Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.04.2008

LSG Berlin-Brandenburg: besondere härte, grobe fahrlässigkeit, praktische ausbildung, leistungsausschluss, rücknahme, rückforderung, besuch, verwaltungsakt, bekanntgabe, rechtswidrigkeit

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
18. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 18 AS 1272/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 5 SGB 2, § 45 SGB 10, §
48 SGB 10
Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für den
Auszubildenden bei BAföG; Förderungsfähigkeit dem Grunde
nach
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. April 2008
wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende
– (SGB II) für die Zeit vom 14. August 2006 bis 31. Oktober 2006, die Rückforderung
dieser für die Zeit vom 14. August 2006 bis 30. September 2006 erbrachten Leistungen
sowie über die Bewilligung von (höheren) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom
14. August 2006 bis 20. Dezember 2006 und für die Zeit vom 4. Januar 2007 bis 31.
März 2007.
Die 1977 geborene Klägerin war bis zum Ende des Sommersemesters 2001 an der
Universität H eingeschrieben. Ihr für den Besuch einer Berufsfachschule für Masseure
und medizinische Bademeister vorab gestellter Antrag auf Gewährung von Leistungen
nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurde mit Bescheid des
Bezirksamtes H vom 21. Juli 2004 mit der Begründung abgelehnt, für den Abbruch des
acht Semester dauernden Studiums habe kein unabweisbarer Grund vorgelegen. Die
Klägerin begann zum 1. Februar 2005 in H eine Ausbildung zur Masseurin und
medizinischen Bademeisterin, die einen mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossenen
zweijährigen Lehrgang sowie eine anschließende praktische Tätigkeit von sechs Monaten
umfasst (vgl. § 4 Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG - vom 26. Mai 1994,
BGBl I, S. 1084). Mit Bescheid der H Arbeitsgemeinschaft SGB II vom 20. Januar 2006
wurden ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März 2006
bis 31. August 2006 in Höhe von monatlich 626,71 € bewilligt. Ab 1. Mai 2006 setzte die
nach B (BMH) verzogene Klägerin an der als Ersatzschule anerkannten Akademie e.V. in
Berlin ihre Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin fort. Der
Bescheid vom 20. Januar 2006 wurde mit Bescheid vom 31. Mai 2006 mit Wirkung zum
1. Juni 2006 aufgehoben. In einem Schreiben vom 22. Juni 2006 an die
Arbeitsvermittlerin im JobCenter (JC) BMH bat sie um eine „Einzelfallentscheidung“
bezüglich des von ihr begehrten Arbeitslosengeldes II (Alg II), damit sie ihre Ausbildung
fortführen könne. Sie habe am 19. Juni 2006 ihre Ausbildung abbrechen müssen, weil
das JC BMH ihren ersten Antrag auf Leistungen abgelehnt habe. In H sei ihr die
Fortführung der Ausbildung „großzügigerweise“ gewährt worden mit der Auflage, bei
Vermittelbarkeit gegebenenfalls vorzeitig die Ausbildung abzubrechen. Die Klägerin legte
eine Kündigungsbestätigung der Ausbildungsstätte zum 20. Juni 2006 bei. Bei
persönlicher Vorsprache bei einer Arbeitsvermittlerin des JC BMH am 23. Juni 2006 gab
sie an, sie werde die Ausbildung unterbrechen, sollte sie in Arbeit vermittelt werden.
Daraufhin bescheinigte ihr die Arbeitsvermittlerin zur Vorlage in der Leistungsabteilung,
aus ihrer Sicht stehe einer Alg II-Bewilligung nichts entgegen. Unter dem 29. Juni 2006
schrieb die Klägerin, die zum 1. Juli 2006 nach B umzog, an den Beklagten mit der Bitte
um „Einzelfallentscheidung“. Sie habe am 19. Juni 2006 ihre Ausbildung abbrechen
müssen, weil das JC BMH ihren ersten Leistungsantrag unter Hinweis auf ihre Eigenschaft
als Auszubildende abgelehnt habe. Nach Einigung mit dem Arbeitsvermittler habe sie
jedoch ihre Ausbildung fortführen können und es seien ihr Leistungen bewilligt worden.
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jedoch ihre Ausbildung fortführen können und es seien ihr Leistungen bewilligt worden.
Sie brauche eine schnelle Entscheidung, da sie ansonsten erneut die Ausbildung
abbrechen müsse, um die Grundsicherung zu gewährleisten. In Kenntnis des
unterdessen erfolgten Umzugs der Klägerin bewilligte das JC BMH mit Bescheid vom 5.
Juli 2006 der Klägerin für die Zeit vom 19. Juni 2006 bis 31. Juli 2006 Alg II und gab die
Sache an den Beklagten ab. Am 28. Juli 2006 sprach die Klägerin bei der AV des
Beklagten vor. Nach dem dortigen Vermerk wurde ihr ausführlich die rechtliche Situation
(Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II) geschildert. Sie erklärte, einen Härteantrag werde
sie nicht stellen. Stattdessen werde sie die Ausbildung abbrechen, um Leistungen zu
bekommen. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 2. August 2006 den
Leistungsantrag der Klägerin abgelehnt hatte, legte die Klägerin eine
Kündigungsbestätigung der Ausbildungsstätte vom 27. Juli 2006 vor und erklärte am 4.
August 2006, dass sie mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne.
Mit dem der Klägerin zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt bekannt gegebenen
Bewilligungsbescheid vom 9. August 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die
Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Oktober 2006 Alg II in Höhe von 582,- € monatlich und
für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Januar 2007 in Höhe von monatlich 686,- €.
Mit Sanktionsbescheid vom selben Tag sanktionierte der Beklagte die Klägerin mit einer
Absenkung der Regelleistung in Höhe von 104,- € für die Monate August bis Oktober
2006 wegen des Ausbildungsabbruchs.
Mit Schreiben vom 3. September 2006 legte die Klägerin – sinngemäß - Widerspruch
gegen die Bescheide vom 9. August 2006 ein, wandte sich gegen das
Anhörungsschreiben vom 28. August 2006 und teilte mit, dass sie am 14. August 2006
ihre Ausbildung wieder aufgenommen habe. Mit Bescheid vom 15. September 2006 hob
der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 9.
August 2006 für die Zeit ab 14. August 2006 ganz auf und hörte die Klägerin mit
Schreiben vom selben Tag zur beabsichtigten Rückforderung erbrachter Leistungen in
Höhe von 911,80 € an. Mit Schreiben vom 24. September 2006 legte die Klägerin
Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. September 2006 ein und wandte sich gegen
die Rückforderung von 911,80 €.
Mit Bescheid vom 6. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom
3. November 2006 auf Bewilligung von Alg II ab. Hiergegen legte die Klägerin mit
Schreiben vom 26. November 2006 Widerspruch ein. Das auf den Erlass einer
einstweiligen Anordnung gerichtete Verfahren S 63 AS 10913/06 ER, mit dem die
Verpflichtung zur vorläufigen Bewilligung von Alg II ab 14. August 2006 begehrt worden
war, blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG Berlin vom 18. Dezember 2006). Mit Schreiben
vom 18. Dezember 2006 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Bewilligung von Alg
II unter Hinweis darauf, sie habe die Ausbildung wegen Verschlechterung ihrer
finanziellen und psychischen Situation abgebrochen. Sie legte eine Bestätigung ihrer
Kündigung zum 20. Dezember 2006 vor.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2007 hob der Beklagte die Bewilligung von Alg II für die Zeit
vom 14. August 2006 bis 30. September 2006 ganz auf und forderte die Klägerin zur
Erstattung der in diesem Zeitraum gezahlten Leistungen in Höhe von 911,80 € auf. Am
22. Januar 2007 zahlte die Klägerin den geforderten Betrag.
Bereits mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2007 hatte der Beklagte den
Widerspruch gegen „den“ Bescheid vom 9. August 2006 unter Bezugnahme auf den
Widerspruch vom 24. September 2006 als unzulässig zurückgewiesen. Mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2007 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid
vom 6. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Nachdem die Klägerin am 18. Januar 2007 mitgeteilt hatte, dass sie ihre Ausbildung am
4. Januar 2007 wieder aufgenommen habe, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit
Bescheid vom 21. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die
Zeit vom 21. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von 152,53 € und vom 1.
