Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.02.2007

LSG Berlin-Brandenburg: geschiedene frau, gegen die guten sitten, erwerbstätigkeit, tod, einkünfte, witwenrente, vergleich, verzicht, existenzminimum, unterhaltsrente

1
2
3
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 3 R 975/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 243 SGB 6, § 72 EheG 1946
Gesetzliche Rentenversicherung: Voraussetzung eines
Anspruchs auf Hinterbliebenenrente eines geschiedenen
Ehegatten; Auswirkung eines Unterhaltsverzichts auf einen
Hinterbliebenenrentenanspruch
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar
2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin aus der Versicherung ihres
geschiedenen Ehemannes eine Geschiedenenwitwenrente zusteht.
Die 1935 geborene Klägerin hatte mit dem Versicherten D WR 1965 die Ehe
geschlossen. Ausweislich des Urteils des Landgerichts Berlin ([LG Berlin], 32 R 196/66)
wurde die Ehe am 1968 rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Versicherten
geschieden. Die Eheleute lebten bereits vor der Scheidung seit dem 13. April 1966
voneinander getrennt. Am 15. Mai 1966 kehrte die Klägerin, die amerikanische
Staatsbürgerin ist, in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zurück, wo 1966 ihr
Sohn M A als eheliches Kind des Versicherten geboren wurde.
Ausweislich des Beschlusses des Kammergerichts Berlin (KG) vom 08. Januar 1968 (8 W
1504/67) war der Versicherte durch Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 im
Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, an die Klägerin für die Zeit vom
01. Mai bis zum 31. August 1966 eine monatliche Unterhaltsrente von 150,00 DM und
ab dem 01. September 1966 eine Unterhaltsrente von 400,00 DM zu zahlen. Die
hiergegen mit dem Antrag, den Beschluss insoweit aufzuheben, als der Klägerin ab dem
01. September 1966 eine Unterhaltsrente von mehr als 150,00 DM zu zahlen sei,
gerichtete Beschwerde des Versicherten hatte das KG mit Beschluss vom 01. Dezember
1966 zurückgewiesen. In seinem Beschluss vom 08. Januar 1968 bestätigte das KG die
vom LG Berlin im Beschluss vom 05. Juli 1967 ausgesprochene Zurückweisung des
Antrags des Versicherten auf rückwirkende Aufhebung des Beschlusses des LG Berlin
vom 17. Oktober 1966 und führte des Weiteren aus, der Klägerin stehe Unterhalt wegen
Getrenntlebens auch für die Zukunft zu, und zwar unabhängig von der Frage, ob
eventuell kalifornisches Recht anzuwenden sei. Da dieses sich nicht wesentlich von dem
deutschen Unterhaltsrecht unterscheide, sei der Maßstab für den Unterhaltsanspruch
aus § 1361 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu entnehmen. Hiernach würden
400,00 DM der Billigkeit entsprechen, ein Betrag, der seinerzeit noch nicht einmal ein
Drittel des berechneten Gehaltes des Versicherten darstelle. Der Versicherte sei in der
Lage, diesen Betrag ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts an die
Klägerin zu zahlen. Diese habe anhand einer Bescheinigung des deutschen
Generalkonsulats von Los Angeles vom 12. Januar 1967 glaubhaft gemacht, dass sie für
sich und das gemeinschaftliche Kind lediglich 145 US-$ monatlich als
Fürsorgeunterstützung erhalte und im Übrigen weder über Einkommen noch über
Vermögen verfüge. Das Existenzminimum für deutsche Staatsangehörige liege nach
Auskunft des deutschen Generalkonsulates von Los Angeles bei 210 US-$ monatlich.
Auch unter Einschluss der Fürsorgeunterstützung erhalte die Klägerin nur einen Betrag,
der mit etwa 245 US-$ (zuzüglich von 100,00 DM = etwa 25 US-$ für das Kind) nur
geringfügig über dem Existenzminimum liege. Die Klägerin könne auch nicht darauf
verwiesen werden, selbst eine Berufstätigkeit aufzunehmen, denn sie habe für das am
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
verwiesen werden, selbst eine Berufstätigkeit aufzunehmen, denn sie habe für das am
12. Dezember 1966 geborene Kind zu sorgen.
Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens (Scheidungsurteil des LG Berlin, 32 R 196/66)
schlossen die Parteien am 18. März 1968 für den Fall der Rechtskraft des
Scheidungsurteils unter beidseitigem Rechtsmittelverzicht folgenden Vergleich:
1.
Herr R zahlt Unterhalt an die Klägerin nach Maßgabe des Beschlusses des LG
Berlin vom 17. Oktober 1966 bis einschließlich 31. Dezember 1967. Ab 1. Januar 1968
verzichtet Frau R für sich auf jeglichen Unterhalt für die Zukunft einschließlich des
Notbedarfs, sowie einer unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit.
Herr R nimmt diesen Verzicht an.
2.
Ab 1. Januar 1968 zahlt Herr R an das eheliche Kind der Parteien M A
monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 150,00 DM, monatlich im Voraus, fällig
spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats.
Die Parteien sind darüber einig, dass diese Regelung bis zur Vollendung des 6.
Lebensjahres des Kindes M A gilt. Alsdann soll unter Berücksichtigung der
Einkommensverhältnisse beider Elternteile eine neue Unterhaltesregelung getroffen
werden.
3.
4.
Herr R übernimmt alleinschuldnerisch die Rückzahlung des Ehestandsdarlehens
in der noch valutierenden Höhe. Er verpflichtet sich insoweit, im Innenverhältnis Frau R
von jeglicher Verpflichtung freizustellen und dem kontoführenden Institut davon Anzeige
zu machen.
5.
Herr R zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn,
gleichzeitig aus dem Gesichtspunkt der Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin,
an diese einen einmaligen Betrag von 1.500,- DM in fortlaufenden gleich bleibenden
monatlichen Raten von 100,- DM, beginnend, sobald der sich zu der Vereinbarung zu
Ziffer 1) ergebende Unterhaltsrückstand abgedeckt ist. Der ziffernmäßig noch genau zu
ermittelnde Rückstand wird in Monatsraten von 100,- DM, beginnend ab 1. April 1968
abgetragen.
6.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass es hinsichtlich des Hausrats bei dem
jetzigen Rechtsstand bleibt.
7.
8.
Mit Abschluss dieses Vergleichs erklären die Beteiligten übereinstimmend, dass
sie keinerlei Ansprüche mehr aneinander, gleich aus welchem Rechtsgrund,
insbesondere auch aus dem Gesichtspunkt eines möglichen Zugewinns, haben.
Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet. Der Versicherte heiratete am 13. Juni 1968 die
Beigeladene. Das gemeinsame Kind des Versicherten und der Beigeladenen (A) wurde
1968 geboren.
1971 verstarb der Versicherte. Das von der Beklagten ermittelte
Nettogesamteinkommen zur Zeit seines Todes belief sich auf mindestens ca. 1.100,00
DM. Der Versicherte war als Versicherungskaufmann erwerbstätig und wegen
18
19
20
21
22
23
24
DM. Der Versicherte war als Versicherungskaufmann erwerbstätig und wegen
Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze seit April 1964 versicherungsfrei.
Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des
Verstorbenen. Außerdem wurde Halbwaisenrente für die Söhne M A und A gezahlt.
Mit bei der Beklagten am 02. Juni 2000 eingegangenem Schreiben beantragte die
Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente und gab an, die einzige Zahlung für
sie und das Kind sei die für ihren Sohn M A bis zu seinem 18. Lebensjahr gezahlte
Halbwaisenrente gewesen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe habe sie kein
Einkommen gehabt. Unterhaltszahlungen von dem Versicherten habe sie nie erhalten.
Ein Unterhaltsprozess nach Auflösung der Ehe sei auch nicht geführt worden. Zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten habe sie aus ihrer Beschäftigung als Buchhalterin
350,00 DM verdient und sei in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. November 2000 die Gewährung einer
Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des Herrn D R ab, da § 243 Abs. 2
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) u. a. voraussetze, dass die Klägerin im letzten
Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder zuletzt vor
dessen Tod einen Anspruch hierauf gehabt habe. Die Klägerin habe im Rentenantrag
selbst angegeben, zuletzt vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt von ihm
erhalten zu haben. Auch ein Unterhaltsanspruch führe nicht automatisch zum
Rentenanspruch, vielmehr bestehe dieser nur dann, wenn die Unterhaltsverpflichtung
des Verstorbenen eine wirtschaftliche Bedeutung für den Antragsteller gehabt habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei dies dann der Fall,
wenn der Unterhaltsanspruch mindestens 25 % des zeitlichen und notwendigen
Mindestbedarfs zum Lebensunterhalt erreiche. Da die Klägerin ihren gewöhnlichen
Aufenthalt zur Zeit des Todes des Versicherten im Ausland gehabt habe, seien für die
Bestimmung des Mindestbedarfes die Verhältnisse in dem jeweiligen Land zugrunde zu
legen. Ein Witwenrentenanspruch könne somit nur dann entstehen, wenn der Versicherte
zuletzt vor seinem Tode eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin i. H. v.
mindestens 120,00 DM im Monat gehabt habe. Für die Ermittlung des
Unterhaltsanspruches nach §§ 58, 59 Ehegesetz (EheG) seien zunächst das
Nettogesamteinkommen der Klägerin (monatlich 350,00 DM) und das des Verstorbenen
(monatlich ca. 1.100,00 DM) = insgesamt 1.450,00 DM nach dem „Zwickauer Schlüssel“
in dem Verhältnis 4 : 2 : 2 : 1 : 1 = 10 Teile (4 Teile für den Versicherten, 2 Teile für die
geschiedene Ehefrau, 2 Teile für die Ehefrau, ein Teil für das Kind M Rf, ein Teil für das
Kind A R) aufzuteilen. Aus der Quote der Klägerin von 2/10 = 1/5 (290,00 DM) ergebe
sich nach Abzug ihres Nettogesamteinkommens von 350,00 DM von dieser Summe kein
Betrag zu ihren Gunsten. Somit habe kein Unterhaltsanspruch nach den Vorschriften
des EheG bestanden und ein Rentenanspruch nach § 243 Abs. 2 SGB VI bestehe daher
auch nicht. Ein Anspruch gem. § 243 Abs. 3 SGB VI bestehe ebenfalls nicht, weil eine
Witwenrente (an die Beigeladene) zu zahlen sei.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage von „Bankkontrollabschnitten“
für das Jahr 1970 (12) und für das Jahr 1971 (3) geltend, dass sie 250,00 DM (= 68, 68
US-$) monatlich von dem Versicherten bis zu seinem Tode erhalten habe. Eine Tätigkeit
habe sie erst danach aufgenommen und bis dahin kein Einkommen gehabt. Aus dem
beigefügten Armenrechtszeugnis des deutschen Generalkonsulates von Los Angeles
vom 03. August 1979 für die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs des Sohnes M
A ergebe sich, dass ihr Einkommen (= 964 US-$) knapp über dem Existenzminimum (=
853 US-$ für eine Einzelperson mit Kind) liege.
Auf die Anfrage der Beklagten, weshalb sie zunächst erklärt habe, zum Zeitpunkt des
Todes des Versicherten eigene Einkünfte erzielt zu haben, gab die Klägerin wiederum an,
bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten kein eigenes Einkommen für sich und
ihren Sohn gehabt zu haben. Bei den Zahlungen von Juni bis Dezember 1971 habe es
sich um lebensnotwendige Nachzahlungen gehandelt. Ihrem Schreiben fügte die
Klägerin Kopien für „Ausgaben“ (Krankenkassenversicherungsbeiträge) und das
Armutszeugnis bei.
Die Beklagte forderte vom US-amerikanischen Versicherungsträger einen
Versicherungsverlauf vom 14. Juni 2001 für die Klägerin an, der ab dem 3. Quartal des
Jahres 1967 bis Ende des Jahres 1980 und dann ab Januar 1982 bis Ende des Jahres 1990
fortlaufend Beiträge für Lohn (Wages) aufwies.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente bestehe nicht, weil die
Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie im letzten Jahr vor dem Tod des
Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im letzten wirtschaftlichen
25
26
27
28
29
30
31
Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im letzten wirtschaftlichen
Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt habe. Bei der
Ehescheidung sei eine Regelung zur Zahlung von Unterhalt nicht getroffen worden. Nach
eigenen Angaben habe sich die Klägerin auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht darum
bemüht, mit dem geschiedenen Ehegatten eine Unterhaltsvereinbarung zu treffen bzw.
eine evtl. bestehende Unterhaltsverpflichtung gerichtlich regeln zu lassen. Die im
Verwaltungsverfahren abgegebene Erklärung, zum Zeitpunkt des Todes des
Versicherten in der Lage gewesen zu sein, sich selbst zu unterhalten, habe die Klägerin
zwar im Widerspruchsverfahren widerrufen. Ihre Behauptung, zur Zeit des Todes keine
Beschäftigung ausgeübt bzw. eine solche erst danach aufgenommen zu haben, sei
jedoch nicht glaubhaft. Der angeforderte US-amerikanische Versicherungsverlauf lasse
vielmehr erkennen, dass die Klägerin seit ihrer Rückkehr in die USA eine fortlaufende
Beschäftigung in den USA ausgeübt und hieraus Einkünfte erzielt habe. Eine
Unterhaltsverpflichtung des Versicherten sei daher nicht anzunehmen.
Mit ihrer hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin (SG Berlin) erhobenen Klage hat die
Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von Geschiedenenwitwenrente weiter verfolgt und
vorgetragen, dass der rechtskräftige Beschluss des KG vom 08. Januar 1968 die Pflicht
des Versicherten zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 400,00 DM ab dem
01. Dezember 1966 bestätige. Diese Entscheidung habe bis zum Tode des Versicherten
im März 1971 Bestandskraft gehabt, denn sie sei zu keinem Zeitpunkt abgeändert bzw.
eine entsprechende Abänderungsklage von dem Versicherten angestrengt worden.
Bereits im November 1966 sei gegen den Versicherten vollstreckt worden, insoweit
verweise sie auf die Mitteilung des Rechtsanwalts H vom 17. November 1966. Zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten sei das gemeinsame Kind 4 ½ Jahre alt gewesen,
so dass sowohl nach amerikanischen als auch nach deutschen Gesetzen der
Kindesmutter neben dem Kindesunterhalt auch Betreuungsunterhalt zugestanden hätte.
Die Klägerin hat zur Untermauerung ihres Vortrags diverse Unterlagen vorgelegt, u. a.
Eingaben an die Justizverwaltung, eine in ihrem Auftrag gegen den Versicherten durch
Rechtsanwalt H erstattete Strafanzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 b
Strafgesetzbuch), aus der sich fruchtlose Vollstreckungsversuche der Klägerin, die für
sich einen Unterhaltsbetrag von 450,00 DM und für das Kind einen Unterhalt von 250,00
DM gefordert hatte, in das Vermögen des Versicherten ergeben.
Die Beklagte hat erwidert, dass auch nach dem Beschluss des KG vom 08. Januar 1968
eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten für die Zeit nach Scheidung der Ehe im
März 1968 nicht vorliege. Eine während der Ehe bestehende Unterhaltsverpflichtung
müsse nicht automatisch auch nach der Ehescheidung noch bestanden habe. Aus den
vorgelegten Überweisungsbelegen der Kalenderjahre 1970 und 1971 gehe der
Unterhaltscharakter der Zahlungen nicht eindeutig hervor. Die Zahlung erfolge
regelmäßig auf einem Basiswert von monatlich 250,00 DM. Dieser Zahlbetrag würde
auch der vom KG angeordneten Unterhaltszahlung von monatlich 400,00 DM nicht
entsprechen. Auch bleibe unklar, zu wessen Gunsten die Zahlungen tatsächlich
bestimmt gewesen seien. Sofern darin Unterhaltsansprüche für das im Dezember 1966
in den USA geborene Kind M A enthalten gewesen seien, sei fraglich, in welcher Höhe
der Gesamtleistung tatsächlich Unterhaltsansprüche der Klägerin abgedeckt worden
seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese „Unterhaltsleistung“ des Verstorbenen
regelmäßig 25/100 des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfes zum
Lebensunterhalt erreicht hätte.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 hat das SG die zweite Ehefrau des Versicherten,
K R, zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat vorgetragen, dass nach der Ehescheidung bzw. auch während des
Scheidungsverfahrens an die Klägerin kein Unterhalt gezahlt worden sei. Es sei
gegenseitig auf Ansprüche verzichtet und auch kein Unterhalt festgesetzt oder jemals
gefordert worden. Die Klägerin habe in den USA nachweislich eine Arbeitsstelle und
daher keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Eine Vollstreckung gegen den Versicherten
habe es nie gegeben. Bei den Überweisungen könne es sich nur um
Unterhaltszahlungen für das am 12. Dezember 1966 geborene Kind handeln. Die
Zahlungen hätten erst Anfang des Jahres 1967 begonnen und könnten nur bis März
1971 gezahlt worden sein. Das Bankkonto des Versicherten sei nach dessen Tod
geschlossen worden und habe keine Guthaben mehr ausgewiesen. Auch sei keine
Erbmasse vorhanden gewesen.
Mit Beschluss vom 04. Juli 2005 hat das SG Berlin den Rechtsstreit nach Anhörung der
Beteiligten an das örtlich zuständige SG Potsdam verwiesen.
Das SG Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2007 abgewiesen und
31
32
33
34
35
36
Das SG Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2007 abgewiesen und
ausgeführt, der Anspruch auf große Witwenrente scheitere daran, dass die Klägerin im
letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt von diesem erhalten und
im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode auch keinen Anspruch hierauf
gehabt habe (§ 243 Abs. 2 Ziff. 3 SGB VI). Bei den mit den vorgelegten
Bankkontrollabschnitten nachgewiesenen Zahlungen von monatlich 250,00 DM = 68,40
US-$ (kursschwankend) handele es sich um die Unterhaltszahlungen für das 1966
geborene Kind. Hierfür spreche, dass der Versicherte von Rechtsanwalt H mit Schriftsatz
vom 02. Januar 1967 aufgefordert worden sei, für das Kind ab dem 01. Januar 1967
Unterhalt i. H. v. 200,00 DM monatlich zu zahlen. Soweit der Basiswert um 50,00 DM
höher ausfalle, als die Unterhaltsforderung, könne auch insoweit nicht von einer
Unterhaltsleistung für die Klägerin ausgegangen werden, denn dieser Betrag erreiche
nicht den für die Annahme von Unterhaltsleistungen geforderten Mindestbetrag von
25/100 des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfes zum Lebensunterhalt.
Auch wenn die Klägerin aufgrund des Scheidungsurteils vom 18. März 1968 mit dem
alleinigen Schuldspruch dem Versicherten gegenüber einen (fiktiven)
Unterhaltsanspruch gehabt habe, dürfe das aus dem US-amerikanischen
Versicherungsverlauf ersichtliche Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit nicht
unberücksichtigt bleiben. Im Allgemeinen sei davon auszugehen, dass eine
Erwerbstätigkeit, der die geschiedene Frau zur Zeit des Todes des Mannes
nachgegangen sei, von ihr auch „zumutbar“ verrichtet worden sei. Die Klägerin müsse
sich billigerweise auf die Erwerbseinkünfte verweisen lassen, weil nicht davon
auszugehen sei, dass die von ihr verrichtete Tätigkeit lediglich wegen der Notlage
aufgrund ausbleibender Unterhaltszahlungen erzwungen sei und deshalb eine
Anrechnung unbillig wäre (BSG, Beschluss vom 09. Dezember 1997, 8 BKN 9/97,
veröffentlicht in juris).
Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente könne auch nicht daraus hergeleitet werden,
dass der Klägerin im Zeitraum der Trennung ein Unterhaltsanspruch i. H. v. 400,00 DM
monatlich zuerkannt worden sei. Diese Verpflichtung habe nach der Scheidung,
insbesondere zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten, nicht mehr bestanden, denn
Grundlage der einstweiligen Anordnung seien die Einkommensverhältnisse des
Versicherten in den Jahren 1966 und 1967 gewesen. Der Versicherte habe nach der
Scheidung vom 18.März 1968 ein zweites Mal geheiratet und es sei ein weiteres Kind aus
dieser Ehe hervorgegangen. Damit hätten sich aber die Einkommensverhältnisse des
Versicherten gegenüber dem Zeitpunkt des Beschlusses des LG Berlin vom 17. Oktober
1966 und zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des KG vom 08. Januar 1968
grundlegend geändert. Mit der Gründung der neuen Familie habe der Versicherte
Verpflichtungen gegenüber weiteren unterhaltsberechtigten Personen gehabt, so dass
er darüber hinaus nicht mehr unterhaltsfähig gewesen sei. Im Übrigen gälten
Regelungen im vorläufigen Verfahren, wie sie hier getroffen worden seien, lediglich bis
zur Entscheidung in der Hauptsache (hier Scheidung).
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf große Witwenrente gem. § 243 Abs. 3 SGB
VI, denn es bestehe bereits ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für die Beigeladene
als Witwe des Versicherten aus dessen Anwartschaften und werde auch gezahlt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ergänzend
vorträgt, sie habe bis März 1971 in äußerst beengten finanziellen Verhältnissen, und
zwar bei ihrer Mutter in einem Zimmer mit ihrem Kind, gelebt. Ihr Sohn sei zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten erst vier Jahre alt gewesen und sie habe ihn nicht
tagsüber in einem Kindergarten unterbringen können. Ihre Mutter sei selbst vollzeitig
berufstätig gewesen und habe daher die Betreuung des Enkels nicht übernehmen
können. Erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre sei sie einer vollzeitigen
Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe ein monatliches Einkommen von brutto 964
US-$ erzielt, wobei damals das Existenzminimum für eine Einzelperson 853 US-$
betragen habe.
Sie habe zudem mit dem Beschluss des LG vom 17. Oktober 1966 einen rechtskräftigen
Unterhaltstitel, denn gem. § 641 e ZPO trete die einstweilige Anordnung über die
Festsetzung des Unterhalts nur dann außer Kraft, wenn ein anderer Schuldtitel, der nicht
nur vorläufig vollstreckbar sei, über den Unterhalt erlangt werde. Sie verweise zur
Untermauerung ihrer Rechtsansicht, dass der vom KG bestätigte Beschluss des LG
Berlin zur Unterhaltszahlung auch nach Verkündung bzw. Rechtskraft des
Scheidungsurteils weiterhin Bestand gehabt habe, auf die Entscheidungen des
Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 15. Juli 1987 (Familienrechtszeitung [FamRZ]
1987, 1279) und des OLG Karlsruhe (FamRZ 1988, 855). Diese Grundsätze gälten auch
für eine einstweilige Anordnung über den Unterhalt, weil insoweit auch der nacheheliche
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
für eine einstweilige Anordnung über den Unterhalt, weil insoweit auch der nacheheliche
Unterhalt damit geregelt werde; diese trete nicht mit der Rechtskraft des
Scheidungsurteils außer Kraft, so dass weiterhin aus ihr vollstreckt werden dürfe (vgl.
