Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.05.2005

LSG Berlin und Brandenburg: betriebswirtschaft, eintritt des versicherungsfalles, zugehörigkeit, ddr, anwartschaft, qualifikation, urkunde, einfluss, ausbildung, kreis

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 24.05.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 14 RA 28/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 22 RA 314/04
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Die
Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision
wir nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 01. Mai 1983 bis 30. Juni 1990 und die Berücksichtigung der während
dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.
Die im. 1951 geborene Klägerin ist Ingenieurökonom (Urkunde der Ingenieurschule für Glastechnik W. vom 27. Mai
1983).
Vom 01.Mai 1983 bis 30. Juni 1990 arbeitete sie als Fachbearbeiter Betriebswirtschaft beziehungsweise
Fachbereichsleiter Betriebswirtschaft beim VEB Gaskombinat Sch. P ...
Zum 01.März 1976 trat sie der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete Beiträge nur für das
Einkommen bis 1 200,00 Mark monatlich beziehungsweise 14 400,00 Mark jährlich.
Im Oktober 2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die
Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen.
Mit Bescheid vom 26. September 2003 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Weder habe eine positive
Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der
Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der
obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Die Klägerin sei zwar berechtigt gewesen, den Titel
eines Ingenieurökonomen zu führen. Sie sei jedoch nicht als Ingenieur, sondern als Fachbearbeiter Betriebswirtschaft
beschäftigt gewesen.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, für ihre Tätigkeit sei die Qualifikation
eines Ingenieurökonomen nötig gewesen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2003
zurück. Eine ingenieurtechnische Beschäftigung im Sinne der Versorgungsordnung sei nicht verrichtet worden.
Dagegen hat die Klägerin am 13. Januar 2004 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht gewesen, sie habe eine Tätigkeit entsprechend ihrer Qualifikation ausgeübt. Sowohl für die
Funktion eines Fachbearbeiters Betriebswirtschaft als auch für die des Leiters des Abschnittes Betriebswirtschaft
seien der Abschluss als Ingenieurökonom Voraussetzung gewesen. Die Klägerin hat die Funktionspläne bezüglich
des Fachbearbeiters Betriebswirtschaft, verbindlich ab 1982, und des Leiters des Abschnittes Betriebswirtschaft und
Transportabrechnung, verbindlich ab 01. Januar 1980, sowie die Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für
Wissenschaft und Kunst vom 04. November 1998 vorgelegt.
Mit Urteil vom 28. Juli 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klägerin verfüge zwar über den
erforderlichen Abschluss als Ingenieurökonom. Am 30. Juni 1990 sei sie jedoch als Fachbearbeiter Betriebswirtschaft
beschäftigt gewesen. Hierbei habe es sich nicht um eine ingenieurtechnische Tätigkeit im Sinne der
Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gehandelt. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die Klägerin im
Rahmen einer ingenieurtechnischen Tätigkeit Einfluss auf die Herstellungsvorgänge gehabt habe. Im Urteil vom 09.
April 2002 (B 4 RA 39/01 R) habe das BSG ausgeführt: "Die Verordnung vom 17. August 1950 erkannte der
technischen Intelligenz, die vor allem große wissenschaftliche und technische Aufgaben durchzuführen habe, einen
Anspruch auf einen höheren Lebensstandard zu. Sie verstand darunter ... von vornherein nur technische Aufgaben in
Produktionsbetrieben; schon die 1. Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl. DDR 1950, Nr. 111
Seite 1043 f.) umschrieb den Kreis der Versorgungsberechtigten ausdrücklich als die technische Intelligenz, die
konstruktiv und schöpferisch in einem ‚Produktionsbetrieb‘ verantwortlich tätig ist und hervorragenden Einfluss auf die
Herstellungsvorgänge nimmt ...". Bereits den Ausführungen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie im Rahmen
ihrer Aufgaben als Fachbearbeiter Betriebswirtschaft einen hervorragenden Einfluss auf Herstellungs-
beziehungsweise Produktionsvorgänge genommen habe. Unter Ziffer 7 des ab 1982 gültigen Funktionsplanes für die
Funktion Fachbearbeiter Betriebswirtschaft würden als erforderliche Qualifikation neben dem Hoch- und
Fachschulabschluss in der Fachrichtung Ökonomie langjährige theoretische und praktische Erfahrungen auf dem
Gebiet der Betriebswirtschaft gefordert. Es handele sich hiermit um Qualifikationen im Bereich der Ökonomie, nicht
jedoch der Technik. Auch die unter Ziffer 8 des Funktionsplanes näher aufgeführten Arbeitsaufgaben ergäben keinen
Hinweis darauf, dass die Klägerin hervorragenden Einfluss auf Herstellungs- und Produktionsvorgänge genommen
habe. Soweit die Klägerin mit der Erarbeitung von Planungsunterlagen (Punkt 8.2.1), der Teilnahme an
Plandiskussionen (Punkt 8.2.2), Anfertigung von Kostenanalysen (Punkt 8.2.4), der finanziellen Planung, der
Überwachung und Abrechnung der Maßnahme aus dem Leistungsfonds (Punkt 8.2.5), der Nachweisführung der
Kostenentwicklung und der Erstellung der Gebrauchswertkostenanalyse (Punkte 8.2.7 und 8.2.8) sowie weiterer
Tätigkeiten bei der Leistungsabrechnung beschäftigt gewesen sei, seien darin allenfalls produktionsvorbereitende,
hauptsächlich jedoch ökonomische Aufgabenstellungen im weitesten Sinne zu erkennen. Eine Einflussnahme auf
Produktionsvorgänge stelle diese Tätigkeit nicht dar.