Januar 2007 bis 3. Januar 2007 in Höhe von 41,60 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der
Klägerin gegen den Bescheid vom 5. Januar 2007 zurück und bezifferte in den Gründen
dieses Bescheides den Rückforderungsbetrag auf 944,80 €. Ende März 2007 schloss die
Klägerin ihre schulische Ausbildung erfolgreich ab Mit Schreiben der Ausbildungsstätte
vom 31. März 2007 wurde ihr bescheinigt, das sie in der Zeit vom 1. Februar 2005 bis
31. März 2007 regelmäßig an der Ausbildung teilgenommen und diese nicht über die
zulässigen Fehlzeiten hinaus unterbrochen habe. Dem gegen die Anrechnung von
Einkommen im Bescheid vom 21. Februar 2007 erhobenen Widerspruch der Klägerin
wurde in vollem Umfang abgeholfen (Bescheid vom 2. April 2007). Der
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wurde in vollem Umfang abgeholfen (Bescheid vom 2. April 2007). Der
Sanktionsbescheid vom 9. August 2006 wurde mit Bescheid vom 2. Juli 2007 aufgehoben
und die Klägerin erhielt für die Zeit vom 1. bis 13. August 2006 eine Nachzahlung von
45,07 €.
Mit den vom Sozialgericht (SG) Berlin verbundenen Klagen hat sich die Klägerin gegen
die Widerspruchsbescheide vom 15. Januar 2007 und 16. Januar 2007 (S 75 AS 3315/07)
sowie vom 29. März 2007 (S 125 AS 9747/07) gewandt und Leistungen für die Zeit vom
14. August 2006 bis 20. Dezember 2006 sowie vom 4. Januar 2007 bis 31. März 2007
begehrt. Soweit zusätzlich Schadensersatz begehrt worden war, hat sie die Klage mit
Schreiben vom 27. Dezember 2007 zurückgenommen. Das SG Berlin hat die „Klagen“
mit Urteil vom 1. April 2008 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei
unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sie
sei von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II erfasst. Es bestehe auch kein
Anspruch auf darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II,
da kein Härtefall vorliege. Der Bewilligungsbescheid vom 9. August 2006 sei nach § 48
Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - (SGB X) iVm § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3
Sozialgesetzbuch –Arbeitsförderung – (SGB III) ab 14. August 2006 aufzuheben
gewesen, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt ihre Ausbildung wieder aufgenommen
habe und hätte wissen müssen, dass sie damit vom Leistungsbezug ausgeschlossen
sei. Der Bescheid vom 5. Januar 2007 sei ebenfalls rechtmäßig. Soweit der Beklagte
damit den Bescheid vom 9. August 2006 für die Zeit vom 14. August 2006 bis 30.
September 2006 aufgehoben habe, handele es sich um eine wiederholende Verfügung.
Gegen die Rückforderung eines Betrages in Höhe von 911,80 € bestünden keine
Bedenken. Für die Zeit vom 14. August 2006 bis 31. August 2006 errechne sich ein
Rückforderungsbetrag in Höhe von 329,80 € (17/30 von 582,- €) und für den Monat
September 2006 ein Betrag in Höhe von 582,- €.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor: Im streitigen
Zeitraum sei sie nicht erwerbsfähig gewesen, was durch ein im Auftrag der Beklagten
erstattetes amtsärztliches Gutachten (Untersuchung am 14. Dezember 2006) belegt
sei. Ihre Umschulung sei aus gesundheitlichen Gründen unverzichtbar gewesen. Die
Umschulung sei auch erfolgreich gewesen, denn sie sei in einem festen
Arbeitsverhältnis. Zwei Ämter hätten ihr die Weiterbildung zugestanden. Ein
Leistungsausschluss nach dem § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bestehe nicht, weil diese
Vorschrift nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II keine Anwendung finde, wenn – wie hier - auf
Grund von § 2 Abs. 1a Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) kein Anspruch auf
Ausbildungsförderung bestehe. Sie habe keine Berufsfachschule nach § 1 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BAföG, sondern lediglich eine Berufsfachschule nach Nr. 1 dieser Vorschrift
besucht, denn einen berufsqualifizierenden Abschluss habe sie erst nach absolviertem
Anerkennungspraktikum und Erhalt der Berufsurkunde erhalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. April 2008 aufzuheben und den
Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.
Januar 2007 sowie den Bescheid vom 5. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 aufzuheben und den Beklagten unter
Änderung des Bewilligungsbescheides vom 9. August 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 14.
August 2006 bis 31. Oktober 2006 den im Bescheid vom 9. August 2006 ausgewiesenen
Absenkungsbetrag nachzuzahlen sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides
vom 6. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007
zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. November 2006 bis 20. Dezember 2006 und für die
Zeit vom 4. Januar 2007 bis 31. März 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch –
Grundsicherung für Arbeitsuchende - zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Die Klägerin habe ihre
Ausbildung nicht in einer Ausbildungsstätte iSd § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG absolviert.
Es handele sich vielmehr um eine Ausbildungsstätte, an der bereits ein
berufsqualifizierender Abschluss vermittelt werde und die mithin nach § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BAföG förderfähig sei, sodass § 2 Abs. 1 Nr. 1a BAföG nicht zur Anwendung
komme. Bei der Angabe von 944,80 € im Widerspruchsbescheid vom 29. März 2007
handele es sich um einen Schreibfehler. Von der Klägerin werde lediglich ein Betrag in
Höhe von 911,80 € zurückgefordert.
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende
Schriftsätze Bezug genommen.
Die Leistungsakten des Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet
Gegenstand des mit der statthaften Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz – SGG -) verfolgten Aufhebungsbegehrens der Klägerin sind der
Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des den Widerspruch der Klägerin
sinngemäß zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007, mit dem die
Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 14. August 2006
aufgehoben worden ist, sowie der Bescheid vom 5. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007, mit dem - neben einer die Beschwer der
Klägerin nicht vermehrenden teilweisen Wiederholung der Aufhebungsentscheidung vom
15. September 2006 – die Erstattung der für die Zeit vom 14. August 2006 bis
30.September 2006 erbrachten Leistungen gefordert worden ist. Gegenstand des mit
der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG)
verfolgten Begehrens auf (höhere) Leistungen nach dem SGB II sind der abgesenkte
Leistungen ausweisende Bewilligungsbescheid vom 9. August 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 sowie der Bescheid vom 6. November
2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007, mit denen der
Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ganz abgelehnt hat.
Die Klage ist unbegründet, soweit sich die Klägerin gegen die Aufhebung der Bewilligung
von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 14. August 2006 sowie die
Rückforderung erbrachter Leistungen wendet.
Der Beklagte hat den Bewilligungsbescheid vom 9. August 2006 zu Recht ab 14. August
2006 mit dem angegriffenen Bescheid vom 15. September 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 aufgehoben. Hierbei kann dahingestellt
bleiben, ob der Beklagte die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung zutreffend
auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt hat, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung
dann mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, wenn in den tatsächlichen oder
rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes - hier der Bewilligung
vom 9. August 2006 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Es
kommt insbesondere hier nicht darauf an, ob § 48 Abs. 1 SGB X auch auf von Anfang an
rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar ist (vgl. für eine derartige „erst
Recht“-Anwendung BSGE 95, 57) oder für solche Verwaltungsakte nur eine Rücknahme
nach § 45 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt (vgl. BSGE 65, 301). Denn jedenfalls wären,
falls die Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 9.
August 2006 (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X) sich noch bzw. wieder in einem
Ausbildungsverhältnis zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin befunden hätte,
vorliegend die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs.1 Nr.
1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III gegeben. Danach ist ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die
Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen. Sollte sich die Klägerin
hingegen im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 9. August
2006 nicht in der Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin befunden
haben, so wäre in jeden Fall mit der von ihr zum 14. August 2006 angezeigten
Wiederaufnahme der Ausbildung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne
des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Im Rahmen eines Rechtsstreits ist die
Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu
prüfen. Dies umfasst auch die Anwendung einer anderen Rechtsnorm, etwa die des § 45
SGB X statt des § 48 SGB X und umgekehrt (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. BSGE 87, 8ff.;
vgl. ferner: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. April 2009 –L 20 AS 302/09 B ER
-, juris; Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, 2008, § 40 Rn. 114 mwN). In beiden
Fällen handelt es sich - jedenfalls bei fehlendem Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz
3 SGB X – um gebundene Entscheidungen, d.h. die Behörde ist zur Rücknahme bzw.
Aufhebung des Bewilligungsbescheides verpflichtet (vgl. § 330 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1
SGB III). Der Bewilligungsbescheid vom 9. August 2006 war entweder von Anfang
rechtswidrig, weil die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses
Bescheides aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II keinen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form eines
Zuschusses hatte, oder es ist in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei
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Zuschusses hatte, oder es ist in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei
dem Erlass dieses Dauerverwaltungsaktes vorgelegen haben, jedenfalls zum 14. August
2006 die den angeführten Anspruch ausschließende wesentliche Änderung – nämlich die
(Wieder-)Aufnahme der Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin –
eingetreten.
