Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.03.2009

LSG Berlin-Brandenburg: unrichtige rechtsmittelbelehrung, untätigkeitsklage, sachleistung, zugang, grundrecht, berufungsfrist, link, sammlung, quelle, bedürfnis

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 AS 925/09 NZB
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 145
Abs 1 S 1 SGG, § 88 SGG
Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassung der Berufung
gegen eine Untätigkeitsklage - Umdeutung einer unzulässigen
Nichtzulassungsbeschwerde in Berufung - Unrichtige
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des
Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2009 wird als unzulässig verworfen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu
erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Gasrechnungen und die Erstattung der
vom Beklagten von den Heizkosten in Abzug gebrachten Warmwasserpauschale.
Der Kläger steht seit Januar 2005 im Leistungsbezug beim Beklagten. Er beantragte mit
zwei Schriftsätzen vom 04. und 12. August 2008 die Kostenübernahme für
Gasrechnungen der Firmen N und G.
Am 27. November 2008 hat er Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und die
Bescheidung seiner Anträge begehrt. Der Beklagte hat die Anträge mit Bescheid vom
09. Dezember 2008 beschieden. Dennoch hat der Kläger an seiner ursprünglichen Klage
festgehalten und um die einbehaltene Energiepauschale für mindestens ein Jahr
erweitert.
Die Klage hat das Sozialgericht Berlin mit dem am 22. Mai 2009 zugestellten Urteil vom
31. März 2009 als unzulässig abgewiesen; die Berufung hat es nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die am 27. Mai 2009 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Die Zulassungsbeschwerde ist bereits nicht statthaft. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann die Nichtzulassung der Berufung durch das
Sozialgericht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden. Dies setzt aber
eine zulassungsbedürftige Berufung voraus. Hieran fehlt es. Die
Nichtzulassungsbeschwerde war deshalb nach § 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2
der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.
Nach § 144 Abs. 1 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März
2008 (BGBl. I, S. 444) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des
Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht
übersteigt.
Die Berufung gegen die Abweisung der Untätigkeitsklage bedarf entgegen der
Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil keiner Zulassung. Unabhängig
davon, dass der Kläger im Ergebnis Geldleistungen erstrebt, handelt es sich bei einer
Untätigkeitsklage nicht um eine Klage im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, die
auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet ist. Denn mit der Untätigkeitsklage im
sozialgerichtlichen Verfahren kann nur der Erlass eines beantragten, aber bisher nicht
ergangenen Verwaltungsaktes oder die Bescheidung eines Widerspruches begehrt
9
10
11
12
13
ergangenen Verwaltungsaktes oder die Bescheidung eines Widerspruches begehrt
werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08. November 2007 – L 15 B 174/07
SO NZB – Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 88 Rn. 9
ff.).
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2009 ist kraft
Gesetzes zulässig. Der Senat kann deshalb ihre Zulassung nicht aussprechen. Die
Nichtzulassungsbeschwerde ist erfolglos.
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht in eine Berufung umgedeutet werden (BSG,
Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R – SozR 4-1500 § 145 Nr. 2 m. w. N.).
Auch die Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung
(a. A. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 07. März 1996 – L 5 S (Ka) 26/95 – NdsRpfl
1996, 171; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 – L 9 KR 205/04 NZB –
juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08. November 2007 – L 15 B 174/07 SO
NZB – juris; Leitherer a. a. O., § 144 Rn. 46 a) oder eine Fortsetzung des
Beschwerdeverfahrens als Berufungsverfahren kommt nicht in Betracht. Die Aufhebung
eines unrichtigen Ausspruchs über die Nichtzulassung der Berufung sieht das Gesetz
nicht vor. Das Beschwerdeverfahren kann mangels Zulassungsentscheidung auch nicht
als Berufungsverfahren weitergeführt werden. § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG sieht die
Fortführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde als Berufungsverfahren nur
für den Fall vor, dass die Berufung zugelassen ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht
gegeben. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis. Denn dem Kläger wird dadurch
der Zugang zu dem zulässigen Rechtsmittel nicht in einer das Grundrecht auf
Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) berührenden Weise
erschwert. Wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung gilt gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1
SGG eine Berufungsfrist von einem Jahr ab Zustellung des Urteils, die noch nicht
verstrichen ist. Der Kläger muss deshalb – wenn er dies weiterhin wünscht – gesondert
Berufung einlegen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08. November 2007 – L 15
B 174/07 SO NZB).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum