Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.02.2007

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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 28.02.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 65 AS 3330/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 18 AS 1157/06
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2006 geändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31.
Januar 2005 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 0,16 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes II (Alg II) für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar
2005.
Die 1972 geborene Klägerin bezog bis zum 30. Juni 2004 Arbeitslosenhilfe. Anschließend war sie im Rahmen eines
geförderten Arbeitsverhältnisses befristet vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 bei der D & B D & B g
GmbH (im folgenden: D & B) mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.000,- EUR (netto = 770,34 EUR)
beschäftigt; die monatliche Vergütung war nach § 3 des Arbeitsvertrages vom 01. Juli 2004 jeweils am 10. des
Folgemonats auf ein von der Klägerin anzugebendes Konto zu überweisen. Das Entgelt für Dezember 2004 wurde
demgemäß im Januar 2005 ausgezahlt (Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge vom 4. Januar 2005). Neben dem
Erwerbseinkommen erhielt die Klägerin vom 01. September 2004 bis zum 31. Dezember 2004 ergänzende Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG; 24,28 EUR monatlich) sowie Wohngeld (16,00 EUR monatlich). Die allein
stehende Klägerin bewohnte von Juli 2003 bis zum 31. August 2006 eine 2-Zimmer-Wohnung in der S in B-P
(Wohnfläche = 58,57 qm); hinsichtlich der Kosten dieser Unterkunft wird auf § 3 des Mietvertrages zwischen der W W
P B mbH und der Klägerin Bezug genommen (Nettokaltmiete = monatlich 213,19 EUR; Vorauszahlung für
Warmwasserkosten = monatlich 23,43 EUR; Vorauszahlung für Kaltbetriebskosten = monatlich 90,20 EUR). Die
Klägerin entrichtete ferner im Januar 2005 einen monatlichen Abschlag zur Gasversorgung von 21,00 EUR und
wendet nach eigenen Angaben für die Beheizung mit Kohle jährlich etwa 400,- EUR auf, wobei insoweit im Januar
2005 keine Anschaffung erfolgte.
Auf den Antrag der Klägerin vom Oktober 2004 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 für
die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2005 Alg II–Leistungen in Höhe von 164,84 EUR (Kosten für
Unterkunft und Heizung) und für die Zeit ab 01. Februar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 677,12
EUR (Regelsatz von 345,- EUR zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung von 332,12 EUR). Für den Monat Januar
2005 ermittelte der Beklagte dabei ein anrechenbares Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 512,28 EUR, das
den errechneten monatlichen Gesamtbedarf der Klägerin von 677,12 EUR entsprechend mindere, so dass für Januar
2005 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 164,84 EUR bestehe. Ab 01.
Februar 2005 sei der Regelsatz in ungekürzter Höhe von 345,00 EUR monatlich anzuweisen. Mit dem Bescheid vom
23. Dezember 2004 ersetzte der Beklagte den zuvor erteilten Bescheid vom 22. Dezember 2004, mit dem er zunächst
geringere monatliche Leistungen bewilligt hatte. Den Widerspruch der Klägerin, mit der diese die Auszahlung der
"vollen" Alg II–Bezüge auch für Januar 2005 begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April
2005 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den
Monat Januar 2005 in Höhe von 512,28 EUR gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 07. November 2006
abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin könne die
begehrten weiteren Leistungen für Januar 2005 von dem Beklagten nicht beanspruchen. Der Beklagte habe bei der
Berechnung der für Januar 2005 zustehenden Leistungen beanstandungsfrei das erst im Januar 2005 zugeflossene
Arbeitseinkommen für den Monat Dezember 2004 berücksichtigt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter; auf die Berufungsschrift vom 20. November 2006 wird
Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2006 aufzuheben und den Beklagten unter
Änderung des Bescheides vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005
zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2005 das für Februar 2005 bewilligte
Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen in Höhe von 512, 28 EUR zu gewähren.
Der Beklagte, der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2007 einen Anspruch der Klägerin auf
weiteres Alg II für Januar 2005 in Höhe von 0,16 EUR anerkannt hat, beantragt im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
Die Alg II-Akte des Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Soweit der Beklagte entsprechend seinem im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Anerkenntnis durch
Anerkenntnisteilurteil (vgl. § 202 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i. V. mit den §§ 301 Abs. 1, 307 Abs. 1
Zivilprozessordnung – ZPO –) verurteilt worden ist, bedarf es gemäß § 202 SGG i. V. mit § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO
keiner Entscheidungsgründe.
Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG auf Zahlung des für Februar 2005 bewilligten Alg II (= 677,12 EUR) auch für den
Monat Januar 2005, d. h. ohne Anrechnung von Einkommen in Höhe von 512,28 EUR, weiter verfolgt, ist im Übrigen
nicht begründet. Gegen die Höhe des ihr ab Februar 2005 bewilligten Alg II hat sich die Klägerin ebenso wenig
gewandt wie gegen den Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 vom 24. Mai
2005; dieser Bescheid ist auch nicht gemäß den § 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen
Verfahren geworden. Dies gilt auch für mögliche weitere zwischenzeitlich erteilte Bewilligungsbescheide für
nachfolgende Bewilligungszeiträume (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – veröffentlicht in
juris).
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung des ihr für Februar 2005 bewilligten Alg II auch
für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2005. Auf die von der Klägerin für den Monat Januar 2005
begehrte Gesamtleistung von 677,12 EUR (Regelsatz von 345,00 EUR zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung
von 332,12 EUR) ist vielmehr – was noch im Einzelnen darzulegen sein wird - eigenes Einkommen der Klägerin in
Höhe von 512,51 EUR anzurechnen, so dass sich ein höherer Alg II-Anspruch als der von dem Beklagten
festgesetzte und gemäß § 41 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) auf 165,- EUR
aufzurundende Betrag von vornherein nicht ergeben kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Gesamtbedarf der Klägerin
für Januar 2005 schon deshalb den Betrag von 677,12 EUR nicht erreichen könnte und der Klägerin somit objektiv
eine noch geringere Leistung als die von dem Beklagten bewilligte zugestanden hätte, weil die für diesen Monat
aufzuwendende Abschlagszahlung für die Warmwasserbereitung (lt. Mietvertrag 23,43 EUR) bereits durch die
Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II abgegolten worden und deshalb aus den Kosten der Unterkunft
herauszurechnen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R – veröffentlicht in juris; vgl.
auch die entsprechende Berechnung im Bescheid des B P von Berlin vom 7. September 2004). Denn der Klägerin
stehen auf Grund der insoweit bindenden Bewilligungsentscheidung für Januar 2005 jedenfalls Alg II-Leistungen in der
von dem Beklagten festgesetzten – und gemäß § 41 Abs. 2 SGB II aufzurundenden – Höhe zu.
Die Klägerin ist Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II das 15.
Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet; sie ist auch erwerbsfähig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 SGB II) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
SGB II). Die Klägerin war im Januar 2005 gemäß § Abs. 1 Nr. 3 SGB III i. V. mit den §§ 9, 11, 12 SGB II auch
hilfebedürftig, weil sie ihren Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen nicht ausreichend sichern
konnte.
Die von der Klägerin geltend gemachte Gesamtleistung, die der des Monats Februar 2005 entspricht, beläuft sich auf
677,12 EUR (Regelleistung von 345,00 EUR – § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II – zuzüglich Kosten für Unterkunft und
Heizung in Höhe von 332,12 EUR – § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II –). Zu berücksichtigen ist für Januar 2005 Einkommen
der Klägerin in Höhe von 512,51 EUR.
Die Klägerin erzielte für ihre im Dezember 2004 ausgeübte Beschäftigung ein monatliches Nettoentgelt in Höhe von
770,34 EUR, das ihr im Januar 2005 – entsprechend der Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages vom 01. Juli 2004 –
zufloss (vgl. Gehaltsabrechnung vom 04. Januar 2005). § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V)
bestimmt für derartige laufende Einnahmen, dass diese dem Monat des erfolgten Zuflusses zugerechnet werden.
Dieses Einkommen ist daher als Erwerbseinkommen der Klägerin im Januar 2005 zu berücksichtigen. § 2 Abs. 2 Satz
1 Alg II-V entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum BSHG und ist mit
höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift ist durch die Ermächtigungsgrundlage in § 13 Nr. 1 SGB II gedeckt
(vgl. hierzu ausdrücklich BSG, Beschluss vom 23. November 2006 – B 11b AS 17/06 B – veröffentlicht in juris – mit
weiteren Nachweisen). Die in § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V zum Ausdruck kommende "monatsweise Betrachtungsweise"
findet ihre Entsprechung in den Vorschriften des § 23 Abs. 4 SGB II und des § 41 Abs. 1 SGB II.
Das somit zu berücksichtigende monatliche Nettoentgelt der Klägerin von 770,34 EUR ist gemäß § 30 SGB II in der
bis zum 30. September 2005 geltenden und hier noch anwendbaren Fassung (vgl. § 67 SGB II; im Folgenden: alter
Fassung – a.F. -) um die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006
geltenden Fassung (vgl. § 68 Abs. 1 SGB II) zu bereinigen. Von dem Nettoentgelt von 770,34 EUR sind mithin 30,00
EUR (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. mit § 3 Nr. 1 Alg II-V; Versicherungspauschale), 15,33 EUR (§ 11 Abs. 2 Nr. 5
SGB II i. V. mit § 3 Nr. 3a Alg II-V; Werbungskostenpauschale) und 64,00 EUR Fahrtkosten (§ 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II
i. V. mit § 3 Nr. 3 b Alg II-V; Wert einer Monatskarte der BV, da die Klägerin kein Kfz besitzt) abzusetzen. Danach
verbleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen von 661,01 EUR. Unter Anwendung von § 3 Nr. 2 Alg II-V a.F. ist zur
Ermittlung der Freibeträge der Anteil des bereinigten Einkommens am Bruttoeinkommen zu ermitteln. Hieraus
errechnet sich eine Nettoeinkommensquote von 0,66101, bei Rundung entsprechend der Regelung in § 338 Abs. 1
und Abs. 2 SGB III (vgl. hierzu Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 30 Rz. 25) ergibt sich eine
Nettoeinkommensquote von 0,66. In einem dritten Schritt ist das bereinigte Einkommen auf den einzelnen
Einkommensstufen des § 30 Nrn. 1 bis 3 SGB II a. F. zu bestimmen, aus dem sodann der Freibetrag zu errechnen
ist. Für die einzelnen Einkommensstufen ergibt sich danach Folgendes: 400,00 EUR - 0,66 = 264,00 EUR; 500,00
EUR - 0,66 = 330,00 EUR; 100,00 EUR - 0,66 = 66,00 EUR. Dieses bereinigte Einkommen in den einzelnen Stufen ist
nunmehr mit den Prozentsätzen des § 30 SGB II a. F. zu vervielfältigen, was auf der ersten Stufe (15 % von 264,00
EUR) 39,60 EUR, auf der zweiten Stufe (30% von 330,00 EUR) 99,00 EUR und auf der dritten Stufe (15 % von 66,00
EUR) 9,90 EUR ergibt. Der gesamte Freibetrag beträgt somit 148,50 EUR. Ausgehend von dem bereinigten
Nettoeinkommen für Januar 2005 in Höhe von 661,01 EUR ergibt sich mithin ein einsetzbares Erwerbseinkommen der
Klägerin von 512,51 EUR. Der Klägerin stand im Ergebnis für Januar 2005 höheres Alg II als das von dem Beklagten
bewilligte in Höhe von gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) 165,00 EUR nicht zu (vgl. zum Erfordernis der Aufrundung
nach § 41 Abs. 2 SGB II ausdrücklich BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – veröffentlicht in juris).
Der Beklagte hat im Hinblick auf das für Januar 2005 bereits bewilligte Alg II in Höhe von 164,84 EUR insoweit seine
weitere Leistungspflicht in Höhe von 0,16 EUR anerkannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.