Bundesgerichtshof [BGH], Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1981, 978 und 1983,
1330). Sie habe auch aus dem einstweiligen Anordnungsbeschluss gegen den
Versicherten vollstreckt. Sie habe mithin einen Unterhaltsanspruch gehabt, und zwar in
der Form des Betreuungsunterhalts. Im Zeitpunkt des Todes des Kindesvaters sei das
Kind vier Jahre alt gewesen und habe weiterhin der besonderen Pflege und der Betreuung
durch seine Mutter bedurft. Jede Tätigkeit, die die Mutter gegen Entgelt ausgeübt habe,
sei überobligationsmäßig und nicht auf den ihr zugesprochenen Unterhalt anrechenbar.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. März 2010 hat der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch ergänzend vorgetragen, er halte den vor dem
LG Berlin am 18. März 1968 im Scheidungsverfahren geschlossenen Vergleich für
sittenwidrig.
Die Klägerin hat zum Nachweis, dass der Versicherte den Unterhaltsanspruch anerkannt
habe, die Kopie eines Briefes an sie vom 01. November 1968 vorgelegt. Hierin wird
ausgeführt: „Deiner Bitte, Dich bzw. Markus zu unterstützen, will ich gern nachkommen.
… Ich überweise Dir das Geld dann zusammen mit der nächsten Zahlung auf Dein
Bankkonto.“
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2007 aufzuheben und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2001 zu verurteilen, ihr eine
Geschiedenenwitwenrente ab dem 01. Juni 2000 aus der Versicherung des Herrn Dieter
R zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie im
letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im
letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt
habe.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. März 2010 hat die Beigeladene
ergänzend erklärt, sie habe anlässlich der Eheschließung und Geburt des Sohnes ihr
Studium aufgeben müssen. Ihr Mann habe nicht gewollt, dass sie arbeite. Gleich nach
dem Tode ihres Mannes habe sie sich eine Arbeitsstelle gesucht.
Auf Befragen, welches Einkommen ihr Ehemann 1970 gehabt habe, hat die Beigeladene
erklärt, dass sie den Betrag nach 40 Jahren nicht mehr sagen könne. Es sei ein gutes
Einkommen gewesen. Unterlagen aus dieser Zeit besitze sie nicht mehr.
Der Senat hat vom Archiv des Familiengerichts beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
aus der mikroverfilmten (Rest-)Verfahrensakte des LG Berlin (32 R 196/66) das
Sitzungsprotokoll und das Scheidungsurteil vom 18. März 1968 in Kopie beigezogen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die ebenfalls Gegen-stand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das
Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der
Beklagten vom 16. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.
Oktober 2001 ist rechtmäßig, da der Klägerin eine Geschiedenenwitwenrente aus der
Versicherung des Herrn Dieter R nicht zusteht.
Nach § 243 Abs. 1 SGB VI besteht auch für geschiedene Ehegatten ein Anspruch auf
kleine Witwenrente ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate, wenn deren Ehe vor
dem 01. Juli 1977 geschieden ist, sie nicht wieder geheiratet haben und sie im letzten
52
53
54
dem 01. Juli 1977 geschieden ist, sie nicht wieder geheiratet haben und sie im letzten
Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten hatten
oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf
gehabt hätten, sofern der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem
30. April 1942 verstorben ist. Nach § 243 Abs. 2 SGB VI besteht auch für geschiedene
Ehegatten Anspruch auf große Witwenrente unter der weiteren Voraussetzung, dass sie
entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI)
oder das 45. Lebensjahr vollendet haben oder erwerbsgemindert sind oder vor dem 02.
Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder am 31. Dezember 2000
bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewesen sind und dies ununterbrochen sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vollumfänglich vor. Zwar ist die Ehe der Klägerin
vor dem 01. Juli 1977, nämlich am 18. März 1968, rechtskräftig vor dem LG Berlin
geschieden worden, die Klägerin hat auch nicht wieder geheiratet, sie hat ein eigenes
Kind erzogen, das 45. Lebensjahr vollendet und der Versicherte hat die allgemeine
Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben. Der Anspruch auf große
(wie auch auf kleine) Witwenrente scheitert jedoch daran, dass die Klägerin im letzten
Jahr vor dem Tode des Versicherten weder Unterhalt von diesem erhalten hat noch im
letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt
hätte (§ 243 Abs. 2 Ziff. 3 und Abs. 1 Ziff. 3 SGB VI).
