Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.07.2004

LSG Berlin-Brandenburg: operation, stationäre behandlung, krankenkasse, eingriff, lymphdrainage, krankenversicherung, notfall, versorgung, voruntersuchung, mrt

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 201/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 13 Abs 3 S 1 SGB 5
Gesetzliche Krankenversicherung - Kostenerstattung -
Arthroskopie mit Abrasionsarthroplastik und offener
Umstellungsosteotomie - nicht zugelassener Leistungserbringer
- privatärztliche Behandlung - Notfallbehandlung
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22.
Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten, die im Zusammenhang mit einem
operativen Eingriff an ihrem rechten Kniegelenk entstanden sind.
Die 1955 geborene Klägerin war und ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
Sie litt an einer schmerzhaften medial betonten Gonarthrose am rechten Kniegelenk, die
zunächst konservativ mit Krankengymnastik und Medikamenten etc. behandelt wurde.
Nach Durchführung einer arthroskopischen Meniskusteilresektion lateral und medial im
März 2002 sowie weiterer Übungsbehandlung ließ sie sich in der Folgezeit wegen
weiterhin bestehender starker Schmerzen mit Akupunktur sowie Spritzen zum Aufbau
fehlender Knorpelmasse behandeln. Nachdem sie von ihrem behandelnden Arzt darauf
hingewiesen worden war, dass in ihrem Fall eine gelenkersetzende Operation notwendig
werden könnte, stellte sie sich im Februar 2003 in der orthopädischen Sprechstunde der
privatärztlich betriebenen A-Klinik GmbH (A-Klinik) in M vor. Die sie dort untersuchenden
Ärzte empfahlen ihr, zur Vermeidung einer gelenkersetzenden Operation in ihrer Klinik
eine Arthroskopie des betroffenen Kniegelenks mit Abrasionsarthroplastik und offener
Umstellungsosteotomie durchführen zu lassen, woraufhin sich die Klägerin in der A-Klinik
für den 21. August 2003 einen Operationstermin reservieren ließ. Unter Vorlage der
Rechnung für die im Februar 2003 durchgeführte Untersuchung, der
Untersuchungsergebnisse sowie eines Kostenplanes der A-Klinik bzw. der dort
privatärztlich tätigen Ärzte beantragte sie am 21. März 2003 bei der Beklagten, die
Kosten für die von den Ärzten der A-Klinik vorgeschlagene und von diesen
durchzuführende Behandlung nebst stationärer Unterbringung zu übernehmen.
Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-
Brandenburg e. V. (MDK) lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit
ihrem Bescheid vom 08. April 2003 ab, weil es sich bei der geplanten Operation um ein
wissenschaftlich kontrovers diskutiertes Verfahren handele und die A-Klinik kein für die
stationäre Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
zugelassenes Krankenhaus sei.
Im Laufe des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens ließ sich die Klägerin in der
chirurgischen Poliklinik des Universitätsklinikums B F (Universitätsklinikum) untersuchen.
Die dortigen Ärzte kamen am 29. April 2003 nach einer körperlichen Untersuchung der
Klägerin und Auswertung der von ihr vorgelegten Arthroskopie-, MRT- und
Röntgenbefunde zu dem Ergebnis, dass das Kniegelenk konservativ austherapiert sei.
Sie empfahlen, zunächst nochmals eine Arthroskopie durchzuführen, an die sich bei
gutem Knorpelzustand eine Umstellungsosteotomie anschließen könne. Bei schlechtem
Knorpelzustand komme als ultima ratio eine kniegelenkersetzende Operation in
Betracht. Da sie im Hinblick auf das Alter der Klägerin jedoch nur im äußersten Fall zu
empfehlen sei, erscheine es sinnvoll, einen Therapieversuch in der Weise zu
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empfehlen sei, erscheine es sinnvoll, einen Therapieversuch in der Weise zu
unternehmen, wie er von der Klägerin mit der A-Klinik vereinbart worden sei.
Nach nochmaliger Einschaltung des MDK teilte die Beklagte der Klägerin mit ihrem als
Teilabhilfebescheid bezeichneten Bescheid vom 18. Juni 2003 mit, sie sei nunmehr
bereit, die Kosten für eine Umstellungsosteotomie in einem zugelassenen Krankenhaus
zu den vertraglich vereinbarten Pflegesätzen zu übernehmen; eine Kostenübernahme
für die A-Klinik komme jedoch nach wie vor nicht in Betracht, weil diese Klinik kein
zugelassenes Vertragskrankenhaus sei.
Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und führte aus: In ihrem Fall sei allein die
von ihr beantragte Maßnahme die richtige Behandlungsmethode. Denn eine
Umstellungsosteotomie reiche nicht aus, weil bei ihr keine Knorpelmasse mehr
vorhanden sei. Für eine kniegelenkersetzende Operation sei sie noch zu jung. Im Übrigen
sei sie aufgrund ihrer Vorerfahrungen auch nur noch bereit, sich in einer Spezialklinik für
Kniegelenke wie der A-Klinik behandeln zu lassen.
Nachdem sich die Klägerin am 20. August 2003 verschiedenen privatärztlich
abgerechneten Voruntersuchungen unterzogen hatte, ließ sie die beantragte
Maßnahme in der Zeit von 21. bis zum 25. August 2003 in der A-Klinik stationär
privatärztlich durchführen.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit ihrem Widerspruchsbescheid vom
09. September 2003 als unbegründet zurück und führte aus: Die beantragte Maßnahme
könne von ihr nicht finanziert werden. Denn die A-Klinik sei kein zugelassenes
Krankenhaus mit definiertem Versorgungsauftrag im Sinne des Fünften Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB V). Auch ein Notfall liege nicht vor, weil es hier um eine
längerfristig geplante Operation gehe. In B stünden mehrere zugelassene
Krankenhäuser zur Verfügung, in denen das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild
adäquat behandelt werden könne.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Rechnungen über ihren stationären Aufenthalt in der A-
Klinik, die am 21. August 2003 durchgeführte Operation einschließlich Anästhesie, die in
der Zeit vom 20. bis 25. August 2003 erbrachten Vor- und Nachuntersuchungen, die am
16. Oktober und 14. November 2003 durchgeführten nachoperativen Behandlungen,
eine am 16. Oktober 2003 vorgenommene manuelle Lymphdrainage und eine
Spezialmassage sowie die bereits im Februar 2003 durchgeführte Voruntersuchung
nebst Befundbericht vom 03. März 2003 in Höhe von insgesamt 12.109,10 € überreicht
und ausgeführt: Sie habe Anspruch auf Erstattung der angefallenen Kosten, weil
angesichts der unerträglich gewordenen Schmerzen ein Notfall vorgelegen habe und
eine adäquate Behandlung des bei ihr vorliegenden Krankheitsbildes innerhalb des
Systems der GKV nicht möglich gewesen sei. Denn wie sich dem Arztbrief des
Universitätsklinikums vom 29. April 2003 entnehmen lasse, sei die nunmehr
durchgeführte Behandlung in ihrem Fall die einzig richtige Therapie gewesen, weil bei ihr
ein schlechter Knorpelzustand bestanden habe und sie für eine gelenkersetzende
Operation noch zu jung gewesen sei. Die durchgeführte Behandlung sei nach ihren
Recherchen jedenfalls seinerzeit nur von den in der A-Klinik tätigen Ärzten angeboten
worden. Sie sei erfolgreich verlaufen und habe sehr gute Ergebnisse erbracht. Zudem
sei die Behandlung für die Beklagte erheblich kostengünstiger gewesen als die von ihr
vorgeschlagene gelenkersetzende Operation.
Mit seinem Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen und ausgeführt: Die Klage sei teilweise bereits unzulässig, weil es zumindest
hinsichtlich der Kosten der manuellen Lymphdrainage an einer ablehnenden
Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehle. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Ein
Anspruch auf Erstattung der sich aus den überreichten Rechnungen ergebenden Kosten
stehe der Klägerin nicht zu. Sie könne sich zunächst nicht mit Erfolg auf den
Teilabhilfebescheid vom 18. Juni 2003 stützen, weil die Beklagte darin zwar die
Übernahme der Kosten für eine Umstellungsosteotomie zugesagt, diese Zusage aber
an eine Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus zu den vertraglich
vereinbarten Pflegesätzen gekoppelt habe. Die A-Klinik sei jedoch kein zugelassenes
Krankenhaus. Ein Kostenerstattungsanspruch folge auch nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V.
Soweit die gesetzlichen Krankenkassen nach dieser Vorschrift für ein Versagen des
Sachleistungssystems in Folge eines medizinischen Notfalls oder eines anderen
unvorhergesehenen Mangels einzustehen hätten, liege ein derartiges Versagen im Fall
der Klägerin nicht vor. Die Regelung 1 des § 13 Abs. 3 SGB V greife nicht ein, weil die
Klägerin die Operation in der A-Klinik mehrere Monate im Voraus geplant habe, so dass
die Leistung nicht unaufschiebbar gewesen sei. Zudem fehle es an dem vom Gesetz
vorausgesetzten Unvermögen der Beklagten, die notwendige Leistung rechtzeitig zu
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vorausgesetzten Unvermögen der Beklagten, die notwendige Leistung rechtzeitig zu
erbringen. Die Regelung 2 des § 13 Abs. 3 SGB V greife nicht ein, weil die Beklagte die
beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Als gesetzliche Krankenkasse
dürfe sie eine Krankenhausbehandlung nur in zugelassenen Krankenhäusern erbringen
lassen, zu denen die A-Klinik nicht gehöre. Soweit ausnahmsweise dann etwas anderes
zu gelten habe, wenn die erforderliche und ausreichende Behandlung rechtzeitig nur in
einem Nichtvertragskrankenhaus habe erbracht werden können, sei ein solcher Fall hier
nicht gegeben. Denn die Klägerin hätte sich entsprechend den Empfehlungen der Ärzte
des Universitätsklinikums und des MDK innerhalb des Sachleistungssystems der GKV
einer Umstellungsosteotomie sowie als ultima ratio einer gelenkersetzenden Operation
unterziehen können. Dass Letztere angesichts ihres Alters keine befriedigende Lösung
dargestellt hätte, führe zu keinem anderen Ergebnis, weil im System des SGB V keine
Optimalversorgung, sondern nur ausreichende medizinische Leistungen beansprucht
werden könnten. Unerheblich sei auch, ob die durchgeführte Behandlung für die
Beklagte kostengünstiger gewesen sei als die ausreichenden Maßnahmen, weil das
Wirtschaftlichkeitsgebot den Anspruch auf Krankenbehandlung lediglich begrenze, nicht
jedoch seinerseits einen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen zu begründen
vermöge.
Gegen diesen ihr am 06. September 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die
am 21. September 2004 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie
vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei in ihrem Fall ein
Systemversagen zu bejahen, weil bei zutreffender Auslegung der Ausführungen des
Universitätsklinikums die durchgeführte Behandlung die ausreichende und erforderliche
Behandlung gewesen sei und sie diese Behandlung nur in der A-Klinik habe erhalten
können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Juli 2004 und den Bescheid
der Beklagten vom 08. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.
September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 12.109,10 € zu
erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Ebenso wie mit der Klage begehrt die Klägerin mit ihr von der
Beklagten die Erstattung von Kosten, die ihr im Zusammenhang mit dem operativen
Eingriff an ihrem rechten Kniegelenk am 21. August 2003 in der A-Klinik entstanden sind.
Diese Kosten hat sie bereits im Klageverfahren durch Übersendung von Rechnungen
näher spezifiziert. Sie belaufen sich, wie eine Addition der Einzelbeträge ergibt, auf
12.109,10 €, über die das Sozialgericht bei sachdienlicher Auslegung seiner
Entscheidung vollumfänglich entschieden hat. Hieran ändert nichts, dass das
Sozialgericht sowohl in dem von ihm formulierten Klageantrag als auch in den
Entscheidungsgründen einen Betrag in Höhe von lediglich 12.101,10 € erwähnt hat.
Denn wie sich den Entscheidungsgründen an anderer Stelle entnehmen lässt, hat das
Sozialgericht seine Entscheidung auf den Betrag beziehen wollen, der aus der Addition
der einzelnen Rechnungspositionen folgt. Dass ihm hierbei – vermutlich aufgrund eines
Lesefehlers der von den Dres. S u. a. erstellten Rechnung vom 16. September 2003 –
ein Rechenfehler unterlaufen ist, ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung.
Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die
Klage abgewiesen. Denn sie ist – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat –
bereits unzulässig, soweit es um Kosten geht, über die die Beklagte eine ablehnende
Verwaltungsentscheidung nicht getroffen hat. Hierbei handelt es sich neben den vom
Sozialgericht insoweit ausdrücklich angeführten, von der M-GmbH am 11. November
2003 in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 34,00 € über eine am 16. Oktober 2003
durchgeführte manuelle Lymphdrainage und eine Spezialmassage zum einen um die
von Dr. T am 03. März 2003 in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 876,92 € und
24,42 € für die ambulante Untersuchung vom 24. Februar 2003 und den Befundbericht
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24,42 € für die ambulante Untersuchung vom 24. Februar 2003 und den Befundbericht
vom 03. März 2003 sowie zum anderen um die von Dr. T am 01. November und 01.
Dezember 2003 in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 127,28 € und 108,81 € für
die postoperativen Behandlungen vom 16. Oktober und 14. November 2003, weil sich
der angefochtene Bescheid bei sachdienlicher Auslegung nur auf die in der Zeit vom 21.
bis zum 25. August 2003 durchgeführte Maßnahme im engeren Sinne einschließlich der
notwendigen Voruntersuchungen vom 20. August 2003 bezieht.
Im Übrigen ist die Klage aber auch insgesamt unbegründet. Denn der ablehnende
Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ein Anspruch auf Erstattung der mit der Klage geltend gemachten Kosten in Höhe von
12.109,10 € steht der Klägerin nicht zu.
Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für die
begehrte Kostenerstattung im vorliegenden Fall nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht, der
hier in der Fassung des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) anzuwenden ist,
weil diese Fassung zum Zeitpunkt der die Kosten verursachenden Maßnahmen gegolten
hat. Aus dem von der Beklagten als Teilabhilfebescheid bezeichneten Bescheid vom 18.
Juni 2003 lässt sich ein Anspruch nicht herleiten, weil mit diesem Bescheid die
Übernahme von Kosten für eine (isolierte) Umstellungsosteotomie in einem zur
Versorgung von Patienten der GKV zugelassenen Krankenhaus zu den vertraglich
vereinbaren Pflegesätzen zugesagt worden ist, während es hier um Kosten geht, die
durch die Behandlung in einer nicht zugelassenen Klinik bzw. durch in dieser Klinik
privatärztlich tätige Ärzte verursacht worden sind. Zudem betreffen die geltend
gemachten Kosten auch nicht die Umstellungsosteotomie als isolierte Maßnahme,
sondern resultieren aus einem Eingriff, der insbesondere die Abrasionsarthroplastik zum
Gegenstand hatte.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse einem Versicherten die Kosten für
eine von ihm selbst beschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war,
wenn sie – die Krankenkasse – eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen
konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch
die Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Wie das Sozialgericht zu
Recht ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V scheidet im
Fall der Klägerin schon deshalb aus, weil bei einer spätestens im März 2003 für August
2003 geplanten Maßnahme, die schließlich auch zum vorgesehenen Termin
durchgeführt worden ist, von einer unaufschiebbaren Leistung, d. h. einer Leistung, die
im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer
Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl.
BSG SozR 3 – 2500 § 13 Nr. 22), keine Rede sein kann. Aber selbst wenn hier die
Notwendigkeit bestanden hätte, die Klägerin notfallmäßig zu versorgen, wäre ein
Kostenerstattungsanspruch nach der genannten Vorschrift ausgeschlossen, weil der im
Rahmen eines Notfalls in Anspruch genommene Leistungserbringer seine Vergütung
nicht vom Versicherten, sondern – bei ambulanter Notfallbehandlung – nur von der
Kassenärztlichen Vereinigung bzw. – bei stationärer Notfallbehandlung – allein von der
Krankenkasse verlangen könnte (vgl. BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR
114/06 B – mit weiteren Nachw.).
Auch ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V kommt hier
nicht in Betracht. Denn dieser Anspruch setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift eine
Kausalität zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand der
rechtswidrigen Leistungsablehnung und dem in der Kostenlast liegenden Nachteil des
Versicherten voraus, an der es hier fehlt. Dies bedarf im Hinblick auf die Kosten, die der
Klägerin durch die am 24. Februar 2003 durchgeführte Voruntersuchung sowie den am
03. März 2003 erstatteten Befundbericht entstanden sind, keiner näheren Darlegung,
weil diese Leistungen nicht nur vor der Erteilung des angefochtenen Bescheides vom 08.
April 2003, sondern sogar noch vor der Antragstellung im März 2003 erbracht worden
sind. Hinsichtlich der Kosten, die der Klägerin für die postoperativen Untersuchungen
und Behandlungen vom 16. Oktober und 14. November 2003 in Rechnung gestellt
worden sind, gilt, dass diesbezüglich jedenfalls ein Ablehnungsbescheid nicht erteilt
worden ist, weil sich – wie oben bereits ausgeführt – der angefochtene Bescheid bei
sachdienlicher Auslegung nur auf die in der Zeit vom 21. bis zum 25. August 2003
durchgeführte Maßnahme im engeren Sinne einschließlich der notwendigen
Voruntersuchungen vom 20. August 2003 bezieht. Bezüglich der für diese Maßnahme im
engeren Sinne geltend gemachten Kosten fehlt es an dem erforderlichen
Kausalzusammenhang, weil die Klägerin die insoweit maßgeblichen Leistungen zwar erst
nach Erhalt des Ablehnungsbescheides vom 08. April 2003 hat durchführen lassen, sie
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nach Erhalt des Ablehnungsbescheides vom 08. April 2003 hat durchführen lassen, sie
jedoch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung dazu entschlossen gewesen ist, sich
unabhängig von der Entscheidung der Beklagten der in Rede stehenden Maßnahme zu
unterziehen. Dies belegt der Umstand, dass sie sich bereits Monate vor der
Leistungserbringung im August 2003 den von ihr schließlich auch wahrgenommenen
Operationstermin in der A-Klinik hat einräumen lassen. Sie hat damit die Kosten durch
ihr eigenes Verhalten herbeigeführt, ohne dass die Leistungsablehnung der Beklagten
hierfür ursächlich geworden wäre.
Davon abgesehen hat die Beklagte, soweit sie hier überhaupt eine Entscheidung
getroffen hat, die Gewährung der in Rede stehenden Leistungen auch nicht zu Unrecht
abgelehnt. Denn die Klägerin hatte hierauf keinen Anspruch, weil die materiell-
rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt gewesen sind. Sie ergeben sich u. a.
aus § 2 Abs. 2 SGB V, wonach die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen im
Regelfall als Sachleistungen, d. h. von zugelassenen Leistungserbringern auf Chip-Karte,
durchzuführen sind, sowie aus § 12 Abs. 1 SGB V, wonach die zu gewährenden
Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Beiden Vorschriften
werden die hier interessierenden Leistungen nicht gerecht. Denn sie sind in einem nicht
nach § 108 SGB V zur Versorgung von Patienten der GKV zugelassenen Krankenhaus
bzw. von dort privatärztlich tätig gewordenen Ärzten erbracht worden und nicht
notwendig gewesen. Letzteres folgt für den Senat aus dem Arztbrief des
Universitätsklinikums vom 29. April 2003. In diesem Arztbrief sind die später
durchgeführten Maßnahmen nach einer körperlichen Untersuchung der Klägerin sowie
einer Auswertung von Arthroskopie-, MRT- und Röntgenbefunden aus den Jahren 2002
und 2003 lediglich als Therapieversuch beschrieben worden, der angesichts des Alters
der Klägerin nur für den Fall sinnvoll erscheine, dass eine Umstellungsosteotomie nicht
ausreiche und als ultima ratio eine gelenkersetzende Operation in Betracht gezogen
werden müsse. Empfohlen worden ist in diesem Arztbrief jedoch die Durchführung einer
nochmaligen Arthroskopie, die dazu dienen sollte, den Knorpelzustand am Tibiaplateau
zu verifizieren und eine Grundlage dafür zu schaffen, die notwendige Leistung
sachgerecht zu bestimmen. Vor dem Hintergrund dieser Empfehlungen ist die
Vorgehensweise der Klägerin jedenfalls als verfrüht anzusehen. Dies schließt es aus, in
ihrem Fall von einem irgendwie gearteten Systemversagen auszugehen, das es ihr
ausnahmsweise erlaubt hätte, Leistungen außerhalb des Sachleistungssystems der GKV
in Anspruch zu nehmen. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ändert der
Umstand, dass die durchgeführten Maßnahmen nach den Angaben der Klägerin
kostengünstiger gewesen seien als die gelenkersetzende Operation an dem
vorstehenden Ergebnis nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) und folgt
dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Absatz 2
Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
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