Ellenbogengelenks für Irritationen des Nervus ulnaris
verantwortlich gemacht würden, so dass sich seine anschließende Bewertung, wonach
eine beruflich bedingte Druckbelastung gegeben sei, nicht mehr erschließt. Denn weder
nach den eigenen Angaben des Klägers noch nach denjenigen Herrn Gs bestand die
Tätigkeit des Klägers darin, seinen Ellenbogen ständig zu strecken oder zu beugen.
Dass, wie die Beklagte zutreffend ausführt, zum Beispiel Pianisten, Bläser und
Saiteninstrumentalisten zu einem Sulcus-ulnaris-Syndrom neigen (so auch Schönberger
und andere, a.a.O., S. 236), steht zwar nicht von vornherein der Möglichkeit entgegen,
dass auch bei anderweitigen beruflichen Expositionen eine solche Erkrankung auftreten
kann. Gesicherte Erkenntnisse für andere für eine BK 2106 in Frage kommende
Arbeitsplatzprofile lassen sich aus dem einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttum
jedoch nicht gewinnen. Soweit die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B
insbesondere auch mit denjenigen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. W-R im
Einklang stehen, wonach die vorliegende Erkrankung als eine BK 2106 angesehen
werden könne, bringen beide Sachverständigen, allerdings Dr. W-R deutlicher als Dr. B,
damit lediglich zum Ausdruck, dass bei Vorliegen der arbeitstechnischen
Voraussetzungen auch ein Sulcus-ulnaris-Syndrom eine BK 2106 sein kann.
Hiernach kann dahinstehen, ob der Umstand, dass Dr. B die diabetische
Polyneuropathie als konkurrierende Ursache in Erwägung zieht, der Annahme einer
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Polyneuropathie als konkurrierende Ursache in Erwägung zieht, der Annahme einer
hinreichenden Verursachungswahrscheinlichkeit entgegenstünde. Diese Frage stellt sich
nach dem zuvor Gesagten nicht mehr. Er steht damit allerdings im Einklang mit dem
arbeitsmedizinischen Schrifttum, wonach eine beruflich bedingte länger anhaltende
Nervenänderung eine Disposition erfordert, ohne dass eine solche der Annahme einer
berufsbedingten Verursachung von vornherein entgegensteht, sondern eine Bewertung
der jeweiligen Bedeutung erfordert (vgl. Schönberger und andere, a.a.O., 5.7.3. S. 234).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der
Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1
oder Nr. 2 SGG vorliegt.
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