Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2009

LSG Berlin-Brandenburg: innere medizin, krankenkasse, genehmigung, dialyse, abrechnung, datum, vertragsarzt, sachleistung, therapie, gutachter

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 KR 475/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 32 SGB 1, § 2 Abs 2 S 1 SGB
5, § 13 Abs 3 S 1 SGB 5, § 92
Abs 1 S 2 Nr 5 SGB 5, § 135 Abs
1 SGB 5
Krankenversicherung - Unwirksamkeit einer privatrechtlichen
Vereinbarung zwischen Versichertem und Vertragsarzt -
Freistellung von Verfahrensvorschriften einer G-BA-Richtlinie
- Voraussetzung für
Kostenerstattungsanspruch
Leitsatz
Jedenfalls eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Versichertem (=Kassenpatient) und
Vertragsarzt (=Kassenarzt), die eine Freistellung des Vertragsarztes von der Einhaltung von
Verfahrensvorschriften nach einer Richtlinie bedeutet (hier BUB-Richtlinien), ist wegen
Verstoßes gegen § 32 SGB I unwirksam.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2007 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Freistellung von Kosten, die anlässlich einer
LDL-Apherese-Behandlung (Blutwäsche), entstanden sind, welche die Beigeladenen
beim Kläger durchführten. Konkret handelt es sich um zwölf Dialysen zwischen dem 19.
Juli 2000 und dem 31. Januar 2001.
Der 1944 geborene Kläger leidet an Hypercholesterinanämie. Die Beigeladenen
betreiben eine Praxis für Nierenkrankheiten und Dialyse. Dort führten sie beim Kläger
seit April 1998 eine LDL-Elimination als extrakorporales Hämotherapieverfahren durch,
also eine Dialyse zur Entfernung des LDL-Cholesterins. Die ärztlichen Leistungen wurden
und werden dabei direkt durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) erstattet. Eine
entsprechende Abrechnung auch der Sachleistungen für die LDL-Apharese über die KV
war hingegen zunächst nur bis 30. Juni 2000 und erst wieder ab 1. Oktober 2001 auf der
Grundlage einer Abrechnungsvereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen
möglich.
Die KV teilte dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 30. April 1998 mit, dass die
Voraussetzungen für eine ambulante Durchführung der LDL-Elimination als
extrakorporales Hämotherapieverfahren gemäß den NUB-Richtlinien zur Zeit nicht
indiziert sei, da zwar eine höhergradige KHK vorliege, aber die lipidsenkende Therapien
noch nicht ausgeschöpft seien. Gemäß Nr. 1.5 der NUB-Richtlinien habe dieses Ergebnis
der Fachkommission der Kassenärztlichen Vereinigung aber nur beratenden Charakter,
die abschließende Entscheidung obliege dem Arzt.
Mit Schreiben vom 19. oder 21. März 2000 stellten die Beigeladenen einen Antrag auf
Fortführung der ambulanten LDL-Apherese.
Mit Schreiben vom 13. April 2000 teilte die KV dem Beigeladenen zu 1) mit, dass die
Dialyse-Kommission der KV am 7. April 2000 beschlossen habe, den Antrag vorerst
zurück zu stellen. Die Indikationserstellung zur LDL-Elimination gemäß § 3 der Richtlinien
über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom 22. März
2000 (BUB-Richtlinien) sei nicht ausreichend. Gemäß § 7 der Richtlinien sei bei
Fortbestehen einer Behandlungsindikation gemäß § 3 BUB-Richtlinien zugleich mit einer
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Fortbestehen einer Behandlungsindikation gemäß § 3 BUB-Richtlinien zugleich mit einer
erneuten, ergänzenden medizinischen Beurteilung gemäß § 4 BUB-Richtlinien nach
Ablauf eines Jahres eine erneute Beratung durch die Kommission einzuleiten. Es müsse
eine kardiologische bzw. angiologische und lipidologische Beurteilung des Patienten der
Indikationsstellung zur LDL-Elimination vorangehen. Die Beurteilung dürfe nicht durch
den Arzt erfolgen, an den der Patient bei bestätigter Indikation zur Durchführung der
Dialyse überwiesen werde. Mit Schreiben vom 30. April 1998 sei eine
Therapieempfehlung gegeben worden, da die lipidsenkende Therapie medikamentös und
diätisch noch nicht ausgeschöpft gewesen sei. Bis heute liege kein Nachweis über eine
mindestens sechs Monate dauernde dokumentierte maximale diätische und
medikamentöse Therapie zur Senkung des LDL-Cholesterins vor. Es werde gebeten,
binnen vier Wochen die fehlenden Unterlagen sowie den beigefügten Vordruck
vollständig ausgefüllt zuzusenden, da andernfalls auf der Grundlage der bislang
eingereichten Unterlagen beraten werde. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 7
der BUB-Richtlinien die Fortführung der Abrechnung der LDL-Elimination in jedem
Einzelfall erst dann zulässig sei, wenn die leistungspflichtige Krankenkasse dem
Versicherten einen Leistungsbescheid erteilt habe.
Die Beklagte teilte den Beigeladenen mit Schreiben vom 11. September 2000 mit, dass
u. a. für den Kläger weder Anträge für die LDL-Elimination noch die
Begutachtungsunterlagen der Dialysekommission der KV vorlägen. Ohne diese
Unterlagen könne eine Zahlung nicht erfolgen.
Die KV schrieb unter dem Datum 30. November 2000 an die Beigeladenen, diese seien
mehrfach schriftlich und mündlich auf die Einreichung der gemäß § 4 BUB-Richtlinien
erforderlichen Unterlagen bzw. Angaben und Nachweise zur Beurteilung der
Indikationsstellungen gemäß § 3 BUB-Richtlinien hingewiesen worden. Auch in der
Sitzung der Dialyse-Kommission, welcher der Beigeladene zu 1) als stellvertretendes
Mitglied angehöre, seien sie am 30. Mai 2000 auf die Einhaltung der Bestimmungen
hingewiesen und gebeten worden - auch im Interesse der Patienten - die zur Beratung
erforderlichen Nachweise umgehend einzureichen. Bis zum 6. Juli 2000 sei kein weiterer
Eingang festgestellt worden, woraufhin mit Schreiben vom 6. Juli 2000 um nochmalige
Mitteilung gebeten worden sei, ob die Anträge aufrecht erhalten blieben. Die
Beigeladenen hätten mit Schreiben vom 7. Juli 2000 geantwortet, dass sie sich der
Dringlichkeit der Bearbeitung bewusst seien und die angeforderten kardiologischen und
lipidologischen Gutachten umgehend nach Erhalt zur Verfügung stellen würden. Die KV
fordere die Beigeladene letztmalig auf, bis 31. Dezember 2000 die zum jeweiligen
Patientenantrag nachgeforderten Unterlagen einzureichen.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2001 teilte die KV mit, dass die zuständige
Dialysekommission aufgrund der Schreiben sowie eingereichten Unterlagen der
Beigeladenen vom 21. März 2000, 11. Dezember 2000, 25. Januar 2001 und 26. Januar
2001 zum Ergebnis gelangt sei, dass die Indikation zur ambulanten Durchführung der
LDL-Elimination als extrakorporales Hämotherapieverfahren gemäß § 3 der BUB-
Richtlinien vorliege. Eine Vergütung über die KV für bereits vor Genehmigungserteilung
durchgeführte Behandlungen sei nicht möglich. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger
mit, ab heute für ein Jahr die Kosten für die LDL-Elimination zu übernehmen.
Mit Liquidation vom 9. März 2001 (VV Blatt 10) stellten die Beigeladenen der Beklagten
20.350,00 DM für 13 einzeln aufgelistete ambulante LDL-Apheresen zwischen dem 19.
Juli 2000 und dem 22. Februar 2001, in Rechnung, also 13 x 1.950,00 DM. Die Beklagte
antwortete mit Schreiben vom 15. März 2001 (VV Blatt 11), eine Erstattung nur für die
Behandlung am 22. Februar 2001 vornehmen zu können. Die Bewilligung gelte nämlich
für den Zeitraum ab 11. Februar 2001 bis 12. Februar 2002.
Die Beigeladenen schrieben unter dem Datum 25. Juli 2001 u. a. an die KV, aufgrund
deren Schreibens vom 30. April 2000 sei beim Kläger ein Therapieversuch durchgeführt
worden. Dieser habe keine Besserung gebracht. Daraufhin sei entsprechend der
Bestätigung der KV, dass die Entscheidung zur Durchführung der Elimination ihnen als
den Ärzten obliege, mit der LDL-Apherese begonnen worden.
Weiter schrieben sie am 12. September 2001 an die Beklagte, die Behandlungsrichtlinien
hätten sich seit 1996 mehrfach geändert. Eine ausdrückliche Kostenzusage durch die
Krankenkasse sei nach den damals geltenden NUB-Richtlinien nicht erforderlich
gewesen. Es sei therapeutisch nicht möglich gewesen, die Apherese-Behandlung zu
unterbrechen, auch wenn zwischenzeitlich administrative Vorgänge das zeitliche
Beantragungsprozedere nach der BUB-Richtlinie verzögert hätten.
Sie erhoben nach vergeblicher Anmahnung durch ihren Bevollmächtigten - den jetzigen
Bevollmächtigten des Klägers - am 22. Dezember 2001 Zahlungsklage gegen die
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Bevollmächtigten des Klägers - am 22. Dezember 2001 Zahlungsklage gegen die
Beklagte (GA S 81 Blatt 1ff). Zur Begründung führten sie u. a. aus, sowohl nach § 3 der
alten NUB-Richtlinien wie nach den Kriterien der Nr. 7 der nunmehr geltenden BUB-
Richtlinien sei die Indikation einer LDL-Apherese beim Kläger ständig gegeben gewesen.
Beigefügt war das lipidologische Gutachten der Ärztin für Innere Medizin Dr. K vom 8.
Januar 2001, wonach beim Kläger eine therapieresistente Hyperlipoproteinämie mit
schwersten kardialen Veränderungen vorliege (VV Blatt 74), ferner das Gutachten des
Facharztes für Innere Medizin - Kardiologie - Dr. P vom 19. Januar 2001 (VV Blatt 75).
Danach leide der Kläger an einer koronaren Mehrgefäßerkrankung, die eine Indikation für
eine aoroto-choronare Bypassoperation darstelle. Wegen der unzureichenden
antilipämischen Wirkung der CSE-Hemmer-Therapie sei die LDL-Apherese die einzige
Möglichkeit, die lipidologische Lage zu verbessern.
Mit Schreiben vom 15. August 2002 genehmigte die Beklagte dem Kläger die
Fortführung der LDL-Elimination für die Zeit vom 15. August 2002 bis 14. August 2003.
Die zum Verfahren beigeladene KV führte im Schriftsatz vom 27. Januar 2003 aus, es
müsse bei der Durchführung von ambulanten LDL-Eliminationen im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung nach den BUB-Richtlinien unterschieden werden zwischen
der generellen Abrechnungsgenehmigung, welche sie dem Beigeladenen zu 1) am 16.
Dezember 1998 erteilt habe und der seit der Änderung der BUB-Richtlinien zum 26. Juli
1998 zusätzlich erforderlichen Genehmigung im Einzelfall, die durch einen Bescheid der
Krankenkasse an den Versicherten zu erfolgen habe. Zudem sei bei der LDL-Elimination
zu differenzieren zwischen den ärztlichen Leistungen, die nach der EBM-Nummer 792
bzw. ab 1. Juli 2002 nach EBM-Nummer 796 berechnungsfähig gewesen seien, und den
Kosten für die Sach- und Dienstleistungen, die in den nach dem EBM
berechnungsfähigen ärztlichen Leistungen nicht enthalten seien. Gegenstand der Klage
sei die Vergütung von Sach- und Dienstleistungen bei der Durchführung von LDL-
Eliminationen. Insoweit habe in der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. September 2001
keine Vereinbarung bestanden, so dass die Vertragsärzte (trotz) genereller
Genehmigung zur Durchführung der LDL-Elimination diese Kosten nicht über die KV
hätten abrechnen können. Nach der derzeit geltenden Vereinbarung könnten die
Vertragsärzte bei der KV eine Kostenpauschale von 997,00 Euro (= 1.950,00 DM)
abrechnen, die von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung getragen
werde.
Mit Vertrag vom 23. Juli 2001 trat der Kläger seinen Erstattungsanspruch gegenüber der
Beklagten in Höhe von 23.400,00 DM unwiderruflich an die Beigeladenen ab.
Nach Hinweis des SG, dass nicht erkennbar sei, dass die Voraussetzungen des § 53
Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erfüllt seien, nahmen die Beigeladenen ihre Klage
am 21. November 2003 zurück. Am 1. Dezember 2003 schlossen der Kläger und die
Beigeladenen einen weiteren Abtretungsvertrag, wonach diese den
Kostenerstattungsanspruch an den Kläger zurück übertrugen.
Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 3. Februar 2004, an die Beigeladenen
11.964,23 Euro entsprechend 23.400,00 DM zu zahlen. Diese seien an ihn
herangetreten und forderten von ihm diesen Betrag. Beigefügt war eine Kopie der
Liquidation vom 23. Juli 2001 über 23.400,00 DM, auf die ergänzend verwiesen wird. Die
Beklagte antwortete, eine Kostenerstattung sei nicht möglich, weil der Kläger (nur) Sach-
und Dienstleistungen erhalten könne.
Daraufhin beantragte der Kläger die Übernahme der Behandlungskosten für die LDL-
Elimination im Zeitraum 19. Juli 2000 bis 31. Januar 2001 (Schreiben vom 26. Februar
2004). Die Beklagte bat um Übersendung des Privatarztbehandlungsvertrages und die
eine Zahlungsfälligkeit begründenden Unterlagen. Seien die Rechnungen noch nicht
bezahlt, solle auch mitgeteilt werden, welche Zahlungsvereinbarung für die
privatärztliche Behandlung vereinbart worden sei.
Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 26. März 2004, ein privater
Behandlungsvertrag liege in schriftlicher Form nicht vor. Vor dem Hintergrund des so
genannten vertragslosen Zustandes im Zeitraum Juli 2000 bis Januar 2001 habe sich der
Kläger entschlossen, die bei ihm dringend notwendige LDL-Apherese durch seine
behandelnden Nephrologen durchführen zu lassen. Bei der Abrechnung vom 23. Juli
2001 hätten die Beigeladenen sich von den seinerzeitigen Vergütungsregelungen leiten
lassen. Ursprünglich habe er mit den Abrechnungsmodalitäten nichts zu tun haben
wollen. Er habe deshalb seine Ansprüche auf Kostenerstattung an die behandelnden
Ärzte abgetreten. Nach Rücknahme deren Klage und Rückabtretung mache er die
Ansprüche wieder selbst geltend. Die Beigeladenen hätten die Behandlungskosten
bislang gestundet. Im Gegenzug habe der Kläger auf die Einrede der Verjährung bis zum
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bislang gestundet. Im Gegenzug habe der Kläger auf die Einrede der Verjährung bis zum
Ausgang des Hauptsacheverfahrens verzichtet.
Die Beklagte lehnte den Antrag vom 26. Februar 2004 mit Bescheid vom 11. Mai 2004
ab. Gegenstand sei die Geltendmachung des Zahlungsrückstandes in Höhe von
23.000,00 DM für die durchgeführten ambulanten LDL-Apheresen an einzelnen
Behandlungstagen zwischen dem 9. Juli 2000 und dem 31. Januar 2001. Insoweit sei eine
Klage anhängig gemacht und zurück genommen worden. Es habe sich der Rechtsstreit
erledigt. Eine Wiederaufnahme sei auch durch den Wechsel des Antragstellers nicht
mehr möglich.
Dieser Rechtsauffassung widersprach der Kläger in seinem Widerspruch.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2004 als
unzulässig. Ihm fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger habe nicht dargelegt, aus
welchem Grund er auch nur möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht
verletzt sein könne.
Am 19. August 2004 hat der Kläger hiergegen Klage vor dem SG erhoben.
Die Beigeladenen haben mit Schriftsatz vom 28. Januar 2005 u. a. erklärt, dass die
Zahlung der streitigen Summe des Klägers an sie ausgesetzt sei.
Die Beklagte hat am 14. April 2005 einen Bescheid erlassen in welchem sie eine
Abänderung der bislang ergangenen Bescheide abgelehnt hat. U. a. seien mögliche
Leistungsansprüche aus dem Kalenderjahr 2000 verjährt.
Sie hat vorgetragen, dass der Kläger Zahlungsverpflichtungen den Beigeladenen
gegenüber nicht ausgesetzt sei. Er habe nämlich zum Zeitpunkt der Behandlung davon
ausgehen können, die Leistung als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen
Krankenversicherungen zu erhalten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. Juli 2005 hat der
Beigeladene zu 2) erklärt, dass die Behandlung des Klägers aus medizinischer Sicht
unaufschiebbar gewesen sei. Der Kläger sei wie andere Patienten bei ungeklärter
Kostenübernahme als Privatpatient behandelt worden.
Das SG hat mit Urteil vom selben Tag unter Aufhebung der Bescheide vom 20. Februar
2004 und vom 11. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August
2004 die Beklagte verpflichtet, den Kläger von den Kosten der LDL-Apherese-
Behandlung für den Zeitraum vom 19. Juli 2000 bis zum 31. Januar 2001 freizustellen.
Die Klage sei zulässig, nachdem die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden über
den streitigen Anspruch erstmals rechtsmittelfähig entschieden habe.
Anspruchsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Danach seien einem Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung dann zu
erstatten, wenn sie dadurch entstanden seien, dass die Krankenkasse eine
unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig habe erbringen können oder eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt habe. Die LDL-Apherese-Behandlung sei unaufschiebbar gewesen.
Die Kammer sei überzeugt, dass den behandelnden Ärzten und dem Kläger als
schwerkrankem Risikopatienten keine andere Wahl als die Behandlung geblieben sei.
Zwar sei eine Freistellung von den Kosten einer Behandlung nur dann möglich, wenn es
sich um eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt habe. Die
LDL-Apherese-Behandlung sei nur dann eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse,
wenn sie zuvor genehmigt worden sei (Anlage 1 Nr. 1 § 6 der fortgeltenden NUB-
Richtlinien). Der verfassungsrechtliche Schutz des Leben und der körperlichen
Unversehrtheit des Klägers gebiete es jedoch, diese unauflösbare Situation zu
durchbrechen und die Kosten ohne Genehmigung der Beklagten aufzuerlegen. Der
Kläger habe auch wissen müssen, dass er sich einer Privatbehandlung unterziehe mit
ungewissem Kostenrisiko, so dass sich die Behandlung auch nicht als Sachleistung der
gesetzlichen Krankenversicherung darstelle.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Es bestehe keine Verbindlichkeit des
Klägers gegenüber den Beigeladenen, die einen Freistellungsanspruch begründen
könnte. Zum Zeitpunkt der Behandlung habe der Kläger davon ausgehen können, als
gesetzlich Krankenversicherter behandelt zu werden. Die Beigeladenen hätten
demgemäß auch zunächst gegenüber ihr abgerechnet. Dem Kläger sei die Behandlung
erst mit Datum vom 23. Juli 2001 in Rechnung gestellt worden, nachdem die Beklagte
eine Zahlung abgelehnt habe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 9.
Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R - und vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -). Ausweislich des
Schriftwechsels zwischen der KV und dem Beigeladenen könne auch nicht von einem
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Schriftwechsels zwischen der KV und dem Beigeladenen könne auch nicht von einem
lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werden. Einer privatrechtlichen Vereinbarung
zwischen Kläger und den Beigeladenen stehe weiter auch § 18 Abs. 3
Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in damaliger Fassung entgegen. Auch eine
nachträgliche schriftliche Bestätigung nach § 18 Abs. 1 BMV-Ä liege nicht vor, weil eine
solche nur vor Behandlungsbeginn erfolgen dürfe. Auch die Beigeladenen wären
überdies zunächst davon ausgegangen, Ansprüche gegen die Beklagte zu haben.
Schließlich bestehe auch keine wirksame GOÄ-Abrechnung.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2007 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Behandlung sei erforderlich gewesen um sein Leben und seine
Gesundheit zu schützen bzw. um eine deutliche Verschlimmerung seines Leidens zu
vermeiden. Es dürfe nicht formal auf das Vorhandensein einer Genehmigung abgestellt
werden. Die Beigeladenen hätten im Frühjahr 2000 auch nicht die Antragstellung
verzögert. Vielmehr hätten sowohl der Kardiologe als auch der Lipidologe ihre Gutachten
nicht erstellt. Die Gutachter hätten dies mit Arbeitüberlastung begründet. Insofern liege
ein Systemversagen vor.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug
genommen. Die Gerichtsakte Sozialgericht Berlin S 81 KR 1391/01 W 03 sowie der
Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die
Beklagte, von den Kosten der LDL-Apherese-Behandlungen im Zeitraum vom 9. Juli
2000 bis 31. Januar 2001 freigestellt zu werden.
Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser
Vorschrift sind dem Versicherten Kosten einer selbst beschafften Leistung in der
entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die
Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die
Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Die Erstattung von Kosten setzt sowohl begrifflich
als auch nach Wortlaut und Zweck der Norm voraus, dass dem Versicherten Kosten
entstanden sind. Da der Anspruch nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung
abhängen kann, reicht es jedoch aus, wenn der Versicherte einer Honorarforderung des
Leistungserbringers ausgesetzt ist. Insoweit umfasst § 13 Abs. 3 SGB V auch einen
Freistellungsanspruch (vgl. Urteil des BSG vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - = SozR 3 -
2500 § 135 Nr. 14 Seite 61 m.w.N.).
Der Kläger hier ist in diesem Sinne einer ernstlichen Forderung durch die Beigeladenen
nicht ausgesetzt: Zur Überzeugung des Senats ist bereits nach dem klägerischen
Vortrag und dem der Beigeladenen zwischen ihm und diesen kein wirksamer
privatrechtlicher Vertrag zu Stande gekommen, aufgrund dessen er spätestens am
heutigen Tage fälligen Forderungen der Beigeladenen ausgesetzt ist:
Es ist ausgeschlossen, dass sich der Kläger als reiner Privatpatient ausschließlich auf
bürgerlich-rechtlicher Rechtsgrundlage von den Beigeladenen hat behandeln lassen.
Deren ärztliche Bemühungen hat nämlich die KV bezahlt, also auf Grundlage des SGB V.
Der Kläger hat die ärztlichen Leistungen insoweit als Dienstleistungen der Beklagten
erhalten.
Nach der von der Beklagten zutreffend angeführten Rechtssprechung des BSG (Urteil
vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - und Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R -) sind
Vereinbarungen, die vom Prinzip der kostenfreien Dienst- und Sachleistung außerhalb
des Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 oder 4 SGB V abweichen, regelmäßig
gemäß § 32 SGB I nichtig. Es widerspricht nämlich auch nach Auffassung des hier
entscheidenden Senats dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Ausgestaltung des
Naturalleistungsprinzips, das dahin geht, den Versicherten grundsätzlich kostenfreie
Leistungen zu verschaffen, wenn diese hiervon abweichende Honorarvereinbarungen
treffen könnten. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat aus eigener
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treffen könnten. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat aus eigener
Überzeugung zustimmt, ist an Ausnahmen hiervon - also wirksamen privatrechtlichen
Honorarvereinbarungen - allenfalls zu denken, wenn ein Versicherter vollständig über die
Risiken aufgeklärt wurde und in dem Bewusstsein den Vertrag eingeht, dass er hier eine
entsprechende Leistung gleicher Qualität auch ohne eigene Kosten bei einem
zugelassenen behandelnden Vertragsarzt in Anspruch nehmen könnte (BSG, Urteil vom
18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R - RdNr. 27). Eine vertragliche Ausgestaltung unter dieser
Prämisse tragen weder der Kläger noch die Beigeladenen vor. Da diese eine mündliche
Absprache getroffen haben wollen, stehen dem Gericht mangels substantiierten
Vortrags, wer wann was konkret vereinbart hat, auch keine Aufklärungsmöglichkeiten
mehr zur Verfügung.
Im Übrigen hätte hier eine vertragliche Honorarvereinbarung eine Freistellung der
Beigeladenen von deren Pflicht zur Einhaltung des Verfahrens nach den BUB-Richtlinien
bedeutet. Eine solche Vereinbarung verstieße aber gegen § 32 SGB I. Ob ein
gleichzeitiger Verstoß der Beigeladenen als Vertragsärzte gegen § 18 des
Bundesmantelvertrages der Ärzte (BMV-Ä) gleichfalls oder zusätzlich zur Nichtigkeit der
privatrechtlichen Regelung geführt hätte, kann dahin gestellt bleiben.
Die Beigeladenen haben es nämlich versäumt, aus dem Umstand, dass ab 1998 die
allgemeine Erlaubnis zur Durchführung der LDL-Apherese nach den Richtlinien nicht
mehr alleine ausreichte, sondern für jeden Einzelfall zusätzlich eine Prüfung durch die
Kommission der KV und eine anschließende Leistungsgenehmigung der Krankenkasse
zu erfolgen hat, die gebotene Konsequenz zu ziehen, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen,
dass alle Voraussetzungen erfüllt sein können. Die Beigeladenen haben nicht rechtzeitig
das ihnen Mögliche und Zumutbare unternommen, um die Anforderungen der BUB-
Richtlinien zu erfüllen. Von einem Systemversagen oder ähnlichem kann nicht
ausgegangen werden:
Die KV hatte den Beigeladenen bereits im April 1998 mitgeteilt, dass die
Voraussetzungen für eine LDL-Apherese nach den Richtlinien nicht vorlägen, weil die
Beigeladenen nicht nachgewiesen hätten, dass die lipidsenkenden Therapien nicht
ausreichten. Einen solchen Therapieansatz verfolgten die Beigeladenen jedoch erst,
nachdem die KV sie mit Schreiben vom 7. April 2000 auf das Fehlen der
Voraussetzungen für eine Genehmigung eines Folgeantrages hingewiesen hatte. Von
der Richtigkeit dieser Angaben durch die Beigeladenen selbst in ihrem Schreiben an die
KV vom 25. Juli 2001 ist der Senat überzeugt. Dass der Nachweis, dass Diät und
medikamentöse Lipidsenker alleine nicht das gewünschte therapeutische Ergebnis
gebracht hätten, verzögert erbracht werden konnte, liegt an der Vorgehensweise der
Beigeladenen. Dass es (anschließend) weitere Verzögerungen gegeben habe, weil die
Gutachter nicht rechtzeitig tätig geworden seien, behaupten die Beigeladenen ins Blaue
hinein. Von einem Systemversagen könnte insoweit nur ausgegangen werden, wenn
diese ihre entsprechenden Bemühungen und Mahnungen dokumentiert hätten. So sind
die Vorwürfe viel zu vage, um Anhaltspunkte für Ermittlungen von Amts wegen zu
veranlassen.
Schließlich haben die Beigeladenen selbst mit Schreiben vom 25. Juli 2001 eingeräumt,
die Behandlung in eigener ärztlicher Verantwortung ohne die erforderliche Genehmigung
fortgesetzt zu haben. Daran müssen sie sich festhalten lassen.
Im Übrigen fehlt es auch rein bürgerlich-rechtlich an den Voraussetzungen einer fälligen
Arzthonorarforderung:
Die eingereichte Rechnung entspricht nicht den Erfordernissen des § 12
Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ), weil es eine GOÄ-Ziffer 9071 nicht gibt, § 10 Abs. 1
GOÄ (Sach-) Auslagenersatz grundsätzlich ausschließt und eine für die Abweichung von
der GOÄ erforderliche schriftliche Vereinbarung nach § 2 Abs. 2 GOÄ nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG
nicht vorliegt.
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