Gegen das ihr am 13. September 2004 bekannt gegebene Urteil richtet sich die am 07. Oktober 2004 eingelegte
Berufung der Klägerin.
Sie verweist darauf, dass sie ausweislich der Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und
Kunst vom 04. November 1998 eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit ausgeübt habe und ihr insoweit die
Berechtigung zuerkannt worden sei, den Grad eines Diplomwirtschaftsingenieurs zu führen. Allein hieraus werde
deutlich, dass die durch die Klägerin ausgeübte Tätigkeit sehr wohl den Anforderungen an Kenntnissen eines
Ingenieurökonomen bedurft habe. Soweit das erstinstanzliche Urteil ausführe, die Tätigkeiten der Klägerin wie die
Bearbeitung von Planungsunterlagen, die Teilnahme an Planungsdiskussionen, das Anfertigen von Kostenanalysen,
die finanzielle Planung, Überwachung und Abrechnung der Maßnahme aus dem Leistungsfonds, die Nachweisführung
der Kostenentwicklung und die Erstellung der Gebrauchswertkostenanalyse sowie weitere Tätigkeiten der
Leistungsabrechnung seien lediglich Produktionsvorbereitung und hauptsächlich eine ökonomische Aufgabenstellung
gewesen, so sei dies nicht korrekt. Bezüglich der Produktionsabläufe habe es insbesondere technischer Kenntnisse
über den Ablauf dieser bedurft. Mit dieser Tätigkeit sei sehr wohl Einfluss auf den Herstellungs- und Transportprozess
genommen worden. Dies sei insoweit erfolgt, dass aufgrund der Kostenübersicht ein entsprechender Einfluss auf die
Koordinierung der einzelnen Transporte und Fahrzeuge genommen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juli 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 26. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2003 zu verpflichten, die
Zeit vom 01. Mai 1983 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die während dieser Zeit erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 11. April 2005 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03. Mai 2005
gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), die bei der Entscheidung
vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung - insbesondere im Hinblick
darauf, dass die Beteiligten bereits ausführlich ihre Argumente vorgebracht haben - nicht für erforderlich hält, hat er
nach deren Anhörung von der durch § 153 Abs. 4 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Beschluss
zu entscheiden.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 26. September 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2003 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die
Beklagte die Zeit vom 01. Mai 1983 bis 30. Juni 1990 und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte feststellt.
Die Klägerin hat keine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI erworben, denn sie erfüllte insbesondere
nicht am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI.
Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat der vor der
Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der
Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der
Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch
das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die
Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, und insbesondere die
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden
ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger
hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3
Satz 1 AAÜG).
Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene
Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die
Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es
grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie
der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt.
Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von
diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu
einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der
Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits
bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.
Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen
Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1
Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch
derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren
Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder
3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine
Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der
Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund
eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen
abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen - dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu - galten auch
ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt
der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat
damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a,
wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und
Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII
Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR,
wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine
Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen
Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen,
dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden
waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur
noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige,
der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht
keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B
4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 1).
Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und
4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz
in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 - GBl DDR 1951, 487 - (2. DB zur AVtI-
VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des
Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand.
Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues
Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser
Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in
öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch
der Anspruch auf Rente nicht.
War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem
Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner
Anwartschaft verlustig.
Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die
Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30.
Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne
rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders
behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die
Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden
dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt,
konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar
am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren,
nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses
Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft
zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt
werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen
Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines
Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt
hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete
rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu
diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus
bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich
darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche
Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni
1998 - B 4 RA 11/98 R).
Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den
weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R - fortgeführt und eindeutig
klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese
Rechtsprechung zu modifizieren. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 12/04
R - festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die
eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni
1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.
Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24.
März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R. In jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni
1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der
Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung
beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde gestritten wurde. Diese Entscheidungen betrafen somit
tatsächlich Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile zu erheblichen Missverständnissen geführt, die unter
anderem zur Folge hatten, dass seitens des Versorgungsträgers - aber auch durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
- Zeiten der Zugehörigkeit, insbesondere zur AVtI, entgegen der tatsächlichen Rechtslage festgestellt wurden.
Insbesondere die Formulierung, die Typisierung solle immer dann Platz greifen, wenn in der DDR zu irgendeinem
Zeitpunkt (nicht notwendig noch zum 01. Juli 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei,
derentwegen ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem errichtet gewesen sei, ist hierfür maßgebend gewesen.
Dabei wurde jedoch verkannt, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich einbezogenen Berechtigten
hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, die also keinen Versicherungsschein erhalten
hatten, hat das BSG mit diesen Urteilen überhaupt nicht entschieden. Auch das Urteil des BSG vom 10. April 2002 -
B 4 RA 32/01 R steht nicht entgegen. In jenem Urteil kam es auf den Zeitpunkt des 30. Juni 1990 nicht an, weil der
dortige Kläger bereits den erforderlichen Titel eines Ingenieurs nicht führte bzw. von 1977 bis 30. Juni 1990 eine dem
Berufsbild eines Ingenieurs entsprechende Tätigkeit nicht verrichtete.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lagen bei der Klägerin am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen
für eine Einbeziehung in die AVtI vor. Die Klägerin war zwar berechtigt, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Dies folgt
aus § 1 Abs. 2 Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. DDR II
1962, 278) - Ingenieur-VO. Danach galten die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Ingenieur-VO, der regelte, wer zur
Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigt war, auch für die Berufsbezeichnungen Diplom-
Ingenieurökonom und Ingenieurökonom. Für die Ausübung der von der Klägerin verrichteten Tätigkeit eines
Fachbearbeiters beziehungsweise Abteilungsleiters Betriebswirtschaft bedurfte es jedoch nicht des
Berufsabschlusses eines Ingenieurökonomen.
Nach den vorgelegten Funktionsplänen waren für den Fachbearbeiter Betriebswirtschaft ein Fach- oder
Hochschulabschluss der Fachrichtung Ökonomie sowie langjährige theoretische und praktische Erfahrungen auf dem
Gebiet der Betriebswirtschaft, für den Leiter des Abschnittes Betriebswirtschaft und Transportabrechnung ein Fach-
oder Hochschulabschluss der Fachrichtung Ökonomie sowie umfangreiche praktische Erfahrungen auf dem Gebiet
der Betriebswirtschaft und der Transportabrechnung Voraussetzung.
Da die Klägerin die nach den Funktionsplänen beschriebenen Tätigkeiten ausübte, erfüllte sie offensichtlich die nach
diesen Funktionsplänen geforderten Bedingungen. Dies ist hinsichtlich des vorausgesetzten Abschlusses
unzweifelhaft. Bei der Ausbildung zum Ingenieurökonomen handelte es sich vornehmlich um eine
betriebswirtschaftliche Ausbildung, bei der allerdings auch technische Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wurden.
Dies wird durch die oben genannte Ingenieur-VO mittelbar bestätigt. Der Abschluss eines Ingenieurökonomen belegt
nicht ein "technisches Studium" im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchstabe c Ingenieur-VO, weswegen dieser Personenkreis
nicht unmittelbar die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führen durfte. Wegen der auch vermittelten technischen
Kenntnisse und Fähigkeiten wurde der Berufsabschluss eines Ingenieurökonomen allerdings durch § 1 Abs. 2
Ingenieur-VO dem Berufsabschluss eines "Ingenieurs" zugeordnet. Die Klägerin erfüllte damit die erforderliche
Qualifikation eines Fachschulabschlusses der Fachrichtung Ökonomie.
Genügte nach dem Funktionsplan jedoch eine Ausbildung in der Fachrichtung Ökonomie, so ist nicht entscheidend,
ob der Inhaber des entsprechenden Arbeitsplatzes zugleich auch ingenieurtechnische Aufgaben wahrnahm.
Offensichtlich konnte ein Ökonom nach dem Funktionsplan auch eine solche Aufgabenstellung bewältigen, ohne
zugleich über den Abschuss zum Ingenieurökonomen zu verfügen. War dieser Abschluss somit nach dem
Funktionsplan nicht erforderlich, so kann ein Ingenieurökonom nicht geltend machen, seiner Qualifikation
entsprechend eingesetzt gewesen zu sein. Mit dem Beweis, dass ein Beschäftigter ingenieurökonomische Aufgaben
ausführte, ist damit nicht zugleich der Beweis dafür erbracht, dass für diese Aufgaben auch der Abschluss eines
Ingenieurökonomen unabdingbar war. Im Gegenteil - weist der Funktionsplan aus, dass jeder Beschäftigte mit einem
Abschluss als Ökonom die nach dem Funktionsplan beschriebenen Aufgaben verwirklich konnte, ist der Nachweis
erbracht, dass für die ausgeübte Beschäftigung der Titel eines Ingenieurökonomen nicht maßgebend war.
Aus alledem folgt, dass dem jeweiligen Funktionsplan zur Beurteilung der Frage, ob ein Ingenieurökonom eine seiner
Ausbildung entsprechende Beschäftigung in dem Sinne ausübte, dass hierfür dieser Titel erforderlich war, die
wesentliche Bedeutung zukommt. Es reicht daher regelmäßig nicht der Nachweis aus, dass ingenieurtechnische
Aufgaben erbracht wurden, wenn nicht zugleich bewiesen ist, dass für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zugleich der
Titel eines Ingenieurökonomen nötig war.
Andererseits dürfte es demgegenüber spiegelbildlich für eine Zugehörigkeit zur AVtI genügen, dass ein
Ingenieurökonom seiner Qualifikation entsprechend eine Funktion ausübte, für die nach dem Funktionsplan der
Fachschul- oder Hochschulabschluss eines Ingenieurökonomen Voraussetzung war. Darüber hinausgehend zu
fordern, ein Ingenieurökonom müsse spezifische ingenieurtechnische Aufgaben - quasi als Ingenieur - verrichtet
haben, wozu er regelmäßig mangels entsprechender Ausbildung überhaupt nicht in der Lage gewesen sein dürfte,
erscheint sachfremd.
Der Vortrag der Klägerin, es habe auch technischer Kenntnisse über die Produktionsabläufe bedurft, um ihre
Beschäftigung ausüben zu können, mag zwar zutreffen, ist jedoch nach alledem irrelevant. Ein Abschluss als
Ingenieurökonom war nach den Funktionsplänen deswegen jedenfalls nicht nötig.
Wenn das Sozialgericht im Hinblick auf die erforderliche Qualifikation eines Fach- oder Hochschulabschlusses der
Fachrichtung Ökonomie die im Urteil aufgeführten einzelnen Aufgaben als ökonomische Aufgabenstellungen im
weitesten Sinne bewertet hat, ist dies gerade wegen der geforderten Qualifikation ohne weiteres nachvollziehbar und
einleuchtend.
Schließlich steht die Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Kunst vom 04. November 1998
der Rechtsansicht des Senates nicht entgegen. Darin wird bescheinigt, dass die Klägerin an der Ingenieurschule für
Glastechnik Weißwasser die staatliche Abschlussprüfung in der Fachrichtung sozialistische
Betriebswirtschaft/Ingenieurökonomie der Glas- und Keramikindustrie mit Erfolg abgelegt und danach eine mindestens
dreijährige einschlägige Berufstätigkeit ausgeübt hat und dass ihr deswegen die Berechtigung zuerkannt wird, den
Grad Diplom-Wirtschaftsingenieur (Fachhochschule) zu führen. Nach dieser Urkunde bleibt offen, was unter einer
"einschlägigen Berufstätigkeit" zu verstehen ist. Darauf kommt es auch nicht an. Diese Urkunde vermag jedenfalls
nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass entgegen den oben genannten Funktionsplänen für die von der Klägerin
ausgeübte Beschäftigung als Fachbearbeiterin beziehungsweise Abteilungsleiterin Betriebswirtschaft der Titel eines
Ingenieurökonomen erforderlich war.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.