Zwar hatte der Versicherte, wie von der Klägerin durch die vorgelegten
„Bankkontrollabschnitte“ für das Jahr 1970 (12) und für das Jahr 1971 (3) belegt,
monatlich 250,00 DM (= 68, 68 US-$) an diese überwiesen. Diese Zahlungen sind zur
Überzeugung des Senats jedoch nicht als Unterhaltszahlungen an die Klägerin
anzusehen. Vielmehr handelte es sich – wie von der Klägerin im Verwaltungsverfahren
auch zunächst angegeben – zum einen um den Kindesunterhalt für den Sohn M A in
Höhe von 150,- DM monatlich und zum anderen um die monatliche Rate zur Tilgung der
im Scheidungsfolgenvergleich vom 18. März 1968 unter Ziffer 5 eingegangenen
Verpflichtungen des Versicherten. Soweit die Klägerin nämlich später vorgetragen hat,
es fehle an einem Titel für den Kindesunterhalt, hat sich dieser Vortrag als unzutreffend
erwiesen. Vielmehr wurde anlässlich der Ehescheidung vor dem LG Berlin (32 R 196/66)
am 18. März 1968 der im Tatbestand dargestellte Vergleich geschlossen. Eine
vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, der weder angefochten noch widerrufen
worden ist, wurde der Klägerin bereits am 25. April 1968 erteilt. Hiernach verpflichtete
sich der Versicherte, ab dem 01. Januar 1968 an das Kind M A bis zur Vollendung von
dessen sechstem Lebensjahr monatliche Unterhaltsbeträge in Höhe von 150,00 DM zu
leisten, wogegen die Klägerin ab dem 01. Januar 1968 für sich auf jeglichen Unterhalt für
die Zukunft verzichtete. Des Weiteren ergibt sich aus Ziffer 5 des Vergleichs, dass der
Versicherte ab dem 01. April 1968 fortlaufend 100,- DM monatlich zunächst zur Tilgung
des (Trennungs-) Unterhaltsrückstandes an die Klägerin zahlte. Nach Tilgung dieser nicht
unerheblichen Schuld sollten die Monatsraten in Höhe von 100,- DM zur Zahlung der in
Ziffer 5 zwecks Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn sowie als
Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin vereinbarten Ausgleichssumme in Höhe
von 1.500,- DM fortgeführt werden (= weitere 15 Monatsraten). Vergegenwärtigt man
sich den Umstand, dass nach dem Vortrag der Klägerin sowohl im Scheidungsverfahren
als auch im hiesigen Rechtsstreit wie auch nach dem Vortrag der Beigeladenen der
Versicherte keinerlei Trennungsunterhalt an die Klägerin gezahlt hatte und
Vollstreckungsversuche fruchtlos blieben (vgl. u. a. die detaillierten Ausführungen in der
vorgelegten Strafanzeige der Klägerin vom 12. Januar 1967 wegen Verletzung der
Unterhaltspflicht durch den Versicherten), so ergibt sich für die Zeit bis Ende 1967 ein
Unterhaltsrückstand von mindestens 6.000,- DM (= 60 Monatsraten). Denn der
Versicherte war in dem Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 im Wege der
einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB in Höhe
von 150,- DM monatlich für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. August 1966 und in Höhe
von 400,00 DM monatlich ab dem 01. September 1966 verpflichtet worden (vgl.
Beschluss des KG Berlin vom 08. Januar 1968 [8 W 1504/67]). Demzufolge waren zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten, d. h. drei Jahre nach Beginn der monatlichen
Zahlungen in Höhe von 100,- DM am 01. April 1968, die aus der Ziffer 5 des
Scheidungsfolgenvergleichs resultierenden Verbindlichkeiten noch nicht getilgt. Die
monatlichen Zahlungen in Höhe von 100,- DM zur Tilgung von (Unterhalts-) Schulden
dienten nicht der Bestreitung der Lebensführung der Klägerin und somit nicht der
Deckung ihres laufenden Lebensbedarfs (vgl. zu Zahlungen zur Tilgung früherer
Unterhaltsschulden oder zur Bestreitung der Aufwendungen für den Aufbau einer
Alterssicherung der geschiedenen Ehefrau: BSGE 30, 1, 2 f. = SozR Nr. 51 zu § 1265
RVO; BSGE 46, 11, 12 = SozR 2200 § 1265 Nr. 29; BSG, Urteil vom 03. Oktober 1979, 1
RA 53/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 45).
Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten
54
55
56
57
58
59
Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten
wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod auch keinen Anspruch auf Unterhalt, denn
sie hat – wie noch im Einzelnen darzustellen sein wird – wirksam auf nachehelichen
Unterhalt verzichtet.
Ob überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht, haben die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit zu beurteilen; eine Bindung an
unterhaltsrechtliche Entscheidungen der Zivilgerichte besteht nicht (BSG, Urteil vom 29.
April 1997, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 16). Im Streitfall beurteilt sich diese Frage nach § 58
Abs. 1 EheG. Nach dieser Vorschrift hat der allein oder überwiegend schuldig
geschiedene Ehemann der geschiedenen Ehefrau einen nach den Lebensverhältnissen
der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem
Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen.
Die Klägerin kann sich zur Begründung eines Unterhaltsanspruches nicht mit Erfolg auf
den Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966, mit dem der Versicherte zur
Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet worden war, berufen. Zum einen war dieser
im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene Beschluss – anders als in den von ihr
zitierten Entscheidungen des OLG Frankfurt und des OLG Karlsruhe - nach dem damals
geltenden Zivilprozessrecht nur bis zur Scheidung gültig (vgl. §§ 627, 627 b
Zivilprozessordnung [ZPO] in der 1968 noch maßgeblichen Fassung) und entfaltete
demnach keine Dauerwirkung. Dem Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 lag
zudem ein anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich dass die zu diesem Zeitpunkt
schwangere Klägerin nicht erwerbstätig war und unsicher war, ob sie eine
Erwerbstätigkeit alsbald wieder aufnehmen würde. Die Klägerin nahm jedoch, wie sich
aus dem US-amerikanischen Versicherungsverlauf ergibt, bereits im dritten Quartal des
Jahres 1967 eine Erwerbstätigkeit in den USA auf. In den folgenden Jahren und auch zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten erzielte die Klägerin Einkünfte in einer Höhe, die
es ihr erlaubten, sich (und ihren Sohn) selbst zu unterhalten. So weist der
Versicherungsverlauf des US-amerikanischen Rentenversicherungsträgers u. a. folgende
Einkommen aus: 1967 3.225,96 US-$ ,1968 4.374,97 US-$, 1969 7.037,73 US-$, 1970
7.433,65 US-$ und 1971: 7.935,65 US-$. Das Monatseinkommen der Klägerin belief sich
somit (auf- bzw. abgerundet) im Jahr 1968 bereits auf 366,- US-$, im Jahr 1969 auf 586,-
US-$, im Jahr 1970 auf 619,- US-$ und im Jahr 1971 auf 661,- US-$. Diese Einkommen
überstiegen etwaige Unterhaltsverpflichtungen des Versicherten selbst bei einer
anzunehmenden Fortschreibung aufgrund der seit der Scheidung eingetretenen
Veränderungen der allgemeinen Lohn- und Preisverhältnisse (BSG, Urteil vom 30. Juni
1998, B 4 RA 61/96 R, in juris) erheblich, so dass dieser nicht mehr zum Unterhalt
verpflichtet gewesen wäre.
Vor allem aber scheitert ein Unterhaltsanspruch daran, dass die Klägerin in dem vor
dem LG Berlin am 18. März 1968 geschlossenen Vergleich (Az.: 32 R 196/66) für die Zeit
ab Januar 1968 einen Verzicht für sich auf jeglichen Unterhalt für die Zukunft
einschließlich des Notbedarfs sowie einer unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit erklärt
hat.
Dieser Verzicht ist auch wirksam zustande gekommen. Bereits nach dem vor Juli 1977
geltenden Scheidungsrecht hatten die Ehegatten die Möglichkeit, im Fall einer
Ehescheidung durch Vereinbarungen den nachehelichen Unterhalt und sonstige
versorgungs- und güterrechtliche Angelegenheiten verbindlich zu regeln, was auch die
Möglichkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt beinhaltete (§ 72 EheG). Der
Inhalt des Scheidungsfolgenvergleiches lässt zunächst erkennen, dass eine endgültige
Trennung der Eheleute auch in finanzieller Hinsicht beabsichtigt war. So übernahm der
Versicherte alleinschuldnerisch die Rückzahlung des Ehestandsdarlehens und
verpflichtete sich insoweit, im Innenverhältnis die Klägerin freizustellen. Außerdem sollte
der Versicherte zur Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn, gleichzeitig
aus dem Gesichtspunkt der Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin, an diese
einen einmaligen Betrag von 1.500,- DM zahlen. Ebenfalls enthält der Vergleich eine
Regelung über die Verteilung des Hausrats.
Der Verzicht ist auch insbesondere nicht, wie die Klägerin meint, sittenwidrig. Begrenzt
wird die volle Vertragsfreiheit durch den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung, hier
des § 72 EheG, und die Schranken des allgemeinen Rechts, wie sie § 138 BGB enthält. In
diesem Zusammenhang ist vor allem entscheidend, ob die Vereinbarung schon im
Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen
Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr wegen Verstoßes gegen die guten
Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu
versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Vorschriften treten (§ 138 Abs. 1 BGB).
Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim
60
61
Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim
Vertragsschluss, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse,
den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen
auf die Ehegatten und auf die Kinder abstellt. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit
der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Februar 2004, FamRZ 2004, 601, welches nach zwei
Entscheidungen des BVerfG [FamRZ 2001, 343 und 985] ergangen ist).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen keine für eine Sittenwidrigkeit des
Unterhaltsverzichtes sprechenden Umstände vor. Es war zum Zeitpunkt des Vergleichs
nicht zu erwarten, dass die Klägerin wegen des Unterhaltsverzichts zwangsläufig der
Sozialhilfe anheimfallen musste, was den guten Sitten zuwiderlaufen könnte (BGH,
FamRZ 1983, 137). Vielmehr war die Klägerin im Zeitpunkt der Vereinbarung im März
1968 – wie bereits dargestellt - wieder berufstätig und bezog ausweislich des
amerikanischen Versicherungsverlaufs bereits im Jahr 1968 Einkünfte von ca. 4.375,-
US-$. Die ihre (Sozialhilfe-)Bedürftigkeit bestätigende Bescheinigung des deutschen
Generalkonsulats von Los Angeles vom 12. Januar 1967 stammt aus der Zeit vor
Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit.
Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass von ihr wegen der
Pflege und Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht habe
erwartet werden können. Zwar ist nach § 58 EheG die geschiedene Frau trotz Einkünften
aus eigener Erwerbstätigkeit unterhaltsbedürftig, wenn der auf Unterhalt in Anspruch
genommene frühere Ehemann sie billigerweise auf diese Einkünfte nicht verweisen
könnte (BSG, Urteil vom 22. März 1968, SozR Nr. 42 zu § 1265 RVO; Urteil vom 25.
September 1969, SozR Nr. 52 zu § 1265 RVO; Urteil vom 30. September 1996, 8 RKn
17/95, alle in juris). Die Verweisung auf eigene Einkünfte scheidet jedoch nicht schon
deswegen aus, weil der früheren Ehefrau eine Berufstätigkeit wegen zu betreuender
Kinder grundsätzlich nicht zuzumuten sei. Ob eine geschiedene Frau trotz eigenen
Erwerbseinkommens im Verhältnis zum Versicherten unterhaltsbedürftig ist, weil der
Versicherte sie billigerweise nicht auf die betreffenden Erträgnisse verweisen darf, ist
nach den gesamten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen. Die Unbilligkeit der
Einkommensanrechnung kann also nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die
geschiedene Frau berechtigt wäre, sich allein der Sorge und Erziehung ihrer Kinder zu
widmen, ohne dabei noch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Vielmehr ist im
Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Erwerbstätigkeit, der die geschiedene Frau
zur Zeit des Todes des Mannes nachgegangen ist, von ihr auch „zumutbar“ verrichtet
worden ist (vgl. Urteile des BSG vom 22. März 1968 und 25. September 1969, a. a. O.).
Dieser Rechtsprechung liegt die Annahme zugrunde, dass jegliche Erwerbsobliegenheit
der sorgeberechtigten unterhaltsbedürftigen Frau entfällt, soweit sie sich selbst der
Sorge und Erziehung ihrer Kinder widmet. Wird jedoch in Fällen wie hier eine -
überobligatorische - Erwerbstätigkeit tatsächlich wahrgenommen, so stellt sich nach
dieser Rechtsprechung des BSG nur noch die Frage, ob und inwieweit eine Verweisung
auf das Erwerbseinkommen der Billigkeit entspricht. Die Rechtsprechung hat z. B.
Sittenwidrigkeit nach § 72 EheG dann angenommen, wenn die durch einen
Unterhaltsverzicht erzwungene Erwerbstätigkeit der Mutter eindeutig zu Lasten der
Kinderbetreuung geht (vgl. BGH, FamRZ 1983, 137). In dem dort entschiedenen Fall war
jedoch die Ehefrau des Beklagten zum Zeitpunkt der Unterhaltsverzichtsvereinbarung
nicht erwerbstätig und bezog seit ihrer Trennung Sozialhilfe. Eine Erwerbstätigkeit wäre
ihr auch nicht zuzumuten gewesen, weil sie ein behindertes Kind zu versorgen hatte und
daher - voraussehbar auf Jahre hinaus - nicht in der Lage gewesen wäre, einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine derartige Konstellation liegt im Fall der Klägerin
ersichtlich nicht vor. Sie war vielmehr während ihres äußerst kurzen, nur zehn Monate
dauernden Zusammenlebens mit dem Versicherten jedenfalls zeitweise berufstätig und
nahm auch kurze Zeit nach ihrer Rückkehr in die USA bereits im zweiten Halbjahr 1967
trotz des sehr geringen Alters des Kindes wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Dies lässt
nicht den Schluss zu, dass die tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit der Klägerin, die
ausweislich des US-amerikanischen Versicherungsverlaufes nahezu durchgehend
berufstätig war (mit kurzen Unterbrechungen im Jahr 1965, Anfang 1966 sowie nach der
Geburt des Kindes im ersten Halbjahr 1967), unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin
hat diesbezüglich keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich die
Unzumutbarkeit ergeben könnte, sondern hat vielmehr jegliche Berufstätigkeit bis zum
Tod des Versicherten bestritten. Der Sohn wurde während ihrer Arbeitszeit offensichtlich
anderweitig versorgt. Es ist anhand der vorliegenden Unterlagen auch nicht erkennbar,
dass der damalige Rechtsanwalt der Klägerin im Ehescheidungsverfahren hinsichtlich
einer Unzumutbarkeit überobligatorischer Arbeit vorgetragen hätte; vielmehr hatte er -
im Auftrag der Klägerin handelnd - dem oben dargestellten Vergleich einschließlich des
Unterhaltsverzichts zugestimmt. Diese Umstände sprechen dagegen, dass allein die
wirtschaftliche Notsituation die Klägerin zur Aufnahme einer Beschäftigung gezwungen
62
63
64
65
66
67
wirtschaftliche Notsituation die Klägerin zur Aufnahme einer Beschäftigung gezwungen
hat.
Nicht zuletzt ist bei der Prüfung, ob der Unterhaltsverzicht möglicherweise gegen die
guten Sitten verstoßen könnte, auch die veränderte Sachlage in den Verhältnissen des
Versicherten zu berücksichtigen. War der Versicherte zum Zeitpunkt des Beschlusses
des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 zum Trennungsunterhalt noch allein gegenüber der
Klägerin und dem zu erwartenden Kind zum Unterhalt verpflichtet, so hatte sich die
Situation zum Zeitpunkt der Scheidung maßgeblich geändert. Der Versicherte war zu
diesem Zeitpunkt eine neue Verbindung eingegangen, aus der ebenfalls ein Kind
erwartet wurde. Der künftige Unterhaltsanspruch des zu erwartenden Kindes war im
Scheidungsfolgenvergleich ebenso zu berücksichtigen wie der Unterhaltsanspruch der
zukünftigen, zweiten Ehefrau. Die Beigeladene hatte nämlich, wie sie im Termin zur
mündlichen Verhandlung angegeben hat, ein Studium begonnen, welches sie nach der
Eheschließung und Geburt des Sohnes aufgab und sich dann auf Wunsch des
Versicherten bis zu dessen Tod ganz der Betreuung des Kindes und der Versorgung des
gemeinsamen Haushaltes widmete. Es gab daher weitere zu erwartende
Unterhaltsverpflichtungen, die bei der Prüfung einer möglichen Sittenwidrigkeit des
Unterhaltsverzichtes durch die Klägerin zu berücksichtigen sind.
Anderes folgt letztlich auch nicht aus dem im Termin zur mündlichen Verhandlung von
ihrem Prozessbevollmächtigten zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts
([BVerfG], 1 BvR 12/92, in juris). Diese Entscheidung betraf die gerichtliche Kontrolle des
Inhalts ehevertraglicher Abreden, die vor der Eheschließung mit einer Schwangeren
getroffen wurden und die die Betreuungs- und Unterhaltssituation des gemeinsamen
Kindes nach einer evtl. Scheidung berührten. Hiermit ist ein im Rahmen der
Ehescheidung vereinbarter Unterhaltsverzicht, bei dessen Abschluss die
Scheidungsfolgenvereinbarung und das Scheitern der Ehe zusammenfallen, nicht
vergleichbar.
Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen beim Senat keine ernsthaften Zweifel
daran, dass der Unterhaltsverzicht wirksam ist mit der Folge, dass die Klägerin zum
Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor
dessen Tod keinen Unterhaltsanspruch hatte.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum