Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.09.2007

LSG Berlin-Brandenburg: erwerbsfähigkeit, rücknahme, grundrecht, erlass, begriff, altersrente, rentenanspruch, versicherungsprinzip, eigentumsgarantie, verfügungsbefugnis

1
2
3
4
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 8.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 8 R 1614/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 59 SGB 6, § 77 Abs 2 S 1 Nr 3
SGB 6, § 77 Abs 2 S 2 SGB 6, §
253a SGB 6, § 264c SGB 6
Gesetzliche Rentenversicherung - Bezug einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60.
Lebensjahres - Verfassungsmäßigkeit des Rentenabschlags -
abgesenkter Zugangsfaktor
Leitsatz
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; Zugangsfaktor
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. September
2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe des Rechts auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist im April 1953 geboren worden. Die Beklagte bewilligte ihm durch Bescheid
vom 11. Juli 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. September
2003 bis zum 28. Februar 2005 auf Grund eines am 28. Februar 2003 eingetretenen
Leistungsfalls. Den monatlichen Höchstwert des Rechts auf Rente berechnete sie für den
Zeitpunkt des Rentenbeginns, indem sie die Summe der Entgeltpunkte (Ost) unter
Berücksichtigung des Zugangsfaktors (36,8721 x 0,901 = 33,2218) mit dem
Rentenartfaktor (1,0) und dem aktuellen Rentenwert (Ost) vervielfältigte. Den
Zugangsfaktor von 0,901 errechnete sie, indem sie den ungekürzten Wert hierfür von
1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat nach dem 31. Juli 2013 bis zum Ablauf des
Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres (April 2016), somit insgesamt um
0,099 minderte. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Durch Bescheid vom 28. Juni 2006 bewilligte die Beklagte die Rente wegen voller
Erwerbsminderung ab dem 1. März 2005 als Dauerrente weiter. Den monatlichen
Höchstwert des Rechts auf Rente berechnete sie für den Zeitpunkt des Beginns der
Weiterbewilligung, indem sie die sich für diesen Zeitpunkt ergebende Summe der
Entgeltpunkte (Ost) von 37,0781 zunächst um die Entgeltpunkte (Ost) minderte, die
bereits Grundlage der ab 1. September 2003 gezahlten Rente waren (36,8721). Diese
Entgeltpunkte vervielfältigte sie mit dem im Bescheid 11. Juli 2003 ausgewiesenen
Zugangsfaktor von 0,901, entsprechend 33,2218 Entgeltpunkten (Ost). Die bis dahin
nicht berücksichtigten 0,2060 Entgeltpunkte (Ost) vervielfältigte sie mit einem
Zugangsfaktor von 0,892, entsprechend 0,1838 Entgeltpunkten (Ost). Die Summe der
beiden Rechenoperationen (33,4056) vervielfältigte sie dann wiederum mit dem
Rentenartfaktor (1,0) und dem aktuellen Rentenwert (Ost). Den Zugangsfaktor von
0,892 errechnete sie, indem sie den ungekürzten Wert hierfür von 1,0 um 0,003 für
jeden Kalendermonat nach dem 30. April 2013 bis zum Ablauf des Kalendermonats der
Vollendung des 63. Lebensjahres (April 2016), somit insgesamt um 0,108 minderte.
Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Im März 2007 beantragte der Kläger die Neuberechnung der Renten. Es gehe ihm
hauptsächlich um den Zugangsfaktor. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R.
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 10. April 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2007 die Rücknahme der Bescheide vom 11. Juli
2003 und 28. Juni 2006 ab. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem
Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweise. Die vom Kläger zitierte
Entscheidung des BSG entspreche nicht der Auffassung der Rentenversicherungsträger.
Mit der Klage hat der Kläger seinen Anspruch weiterhin auf das Urteil des BSG gestützt.
Dessen Auslegung entspreche dem Wortlaut des Gesetzes und auch dem Willen des
Gesetzgebers.
Durch Urteil vom 26. September 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die
Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der Bescheide vom 11. Juli 2003 und 28.
Juni 2006 seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe das Recht bei deren Erlass nicht unrichtig
angewendet. Bei der Berechnung des Monatsbetrages der Rente sei allein streitig, ob die
Beklagte berechtigt gewesen sei, den Zugangsfaktor mit einem Abschlag von 0,003 für
„31“ (richtig: 33) Monate zu versehen. Entgegen der Auffassung, die der 4. Senat in der
vom Kläger für sich in Anspruch genommenen Entscheidung vertreten habe, ergebe sich
diese Berechtigung aus dem Gesetz. Die Auffassung des 4. Senats des BSG sei bei
Würdigung der Gesetzgebungsgeschichte und der Gesetzessystematik nicht tragfähig.
Eine andere Auslegung sei auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich.
Die Vorschriften über die Minderung des Zugangsfaktors verstießen mit dem Inhalt, wie
er sich für die Kammer darstelle, weder gegen das Grundrecht auf Eigentum noch gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar löse der vom Gesetzgeber vorgenommene
Eingriff eine verfassungsrechtliche Rechtfertigungslast aus. Gemessen an den vom
Gesetzgeber formulierten Zielen – Ausweichreaktionen in die Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit zu verhindern und die längere Rentenlaufzeit teilweise zu kompensieren
– sei die getroffene Regelung aber noch verhältnismäßig. Soweit der 4. Senat auf das
Prinzip der Vorleistungsbezogenheit abstelle, müsse berücksichtigt werden, dass der
Rangwert im Fall des Klägers zu einem Drittel auf beitragsfreien Zeiten, Zuschlägen oder
beitragsgeminderten Zeiten beruhe. In diesem Bereich habe der Gesetzgeber eine
höhere Gestaltungsfreiheit, weil keine Entwertung der eigenen Beitragsleistung drohe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Die vom 4. Senat des
Bundessozialgerichts gefundene Auslegung des Gesetzes entspreche dessen Wortlaut
und dem Willen des Gesetzgebers.
Der Kläger beantragt der Sache nach,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. September 2007 und den Bescheid der
Beklagten vom 10. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni
2007 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 11. Juli 2003
und 28. Juni 2006 teilweise zurückzunehmen und den monatlichen Höchstwert des
Rechts auf Rente wegen Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von
1,0 zu errechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung und die von ihr erlassenen Bescheide für
zutreffend.
Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner
Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser
Aktenstücke Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig
für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht fest und
die Auslegung der Vorschriften des einfachen Rechts ist durch aktuelle Rechtsprechung
des BSG geklärt.
Die Berufung ist unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu
beanstanden.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme der vom Kläger nicht angefochtenen
und daher bestandskräftig gewordenen Bescheide der Beklagten vom 11. Juli 2003 und
18
19
20
21
22
23
und daher bestandskräftig gewordenen Bescheide der Beklagten vom 11. Juli 2003 und
28. Juni 2008 sind nicht erfüllt. Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme kommt nur § 44
Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein
Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines
Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die Beklagte hat bei Erlass der Bescheide vom 11. Juli 2003 und 28. Juni 2008 das Recht
nicht unrichtig angewandt. Der monatliche Höchstwert des Rechts auf Rente auf Grund
von rentenrechtlichen Zeiten, die im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, berechnet
sich, indem für den Zeitpunkt des Rentenbeginns die unter Berücksichtigung des
Zugangsfaktors (§ 77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) ermittelten
persönlichen Entgeltpunkte Ost (§ 254 d SGB VI), der Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und
der aktuelle Rentenwert (Ost) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt
werden (§§ 254 b, 63 Abs. 6, 64 SGB VI). Die Beklagte hat diese sogenannte
Rentenformel zutreffend angewendet, auch soweit sie den Zugangsfaktor betrifft.
Für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestimmt § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB
VI in der vorliegend anwendbaren, ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (des Gesetzes
zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000,
BGBl. I S. 1827; im folgenden ohne Zusatz zitiert), dass der Zugangsfaktor für
Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente
waren, für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der
Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als
1,0 ist. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist bei einer Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des
Zugangsfaktors maßgebend, wenn die Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres
beginnt. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1. Januar
2004, ist gemäß § 264 c SGB VI bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der
Vollendung des 60. Lebensjahrs die Vollendung des in Anlage 23 zum SGB VI
angegebenen Lebensalters maßgeblich.
Die Anwendung dieser Vorschriften führt zu dem von der Beklagten gefundenen
Ergebnis eines Zugangsfaktors von 0,901 für die Entgeltpunkte (Ost), die für den ab 1.
September 2003 zahlbaren Rentenanspruch maßgeblich waren.
§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI würde ohne ergänzende Regelungen dazu führen, dass
der Zugangsfaktor bis auf Null sinken könnte und Versicherte praktisch erst ab der
zweiten Hälfte des dritten Lebensjahrzehnts Zugang zu einer zahlbaren Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit hätten. Sinn des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (ggf. i. V. mit §
264 c SGB VI und Anlage 23 zum SGB VI) ist es, diese Wirkung zu begrenzen, indem für
die Berechnung des Zugangsfaktors ein fiktiver Rentenbeginn angesetzt wird (BSG,
Urteile vom 25. November 2008 – B 5 R 112/08 R und vom 14. August 2008, u. a. B 5 R
32/07 R, letzteres zur Veröffentlichung vorgesehen). Der anderslautenden, bereits vor
den Entscheidungen des BSG vom 14. August 2008 von den Instanzgerichten der
Sozialgerichtsbarkeit überwiegend abgelehnten Auffassung des ehemaligen 4. Senats
des BSG, auf die sich der Kläger beruft, folgt auch der Senat nicht, da sie sich mit dem
Sinn des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ebenso wenig vereinbaren lässt wie mit der
Gesetzessystematik (dazu ausführlich BSG a.a.O. sowie BSG, Beschluss vom 26. Juni
2008 – B 13 R 9/08 S; aus der Rechtsprechung des Senats etwa die Urteile vom 29.
Januar 2009 – L 8 R 600/08 – und vom 23. April 2009 – L 8 R 592/08).
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte die Zugangsfaktoren für Rentenbewilligungen
ab dem 1. September 2003 und 1. März 2005 zutreffend berechnet. Für die erste
Bewilligung betrug das für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebliche
Lebensalter nach Anlage 23 zum SGB VI 60 Jahre und 3 Monate, weil die Rente im
September 2003 begann. Der Begriff „Rentenbeginn“ bezeichnet dabei den Beginn der
Rentenzahlung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGB VI und nicht den Zeitpunkt der Entstehung
des Anspruchs (BSG, Urteile vom 25. November 2008 – B 5 RJ 15/04 R und B 5 R 112/08
R). Der Betrag, um den sich der Zugangsfaktor von 1,0 erniedrigt, ergibt sich aus der
Anzahl der Monate, die nach dem Monat des zu unterstellenden Lebensalters liegen bis
(einschließlich) zum Monat der Vollendung des 63. Lebensjahres (August 2013 bis April
2016). Eine Minderung um 0,003 für jeden dieser 33 Kalendermonate ergibt einen Wert
von 0,099. Wird er von 1,0 abgezogen, ergibt sich der angewendete Zugangsfaktor von
0,901.
Ob für die ab 1. März 2005 gezahlte Rente überhaupt der monatliche Höchstwert des
23
24
25
26
Ob für die ab 1. März 2005 gezahlte Rente überhaupt der monatliche Höchstwert des
Rechts auf Rente neu zu berechnen war (so BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 8; ausdrücklich
anders seit 1. Mai 2007 § 102 Abs. 2 Sätze 3 und 6 SGB VI in der Fassung des
Rentenversicherungs-Altersanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I S. 554),
kann offen bleiben. Jedenfalls hat die Beklagte auch für einen Rentenbeginn am 1. März
2005 die maßgeblichen Zugangsfaktoren richtig berechnet. In Bezug auf die
Entgeltpunkte (Ost), die bereits Grundlage der Rentenbewilligung ab dem 1. September
2003 waren, blieb es bei dem bisherigen Zugangsfaktor (Umkehrschluss aus § 77 Abs. 2
Satz 1 Einleitungssatz SGB VI). Soweit die Entgeltpunkte (Ost), die sich auf Grund der
Neufeststellung und –bewertung der rentenrechtlichen Zeiten ergaben, bisher nicht
Grundlage einer Rente waren, war der Zugangsfaktor dagegen nach Maßgabe des § 77
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI zu berechnen. § 264 c SGB VI war nicht
mehr anwendbar, weil der Rentenbeginn nicht vor dem 1. Januar 2004 lag. Da der Kläger
am 1. März 2005 erst im 51. Lebensjahr stand, minderte sich der Zugangsfaktor von 1,0
nun für die höchstmögliche Dauer von 36 Monaten um den Betrag von 0,003, also um
0,108. Daraus ergab sich der Zugangsfaktor von 0,892.
Der Senat sieht § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der hier
vorgenommenen Auslegung nicht als verfassungswidrig an. Zwar ist der Rentenanspruch
ebenso wie die Rentenanwartschaft aus eigener Versicherung in der gesetzlichen
Rentenversicherung institutionell durch das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1
Grundgesetz [GG]) geschützt. Die Reichweite der Eigentumsgarantie ergibt sich aber
erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14
Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Solange er die zum Begriff des
Eigentums gehörende grundsätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis und die
Grenze der Verhältnismäßigkeit beachtet, hat er dabei einen grundsätzlich weiten
Gestaltungsspielraum (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, s. –
auch zum folgenden – etwa den Beschluss vom 24. November 2008 – 1 BvL 3/05 u. a.
mit zahlreichen Nachweisen; außerdem im besonderen BSG, Urteile vom 25. November
2008 – B 5 R 112/08 R und vom 14. August 2008, u. a. B 5 R 32/07 R). In bestehenden
Rentenanwartschaften ist von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt.
Denn das Rentenversicherungsverhältnis beruht stets nicht allein auf dem
Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des
sozialen Ausgleichs.
Die hier anzuwendenden Vorschriften über den Zugangsfaktor bestimmen das
Grundrecht des Klägers auf Eigentum in verfassungsrechtlich zulässiger Weise. Sie
dienen einem Gemeinwohlzweck und sind zur Erreichung des angestrebten Zieles
geeignet und erforderlich. Er hat mit ihnen (unter anderem) das Ziel verfolgt, das
Versicherungsrisiko der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer mit Hilfe
versicherungsmathematischer Abschläge zu neutralisieren. Die Vorschriften sind
angesichts dessen schon deshalb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung,
weil sie ersichtlich dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der
Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den unter anderem durch die
demografische Entwicklung veränderten Bedingungen für die Finanzierung der
gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen. Die Verminderung der „Rentenhöhe“, die
auf der Verringerung des Zugangsfaktors beruht, wird zudem teilweise neutralisiert und
damit umso mehr zumutbar. Denn zeitgleich mit den geänderten Vorschriften über den
Zugangsfaktor wurde die Grenze für die Bestimmung der Länge der (rentensteigernd
wirkenden) Zurechnungszeiten von der Vollendung des 55. auf die Vollendung des 60.
Lebensjahres heraufgesetzt (§§ 59, 253 a SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden
Fassung). Dies kommt gerade Personen wie dem Kläger zugute, die relativ lange vor
dem Erreichen der Altersgrenze für die Altersrente erwerbsgemindert geworden sind.
Die hier anzuwendenden Vorschriften verletzten auch nicht das Differenzierungsgebot
des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), indem Versicherte den Zeitpunkt
einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung im Gegensatz zu Versicherten, die eine
vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen wollen, nicht willentlich selbst bestimmen
können. Der Gesetzgeber hat diesem Umstand ausreichend dadurch Rechnung
getragen, dass er den „Rentenabschlag“ auf maximal 10,8 % begrenzt und – wie bereits
erwähnt – die rentensteigernd wirkenden Zurechnungszeiten erhöht hat. Versicherte, die
erwerbsgemindert sind, werden folglich bereits „ungleich“ im Verhältnis zu den
Altersrentnern behandelt. Gründe, die eine noch weitergehendere Ungleichbehandlung
erfordern würden, sind nicht zu erkennen. Dies im besonderen deshalb, weil der
Gesetzgeber auf diese Weise vermeidet, dass – dann möglicherweise gerade sachwidrig
– die von ihm angestrebte Abwendung von Finanzierungsschwierigkeiten für die
gesetzliche Rentenversicherung durch längere Rentenlaufzeiten allein zu Lasten der
Altersrentner geht.
27
28
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum