Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.02.2006

LSG Berlin-Brandenburg: mrt, unfallversicherung, diabetes mellitus, rechtliches gehör, wahrscheinlichkeit, bedingung, anhörung, kausalität, fahrzeug, form

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 3 U 79/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 S 2 SGB 7, § 8 Abs 2
Nr 1 SGB 7
Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall -
anspruchsbegründende Tatsache - Gesundheitserstschaden -
Nachweis - Vollbeweis - wissenschaftlicher Erkenntnisstand -
Verkehrsunfall - Aufprall des Ellenbogengelenks auf Armauflage
der PKW-Tür - Schultersteife - Frozen Shoulder
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten vom 05. April 2006 wird das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 24. Februar 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Schulter(teil)steife links (so genannte Frozen shoulder,
im Folgenden: FS) als Folge eines Ereignisses vom 30. April 2002 sowie die Gewährung
von Entschädigungsleistungen.
Laut Anzeige ihres Arbeitsgebers vom 12. August 2002 erlitt die 1945 geborene Klägerin
am 30. April 2002 (Dienstag) gegen 10.15 Uhr einen Unfall. Gemäß ihren eigenen - der
Unfallanzeige beigefügten - Angaben vom 21. Mai 2002 befand sie sich mit einem Pkw
des Typs Nissan Micra auf dem Weg von ihrem Wohnsitz zum Sitz des Arbeitgebers in F.
Die von ihr befahrene P Straße in F habe sich in einem sehr schlechten Zustand
befunden. Außerdem habe es zuvor sehr stark geregnet, so dass die Straße voll Wasser
gestanden habe, wodurch die vorhandenen Schlaglöcher nicht mehr sichtbar gewesen
seien. Man sei „von einem Loch in das nächste“ gefahren. Ein Schlagloch war den
Angaben zufolge so tief, dass sie mit ihrem linken Ellenbogen auf die an der Innenseite
der Tür befindliche Armauflage aufschlug. Erst am Abend habe sie leichte Schmerzen im
Schultergelenk gespürt. Die Schmerzen hätten immer weiter zugenommen und die
Beweglichkeit des Arms abgenommen, so dass sie am 06. Mai 2002 (Montag) erstmals
den Arzt habe aufsuchen müssen. Eine Unfallmeldung bei der Polizei sei nicht erfolgt, da
zwar der Aufprall des Ellenbogens auf der Armauflage sehr heftig gewesen, jedoch ihr
und dem Auto auf den ersten Blick nichts geschehen sei (so die ergänzenden Angaben
der Klägerin gegenüber ihrer Krankenkasse - der TK - vom 26. Juni 2002). Nach dem
Ereignis setzte sie ihren Weg fort und fuhr weiter zu ihrer Arbeitsstelle in F und später
wieder nach Hause.
Die Beklagte holte zunächst ein Vorerkrankungsverzeichnis von der TK betreffend
Erkrankungen der oberen Extremitäten sowie einen Befundbericht des erstbehandelnden
Allgemeinmediziners Dr. L vom Oktober 2002 ein. Darin schilderte dieser den Verdacht
auf eine Schulterläsion/Rotatorenmanschettenläsion nach Prellung. Dem Befundbericht
waren ein MRT-Befund des linken Schultergelenks vom 10. Juni 2002 („mäßige Arthrose
im AC-Gelenk, ansonsten unauffälliges MRT des linken Schultergelenks ohne Anhalt für
ein Impingement“), ein Röntgenbefund der HWS vom 27. Juni 2002 („Steilhaltung der
HWS im Segment C6/7 und Verdacht auf Gefügelockerung in C 5/6 und C 4/5.
Uncarthrose aller HWS-Segmente. Noch keine auffällige Abflachung von
Zwischenwirbelräumen.“) sowie ein Arztbrief des Dr. S vom Mai 2002 (Diagnose:
Tendinitis calcarea der linken Schulter aufgrund Sonografie vom 06. Mai 2002) beigefügt.
Nachdem der beratende Facharzt für Chirurgie Dr. H einen Ursachenzusammenhang
zwischen einer Tendinitis calcarea und dem Unfallereignis verneint hatte, lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 06. Februar 2003 einen Anspruch der Klägerin auf
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab.
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In ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch gab die Klägerin an, sie habe unmittelbar
nach dem Einfahren in ein sehr großes Schlagloch einen starken Schmerz in der linken
Schulter verspürt. Die Schmerzen hätten anschließend zugenommen und die
Beweglichkeit abgenommen. Am Montag, den 06. Mai 2002 sei sie aufgrund der
Bewegungseinschränkung der linken Schulter nicht mehr in der Lage gewesen, ein Auto
selbst zu lenken. Am 06. Dezember 2002 sei sie an der Schulter wegen eines
subacromialen Impingements operiert worden.
Die Beklagte zog zunächst den Operations- sowie den Entlassungsbericht des
Krankenhauses M-O GmbH bei. Im OP-Bericht vom 09. Dezember 2002 fand sich die
Diagnose „subacromiales Impingement-Syndrom II° linkes Schultergelenk, sekundäre
FS“. Außerdem zog die Beklagte unter anderem Berichte der Schulter-Sprechstunde
des V Klinikum H vom 04. Juli 2002, 02. Oktober 2002 und 20. März 2003, einen MRT-
Befund der linken Schulter vom 15. Oktober 2002 (Ergebnis: “Läsion im Ansatz der
Supraspinatussehne ohne sicheren Nachweis einer Unterbrechung der Grenzflächen.
Verschmälerte acromio-humerale Distanz. Geringe fettige Degeneration des Musculus
supra- und infraspinatus. Deutliche Arthrose im AC-Gelenk.“) sowie einen Bericht des
Orthopäden Dr. H vom 29. Juli 2003 bei.
Anschließend veranlasste die Beklagte die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin
durch den Facharzt für Orthopädie Dr. J. Im Rahmen der Begutachtung am 07.
November 2003 gab die Klägerin an, unmittelbar nach dem Unfall starke Schmerzen im
linken Ellenbogen mit nachfolgender Schmerzausstrahlung bis in die HWS-Region
verspürt zu haben. Die Schmerzen im Ellenbogenbereich seien am Abend des Unfalltags
verschwunden gewesen. Stattdessen seien zunehmend Schmerzen im Bereich der
linken Schulter in den Vordergrund getreten. Äußerliche Verletzungszeichen waren der
Klägerin nicht erinnerlich. Zunächst habe sie eine Selbstbehandlung (Ruhigstellung,
Kühlung) durchgeführt. Die Erstbehandlung beim Arzt habe in einer orthetischen
Ruhigstellung und Ultraschalltherapie bestanden. Nach Erstellung eines MRT sei mit
Krankengymnastik begonnen worden.
In dem Gutachten vom 13. November 2003 gelangte Dr. J zu dem Schluss, bei der
Klägerin bestehe eine aktivierte Acromioclaviculargelenkarthrose (AC-Gelenkarthrose)
links sowie ein Zustand nach operativ versorgter FS und subacromialem
Impingementsyndrom bei Bursitis subacromialis. Es sprächen mehr Gründe dafür als
dagegen, dass die bei der Klägerin eingetretene FS links durch das angeschuldigte
Ereignis verursacht und das subacromiale Impingementsyndrom wesentlich
mitverursacht worden seien. Denn letzteres habe bis zum Unfallereignis keine
Erkrankung dargestellt. Es habe vielmehr lediglich eine synergistisch zur traumatischen
Exposition wirkende Anlage dargestellt. Die wesentliche Bedeutung komme dem
Unfallereignis als dem eigentlichen Krankheitsauslöser zu. Unfallbedingte
Arbeitsunfähigkeit sei für die Zeit vom 06. Mai 2002 bis April 2003 zu bejahen.
Unfallunabhängig bestünden die aktivierte Arthrose des AC-Gelenks links sowie cervicale
Funktionsstörungen bei Uncovertebralarthrose. Die unfallbedingte Minderung der
Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 10 v. H. einzuschätzen.
Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. H vom 06.
Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. April
2004 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ereignis sei nicht geeignet
gewesen, die festgestellten Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Die Tatsache, dass
vor dem Unfall Beschwerdefreiheit bestanden habe, genüge nicht, um den ursächlichen
Zusammenhang zu begründen. Eine – von Dr. J angenommene – erhebliche indirekte
Gewalteinwirkung auf die linke Schulter sei nicht nachzuvollziehen. So habe die Klägerin
ursprünglich im Gegensatz zu ihren Angaben bei Dr. J nicht von einem bis in die HWS
ausstrahlenden Schmerz berichtet. Hingegen sei eine degenerative Erkrankung der HWS
bekannt. Eine Prellmarke oder andere Verletzungen des Ellenbogens seien nicht
angeführt worden. Weiterhin spreche gegen eine unfallbedingte Verursachung, dass die
MRT-Untersuchung sechs Wochen nach dem Unfall keinen Hinweis für eine Verletzung
der betroffenen Schulter ergeben habe. Nachweislich lägen aber eine HWS-Uncarthrose
mit leichter Osteochondrose sowie eine AC-Gelenkarthrose vor. Beide Erkrankungsbilder
begünstigten das Zustandekommen einer Bursitis subacromialis.
Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin
geltend gemacht, sowohl Dr. H als auch Dr. J hätten bestätigt, dass das beim
Unfallereignis erlittene Anpralltrauma geeignet gewesen sei, ihre Beschwerden
hervorzurufen. Dr. J habe festgestellt, dass die bei ihr latent vorhandenen Anlagen
keinen Krankheitswert besessen hätten und daher das Unfallereignis wesentliche
Ursache für die Funktionsstörungen der linken Schulter sei. Sie habe vor dem Unfall
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Ursache für die Funktionsstörungen der linken Schulter sei. Sie habe vor dem Unfall
keine Beschwerden in der linken Schulter gehabt und sich auch nie in Behandlung wegen
derartiger Beschwerden befunden. Im Übrigen lasse der von ihr geschilderte
Geschehensablauf eine erhebliche Einwirkung am Ellenbogen durch den Aufprall gerade
auch unter Berücksichtigung der normalen Fahrgeschwindigkeit eines Pkws als sehr
wahrscheinlich erscheinen. Schon geringe Geschwindigkeiten von 10-20 km/h wirkten
sich dahingehend aus, dass erheblich höhere Kräfte freiwürden als bei einem stehenden
Fahrzeug. Sie sei in dem Schlagloch stecken geblieben und nicht darüber hinweg
gefahren.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2006 hat das SG eine
Augenscheinseinnahme des Fahrzeugs der Klägerin vorgenommen. Dabei wurde
folgendes festgehalten:
„Auf die Tür aufgesetzt zeigt sich die Armlehne, die ungepolstert aus Plastik ist. Es
handelt sich bei dem Fahrzeug um einen blauen Nissan Micra. Es zeigt sich, dass sich
der Arm der Klägerin beim Festhalten des Lenkrads etwa in einem Abstand von gut 10
cm über der Armlehne befindet. Dieser 10 cm-Abstand gilt dann, wenn das Lenkrad
oben angefasst wird. Dann ist es sogar etwas mehr, wird das Lenkrad unten angefasst,
ist es weniger bis hin zum Auflegen des Armes auf die Armlehne. Der Augenschein
ergibt, dass die Klägerin bei einem Schlagloch mit dem linken Arm nicht an der
Armlehne (mit dem Arm zwischen Körper und Armlehne) vorbei kommt, sondern auf die
Armlehne aufschlägt, sei es, dass sich der Arm gegen die Armlehne oder die Armlehne
gegen den Arm bewegt, weil das Auto federt.“
Durch Urteil vom selben Tag hat das SG die Beklagte antragsgemäß unter Änderung
des Bescheids vom 06. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.
April 2004 verurteilt, das posttraumatische Frozen-shoulder-Syndrom als Unfallfolge
anzuerkennen und zu entschädigen. Zur Begründung hat sich die Kammer auf das
Gutachten von Dr. J sowie die Augenscheinseinnahme gestützt. Nach dem Ergebnis der
Augenscheinseinnahme habe so gut wie ausgeschlossen werden können, dass die
Klägerin bei einem plötzlichen unfallartigen Ruck zwischen Körper und Armlehne vorbei
mit dem Ellenbogen ins Leere stoße. Die Klägerin habe nachvollziehbar geschildert, dass
sie in ein relativ tiefes Schlagloch gefahren sei, in welchem sie dann stecken geblieben
sei. Dies sei mit einem plötzlichen Ruck verbunden, der auch erhebliche Energie
entfalten könne, wenn der Ellenbogen ungebremst auf die Armlehne treffe. Somit habe
nach Auffassung der Kammer ein ausreichendes Trauma im Sinne der Schilderungen
von Dr. H und Dr. J vorgelegen. Ausschlaggebend sei weiterhin, dass bisher bei der
Klägerin keine Schulterbeschwerden aufgetreten seien, was durch die Auskunft ihrer
Krankenkasse zumindest für die Zeit ab 1998 bewiesen sei.
Gegen das am 13. März 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 05. April 2006 bei
dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingegangene Berufung der
Beklagten. Entgegen der vordergerichtlichen Entscheidung handele es sich bei den
vorliegenden Schultergelenkbeschwerden nicht um Folgen des Unfalls vom 30. April
2002. Tatsächliche Anhaltspunkte für das Einwirken gravierender Kräfte während des
Unfalls fänden sich im gesamten Aktenverlauf nicht. Die Tatsache, dass die
Beschwerden am primär betroffenen linken Ellenbogen bereits am Abend des Unfalltags
verschwunden gewesen seien, spreche eindeutig gegen die Annahme eines erheblichen
Anpralltraumas. Auch der Umstand, dass das Fahrzeug der Klägerin weder im Bereich
der Armlehne noch im Bereich des im Schlagloch stecken gebliebenen Rads Schäden
aufgewiesen habe, stütze die Grundvoraussetzung der erheblichen Energie nicht. Dr. H
habe sich mit der Tatsache nicht vorhandener äußerer Verletzungszeichen auseinander
gesetzt und unter Bezugnahme auf anerkannte unfallmedizinische Fachliteratur darauf
hingewiesen, dass bei einer primär vorliegenden Stauchung im Ellenbogenbereich
dortige Beschwerden oder Verletzungszeichen eine Minimalvoraussetzung darstellten,
um darüber hinaus vorliegende Weichteilverletzungen der Schulter als Folge zu
diskutieren. Darüber hinaus seien bei der Klägerin eine unfallunabhängige Tendinitis
calcarea, degenerative Veränderungen des AC-Gelenks und ein subacromiales
Impingement nachgewiesen. Weder die röntgenologischen Untersuchungen noch die
Arthroskopie hätten unfallbedingte Verletzungen im Bereich des linken Schultergelenks
erbracht. Das Unfallereignis habe lediglich ein Anlassgeschehen für die Auslösung akuter
Erscheinungen einer bereits vorbestehenden und leicht ansprechbaren Krankheitsanlage
im linksseitigen Schulterbereich dargestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2006 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen
Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass sie an der rechten Schulter bisher keine
Beschwerden habe, weshalb davon auszugehen sei, dass die linksseitigen Beschwerden
tatsächlich unfallbedingt seien. Im Übrigen seien die Schmerzen im Ellenbogenbereich
noch lange Zeit spürbar gewesen, jedoch nicht so gravierend wie die Schmerzen im
Schultergelenk gewesen. Sie betont nochmals, dass sie vor dem Unfall keinerlei
Beschwerden gehabt habe.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. W-R mit der Untersuchung der Klägerin und der
Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem am 08. August 2006
fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin lägen
folgende Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten vor:
1. Tendinitis calcarea beide Schultern
2. Zustand nach Acromioplastik linkes Schultergelenk
3. AC-Gelenkarthrose beidseits
4. Schultersteife links
5. chronisch degenerative HWS-Veränderungen mit Uncovertebralarthrosen der
Etagen HWK 4-6 und geringer Gefügelockerung des Segments C 6/7.