Der Klägerin standen für den streitigen Aufhebungszeitraum vom 14. August 2006 bis
20. Dezember 2006 und vom 4. Januar 2007 bis 31. Januar 2007 keine Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts in der in dem aufgehobenen Bewilligungsbescheid vom
9. August 2006 bewilligten Form als Zuschuss zu. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben
Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III
dem Grunde nach förderfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes. Die Ausschlussregelung ist auf die Erwägung zurückzuführen, dass
bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder nach §§ 60 bis 62 SGB III die
Kosten des Lebensunterhalts umfasst. Im Grundsatz dient die Grundsicherung nicht
dazu, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem
Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die
Ausschlussregelung soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine
Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 1. Juli
2009 - B 4 AS 67/08 R -, juris).
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II greift bei der Klägerin, weil sie
eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im streitigen
Zeitraum absolvierte. Die von der Klägerin am 1. Februar 2005 begonnene und im
streitigen Aufhebungszeitraum betriebene Ausbildung als Masseurin und medizinische
Bademeisterin ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG förderbar. Hiernach wird
Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von Berufsfachschulklassen und
Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht
voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen
berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Diese Voraussetzungen sind bezüglich der
von der Klägerin absolvierten Ausbildung erfüllt. Nach dem vom Studentenwerk Berlin
geführten Ausbildungsstättenverzeichnis des Landes Berlin handelt es sich bei dem von
der Akademie e.V. angebotenen Lehrgang zur Masseurin und medizinischen
Bademeisterin um eine an einer Berufsfachschule durchgeführte und - wie von § 4 Abs. 2
Satz 2 MPhG gefordert - zwei Jahre dauernde Ausbildung. Der Besuch dieses Lehrgangs
setzt keine abgeschlossene Berufsausbildung voraus (vgl. § 5 MPhG). Entgegen der
Auffassung der Klägerin vermittelt dieser Bildungsgang auch einen
berufsqualifizierenden Abschluss. Insofern trifft es zwar zu, dass ein
berufsqualifizierender Abschluss erst nach Absolvierung des an den Besuch der Schule
anschließenden Berufspraktikums erlangt wird, weil erst dadurch (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4
MPhG) der Zugang zum Beruf der Masseurin und medizinischen Bademeisterin
ermöglicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 1988 – 5 C 15/85 -, juris;
Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4.Auflage 2005, § 7 Rn. 13). § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG
verlangt jedoch bereits nach seinem Wortlaut nicht, dass ein berufsqualifizierender
Abschluss bereits mit Beendigung der zweijährigen schulischen Ausbildung erlangt wird.
Vorausgesetzt wird nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift lediglich – wie bereits die
Verwendung des Begriffs „vermittelt“ verdeutlicht -, dass der zumindest zweijährige
Bildungsgang auf einen berufsqualifizierenden Abschluss hinführt und damit eine
Voraussetzung für die Erlangung dieses Abschlusses schafft. Dementsprechend ist der
Klägerin ungeachtet des Umstandes, dass sie nach dem mit einer Abschlussprüfung
abgeschlossenen schulischen Ausbildungsabschnitt noch eine sechsmonatige praktische
Ausbildung abzuleisten hatte, an der von ihr besuchten Berufsfachschule ein
berufsqualifizierender Abschluss vermittelt worden (ebenso zu der ebenfalls in Form
einer schulischen Ausbildung mit anschließendem halbjährlichen Praktikum
durchzuführenden Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin: LSG Essen,
Beschluss vom 10. August 2009 - L 19 AS 60/08 -, juris).
Einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, die wiederum eine
Rückausnahme zu dem in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II geregelten Leistungsausschluss
darstellen, ist in der Person der Klägerin nicht erfüllt. Insbesondere liegt kein Fall des § 7
Abs. 6 Nr. 1 Alt. 1 SGB II vor. Danach findet der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5
Satz 1 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG
keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Diese Rückausnahme vom
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II erfasst lediglich Auszubildende, deren
Ausbildungsstätte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG nicht zu den für eine Förderung nach
dem BAföG in Betracht kommenden Bildungseinrichtungen gehört, weil der
Auszubildende die erforderlichen (zusätzlichen) Voraussetzungen nach Abs. 1a dieser
Vorschrift nicht erfüllt. Sie erfasst hingegen von vorneherein nicht Auszubildende, die –
wie die Klägerin – eine Bildungseinrichtung besuchen, an der eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2
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wie die Klägerin – eine Bildungseinrichtung besuchen, an der eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2
bis 6 BAföG förderungsfähige Ausbildung angeboten wird (vgl. Spellbrink, in
Eicher/Spellbrink, aaO, § 7 Rn. 96), und die damit gerade nicht – wie von § 7 Abs. 6 Nr. 1.
Alt. 1 SGB II vorausgesetzt – generell von der Ausbildungsförderung nach dem BAföG
ausgeschlossen sind.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X bzw. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X iVm § 40
Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein rechtswidriger bzw.
rechtwidrig gewordener begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen, sofern der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes kannte bzw. wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt
ergebende Anspruch weggefallen war, oder grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit bzw. das
Wegfallen des Anspruchs nicht erkannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der
Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45
Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzuwenden.
Danach handelt grob fahrlässig, wer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils-
und Kritikfähigkeit, seines Einsichtsvermögens und der besonderen Umstände des Falles
schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht
beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr. vgl. z.B. BSG,
Urteile vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 und vom 11.
Juni 1987 - 7 Rar 105/85 = BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2; jeweils mwN). Es
kann dahinstehen, ob die Klägerin wusste, dass sie für die streitbefangenen
Aufhebungszeiten keinen Anspruch auf Zuschussleistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Für eine derartige Kenntnis spricht u.a., dass
die Klägerin am 28. Juli 2006 persönlich bei dem Beklagten vorgesprochen hatte und sie,
nachdem ihr unter ausführlicher Schilderung der rechtlichen Situation mitgeteilt worden
war, dass sie im Hinblick auf die von ihr betriebene förderungsfähige Ausbildung von
Leistungen nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sei, erklärt hatte, sie werde nun die
Ausbildung abbrechen, um Leistungen nach dem SGB II bekommen zu können. Der
Senat kann offen lassen, ob die Klägerin die anfängliche bzw. nachträgliche
Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides erkannt hatte, denn sie hat jedenfalls
insoweit die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Nicht nur auf
Grund der Belehrung durch den Beklagte am 28. Juli 2006, sondern auch unter
Berücksichtigung der „Vorgeschichte“ hätte es sich der Klägerin, die sich z.B. schon im
Juni 2006 nach eigenem Bekunden gezwungen gesehen hatte, die Ausbildung zwecks
Erlangung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II abzubrechen,
geradezu aufdrängen müssen, dass sie die mit Bescheid vom 9. August 2006 bewilligten
Leistungen während ihrer Berufsausbildung nicht beanspruchen konnte. Der Senat
konnte sich aufgrund des sachkundigen und differenzierten Auftretens der Klägerin in
der mündlichen Verhandlung auch davon überzeugen, dass die Klägerin nach ihrer
intellektuellen Leistungsfähigkeit ohne weiteres in der Lage war, die geforderten
Überlegungen zum Bestehen bzw. zum Wegfall ihres Anspruchs auf die bewilligten
Leistungen anzustellen.
Der Beklagte war daher gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 bzw. § 48 Abs. 1 Satz 2
Nr. 4 SGB X iVm § 330 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 SGB III zur Rücknahme bzw. Aufhebung
der Bewilligung vom 9. August 2006 ab 14. August 2006 berechtigt und ohne
Ermessensspielraum verpflichtet. Die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB
X (iVm § 48 Abs. 4 SGB X) sind gewahrt. Formelle Fehler sind nicht ersichtlich.
Insbesondere entspricht die Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligungsentscheidung
vom 9. August 2006 auch dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X. Eine
Konkretisierung des „Aufhebungsbetrages“ für die einzelnen Monate ist hier – anders in
den Fällen einer Teilaufhebung (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL58/03 R -, juris)
-, nicht erforderlich.
Der Beklagte hat auch zu Recht mit dem Bescheid vom 5. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 die auf Grund der Rücknahme bzw. der
Aufhebung zu Unrecht erbrachten Leistungen zurückgefordert. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz
1 SGB X hat die Klägerin die für die Zeit vom 14. August 2006 bis 30. September 2006
erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erstatten. Die von der
Beklagten nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X festgesetzte Erstattungsforderung von 911,80
€ ist der Höhe nach unstreitig und rechnerisch nicht zu beanstanden.
Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Klägerin mit dem Berufungsantrag Ansprüche
auf die Gewährung weiterer bzw. höherer Leistungen nach dem SGB II geltend macht.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Nachzahlung des im inzwischen
aufgehobenen Sanktionsbescheid vom 9. August 2006 ausgewiesenen
Absenkungsbetrages von monatlich 104,- € für die Zeit vom 14. August 2006 bis 30.
September 2006 noch auf die Gewährung von Alg II und Leistungen für Unterkunft und
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September 2006 noch auf die Gewährung von Alg II und Leistungen für Unterkunft und
Heizung für die Zeit vom 1. November 2006 bis 20. Dezember 2006 und für die Zeit
vom 4. Januar 2007 bis 31. März 2007 als Zuschuss nach §§ 19, 21 SGB II. Denn sie ist,
wie bereits ausgeführt, gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von derartigen Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen. Es kann deshalb dahingestellt
bleiben, ob die Klägerin entgegen ihrer eigenen Einschätzung vom 4. August 2006
mangels Erwerbsfähigkeit auch nicht die Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 SGB II erfüllte.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten
für Unterkunft und Heizung nach dem mit Art. 1 Nr. 16 lit. b des Gesetzes zur
Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitslose vom 28. Juni 2006 (BGBl I S. 1709)
zum 1. Januar 2007 in § 22 SGB II eingefügten Absatz 7. Denn nach dieser Vorschrift
können nur solche Auszubildende anspruchsberechtigt sein, die
Berufausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem
BAföG erhalten. Zu diesem Personenkreis zählte die Klägerin im insoweit maßgeblichen
Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2007 jedoch nicht.
Der Klägerin können für die Zeit vom 14. August 2006 bis 20. Dezember 2006 und vom
4. Januar 2007 bis 31. März 2007 schließlich auch nicht Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II als Darlehen gewährt werden, denn es
liegt kein besonderer Härtefall im Sinne dieser Vorschrift vor. Aus dem Wortlaut von § 7
Abs. 5 SGB II lässt sich ein Regel- Ausnahmeverhältnis entnehmen. Nach § 7 Abs. 5 Satz
1 SGB II werden bei Vorliegen einer dem Grunde nach nach dem BAföG oder nach §§ 60
bis 62 SGB III förderungsfähigen Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts gewährt. Nur ausnahmsweise können im Einzelfall gleichwohl
Leistungen bewilligt werden, wenn trotz des generellen Leistungsausschlusses im
Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die Gewährung derartiger
Leistungen geboten erscheint. Eine besondere Härte liegt daher nur dann vor, wenn die
Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der
Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden und vom
Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 7 Nr. 6; BVerwGE
94, 224). In Betracht kommt hier allenfalls die Annahme eines besonderen Härtefalls im
Hinblick darauf, dass wegen einer Ausbildungssituation ein nicht zu deckender
Hilfebedarf entstanden wäre und deswegen begründeter Anlass für die Annahme
bestünde, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit
drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender
Hilfebedürftigkeit. Im Hinblick auf den dem SGB II zu entnehmenden Grundsatz des
„Forderns“ muss allerdings für die Annahme eines „besonderen Härtefalls“ eine durch
objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar beispielsweise durch die
Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind, die
Ausbildung werde mit SGB II-Leistungen in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zu
Ende gebracht (vgl. BSG, aaO). Eine derartige Aussicht bestand im Fall der Klägerin zum
maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2007
schon deshalb nicht, weil angesichts mehrerer Ausbildungsabbrüche bzw. -
unterbrechungen im Laufe des Jahre 2006 und insbesondere wegen der von der Klägerin
mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 mitgeteilten schlechten psychischen
Verfassung, die nach Angaben der Klägerin im Schreiben vom 23. Juli 2009 zum Abbruch
der Ausbildung am 21. Dezember 2006 wegen eines depressiven Syndroms bei
Persönlichkeitsstörung geführt hatte, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit
zu rechnen war, dass die Klägerin mit SGB II-Leistungen ihre Ausbildung in absehbarer
Zeit erfolgreich abschließen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht
vor.
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