Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.07.2007

LSG Berlin-Brandenburg: ordentliche kündigung, freistellung von der arbeit, kraftwerk, beendigung, ausnahme, rechtfertigung, unternehmen, beitragssatz, kreis, kündigungsfrist

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
16. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 16 AL 432/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 147a Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 3, § 1
Abs 2 KSchG, § 1 Abs 3 KSchG
Arbeitsförderungsrecht - Erstattungspflicht des Arbeitgebers
bei betriebsbedingter Kündigung eines tarifvertraglich
(ordentlich) unkündbaren Arbeitnehmers - Sozialauswahl
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 4. Juli 2007
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 7.399,14 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den von der Beklagten nach § 147 a Abs. Satz 1 und
Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) geltend gemachten
Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.399,14 €.
Die Klägerin ist eines der führenden europäischen Energieunternehmen; sie beschäftigte
noch im Jahr 2006 allein in dem zu ihrem Unternehmen gehörenden Kraftwerk J mehr als
ca. 1.000 Arbeitnehmer. In diesem Kraftwerk war die 1949 geborene Arbeitnehmerin T
(im Folgenden: T.) vom 15. November 1972 bis 30. Juni 2005 versicherungspflichtig
beschäftigt, und zwar zuletzt ab 1. Januar 1996 als „Fortbildungsbeauftragte“
(Arbeitsvertrag vom 6./12. Dezember 1995). Die Klägerin hatte das mit T. bestehende
Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 28. November 2003, das der T. am 1.
Dezember 2003 persönlich ausgehändigt worden war, zunächst zum 31. Dezember
2004 gekündigt, da „aufgrund des immer noch notwendigen
Personalanpassungsprozesses eine Weiterbeschäftigung … nicht möglich“ gewesen sei.
Am 5. August 2004 schlossen die Klägerin und T. eine schriftliche Vereinbarung, auf
deren Inhalt Bezug genommen wird; das Arbeitsverhältnis endete danach zum 30. Juni
2005. Die Klägerin zahlte der T. eine Abfindung nach Maßgabe der
Konzernbetriebsvereinbarung zum betrieblichen Vorruhestand vom 29. November 2001
(KBV), auf deren Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird, in Höhe von 20.882,90 €.
Nach dem Tarifvertrag zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer
Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns VE vom 24.
Juni 2002 (TV) waren betriebsbedingte Kündigungen mit einem Beendigungsdatum vor
dem 31. Dezember 2007 ausgeschlossen (§ 3 Nr. 1. TV); gleichzeitig war in § 3 Nr. 4. TV
vereinbart, dass die im Rahmen der Strukturierung des Energiekonzerns VE bzw. der
Umstrukturierung in den Unternehmen notwendige Personalanpassungsmaßnahmen
unter Nutzung bewährter sozialverträglicher Instrumente bewältigt würden. Näheres
sollte in gesonderten Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen geregelt werden und
im Rahmen der Anwendung der sozialverträglichen Instrumente i.S. von Satz 1 konnten
abweichend von § 3 Nr. 1. TV betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Auf
die Protokollnotiz zu diesem TV, die ebenfalls vom 24. Juni 2002 datiert, wird Bezug
genommen. Aufgrund des Rahmeninteressensausgleichs zwischen der Klägerin und
ihrem Gesamtbetriebsrat sowie dem Betriebsrat des VEAG Kraftwerks S GmbH vom 24.
April 2003 (RI), auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, waren betriebsbedingte
Kündigungen mit einem Beendigungsdatum vor dem 31. Dezember 2007 nach Maßgabe
von § 3 TV ausgeschlossen (§ 4 RI). Nach den im § 6 RI angeführten
Gestaltungsinstrumenten waren unter dem Buchstaben (c) zum Zwecke des „sozial
flankierten Ausscheidens“ u. a. der „Vorruhestand für alle Jahrgänge bis einschließlich
1951“ und Aufhebungsverträge mit Abfindungen ausgewiesen.
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Am 29. März 2005 meldete sich T. bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2005
arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg) u. a. vom 1. April 2006 bis zum 30. August
2007 (Bewilligungsbescheid vom 9. Oktober 2006). Nach Anhörung der Klägerin machte
die Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 einen Erstattungsanspruch gegenüber
der Klägerin nach § 147 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB III für die T. gewährten
Leistungen in Höhe von insgesamt 7.399,14 € geltend, und zwar forderte sie die
Erstattung des in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2006 gezahlten Alg in
Höhe von 4.056,30 € (tägliches Arbeitsentgelt = 138,22 €, täglicher Leistungssatz =
45,07 €, 90 Leistungstage) sowie der in dieser Zeit gezahlten
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 1.256,85 € (tägliches
Krankenversicherungsentgelt = 95,00 €, Beitragssatz = 14,7 %), von
Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 145,35 € (tägliches
Pflegeversicherungsentgelt = 95,00 €, Beitragssatz = 1,7 %) und von
Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.940,64 € (tägliches
Rentenversicherungsentgelt = 110,5760 €, Beitragssatz = 19,5 %). Der Widerspruch der
Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) C hat mit Urteil vom 4. Juli 2007 den Bescheid der Beklagten vom
9. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006
aufgehoben und den Streitwert auf 7.399,14 € festgesetzt. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin sei nicht zur Erstattung der Leistungen
verpflichtet. Die Voraussetzungen des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr.. 4 SGB III lägen vor.
Danach trete die Erstattungspflicht nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch sozial
gerechtfertigte Kündigung beendet werde. Allen kündbaren Arbeitnehmern sei gekündigt
worden. Zum Kreis der kündbaren Arbeitnehmer habe die Arbeitnehmerin T. gehört. Weil
alle kündbaren Arbeitnehmer entlassen worden seien, sei eine Sozialauswahl nicht
erforderlich gewesen. Die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis gekündigt werden könne oder
„unkündbar“ sei, sei eine arbeitsrechtliche Frage. Auf das Arbeitsverhältnis sei das
Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar. Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin
T. habe in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs
Monate bestanden (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Klägerin beschäftige in dem Betrieb, in dem
die Arbeitnehmerin T. gearbeitet habe, in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer (§ 23
Abs. 1 Satz 3 KSchG). Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei durch dringende
betriebliche Erfordernisse bedingt gewesen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Sie sei die Folge
eines Wegfalls des Arbeitsplatzes. Dass der Arbeitsplatz weggefallen sei, stehe fest. Die
Kündigung sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb sozial
ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, weil die Klägerin soziale Gesichtspunkte
nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt habe (§ 1 Abs. 3 KSchG). Die Klägerin habe
eine Sozialauswahl nicht treffen müssen. Sie habe allen kündbaren Arbeitnehmern
gekündigt. In diesen Fällen sei eine Sozialauswahl nicht möglich. Tarifvertraglich
ordentlich unkündbare Arbeitnehmer seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen
(unter Bezug auf ErfK/Ascheid, 7. Aufl., KSchG § 1 Rn 471 mwN). Nach dem TV seien
betriebsbedingte ordentliche Kündigungen für den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer
ausgeschlossen gewesen. Diese Arbeitnehmer seien deshalb in die Sozialauswahl nicht
einzubeziehen gewesen. Die Arbeitnehmerin T. habe nicht zu diesem Kreis gehört. Ihr
Arbeitsvertrag sei nach § 3 Nr. 4. TV kündbar gewesen. Für sie seien sozialverträgliche
Instrumente der Personalanpassung, nämlich der Vorruhestand (unter Bezug auf die
Protokollnotiz zum TV), in Betracht gekommen. Der TV vom 24. Juni 2002 sei wirksam.
Tarifliche Bestimmungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen seien nach § 1
Tarifvertragsgesetz (TVG) zulässig. Sie seien Rechtsnormen eines Tarifvertrags. Sie
gälten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter
den Geltungsbereich des Tarifvertrags fielen (§ 4 Abs. 1 TVG). Die tarifvertragliche
Bestimmung, nach der ein Teil der Arbeitnehmer unkündbar sei, sei auch inhaltlich
zulässig und damit wirksam. Tarifvertragliche Regelungen, die die
Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers einschränkten, regelten ausschließlich die
Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und diesen Arbeitnehmern. Sie seien
Schutzvorschriften zugunsten dieser Arbeitnehmer. Diese begünstigenden Tarifnormen
hätten allerdings eine mittelbare Wirkung für die übrigen Arbeitnehmer des Betriebs. Die
Regelungen über die Unkündbarkeit schränkten den für die Sozialauswahl maßgebenden
Personenkreis ein. Sie berührten aber im Grundsatz nicht die Rechtsstellung der übrigen
Arbeitnehmer. Tarifvertraglicher Kündigungsausschluss und Sozialauswahl beträfen
verschiedene Regelungsgegenstände. Das gelte unstreitig auch für den Ausschluss der
Kündbarkeit von Betriebsratsmitgliedern nach § 15 KSchG. Die Unkündbarkeit dieser
Arbeitnehmer schränke die Sozialauswahl ein (unter Bezugnahme auf BAG, Urteil vom
21. April 2005 - 2 AZR 241/04). Überdies sei der Kreis der in die Sozialauswahl
einzubeziehenden Arbeitnehmer von vornherein nicht gesetzlich beschrieben. Der
Arbeitgeber habe es - unabhängig von tariflichen Regelungen - nach § 1 Abs. 3 Satz 2
KSchG in der Hand, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern aus der
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KSchG in der Hand, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern aus der
Sozialauswahl herauszunehmen. Die Einschränkungen der Sozialauswahl durch
Bestimmungen zur tariflichen Unkündbarkeit würden deshalb auch von der
herrschenden Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur anerkannt (unter Bezug auf
ErfK/Ascheid, a.a.O., § 1 Rn 471 mwN; APS/Kiel, Kündigungsrecht, 2. Aufl. § 1 Rn 793;
Däubler/Hensche, TVG, 2. Aufl. § 1 Rn 716 mwN; AG Cottbus, Urteil vom 17. Mai 2000 - 6
Ca 38/00 = AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Sozialauswahl). Ein zur Kündigung
entschlossener Arbeitgeber könne nur zwischen den Arbeitnehmern auswählen, denen
gegenüber von Rechts wegen eine ordentliche Kündigung möglich sei. Zwischen
kündbaren und unkündbaren Arbeitnehmern fehle es an der von § 1 Abs. 3 Satz 1 1.
Halbsatz KSchG geforderten Vergleichbarkeit. Die tariflichen Bestimmungen zur
Unkündbarkeit seien auch nicht deshalb unwirksam, weil sie zwingendes
Kündigungsschutzrecht umgingen. Eine Schranke für tarifvertragliche Regelungen, die
wegen ihrer Bestimmungen zur Unkündbarkeit von Arbeitnehmergruppen mittelbar die
Sozialauswahl einschränkten, bestehe nur dann, wenn die grundsätzlichen Wertungen
des KSchG nicht beachtet würden und die Auswahl der gekündigten Arbeitnehmer
deshalb willkürlich sei. Das sei nicht der Fall. Zum einen sei eine willkürliche
Differenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen bei tarifvertraglichen Regelungen nur
schwer vorstellbar. Tarifverträge seien das Ergebnis von Verhandlungen gleich mächtiger
Organisationen, dem Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften. Sie genössen eine
besondere Richtigkeitsgewähr (unter Bezug auf Däubler/Reim, TVG, a.a.O., § 1 Rn 133 f).
Die Regelungen des Tarifvertrags seien deshalb weitgehend einer gerichtlichen
Inhaltskontrolle in Bezug auf inhaltliche Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit entzogen.
Eine weitergehende Kontrolle biete auch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Die
Tarifautonomie und damit die tarifvertragliche Gestaltungsmöglichkeit der
Arbeitsverhältnisse würden geschützt. Die Grenze der Regelungsbefugnis der
Tarifvertragsparteien werde erst dann überschritten, wenn der Tarifvertrag sachgrundlos,
also willkürlich, zwischen einzelnen Arbeitnehmergruppen unterschiede. An den
allgemeinen Gleichheitssatz seien auch die Tarifvertragsparteien gebunden. Zum
anderen seien die Regelungen des TV vom 22. Juni 2002 sinnvoll und sozial ausgewogen.
Es werde unterschieden zwischen den Arbeitnehmern, die bei Verlust des Arbeitsplatzes
durch Anwendung sozialer Instrumente wie Vorruhestand gesichert seien, und den
Arbeitnehmern, bei denen keine soziale Absicherung den Verlust des Arbeitsplatzes
angemessen ausgleichen könne. Das seien angemessene Differenzierungen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt zur Begründung vor: Nach §
147 a SGB III solle der Arbeitgeber an den Folgekosten beteiligt werden, wenn er einen
langjährig bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres
entlasse und für das vorzeitige Ausscheiden die Verantwortung trage. Die tarifliche
Vereinbarung stoße auf Bedenken, da z. B. der kündbare Personenkreis nicht festgelegt
worden sei. Die sozialverträglichen Anpassungsinstrumente und somit die kündbaren
Arbeitnehmer könnten je nach Bedarf ausgewählt werden. Alle Arbeitnehmer, die die
Vorruhestandsregelung in Anspruch nähmen, würden dadurch zu kündbaren
Arbeitnehmern und allen kündbaren Arbeitnehmern werde gekündigt, so dass es keine
vergleichbare Gruppe mehr gebe. Die Klägerin könne also gar keine Sozialauswahl
vornehmen und sei somit - nach ihrem Verständnis - von der Erstattungspflicht zu
befreien. Mit der tarifvertraglichen Regelung, auf die sich die Klägerin berufe, werde die
Möglichkeit geschaffen, allen älteren Arbeitnehmern zu kündigen. Tarifvertragliche
Regelungen, die die Kündigung aller älteren Arbeitnehmer ermöglichten, weil alle übrigen
von der Sozialauswahl ausgenommen würden, verstießen aus ihrer Sicht gegen die
individualrechtliche Konzeption des Kündigungsschutzes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 04. Juli 2007 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie reicht Auszüge aus den Stellenplänen der Jahre 2002 und 2003 und den letzten
Arbeitsvertrag der T. vom 6./12. Dezember 1995 ein; auf diese Unterlagen wird Bezug
genommen. Zur Begründung trägt sie vor: Die Beklagte stütze ihre Rechtsauffassung
insbesondere darauf, dass die Herausnahme von Arbeitnehmern, die tariflichen
Kündigungsschutz genössen, aus der sozialen Auswahl nicht mit den Wertungen des § 1
Abs. 3 KSchG zu vereinbaren sei. Sie verkenne dabei, dass der TV unmittelbaren,
absoluten Kündigungsschutz biete, während das KSchG nur indirekten Schutz gewähre,
indem es ein Auswahlverfahren zur Verfügung stelle. Die Beklagte lege zudem § 1 Abs. 3
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indem es ein Auswahlverfahren zur Verfügung stelle. Die Beklagte lege zudem § 1 Abs. 3
KSchG im Lichte des Zwecks des § 147 a SGB III aus. Der Gesetzgeber habe aber
gerade dann eine Ausnahme von § 147 a SGB III zulassen wollen, wenn die Kündigungen
arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Zur sozialen Rechtfertigung der
betriebsbedingten Kündigung werde ergänzend Folgendes ausgeführt: Eine Kündigung
sei sozial gerechtfertigt, wenn eine Unternehmerentscheidung vorliege, mit der einem
veränderten Arbeitsbedarf Rechnung getragen werde. Im Falle der ehemaligen
Arbeitnehmerin T., die als Fortbildungsbeauftragte tätig gewesen sei, habe die
unternehmerische Entscheidung, den Bereich Fortbildung zentral zu bearbeiten, zum
Wegfall der dezentralen Arbeitsplätze an den einzelnen Standorten geführt. Durch die
Bearbeitung dieses Sachgebiets an einem Ort des Unternehmens hätten
Synergieeffekte genutzt werden können, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen in diesem
Bereich geführt hätten. Dies gelte auch für den Arbeitsplatz der T., die am
Kraftwerksstandort J diese Aufgabe wahrgenommen habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006. Die
Anschlusserstattungsbescheide der Beklagten, z. B. der Bescheid vom 10. Januar 2007,
die ggf. in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der
bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung in das Verfahren einzubeziehen wären, haben
die Verfahrensbeteiligten mit den am 19. August 2009 übereinstimmend vor dem
erkennenden Senat abgegebenen Prozesserklärungen ausdrücklich von einer
Entscheidung ausgenommen.
Das SG hat die streitgegenständlichen mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG)
angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen für die von der Beklagten auf der Grundlage des § 147a Abs. 1
Satz 1 und Abs. 4 SGB III erhobenen Erstattungsansprüche liegen zwar grundsätzlich
vor. Nach dem Abs. 1 Satz 1 des § 147a SGB III hat der Arbeitgeber, bei dem der
Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den
nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in
einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das
Alg für die Zeit nach Vollendung des 57. Lebensjahres des Arbeitslosen zu erstatten.
Nach dem Abs. 4 der Vorschrift schließt die Verpflichtung zur Erstattung des Alg die auf
diese Leistung entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ein.
T., die am 2006 das 57. Lebensjahr vollendet hatte, war bei der Klägerin vor dem ersten
Tag ihrer Arbeitslosigkeit, dem 1. Juli 2005, innerhalb der letzten 4 Jahre mindestens 2
Jahre, nämlich vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2005 versicherungspflichtig beschäftigt
gewesen. Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bestand bis zum 30. Juni
2005, auch wenn T. von jeglicher Arbeitsleistung freigestellt worden sein sollte (zum
Fortbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung bei Freistellung von der Arbeit
vgl. BSG Urteile vom 24 September 2008 - B 12 KR 22/07 R - und - B 12 KR 27/07 R -
juris, zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen).
Die demgemäß für das von der Beklagten in der Zeit nach der Vollendung des 57.
Lebensjahres der T. vom 1. Juli 2006 bis 30. September 2006 gezahlte Alg bestehende
Erstattungspflicht der Klägerin als der ehemaligen Arbeitgeberin der T. einschließlich der
darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge ist indes nach § 147a Abs. 1 Satz 2
Halbsatz 2 Nr.. 4 SGB III ausgeschlossen. Die Klägerin beruft sich zu Recht, wie bereits
das SG zutreffend entschieden hat, auf diesen Befreiungstatbestand. Danach tritt die
Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das
Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Aus den
außerdem in diesem Befreiungstatbestand getroffenen Regelungen, wonach § 7 KSchG
keine Anwendung findet und die Beklagte an eine rechtskräftige Entscheidung des
Arbeitsgerichtes über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden ist, folgt,
dass es abgesehen von der Nichtanwendbarkeit des § 7 KSchG ausschließlich auf die
kündigungsschutzrechtliche Rechtslage im Arbeitsrecht ankommt. Das verkennt die
Beklagte, wenn sie zur Begründung ihrer Rechtsauffassung die Zweckbestimmung des §
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Beklagte, wenn sie zur Begründung ihrer Rechtsauffassung die Zweckbestimmung des §
147a SGB III in den Vordergrund rückt. Denn die Vorschrift zur Erstattungspflicht des
Arbeitgebers, deren im Abs. 1 Satz 1 aufgeführte Tatbestandsvoraussetzungen in
diesem Streitfall erfüllt sind, normiert im Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 gerade eine
Ausnahme von der grundsätzlich an der Zweckbestimmung der Vorschrift sich
orientierenden Erstattungspflicht, wenn die Kündigung gleichwohl arbeitsrechtlich im
Einzelfall sozial gerechtfertigt war.
Der Befreiungstatbestand des § 147a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr.. 4 SGB III greift ein.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit T. war durch die arbeitgeberseitige Kündigung, die
mit dem Schreiben vom 28. November 2003 ausgesprochen und der T. am 1. Dezember
2003 zugegangen war, beendet worden. Dass die Arbeitsvertragsparteien am 5. August
2004 eine Vereinbarung geschlossen hatten, wonach das Arbeitsverhältnis -
einverständlich - erst zum 30. Juni 2005 enden sollte, erfordert keine andere rechtliche
Beurteilung. Zwar kann trotz formaler Aufspaltung in eine vorausgehende Kündigung
und eine nachfolgende vertragliche Regelung ein einheitlicher Rechtsgrund für die
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses iS eines Aufhebungsvertrages angestrebt worden
sein (siehe dazu BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 9). In derartigen Fällen einer
einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder
Ähnliches findet § 147a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 4 SGB III keine Anwendung (st. Rspr.
vgl. z. B. BSG SozR 4-4100 § 128 Nrn. 3, 6 m.w.N.; BSG SozR 3-4100 § 128 Nr. 5). Die
am 5. August 2004 von T. mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung lässt sich indes
nicht als - neuer - Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses qualifizieren.
Denn die Arbeitsvertragsparteien hatten darin ausdrücklich erklärt, dass die Gültigkeit
der Kündigung vom 28. November 2003 von dieser Vereinbarung „unberührt bleibt“.
Daraus folgt, dass die getroffene Vereinbarung nicht als neuer Rechtsgrund für die
Auflösung des Arbeitsverhältnisses konstitutiv war. Damit endete das Arbeitsverhältnis
der Klägerin mit T. aufgrund der T. am 1. Dezember 2003 zugegangenen Kündigung der
Klägerin mit Wirkung zum 30. Juni 2005. Das gilt selbst dann, wenn es vor dem
Ausspruch der Kündigung mit dem Schreiben der Klägerin vom 28. November 2003
mündliche Abreden zwischen der Klägerin und T. über die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gegeben haben sollte. Derartige mündliche Vereinbarungen sind
jedenfalls nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen; denn die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform (§ 623 Bürgerliches Gesetzbuch).
Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung war auch sozial gerechtfertigt iS der Nr.
4 des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III. Dabei ist von der arbeitsrechtlichen
Rechtslage unter Beachtung der Vorschriften des KSchG auszugehen. Der maßgebliche
Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung ist der
Zeitpunkt des Kündigungszuganges (st. Rspr. vgl. z. B. BAG, Urteil vom 21. April 2005 - 2
AZR 241/04 = BAGE 114, 258 ff; BAG AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 115); das war hier der 1. Dezember 2003.
Die Klägerin hatte der T. aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ordentlich unter
Anwendung der maßgebenden Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende (vgl.
die Angaben der Klägerin in der Arbeitsbescheinigung vom 17. Juni 2005) am 1.
Dezember 2003 zum 31. Dezember 2004 gekündigt. Nach § 1 Abs. 2 KSchG wäre die
Kündigung der T., deren Arbeitsverhältnis bei der Klägerin in demselben Betrieb, dem
Kraftwerk J, ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hatte (§ 1 Abs. 1
KSchG), sozial ungerechtfertigt, wenn nicht dringende betriebliche Erfordernisse ihrer
Weiterbeschäftigung entgegen gestanden hätten und auch keine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des
Unternehmens bestanden hätte (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b) KSchG).
Aufgrund der Verringerung des Beschäftigungsbedarfs in den Betrieben der Klägerin für
Tätigkeiten wie die der T., der aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der
Klägerin, den Bereich Fortbildung zentral zusammenzufassen, entstanden war, war der
weiteren Beschäftigungsmöglichkeit der T. die Grundlage entzogen worden. Dadurch
bestand ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung, weil infolge dieser
unternehmerischen Entscheidung die Anzahl der Arbeitnehmer, die zur Erledigung
derartiger Aufgaben verpflichtet war, größer war als die Menge der zu erledigenden
Arbeit (ErfK/Oetker, 9. Aufl., KSchG § 1 Rn 217; zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs
vgl. BAG, Urteil vom 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - juris). Dass für T. im Kraftwerk als
Fortbildungsbeauftragte wegen der Zentralisierung des Fortbildungsbereichs eine
Planstelle im Jahr 2003 nicht mehr vorgesehen war, ergibt sich auch aus dem von der
Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Stellenplanentwurf für das Geschäftsjahr
2003, der die noch in der Stellenplanübersicht 2002 ausgewiesene Planstelle für T. für
das Geschäftsjahr 2003 nicht mehr aufführt. Soweit in dem zentralisierten
Fortbildungsbereich bzw. in der Gemeinsamen Verwaltung für T. in Betracht kommende
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Fortbildungsbereich bzw. in der Gemeinsamen Verwaltung für T. in Betracht kommende
Planstellen vorhanden waren, waren derartige Arbeitsplätze jedenfalls nicht unbesetzt,
wie aus der Spalte „Überhang“ zu ersehen ist. Eine Umsetzung der T. im Rahmen des §
1 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b) KSchG war daher ausgeschlossen.
Der Wegfall des Arbeitsplatzes ist aber ein Grund, der regelmäßig zum Ausspruch einer
betriebsbedingten Kündigung berechtigt (BAG, Urteil vom 27. Februar 2002 - 9 AZR
562/00 = AP Nr. 36 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Die soziale Rechtfertigung der
Kündigung hängt dabei nicht davon ab, ob der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses
durch eine vom Arbeitgeber getroffene Personalanpassungsmaßnahme veranlasst
worden ist. Dem Arbeitgeber steht es vielmehr bis zur Willkürgrenze frei,
unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die den Bedarf der Beschäftigung
entfallen lassen. Auch lange Betriebszugehörigkeit oder fortgeschrittenes Alter schützen
regelmäßig nicht vor einem Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund betriebsbedingter
Kündigung (BAG, Urteil vom 27. Februar 2002 a.a.O.). Einen Arbeitskräfteüberhang in
Kauf zu nehmen, wie er hier im Stellenplanentwurf/Gemeinsame Verwaltung
(Administration) für 2003 ausgewiesen ist, ist der Arbeitgeber jedenfalls nicht
verpflichtet; das gilt selbst unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 3 KSchG (BAG, Urteil
vom 18. Januar 2001 - 2 AZR 514/99 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 115). Die Klägerin war daher berechtigt, das Arbeitsverhältnis mit T. ordentlich unter
Einhaltung der maßgebenden Kündigungsfrist zu kündigen.
Die nach § 1 Abs. 2 KSchG zulässige betriebsbedingte Kündigung war auch unter
Beachtung der im § 1 Abs. 3 KSchG getroffenen Regelungen sozial gerechtfertigt. Denn
die danach vorzunehmende Sozialauswahl kam bei T. von vornherein wegen des Fehlens
noch vorhandener vergleichbarer Arbeitnehmer nicht in Betracht. Da es im Kraftwerk J
überhaupt nur eine einzige Beschäftigungsmöglichkeit für eine Fortbildungsbeauftragte
gab, eine Tätigkeit, die T. nach dem - letzten - Arbeitsvertrag vom 6./12. Dezember 1995
zu verrichten hatte, und da die ebenfalls mit der Tarifgruppe 11 bewertete Planstelle des
„Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen“, die mit dem Mitarbeiter W besetzt
war, ebenfalls ersatzlos weggefallen war (Schriftsatz der Klägerin vom 18. August 2009),
gab es im Kraftwerk J keine vergleichbaren Arbeitnehmer, die in die nach § 1 Abs. 3
KSchG vorzunehmende Sozialauswahl hätten einbezogen werden können. Darauf, ob es
beim Zugang der Kündigung im Konzern der Klägerin noch vergleichbare Arbeitnehmer
gab, kommt es nicht an. Denn die nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl
ist grundsätzlich ausschließlich auf den jeweiligen Betrieb beschränkt (st. Rspr. vgl. z. B.
BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 = AP Nr. 179 zu § 1 KSchG 1969
Betriebsbedingte Kündigung; BAGE 28, 131 ff; 62, 116, 123 f; KR - Griebeling 7. Aufl. § 1
KSchG Rn 609). Betriebsübergreifend hat die Sozialauswahl nur zu erfolgen, wenn
mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten (BAG, Urteil vom 5. Mai
1994 - 2 AZR 917/93, juris), eine Fallgestaltung, die hier nicht vorliegt. Auf die von der
Beklagten für maßgeblich erachtete Frage der tarifvertraglichen Beschränkung des
auswahlrelevanten Personenkreises im Rahmen des § 1 Abs. 3 KSchG kommt es
deshalb nicht an. Die nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl setzt
nämlich immer voraus, dass vergleichbare Arbeitnehmer in dem Beschäftigungsbetrieb
vorhanden sind. Daran fehlt es indes. Denn es war nicht nur die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für T. als Fortbildungsbeauftragte entfallen, sondern
auch für den einzig vergleichbaren Arbeitnehmer W, dessen Tätigkeit als „Beauftragter
für das betriebliche Vorschlagswesen“ im Kraftwerk J ebenfalls mit der Tarifgruppe 11
bewertet war, war zeitgleich diese Beschäftigungsmöglichkeit entfallen. Das ergibt sich
aus dem Vorbringen der Klägerin, das der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, und
den Auszügen aus den Stellenplänen für die Geschäftsjahre 2002 und 2003.
Eine Sozialauswahl kam zudem nach § 1 Abs. 3 KSchG auch deshalb nicht in Betracht,
weil die Klägerin allen kündbaren Arbeitnehmern gekündigt hatte und die übrigen
Arbeitnehmer, die ggf. in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen wären, wegen ihrer
Unkündbarkeit ohnehin nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden konnten. Insoweit
hat das SG zu Recht auf den TV vom 24. Juni 2002, den RI und die KBV abgestellt und die
fehlende Sozialauswahl aus diesem Rechtsgrund für zulässig angesehen; auf das
angefochtene Urteil des SG wird insoweit Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Dass in
derartigen Fällen tarifvertraglicher Beschränkungen des auswahlrelevanten
Personenkreises kein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 KSchG liegt, darauf hat bereits das SG
mit zutreffender Begründung hingewiesen. Tarifvertraglich (ordentlich) unkündbare
Arbeitnehmer sind nach der herrschenden Meinung im Kündigungsschutzrecht nicht in
die Sozialauswahl einzubeziehen (ErfK/Oetker a.a.O. Rn 312 mwN). Selbst Arbeitnehmer,
bei denen die ordentliche Kündigung einzelvertraglich ausgeschlossen ist, unterfallen
nicht der Sozialauswahl; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für
eine absichtliche Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG vorliegen (siehe dazu BAG AP KSchG
1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 75).
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Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung kommt es auch nicht
darauf an, ob der TV, der RI und die KBV in der Gesamtheit darauf abzielten, die
Erstattungsvorschrift des § 147a SGB III „auszuhebeln“. Denn der Befreiungstatbestand
der Nr. 4 des § 147a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB III erlaubt gerade eine Ausnahme von
der nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift bestehenden Erstattungspflicht und stellt dabei
ausschließlich auf die arbeitsrechtliche Rechtslage ab. Zwar ist der Beklagten
zuzugeben, dass bei betriebsbedingten Kündigungen - wie hier - der tarifvertragliche
Ausschluss ordentlicher Kündigungen in ein Spannungsverhältnis zu § 1 Abs. 3 KSchG
tritt (ErfK/Oetker a.a.O. Rn 301). Solange aber jedenfalls tarifvertragliche
Unkündbarkeitsvereinbarungen arbeitsrechtlich als zulässig angesehen werden (vgl.
BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 - 2 AZR 907/06 = AP Nr. 179 zu § 1 KSchG
Betriebsbedingte Kündigung) lässt sich eine ordentliche betriebsbedingte zulässige
Kündigung nicht wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 KSchG als sozial ungerechtfertigt
werten. Da sich zudem das tarifvertragliche Kündigungsverbot des § 3 Nr.. 1. des TV auf
alle Arbeitnehmer des Konzerns erstreckt und nicht nur auf die Arbeitnehmer des
Kraftwerkes J oder eine bestimmte Personengruppe, ist auch für eine Einzelvereinbarung,
die auf eine Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG abgezielt hätte, nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog. Danach trägt die Beklagte die Kosten des
von ihr erfolglos eingelegten Rechtsmittels (§154 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m.
§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz (GKG).
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