Keine dieser Veränderungen sei Folge des Ereignisses vom 30. April 2002. Durch das
Aufschlagen des Ellenbogens auf die Armlehne sei es zu einer Stauchung des
Ellenbogens bzw. auch der Schulter gekommen. Als Folge einer inneren Schadensanlage
habe sich reaktiv eine Schulterteilsteife mit nachfolgender subacromialer Enge
entwickelt. Ursächlich hierfür seien die erkennbare Veränderung an der
Muskelmanschette (Kalkmetaplasie am Ansatz der Supraspinatussehne) und am
Schultereckgelenk. Primärer Schadensort sei der Ellenbogen und nicht das
Schultergelenk gewesen. Entsprechende Veränderungen bei schwerer Krafteinwirkung
hätten dort gefunden werden müssen. Jedoch sei es hier zu einer raschen Remission der
lokalen Beschwerden gekommen, Prellmarken an den Weichteilen seien nicht zu
erkennen gewesen. Strukturschäden am Schultergelenk bzw. an den angrenzenden
Weichteilen seien durch Sonografie sowie Röntgen- und MRT-Untersuchungen
ausgeschlossen worden. Ein erforderlicher sofortiger Funktionsverlust der Schulter nach
dem Unfall sei nicht eingetreten. Die heute bestehenden erkennbaren Funktionsdefizite
seien gering. Aufgrund einer Ellenbogen-/Schulterkontusion habe für maximal zwei
Wochen Behandlungsbedürftigkeit bestanden.
Die Klägerin kritisiert das Gutachten eingehend und macht erneut Ausführungen zur
Wesentlichkeit des Ursachenzusammenhangs. Der Sachverständige habe sich nicht
hinreichend mit der Bewertung von Dr. J auseinander gesetzt. Insbesondere moniert sie,
der Sachverständige widerspreche dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme.
Danach sei festgestellt, dass der angewinkelte linke Arm sich beim Fahren auf der
ungepolsterten Armlehne aus Plastik befinde, wenn das Lenkrad unten angefasst werde.
Beim Fahren in das Schlagloch hätten sich automatisch Kraft und Bewegung des Autos
direkt in ihre Schulter übertragen. Darüber hinaus sei es irrelevant, wenn der
Sachverständige nach nunmehr über vier Jahre nach dem Unfall eine beiderseitige
Tendinits calcarea sowie eine AC-Gelenkarthrose feststelle. Zum Unfallzeitpunkt habe
ein derartiger Befund nicht vorgelegen.
Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Dr. W-R veranlasst. In
seiner Stellungnahme vom 04. Dezember 2006 hat dieser unter anderem darauf
verwiesen, dass es unabhängig von der Frage der Sitzposition der Klägerin im Pkw an
einem fixierenden Gegenhalten der Schulter fehle. Ein Ausweichen nach oben sei
aufgrund der Anatomie der Schulter jederzeit möglich. Eine strukturelle
Schulterschädigung aufgrund des Ereignisses sei durch die MRT-Untersuchung vom 10.
Juni 2002 ausgeschlossen. Im Rahmen dieser Untersuchung habe sich eine mäßige AC-
Gelenkarthrose ohne Aktivierungszeichen gefunden. Auf weitere Kritik der Klägerin hat
der Sachverständige am 29. Januar 2007 eine weitere ergänzende Stellungnahme
abgegeben, in deren Rahmen er von seiner bisherigen Beurteilung jedoch nicht
abgewichen ist.
Die Klägerin legt anschließend ergänzend dar, dass ihr Arm aufgrund der beengten
Verhältnisse im Fahrzeug wie in einem Schraubstock zwischen Lenkrad, Armlehne und
Schultergelenk festgestellt gewesen sei, während ihr Körper nach vorne geschnellt sei.
Dies entspreche der Situation bei einem Treppensturz mit Festhalten.
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Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat sodann
den Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L mit der Untersuchung der Klägerin und der
Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 10. Oktober
2007 zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestehe eine fibrosierte Bursitis
subacromialis mit sekundärer Schultersteife links. Die sekundäre FS sei mit
Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 30. April 2002 verursacht worden. Das
Krankheitsbild der Kapsulitis adhäsiva oder FS sei ein eigenständiges Krankheitsbild,
wobei die Ätiologie sehr multivariant sein könne. Genaueste wissenschaftliche Belege,
weshalb es zur Schrumpfung des Schultergelenkkapselvolumens komme, stünden aus.
Es werde unterschieden zwischen einer primären und einer sekundären FS. Die
bildgebende Diagnostik versage bei derartigen Krankheitsbildern vollständig. Auch hier
habe die klinische Diagnose nicht durch Röntgen-, Sonografie- oder MRT-Befunde
untermauert werden können. Der veränderte und verdickte Schleimbeutel sei nicht
Krankheitsursache und auch nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, vielmehr sei er
sekundäres Folgeereignis der FS. Eine posttraumatische FS im engeren Sinne, d. h. ein
Zustand nach massiven strukturellen Veränderungen wie z. B. Brüchen im
Oberarmkopfnahen Bereich oder Schulterluxationen, liege hier nicht vor. Eine
Schulterluxation sei durch die Röntgenuntersuchung vom 06. Mai 2002 ausgeschlossen
worden. Initialereignis der sekundären FS sei hier das Kontusionsereignis, welches über
eine indirekte Fortleitung der Kraft durch einen massiven Ellenbogenanprall auf das
Schultergelenk ursächlich für die FS verantwortlicht gemacht werden könne.
Wissenschaftliche Grundlagen zur Entstehung dieser Formen der Schultereinsteifung
steckten noch in den Kinderschuhen. Häufig seien sie bei Diabetikern, bei Patienten
eines bestimmten HLA-Status, bei Patienten mit bestimmten
Chromosomenapparationen bzw. Veränderungen im Kollagengerüst zu beobachten. Alle
diese Dinge seien bei der Klägerin auszuschließen. Dies sei letztlich aber nicht
beweisend dafür, dass das Unfallereignis nicht den Prozess der FS in Gang gesetzt habe.
Arbeitsunfähigkeit habe ab dem 06. Mai 2002 für mehr als 72 Wochen bestanden. Eine
Therapiebedürftigkeit sei aus Sicht der Klägerin bis zum Januar 2004 gegeben. Die MdE
betrage vom 01. Mai 2002 bis zum 04. Dezember 2002 40 v. H., vom 05. Dezember
2002 bis zum 12. Dezember 2002 100 v. H., vom 13. Dezember 2002 bis zum 31. Januar
2004 40 v. H. und vom 01. Dezember 2004 bis zum 17. Juli 2007 – dem
Untersuchungstag – 20 v. H..
Die Beklagte meint, das Gutachten des Dr. L erfülle nicht die Mindestanforderungen
eines im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zu fordernden wissenschaftlichen
Gutachtens. Der Sachverständige begründe seine Schlussfolgerungen allein mit seinen
persönlichen Erfahrungen und nicht mit wissenschaftlichen Belegen. Im Übrigen sei eine
- von Dr. L angenommene – Verletzung der Schultergelenkkapsel durch die MRT-
Untersuchung vom 15. Oktober 2002 ausgeschlossen worden. Ebenso wenig sei es im
Rahmen des Unfalls vom 30. April 2002 zu einem – von Dr. L weiterhin angenommenen
– massiven Kontusionsereignis gekommen. Es habe sich somit um ein „Minorereignis“
gehandelt, welches, wie Dr. L selber in seinem Gutachten ausführe, als beliebiges
Gelegenheitsereignis geeignet gewesen sei, den Krankheitsverlauf in Gang zu setzen.
In einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 21. Januar 2008 hat
Dr. W-R Dr. L insbesondere insoweit kritisiert, als dieser das Vorliegen einer AC-
Gelenkarthrose für irrelevant für die Krankheitsentwicklung der Klägerin halte. Hierzu hat
er sich auf die Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, „Arbeitsunfall und
Berufskrankheit“ bezogen. Im vorliegenden Fall habe im Rahmen der vorgenommenen
Diagnostik weder an den Weichteilen noch innerhalb des Gelenks ein Verletzungskorrelat
etwa in Form einer Schwellung oder eines Hämarthros aufgedeckt werden können. Eine
direkte Verletzung der Schulter, auch in Form eines direkten Anpralltraumas, habe nicht
stattgefunden. Leichtgradige Zerrungen und Prellungen der Schulter führten in der Regel
nach der unfallmedizinischen Standardliteratur nur dann zu einer Schultersteife, wenn
verletzungsbedingte Schmerzen zu einer länger anhaltenden Schonung bzw.
Ruhigstellung des Schultergelenks führten.
Der Senat hat die Akten des Landgerichts (LG) Berlin zum Rechtsstreit mit der privaten
Unfallversicherung (Az.: 7 O 296/04) eingesehen und hieraus insbesondere das
fachchirurgisches Gutachten des Dr. H vom 27. Juni 2005, die fachchirurgische
Stellungnahme desselben Arztes vom 11. September 2005, das Protokoll der
öffentlichen Sitzung des LG Berlin vom 18. Mai 2006, das Urteil des LG Berlin vom 13. Juli
2006, das orthopädisch-rheumatologische Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage
von Prof. Dr. S vom 13. Juni 2007, die Stellungnahme desselben Arztes vom 23. Juli
2007, das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Kammergerichts (KG) Berlin vom 12.
Oktober 2007 sowie das Urteil des KG Berlin vom 23. November 2007 in den Rechtsstreit
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Oktober 2007 sowie das Urteil des KG Berlin vom 23. November 2007 in den Rechtsstreit
eingeführt.
Die Klägerin ist der Auffassung, aus den im Rahmen des Zivilrechtsstreits erstellten
Gutachten ergebe sich, dass der Unfall ursächlich für die Verletzung der linken Schulter
gewesen sei. Altersgerechte Vorschäden seien nicht zu berücksichtigen. Die Beklagte
verweist demgegenüber darauf, dass sowohl Dr. H als auch Prof. Dr. S unmittelbar an
den Unfall anschließende posttraumatische Schäden im Gelenkbereich ausgeschlossen
und auf degenerative Vorschäden hingewiesen hätten. Soweit im Rahmen des
zivilrechtlichen Streits eine prozentuale Aufteilung der Schadensanteile erfolgt sei, sei
dies im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht möglich.
Der Senat hat zwei weitere Auskünfte der TK zu Vorerkrankungen und
Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin eingeholt (Auskünfte vom 03. März und 29. Mai
2009).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 hat der Senat die
Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L gehört. Auf das Protokoll sowie dessen Anlagen 1
bis 3 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat – entgegen der
Ansicht des SG - keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztengeld, Verletztenrente etc.).
Der Anspruch der Klägerin scheitert bereits daran, dass das – behauptete - Ereignis vom
30. April 2002 keinen Arbeitsunfall i. S. v. § 8 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VII) darstellt.
Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer
den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte
Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen
des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und
von dem Ort der Tätigkeit (so genannter Wegeunfall). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von
außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des
Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw.
sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von
außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat
(Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den
Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen
von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens
(haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines
Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG vom 04.
September 2007, - B 2 U 28/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24 m. w. N.).
Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme
derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende
und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier
typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR
2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des
Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg;
die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder.
Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den
Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit
genügt nicht (BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, in Juris m. w. N.). Zu den voll zu
beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des
Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten
Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als
Unfallmerkmale.
Es mag hier dahin gestellt bleiben, ob ein Arbeitsunfall bereits deshalb nicht
festzustellen wäre, weil das äußere Ereignis nicht nachgewiesen ist. Für die von der
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festzustellen wäre, weil das äußere Ereignis nicht nachgewiesen ist. Für die von der
Klägerin geschilderten Ereignisse vom 30. April 2002 existieren nämlich weder Zeugen
noch urkundliche Beweise. Zeugen z. B. in Gestalt von Mitfahrern oder Passanten gab es
nicht, eine Unfallmeldung bei der Polizei hat nicht stattgefunden, eine Vorstellung in
einer Kfz-Werkstatt ist mangels Schadens am Fahrzeug ebenfalls nicht erfolgt. Auch ist
im Arztbrief des Orthopäden Dr. S der 29. April 2002 als Unfalltag benannt worden.
Vorliegend fehlt es jedenfalls am erforderlichen Nachweis eines
Gesundheitserstschadens. Ausweislich der – nicht objektivierbaren - Angaben der
Klägerin war primärer Schadensort ihr linkes Ellenbogengelenk. Nur hier hat der Aufprall
auf die Armlehne der Fahrertür stattgefunden. Ein Anstoßen mit dem Kopf oder der
Schulter an Fahrzeugteilen unmittelbar ist nicht vorgetragen worden. Ein Körperschaden
im Bereich des Ellenbogengelenks ist nicht nachgewiesen. Die Klägerin selber gab hierzu
zunächst lediglich initiale Schmerzen an, die am Abend des Unfalltags verschwunden
gewesen seien. In einer späteren Version hat sie fortdauernde, offensichtlich aber nur
untergeordnete, Schmerzen behauptet. Äußere Verletzungen in diesem Bereich oder
Prellmarken sind ihr – so ihre Angaben bei Dr. J – nicht erinnerlich. Im Übrigen sind weder
äußere Verletzungszeichen noch Schädigungen des Gelenks, der Weichteile oder
Knorpel bzw. Bänder medizinisch dokumentiert. Die Klägerin hat sich erst circa eine
Woche nach dem Ereignis in medizinische Behandlung begeben. Eine Vorstellung beim
Durchgangsarzt, was bei Angabe eines Wegeunfalls im Rahmen der Behandlung durch
den behandelnden Arzt Dr. L oder durch Dr. S eigentlich hätte veranlasst werden
müssen, ist nie erfolgt. In der Folge sind lediglich Befunde betreffend die Schulter
erhoben und nur diesbezüglich Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Allein
aufgrund dieser Umstände ist bereits zu bezweifeln, dass bei dem von der Klägerin
geschilderten Aufprall größere Kräfte gewirkt haben, ansonsten hätte es zu sichtbaren
und andauernden Schäden im Bereich des Ellenbogens kommen müssen. Soweit der
Sachverständige Dr. W-R in seinem Gutachten von einer Ellenbogenprellung ausgeht,
handelt es sich um eine bloße Annahme aufgrund des von der Klägerin beschriebenen
Unfallhergangs und der angegebenen Schmerzen. Ein entsprechender Erstbefund fehlt.
Eine solche Prellung (d. h. Schädigung von Organen oder Körperteilen durch direkte,
stumpfe Gewalt von außen ohne sichtbare Verletzungen der Haut) wäre aber in jedem
Fall folgenlos ausgeheilt.
Ein direktes Anpralltrauma der linken Schulter (etwa an der Tür) wird – wie schon erwähnt
- von der Klägerin nicht behauptet. Die Klägerin argumentiert vielmehr mit einer
fortgeleiteten Krafteinwirkung. Es habe eine starke Krafteinwirkung durch den Aufprall
des Ellenbogens auf die Armlehne stattgefunden, welche – ungedämpft – über das
Ellenbogengelenk an das Schultergelenk fortgeleitet worden sei. Dort habe dies zu einer
„kranialen Subluxation des Humeruskopfes mit Quetschung des subacromialen
Gewebes und Dehnungs- bzw. Scherkraftreiz auf die Kapsel-Bandstrukturen“ geführt (so
Dr. J auf S. 10 seines Gutachtens).
Abgesehen davon, dass bereits das erste Glied der Argumentationskette der Klägerin -
die starke Krafteinwirkung bzw. das „massive Kontusionsereignis“ – angesichts der
fehlenden Schäden am Ellenbogengelenk sowie am Fahrzeug, angesichts der dem
Straßenzustand angemessenen anzunehmenden geringen Fahrgeschwindigkeit,
angesichts der tatsächlichen Dämpfung des Aufpralls durch Federung des Pkws bzw. des
Fahrersitzes sowie im Körper durch Knorpel und Bänder, angesichts der
Beschleunigungshemmung durch den Sicherheitsgurt sowie letztlich angesichts der
Anatomie der Schulter, die nach oben nicht fixiert war und jederzeit ausweichen konnte,
nicht plausibel ist, fehlt es am Nachweis eines Primärschadens an der Schulter.
Entscheidend ist nicht so sehr die Frage, ob überhaupt ein Reiz irgendwelcher Art auf das
Schultergelenk eingewirkt hat, sondern ob strukturelle Schäden zeitnah zum Unfall
nachgewiesen sind. Demzufolge ist es auch nicht von Bedeutung, ob – wie die Klägerin
im Termin zur mündlichen Verhandlung behauptet hat – eine dreifache Krafteinwirkung
stattgefunden hat. Da die Klägerin sich erst ca. eine Woche nach dem behaupteten
Ereignis in Behandlung begeben hat, muss sich die Nachweisführung stützen auf die
folgenden zeitnächsten Befunde:
- Sonografie vom 06. Mai 2002
- Röntgenbilder der linken Schulter vom 06. Mai 2002
- MRT des linken Schultergelenks vom 10. Juni 2002
- Röntgenbilder der HWS vom 27. Juni 2002.
Die Sonografie war laut dem Brief des Dr. S vom 06. Mai 2002 bis auf Kalk in der
Supraspinatussehne unauffällig. Verletzungszeichen wurden von ihm nicht festgestellt,
die Bizepssehne war unauffällig.
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Die Röntgenbilder der linken Schulter vom 06. Mai 2002 ergaben laut der
Nachbefundung von Dr. L (S. 9 seines Gutachtens) weder eine wesentliche kraniale
Dezentrierung noch nennenswerte degenerative Veränderungen am Oberarmkopf oder
an der Gelenkpfanne. Der akromiohumerale Abstand war dezent verringert. Am AC-
Gelenk waren kaudale Osteophyten i. S. einer initialen AC-Gelenkarthrose nachweisbar.
Im Bereich des Tuberculum majus fand sich eine 3 mm kalkdichte Verschattung i. S.
einer Tendinosis calcarea Typ Gärtner III.
Im MRT der linken Schulter vom 10. Juni 2002 zeigte sich gemäß dem Befund vom 11.
Juni 2002 eine mäßige Arthrose im AC-Gelenk. Ansonsten war das MRT unauffällig. Es
fanden sich keine Anhaltspunkte für ein Impingement, eine Schädigung der
Rotatorenmanschette (RM), eine Bursitis, eine Verletzung der Schultergelenkkapsel oder
des Labrum glenoidale. In seiner Nachbefundung bestätigt Dr. L dies (S. 9 seines
Gutachtens), sieht jedoch darüber hinaus im Bereich der Ansatzzone der Sehne des
Supraspinatus eine hyperintense Zone i. S. einer kleinsten bursaseitigen Partialruptur.
Prof. Dr. S hat im Rahmen seines für das KG Berlin erstellten Gutachtens nach Aktenlage
das MRT ebenfalls nachbefundet. Er fand in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 einen
leichten Hochstand des Oberarmkopfs, eine sehr kleine Bursa subacromialis und einen
so genannten Neer-Sporn, d. h. eine degenerative knöcherne Ausziehung am AC-
Gelenk.
Hinsichtlich der Schlussfolgerungen hieraus sind sich die Sachverständigen Dr. W-R und
Dr. L einig. Auch die weiteren medizinischen Sachverständigen Dr. J, Dr. H (für das LG
Berlin) und Prof. Dr. S (für das KG Berlin) sind zu keinen anderen Schlussfolgerungen
gelangt. Danach sind eindeutige traumatische Veränderungen - insbesondere durch die
MRT-Untersuchung vom 10. Juni 2002 - nicht nachweisbar. Die MRT-Aufnahme zeigt
keinen Schultergelenkerguss, keine traumatische Veränderung der RM, keinen
vermehrten Flüssigkeitssaum um die Bizepssehne, keine knöchernen Verletzungsfolgen
am großen und kleinen Knorren. Auch am Schulterdach selbst besteht ein unauffälliger
Befund. Es ergibt sich kein Hinweis auf eine Verletzung der Gelenkkapsel oder des so
genannten Labrum glenoidale. Einblutungen in die Gelenkkapsel bestehen nicht. Eine
Schultergelenkluxation ist bereits durch die Röntgenuntersuchung vom 06. Mai 2002
ausgeschlossen worden. Jedoch sind in der MRT-Aufnahme vom 10. Mai 2002
degenerative Veränderungen zu erkennen, nämlich ein leichter Hochstand des
Oberarmkopfes sowie ein Neer-Sporn. Darüber hinaus zeigt sich in den Röntgenbildern
des linken Schultergelenks im Bereich des Tuberculum majus eine 3 mm dichte
Kalkverschattung i. S. einer Tendinosis calcarea Typ Gärtner III, welche ebenfalls nicht
traumatisch ist.
Im Übrigen fehlt es nach den Angaben der Klägerin an einem sofortigen Funktionsverlust
als Hinweis auf eine strukturelle Schädigung der Schulter. Schließlich konnten bei der OP
am 06. Dezember 2002 ebenfalls keine Verletzungen der Schultergelenksstrukturen
einschließlich der Bänder und Weichteile nachgewiesen werden. Eine Schädigung bzw.
Veränderung (z. B. i. S. einer Schrumpfung) der Schultergelenkkapsel wurde nicht
beschrieben. Zudem zeigen die vorliegenden medizinischen Berichte des Dr. L vom
Oktober 2002, des Dr. S von Mai 2002, des Krankenhaus M-O vom 12. Dezember 2002
sowie der Schulter-Sprechstunde des V Klinikum H vom 04. Juli 2002 und 02. Oktober
2002 kein klares Muster einer spezifischen aktiven bzw. passiven
Bewegungseinschränkung der linken Schulter, wie es für eine FS typisch ist.
Die von Dr. L diagnostizierte sekundäre FS – d. h. Schultersteife – stellt selbst keinen
Primärschaden – insbesondere keine „Verletzung“ wie die Klägerin meint - dar, wie sich
bereits aus den Ausführungen des Dr. L in seinem Gutachten ergibt. Die FS stellt nach
den übereinstimmenden Bekundungen der Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L vielmehr
eine reaktive Erkrankung dar.
Der Begriff der Schultersteife fasst Erkrankungen zusammen, deren Leitsymptom die
aktive und passive Bewegungseinschränkung ist. Im Allgemeinen versteht man darunter
das zyklische Krankheitsbild der kapsulären Schultersteife oder „FS“ bzw. „adhäsiven
Kapsulitis“. Es handelt sich um eine eigenständige Erkrankung mit regelmäßigem
Verlauf. Tritt die Erkrankung ohne Hinweis auf weitere Ursachen auf, liegt eine primäre
oder genuine Schultersteife vor. Sind dagegen Ursachen, seien sie exogen oder
endogen, erkennbar, welche in irgendeiner Art und Weise die Bewegungseinschränkung
des Schultergelenks beeinflusst oder hervorgerufen haben, liegt eine sekundäre Form
vor. Diese Ursachen liegen z. B. in der Immobilisation nach Verletzungen oder Eingriffen,
in mechanischen Störungen (z. B. durch die Blockierung einer bestimmten Bewegung
des Schultergelenks), in überschießender Narbenbildung, schmerzbedingten
Schonhaltungen oder anderen Läsionen. Ebenso sind Schultersteifen bei systemischen
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Schonhaltungen oder anderen Läsionen. Ebenso sind Schultersteifen bei systemischen
Problemen wie Stoffwechselstörungen, Infekten, Omarthrosen usw. möglich (vgl. A.
Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, „Die eingesteifte Schulter“ in Der Orthopäde
2008 Vol. 37: 1065-1072; V. Echtermeyer, „Praxisbuch Schulter“, 2004, S. 167). Sie
kann zudem im Rahmen von Erkrankungen des Subacromialraums oder der RM
eintreten (vgl. V. Echtermeyer, a. a. O., S. 167). In der medizinischen Literatur wird
weiterhin beschrieben, dass der Bewegungsverlust aus Schmerzen vergesellschaftet mit
jeglichem krankhaften Zustand der Schulter resultieren kann (vgl. Joseph C. Tauro, M. D.,
and Melyssa Paulson, M. D., in Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic and Related
Surgery; Vol. 24, No. 8, 2008: 949-955).
Die FS entwickelt sich klinisch laut den Bekundungen der Sachverständigen Dr. W-R und
Dr. L typischerweise in drei Phasen. Beginnend mit einer leichtgradigen Synovitis mit
Schmerzen und noch geringer Bewegungseinschränkung entwickelt sich eine
proliferative Synovitis und zunehmende Kapsulitis mit Schrumpfung und Verklebung des
Gelenkrezessus. Schließlich nimmt die Synovitis ab und der Gelenkraum ist deutlich
verkleinert. Die Phasen werden wie folgt beschrieben:
Stadium des „Einfrierens“: In dieser Zeit steht ein diffuser Schulterschmerz im
Vordergrund, der weniger belastungsabhängig als dauerhaft ist. Zunehmend wird eine
Schonhaltung eingenommen und es entwickelt sich eine aktive und passive
Bewegungseinschränkung.
Stadium des „Gefrorenseins“. Unter zunehmender konzentrischer Einschränkung der
aktiven und passiven Beweglichkeit lässt die Schmerzsymptomatik allmählich nach.
Stadium des „Auftauens“: In dieser Phase kommt es langsam zu einer Besserung der
Schultergelenksbeweglichkeit mit weiterer Schmerzabnahme. (alles zitiert aus: V.
Echtermeyer, a. a. O. S. 167f).
Das typische Merkmal der Schultersteife ist die aktive und passive Einschränkung der
glenohumeralen Beweglichkeit. Bei der häufigsten primären oder genuinen Form der
kapsulären Schultersteife (FS) liegt eine Einschränkung aller Bewegungsrichtungen vor.
Die klinische Testung zeigt vorrangig eine Innenrotations-, Abduktions- und eine
Außenrotationsstörung. Gleiche Befunde zeigen systemische sekundäre Formen.
Mechanische Alterationen weichen von dieser Vorgabe häufig ab. Abhängig von der
auslösenden mechanischen Störung liegt dann ein anderes Muster der
Beweglichkeitseinschränkung vor. Sind sekundäre, nicht-entzündliche Ursachen für die
Schultersteife bedeutend, sind die klinischen Beweglichkeitseinschränkungen nicht in
allen Ebenen in gleichem Maße ausgeprägt (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W.
Nebelung, a. a. O.).
Da ein Gesundheitserstschaden irgendeiner Art - und sei es auch lediglich ein
unspezifischer seröser Erguss im linken Schultergelenk – nicht i. S. d. Vollbeweises
nachgewiesen ist, kommt es auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von
24. Juni 2009 erneut problematisierte Frage der Geeignetheit des Unfallhergangs für den
Eintritt eines Gesundheitsschadens gar nicht an. Hinzu kommt, dass der Unfallhergang
nicht mehr objektiv rekonstruierbar ist und die Angaben der Klägerin sowohl zum
Hergang als auch zur anschließenden Beschwerdeentwicklung wechselhaft sind.
Selbst wenn man jedoch einen Gesundheitserstschaden (z. B. in Form einer Prellung des
linken Schultergelenks) hier als nachgewiesen annähme, hätte die Klägerin dennoch
keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung. Zwar wäre dann ein Arbeits- bzw. Wegeunfall i. s. d. § 8 SGB VII zu
bejahen, es fehlte dann jedoch an der haftungsausfüllenden Kausalität, denn die
diagnostizierte sekundäre FS links wäre nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf
die erlittene Prellung zurückzuführen.
Hierbei sollen Zweifel an der Diagnose einer FS zum Zeitpunkt der Operation am 06.
Dezember 2002 hintan gestellt bleiben. Solche bestehen immerhin, denn spezifische
Funktionstests für eine FS bzw. spezifische Funktionseinschränkungen sind nicht
aktenkundig. Weder in den Berichten der Schulter-Sprechstunde noch in den Berichten
des Krankenhauses M-O sind diese zu finden. Dies ist auch von Dr. L in seinem
Gutachten vom 10. Oktober 2007 kritisiert worden. Im Bericht der Schulter-
Sprechstunde vom 04. Juli 2002 ist nur der Verdacht auf eine sekundäre FS geäußert
worden. Zudem beschreibt der OP-Bericht vom 06. Dezember 2002 keine Schrumpfung
der Gelenkkapsel, die jedoch – wie oben dargelegt - charakteristisch für eine FS sein soll.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Arbeitsunfalls
muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder
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muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder
mittels des Gesundheitserstschadens, z. B. bei einem Sprunggelenksbruch, der zu einer
Versteifung führt, oder direkt, z. B. bei einer Amputationsverletzung, ein
Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende
Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als
Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für
einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die
Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg
verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den
anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. Urteil des BSG vom 09.
Mai 2006 – B 2 U 1/07 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Da Verschulden bei der Prüfung
eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil
verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt ( § 7 Abs. 2 SGB VII),
erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der
wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche
Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen
Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungs-amt, AN 1912, S
930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; stRspr vgl. u. a.
Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 sowie
vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche
nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung
der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl.
Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die
Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich
wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis
wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist
nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht
annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n)
keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 69 zu § 542 a. F.
RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und
Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Anm. 1.3.6.1). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere
Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist
oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im
Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu §
589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im
zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach
der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet,
kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser
bezeichnet werden (vgl. BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 75;
Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Für den Fall, dass
die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits
vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf
abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die
"Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher
äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende
Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG in SozR 2200 § 589 Nr.
10; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – a. a. O.).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten
Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem,
einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache
unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des
Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -,
weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den
Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten
Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl.
BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der
generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall
abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den
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abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den
Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu
berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der
Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von
Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung
bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach
wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder
seelische Störung hervorzurufen. Es gilt der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz,
dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 §
51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach,
MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 2.3.4.3).
Ausgangsbasis für die Feststellung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnistandes
müssen die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im
jeweiligen Bereich sein (vgl. u. a. Fritze, Ärztliche Begutachtung, 6. Aufl 2001,
Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005;
Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.; Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der
ärztlichen Begutachtung, 2004; Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und
Bewegungsorgane, 5. Aufl. 2009). Außerdem sind, soweit sie vorliegen und einschlägig
sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen sowie andere aktuelle Veröffentlichungen
(vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Die verschiedenen
Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen.
Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer
bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer
nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09.
Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.; BSG SozR Nr. 33 zu § 128 SGG). Dieser
wissenschaftliche Erkenntnisstand stellt die wissenschaftliche Grundlage dar, auf der die
geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind
(vgl. BSG in SozR Nr. 61 zu § 542 RVO). Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann
nur auf das objektivierte individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten
abgestellt werden. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten
individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu
erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl.
Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a. a. O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder
mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt
werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei
fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch
auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu
einer Beweislastumkehr führen würde (vgl. BSG in SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; Urteil
vom 07. September 2004 - B 2 U 34/03 R – und vom 02. April 2009 -, jeweils in Juris). Für
die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der
haftungsausfüllenden Kausalität - genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das
bei der Klägerin aufgetretene Krankheitsbild einer FS bzw. steifen Schulter auf die –
unterstellte – Prellung der Schulter zurückzuführen ist.
Für die Entstehung einer FS werden in der medizinischen Wissenschaft vielfältige
Ursachen diskutiert. So sind die Ursachen der primären FS nach wie vor unbekannt (vgl.
A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, a. a. O.; V. Echtermeyer, a. a. O. S. 167). Die
Häufigkeit der primären Schultersteife wird mit 2–5% in der Bevölkerung angegeben.
Das Vorkommen wird im Altersbereich von 40–70 Jahren mit einem statistischen
Höhepunkt bei 56 Jahren angesiedelt, eine Seitenpräferenz besteht nicht. Allerdings
besteht eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Erkrankung bei der
Nichtgebrauchsschulter. Die Erkrankung tritt bei Frauen etwas häufiger auf als bei
Männern. Die Chance, ein beidseitiges Vorkommen zu erfahren, liegt bei ca. 20–30%
bzw. 6-17% (vgl. A. Schultheis, F. Reichwein, W. Nebelung, a. a. O.; R. Dias, S. Cutts, S.
Massoud, „Frozen shoulder“ in BMJ 2005; 331: 1453-1456). Auffällig häufig ist die
Erkrankung beispielsweise mit einem Diabetes mellitus, einer Fettstoffwechselstörung,
hormoneller Umstellung, Schilddrüsenfunktionsstörungen vergesellschaftet (vgl. V.
Echtermeyer, a. a. O. S. 167). Diskutiert werden u. a. auch genetische Prädispositionen.
Häufungen werden z. B. zudem bei der Dupuytren´schen Erkrankung, bei Parkinson-
Erkrankung oder bei koronaren Erkrankungen beobachtet (vgl. A. Schultheis, F.
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Erkrankung oder bei koronaren Erkrankungen beobachtet (vgl. A. Schultheis, F.
Reichwein, W. Nebelung, a. a. O.; R. Dias, S. Cutts, S. Massoud, a. a. O.). Wie Dr. L in
seinem Gutachten vom 10. Oktober 2007 ohne Quellenangabe ausführt, ist im Übrigen
im Prinzip jedes Gelegenheitsereignis geeignet, den Krankheitsverlauf in Gang zu setzen.
Darüber hinaus sollen nach den Angaben des Dr. L – übereinstimmend mit Dr. W-R - im
Rahmen seiner Befragung am 24. Juni 2009 auch kleinere mechanische Irritationen als
Auslöser für eine FS in der Literatur beschrieben werden, wobei nicht näher beschrieben
wird, welche Ausprägung eine solche mechanische Irritation erreichen muss. Dr. L hat
hierzu erklärt, ein nächtliches „Verliegen“ reiche nicht aus, eine im Rahmen eines
operativen Eingriffs wie einer Gelenkspiegelung durchgeführte Flüssigkeitsauffüllung
unter Umständen – abhängig vom jeweiligen Patienten – schon.
Vorliegend kommt die – unterstellte – Prellung der Schulter als eine von mehreren
Auslösern für eine FS in Betracht. Denn anhand des von den Sachverständigen Dr. W-R
und Dr. L in ihren Gutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen vom 08. August 2006,
04. Dezember 2006, 29. Januar 2007, 10. Oktober 2007 und 21. Januar 2008 sowie in der
Anhörung vom 24. Juni 2009 wiedergegebenen aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstandes, der sich nach den Angaben des Dr. L derzeit auf deutschsprachigem
Gebiet u. a. in dem oben bereits zitierten Aufsatz von A. Schultheis, F. Reichwein, W.
Nebelung, „Die eingesteifte Schulter“ in Der Orthopäde 2008 Vol. 37: 1065-1072, wieder
findet, können bereits kleinere mechanische Irritationen eine FS verursachen. Allerdings
gibt es keine nähere wissenschaftlich begründete Festlegung dazu, was eine kleinere
mechanische Irritation ist. Das von Dr. L angeführte Beispiel der Auffüllung eines Gelenks
mit Flüssigkeit im Rahmen einer Arthroskopie stellt immerhin bereits einen invasiven
Eingriff dar. Dr. W-R hat im Rahmen seiner Anhörung am 24. Juni 2009 die im Rahmen
des behaupteten Ereignisses von der Klägerin angenommenen Krafteinwirkungen
sämtlich für geeignete kleinere mechanische Irritationen gehalten. Dr. L hat in seinem
Gutachten vom 10. Oktober 2007 ausgeführt, im Prinzip sei jedes Gelegenheitsereignis
geeignet, das Krankheitsbild der FS in Gang zu setzen. In dem oben zitierten Aufsatz von
Joseph C. Tauro, M. D., and Melyssa Paulson, M. D., in Arthroscopy: The Journal of
Arthroscopic and Related Surgery, Vol. 24, No. 8, 2008: 949-955, wird jeglicher mit
Schmerzen vergesellschafteter krankhafter Zustand für geeignet gehalten, eine FS in
Gang zu setzen. Dementsprechend hat Dr. L bei seiner Anhörung am 24. Juni 2009 auch
die bei der Klägerin vor dem behaupteten Ereignis bereits vorhandene AC-
Gelenkarthrose sowie die Kalkmetaplasie für geeignet erachtet, zu einer FS zu führen.
Damit wird hier nicht mehr unterscheidbar, welches exogene und auch möglicherweise
alltägliche Ereignis oder welche endogene Anlage einen Ursachenbeitrag geleistet haben
könnte. Die mögliche Bedeutung einer hier lediglich unterstellten Prellung des linken
Schultergelenks sinkt hier auf eine bloße Gelegenheitsursache ab. Das Ereignis wäre
demnach nur ein möglicher Auslöser, nicht jedoch Ursache der FS i. S. d. Theorie von
der wesentlichen Bedingung.
Dass der – unterstellten – Prellung der Schulter/des Schultergelenks nicht die
wesentliche Bedeutung für die Verursachung des Krankheitsbildes einer FS zukommen
kann, ergibt sich aus den bei der Klägerin bestehenden unfallunabhängigen
Veränderungen am Schultergelenk (AC-Gelenkarthrose), der Supraspinatussehne
(Kalkmetaplasie) und der HWS unterhalb von C4 (Röntgenbefund vom 02. Juli 2002:
Verdacht auf Gefügelockerung in C5/6 und C4/5, Uncarthrose aller HWS-Segmente).
Schließlich sind laut Schönberger/Mehrtens/Valentin 80-90% der schmerzhaften
Schultersteifen Folge degenerativer Veränderungen in der Umgebung des
Schultergelenks bzw. deren Nebengelenken: Omarthrose, bakterielle und traumatische
Gelenkentzündungen, Knochen- und Weichteiltumore, zervikale Fernwirkung als Folge
von Irritationen der zervikalen Nervenwurzeln unterhalb C4 meist nach zervikalen
Bandscheibenvorfällen, Algodystrophien, CTS (Anm. 8.4.3.1). Auf die Relevanz
degenerativer Veränderungen der HWS insoweit, als von ihnen Segmente betroffen sind,
die das Schultergelenk innervieren, hat Dr. W-R in der Anhörung vom 24. Juni 2009
explizit hingewiesen. Verletzungen des Schultergelenks und Schultergürtels sollen an
zweiter Stelle Ursache der Schultersteife sein, wobei vor allem knöcherne Verletzungen
am oberen Ende des Oberarms und im Bereich des Schulterblatts sowie Verletzungen
des Schultergelenks und des AC-Gelenks in Betracht kommen. Daneben bewirken auch
schwere Weichteilverletzungen in Form von Quetschungen durch Verschüttung oder
Verbrennungen eine Schultersteife (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm.
8.4.3.2).
Leichtgradige Zerrungen und Prellungen der Schulter – eine schwere Verletzung oder
eine gravierende Prellung mit einem Erguss, der noch im sechs Wochen später
durchgeführten MRT nachweisbar gewesen wäre, lagen wie bereits festgestellt nicht vor -
führen hingegen in der Regel nur dann zu einer Schultersteife, wenn verletzungsbedingte
Schmerzen zu einer längeren anhaltenden Schonung bzw. Ruhigstellung des
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Schmerzen zu einer längeren anhaltenden Schonung bzw. Ruhigstellung des
Schultergelenks Anlass sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm.
8.4.3.2). Zwar ergibt sich aus den Unterlagen (siehe hier insbesondere die Darstellung
des Behandlungsablaufs bei Dr. H auf S. 3 seines Gutachtens vom 27. Juni 2005) in der
Tat eine stark verzögerte Aufnahme der Mobilisation und das Unterbleiben der
Einnahme von Schmerzmitteln. Andererseits jedoch war die Klägerin zum Zeitpunkt des
angegebenen Ereignisses 56,5 Jahre alt und demgemäß in eben dem Alter, in dem die
FS – auch ohne erkennbare Ursache als primäre FS - gehäuft auftritt (vgl. A. Schultheis,
F. Reichwein, W. Nebelung, a. a. O.; R. Dias, S. Cutts, S. Massoud, a. a. O.). Darüber
hinaus hat sie nach ihren Angaben zwei Schilddrüsen-Operationen durchgemacht (vgl.
die anamnestischen Angaben bei Dr. J, Dr. H, Dr. W-R und Dr. L) und nimmt deswegen L-
Thyroxin ein (vgl. die anamnestischen Angaben bei Dr. H und Dr. L). Weiterhin ist bei ihr
1996 eine gynäkologische Totaloperation durchgeführt worden (vgl. u. a. die
anamnestischen Angaben bei Dr. W-R und Dr. L). Damit kommen als weitere ursächliche
oder begünstigende Faktoren für eine FS bei der Klägerin eine
Schilddrüsenfunktionsstörung, eine hormonelle Umstellung, das Alter sowie ihr
Geschlecht in Betracht. Soweit Dr. L in seinem Gutachten vom 10. Oktober 2002 andere
Ursachenfaktoren also das behauptete Ereignis als nicht-existent oder untergeordnet
ausgeschlossen hat, kann dies im Lichte des Vorstehenden und seiner Bekundungen
während der Anhörung einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Eine wesentliche
(Mit-) Ursächlichkeit des behaupteten Ereignisses bzw. der hier lediglich unterstellten
Schultergelenksprellung für die FS kann bei wertender Betrachtung nicht bejaht werden.
Im Rahmen dieser – hypothetischen - Erwägungen spielt die Frage des – letztlich nicht
mehr klärbaren - Unfallhergangs keine Rolle. Denn eine durch das behauptete
Unfallereignis verursachte Prellung ist zur Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität
unterstellt worden.
Ein Entschädigungsanspruch der Klägerin ist somit nicht zu begründen.
Soweit die Klägerin die Ablehnung der von ihr anlässlich der Anhörung der
Sachverständigen Dr. W-R und Dr. L gestellten Fragen 1, 2 und 4 des Fragenkatalogs in
Anlage 3 zum Protokoll gerügt hat, greift dies nicht durch.
Das Fragerecht der Klägerin nach §§ 116, 118 SGG, §§ 402, 397 ZPO ist Ausfluss des
Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 12. April 2000 – B 9 VS
2/99 R -, in SozR 3-1750 § 411 Nr. 1). Die gestellten Fragen müssen gemäß § 116 Satz 2
SGG objektiv sachdienlich sein (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 12. April 2000, a. a. O.;
Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., Randnr. 12f zu § 118).
Sachdienlichkeit ist insbesondere zu bejahen, wenn sich die Fragen im Rahmen des
Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits beantwortet sind (vgl. Keller in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O. m. w. N.). Auch Suggestivfragen sind nicht
zulässig (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Randnr. 5 zu § 116). Die
Frage 1 des Fragenkatalogs in Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2009 war nicht
sachdienlich, weil sie bereits zuvor während der Anhörung der Sachverständigen
beantwortet worden war. Die Fragen 2 und 4 waren nicht sachdienlich, da es sich um
medizinische Fragen ohne Bezug zum Beweisthema handelte.
Weitere Anträge bzw. Beweisanträge hat die Klägerin im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 24. Juni 2009 nicht gestellt.
Nach alldem war der Berufung stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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