Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.07.2008

LSG Berlin und Brandenburg: befreiung von der versicherungspflicht, freiwillige versicherung, eintritt des versicherungsfalls, treu und glauben, beendigung, verwaltungsakt, rente, öffentlich, rentner

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 31.07.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 23 RJ 377/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 8 R 160/05
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Beendigung einer Pflichtversicherung auf Antrag. Der Kläger ist 1963 geboren worden. Nachdem er von
1980 bis 1991 als Arbeitnehmer versicherungspflichtig tätig war, meldete er am 29. Januar 1991 ein Gewerbe
"Erstellung von CNC-Programmen incl. Maschinen-Optimierung" an, das er – nach seinen Angaben ab 1. April 1991 –
als Einzelunternehmen betrieb. Der Kläger war seither ohne Unterbrechung als Einzelunternehmer selbständig tätig
(derzeitig firmierend unter "A. K C Zerspanungstechnik Drehen & Fräsen",). Im Dezember 1991 beantragte er bei der
damaligen Landesversicherungsanstalt Berlin die Versicherungspflicht in der Arbeiterrentenversicherung als
selbständiger Erwerbstätiger. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 3. Juli 1992 den Eintritt der Versicherungspflicht
auf Antrag ab dem 1. Dezember 1991 fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Versicherungspflicht mit
Abauf des Tages ende, an dem die Voraussetzungen weggefallen seien. Der Kläger entrichtete in der Folgezeit
Beiträge in Höhe der jeweiligen Bezugsgröße der gesetzlichen Rentenversicherung, wobei er für die ersten drei Jahre
nach dem Beginn der Pflichtversicherung auf Antrag von dem Recht Gebrauch machte, nur für jeden zweiten Monat
einen Beitrag zu entrichten. Mit Schreiben vom 6. November 2003 (bei der Beklagten am 10. November 2003
eingegangen) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er "zum nächstmöglichen Termin: zum 30.11.2003" kündige.
Er wolle "nicht mehr freiwillig einzahlen", weil "von den eingezahlten Beiträgen nur eine geringe Rente gezahlt wird".
Mit Bescheid vom 14. November 2003 lehnte die Beklagte die "Beendigung der Versicherungspflicht" ab. Die
Versicherungspflicht sei unwiderruflich. Es sei nicht möglich, auf sie zu verzichten, also freiwillig aus ihr
auszuscheiden. Zur Begründung seines Widerspruchs gegen den Bescheid trug der Kläger vor, seit 1992 nicht mehr
im Sinne des Gesetzes selbständig tätig zu sein. Er sei kein Handwerker, sondern besitze eine Maschinenfabrik, mit
der er einen Jahresumsatz von ca. 1 Million EUR erziele. Mehrere Angestellte seien für ihn tätig. Nach der
Klassifikation des Bundesamtes für Statistik gehöre sein Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe. Er legte den
Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 und den Steuerbescheid für das Jahr 2002 vor. Die Beklagte wies den
Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2004 mit der Begründung des Ausgangsbescheides
zurück. Mit der Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt, die Pflichtversicherung auf Antrag zu beenden. Er
sei der Auffassung gewesen, einer freiwilligen Versicherung beizutreten, die er auch wieder beenden könne. Für die
Pflichtversicherung auf Antrag habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zudem 1985 entschieden, dass der
Gesetzgeber verpflichtet sei, denjenigen Pflichtversicherten eine Umwandlung ihrer Versicherung in eine freiwillige
Versicherung zu gestatten, die durch gesetzliche Änderung in ihrer aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) herrührenden
Rechtsposition enttäuscht seien (BVerfGE 71,1). Ein Fall, der zur Umwandlung der Pflichtversicherung berechtige,
liege hier vor. Die Rentenversicherung, in die der Kläger 1991 eingetreten sei, gebe es auf Grund der Rentenreform
2004 nicht mehr. Die Rentenanpassung sei ausgesetzt, der Nachhaltigkeitsfaktor führe dazu, dass künftig nur noch
eine Grundrente von 43 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens erzielt werde, Ausbildungszeiten zählten nicht
mehr und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien voll zu finanzieren. Das Sozialgericht hat die Klage
durch Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2005 abgewiesen. Der Kläger habe durch seine Erklärung gegenüber der
Beklagten vom Dezember 1991 die Versicherungspflicht auf Antrag für sich begründet. Die Voraussetzungen, unter
denen nach dem Gesetz die Versicherungspflicht auf Antrag ende, lägen nicht vor. Soweit der Kläger geltend mache,
geglaubt zu haben, dass er in dem Sinne freiwillig versichert sei, das Versicherungsverhältnis auch beenden zu
können, sei dies unerheblich. Er habe bei Abgabe seiner die Pflichtversicherung begründenden Willenserklärung
keinem Irrtum unterliegen können. Denn er habe durch seine Unterschrift bestätigt, dass ihm bekannt sei, dass die
Versicherungspflicht für die Dauer seiner selbständigen Tätigkeit bestehe. Gleiches habe er dem Bescheid vom 3. Juli
1992 entnehmen können. Die Erklärung vom Dezember 1991 sei auch weder zurücknehmbar noch widerruflich.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschriften über die Antragspflichtversicherung bestünden nicht. Aus
dem Beschluss des BVerfG von 1985 könne der Kläger keine für ihn günstigen Rechtsfolgen herleiten. Veränderungen
im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung mögen zwar für den Kläger enttäuschend gewesen seien, reichten
aber nicht aus, um die Schmälerung der Rentenanwartschaft verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Bereits seit
dem Rentenreformgesetz 1992 sei die Rentenversicherung erheblich in Fluss geraten, wobei sich auch Vorteile für
Selbständige (wie der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung ohne die selbständige Tätigkeit aufgeben zu
müssen) ergeben hätten. Die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Rentenversicherung unterscheide sich deutlich von der
zu einer privaten Versicherung. Durch die Pflichtversicherung auf Antrag habe der Gesetzgeber selbständig
Erwerbstätige von vornherein vollständig den Pflichtversicherten gleichgestellt. Damit könne das auf Antrag
begründete Pflichtversicherungsverhältnis auch nur aus den gleichen Gründen aufgegeben werden wie die
Pflichtversicherung kraft Gesetzes, nämlich durch Beendigung der pflichtversicherten Tätigkeit. Mit seiner Berufung
macht der Kläger weiter geltend, zur Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses auf Antrag von Verfassungs
wegen berechtigt zu sein. Die Erwartungen an die Rentenhöhe hätten sich seit dem Beginn der Pflichtversicherung
erheblich verschlechtert (Beitragspflicht für Kapitallebensversicherungen ab 1. Januar 2004, Anwendung des vollen
allgemeinen Beitragssatzes in der Krankenversicherung der Rentner ab 1. Januar 2004, zusätzlicher Beitrag in der
Krankenversicherung der Rentner ab 1. Januar 2006, alleinige Beitragsentrichtung zur Pflegeversicherung ab 1. April
2004, Wegfall der pauschalen Höherbewertung von Ausbildungszeiten, Anhebung der Altersgrenze für die
Regelaltersrente, "nachgelagerte Besteuerung" der Altersrenten, Absenkung des Nettostandardrentenniveaus).
Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in Urteilen aus dem Jahr 2005 könne die gesetzliche
Regelung über die Beendigung der Pflichtversicherung auf Antrag nicht abschließend sein. Auch wenn das Institut der
Antragspflichtversicherung etabliert und bekannt sei, könne dies kein Freifahrtschein für jedwede Änderungen der zu
erwartenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Im übrigen wirkten auch in öffentlich-
rechtliche Dauerverhältnisse die zivilrechtlichen Regelungen über Dauerschuldverhältnisse ein, so etwa der allgemeine
Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), und § 314 BGB über deren Kündigung aus
wichtigem Grund. Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 und den
Bescheid der Beklagten vom 14. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2004
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 1. Dezember 2003 aus der Antragspflichtversicherung der
Selbständigen zu entlassen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene
Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Der die Versicherungspflicht feststellende, bestandskräftige Verwaltungsakt vom 3. Juli
1992 ist für die Beteiligten unverändert bindend (§§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG], 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Zehntes Buch [SGB X]). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beseitigung der Wirkungen dieses Verwaltungsaktes,
der einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt (s. zum insoweit ähnlich gelagerten Fall der freiwilligen
Versicherung BSG SozR 4-2600 § 7 Nr. 1 unter 2 a). Als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Wirkungen dieses
Verwaltungsaktes kommt nur § 48 SGB X in Betracht. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft (und nach Maßgabe des Satzes 2 auch für die Vergangenheit) aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben,
eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche Änderung ist hier bisher nicht eingetreten. Die
Pflichtversicherung auf Antrag des Klägers hatte zum 1. Dezember 1991 begonnen. Sie wurde damit noch nach §
1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 in Verbindung mit Satz 2 und 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) begründet. Da der
Gesetzgeber keine andere Regelung getroffen hat, war auf die Pflichtversicherung auf Antrag jedoch nach dem
Außerkrafttreten der RVO ab dem 1. Januar 1992 die Vorschrift des § 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)
anzuwenden, § 300 Abs. 1 SGB VI. Die gesetzlichen Voraussetzungen für das Ende der Versicherungspflicht auf
Antrag sind nicht erfüllt. Als einzigen Tatbestand für eine Beendigung sieht § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI den Wegfall der
Voraussetzungen für die Versicherungspflicht vor, die sich aus § 4 Abs. 1 bis 3 SGB VI ergeben; insoweit ist es bei
dem geblieben, was bereits zuvor seit Einführung der Pflichtversicherung auf Antrag für Selbständige im Jahr 1972
galt (für den Bereich der Rentenversicherung der Arbeiter § 1227 Abs. 1 Satz 3 RVO). Der Kläger übt seit Beginn der
Versicherungspflicht jedoch durchgehend eine selbständige Tätigkeit aus. Ob sich deren Inhalt möglicherweise schon
dadurch geändert hat, dass er inzwischen mehrere Mitarbeiter beschäftigt, hat für die Versicherungspflicht keine
Bedeutung. Das Gesetz sieht im SGB VI (wie auch schon in der RVO) keine Differenzierung nach der Art der
Tätigkeit vor, sondern knüpft an die Person des Selbständigen an. Wenn es angesichts dessen aber nicht möglich ist,
bei Ausübung mehrerer selbständiger Tätigkeiten nebeneinander die Versicherungspflicht auf eine der Tätigkeiten zu
beschränken, so kann auch die nachträgliche Änderung des Inhalts der ursprünglichen Tätigkeit nichts an der einmal
begründeten Versicherungspflicht ändern (s. auch BSG SozR 4-2600 § 4 Nr. 3). Durch einseitige rechtsgestaltende
Erklärung kann der Kläger die Versicherungspflicht nicht beenden. Die Möglichkeit, sie zu begründen, beruht auf
einem durch ein Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrecht und nicht auf einer
Vereinbarung zwischen den Beteiligten. Dieses Recht kann deshalb nur durch ein weiteres Gesetz aufgehoben werden
und ist der Disposition sowohl des Versicherten als auch des Versicherungsträgers entzogen (BSG SozR 4-2600 § 58
Nr. 6, im gleichen Sinn für die freiwillige Versicherung BSG SozR 4-2600 § 7 Nr. 1). Weil es an der Dispositionsfreiheit
fehlt, kann ein Recht auf Beendigung der Versicherungspflicht auch nicht aus Rechtsinstituten des Privatrechts
abgeleitet werden. Sie sind auf die dort herrschende Gestaltungsfreiheit der vertragschließenden Parteien
zugeschnitten. Durch das Gericht kann über die gesetzlichen Vorschriften hinaus kein Austrittsrecht des Klägers
geschaffen werden. Die analoge Anwendung des § 6 SGB VI kommt nicht in Betracht, weil eine dafür erforderliche
planwidrige Regelungslücke nicht zu erkennen ist. Allein der Umstand, dass die Vorschrift die Befreiung von der
Versicherungspflicht auch für bestimmte Gruppen von Selbständigen zulässt, rechtfertigt es nicht anzunehmen, dass
Selbständige wie der Kläger nur versehentlich nicht erwähnt werden. Alle in § 6 SGB VI genannten Gruppen von
Selbständigen haben gemeinsam, dass ihre Versicherungspflicht nach §§ 2 und 3 SGB VI, also kraft Gesetzes ohne
ihr Zutun besteht. Im Gegensatz zu den Versicherungspflichtigen auf Antrag haben sie nicht die Möglichkeit, sich für
oder gegen den Eintritt einer Pflichtversicherung zu entscheiden. Das rechtfertigt es, ihnen unter bestimmten
Voraussetzungen zu gestatten, die Versicherung zu beenden. So erklärt sich etwa das Recht der (nach § 2 Satz 1 Nr.
8 SGB VI versicherungspflichtigen) Gewerbetreibenden in Handwerksbetrieben, von der Versicherungspflicht befreit
zu werden, wenn für sie wenigstens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, dadurch, dass dieser
Personenkreis lediglich verpflichtet sein sollte, eine Grundsicherung für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit
und des Alters aufzubauen. Gerade weil § 6 SGB VI die Befreiung nur für bestimmte Personen- oder Fallgruppen
vorsieht, muss die Vorschrift jedoch als abschließende Regelung betrachtet werden. Die Vorschrift kann (oder muss)
auch nicht "verfassungskonform" erweiternd ausgelegt werden. Aus der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1985
(BVerfGE 71, 1), auf die der Kläger sein Begehren in erster Linie stützt, lässt sich hierfür nichts ableiten. Das BVerfG
hatte gerade nicht das Fehlen eines dauerhaften Rechts zur Beendigung der Versicherungspflicht beanstandet und –
folgerichtig – auch nicht entschieden, dass die bereits damals geltenden Vorschriften über die Befreiung von der
Versicherungspflicht (vor allem §§ 1230 RVO, 7 Angestelltenversicherungsgesetz) "verfassungskonform" erweiternd
auszulegen seien. Vielmehr hat das BVerfG beanstandet, dass der Gesetzgeber anlässlich der konkret in Frage
stehenden Gesetzesänderung (Begrenzung der Bewertung von Ausbildungs-Ausfallzeiten durch das Zwanzigste
Rentenanpassungsgesetz vom 27. Juni 1977, BGBl. I. S. 1040) Übergangsvorschriften nicht geschaffen hatte, welche
den auf Antrag pflichtversicherten Selbständigen die Beendigung der Versicherungspflicht erlaubten; ein solches
Recht zur Befreiung hat es allerdings wiederum nur unter bestimmten Bedingungen als verfassungsgemäß
angesehen, um eine gleichheitswidrige Begünstigung der auf Antrag gegenüber den kraft Gesetzes Pflichtversicherten
zu verhindern. Der Gesetzgeber ist den Vorgaben des BVerfG durch das Siebente Rentenversicherungs-
Änderungsgesetz (vom 19. Dezember 1986, BGBl. I S. 2586) nachgekommen und hat in Art. 2 § 1a
Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ebenso für den Bereich der Angestelltenversicherung in Art. 2 § 1a
Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz) ein bis Ende 1988 befristetes Recht zur Befreiung von der
Versicherungspflicht gewährt, das von vornherein nur denjenigen zugute kam, die einen Antrag auf
Versicherungspflicht vor dem 14. Mai 1977 (also vor Verkündung des dem BVerfG zur Überprüfung gestellten 20.
Rentenanpassungsgesetz) gestellt hatten. Kann aus dem einfachen Recht eine Rechtsgrundlage für das Begehren
des Klägers nicht hergeleitet werden, wäre für den Senat nur in Betracht gekommen, das Verfahren auszusetzen und
dem BVerfG – ähnlich wie in dem Verfahren, das zu seinem Beschluss in BVerfGE 71, 1 führte – die Frage zur
Entscheidung vorzulegen, ob bestimmte Vorschriften von Gesetzen, die zur Verminderung von Rentenanwartschaften
führen (oder führen können), insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sind, als sie für die der gesetzlichen
Rentenversicherung auf Antrag beigetretenen Pflichtversicherten nicht das Recht vorsehen, die Pflichtversicherung
wieder rückgängig zu machen oder zu beenden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2002 – L 10
RA 1566/00, Vorinstanz zu BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 6). Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass
leistungsrechtliche Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung, die im Zeitpunkt der "Kündigung" des Klägers
oder später ergangen sind und voraussichtlich eine Verringerung der für den Kläger zu erwartenden Renten mit sich
bringen, in hier entscheidungserheblicher Weise verfassungswidrig sind.
Soweit sich der Kläger auf die Änderungen im Bereich der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung
bezieht, stellt sich bereits die Frage, ob eine etwaig geschützte Erwartung einer bestimmten Rentenanwartschaft auch
die Erwartung auf eine bestimmte Verteilung der Beitragslast zur Kranken- und Pflegeversicherung erfasst. Soweit der
Kläger auf die zukünftige Besteuerung der Renten abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber damit nur
eine Vorgabe des BVerfG umsetzt, welches die bisher unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1996 als verfassungswidrig ansieht (BVerfGE 105, 73). Im
übrigen kann nicht erkannt werden, dass der Kläger durch die Änderungen des Rentenrechts seit Beginn der
Pflichtversicherung auf Antrag dergestalt in einer verfassungsrechtlich geschützten Erwartung enttäuscht worden sein
könnte, dass ihm ein Recht zu Beendigung der Pflichtversicherung von Verfassungs wegen eröffnet werden müsste.
Für die Annahme, eine Rente in bestimmter Höhe zu erhalten, gilt dies bereits deshalb, weil die Rentenhöhe auch von
der Höhe der versicherten Einnahmen bis zum Eintritt des "Versicherungsfalls" abhängt (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Aus der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1985 (BVerfGE 71, 1) kann der Kläger auch insoweit nichts zu
seinen Gunsten ableiten: Das BVerfG hatte seine Entscheidung damit begründet, dass bei der Prüfung des Art. 14
GG gleichheitswidrige Ergebnisse im Zusammenhang mit der Abwägung zwischen dem Ausmaß des individuellen
Vertrauensschadens und dem öffentlichen Interesse einen eindeutigen Vorrang des öffentlichen Interesses begründet
hätten. Die Einräumung einer Möglichkeit zur Beendigung der Pflichtversicherung auf Antrag sah es nur
ausnahmsweise als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar an, weil die auf Antrag Pflichtversicherten unter
den seinerzeit gegebenen Umständen durch die nachteiligen Gesetzesänderungen "besonders" betroffen waren: Der
Gesetzgeber hatte im Jahr 1972 die gesetzliche Rentenversicherung in weitem Umfang für Selbständige geöffnet, die
zuvor weder kraft Gesetzes pflichtversichert noch zur freiwilligen Versicherung berechtigt waren. Damals veranlasste
gerade die sehr günstige Bewertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten nach dem Durchschnitt ihrer Beiträge die bisher
nicht versicherungsberechtigten Personen, die gesetzlich neu eröffnete Möglichkeit zur Versicherung wahrzunehmen
(so etwa ausdrücklich der Kläger im Ausgangsfall zur Entscheidung BVerfGE 71, 1). Die Änderungen durch das
Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz ab 1. Januar 1978 wirkten sich dann vor allem für solche auf Antrag
Pflichtversicherte deutlich nachteilig aus, die erst im fortgeschrittenen Lebensalter der Pflichtversicherung beigetreten
waren und ihrem Alter entsprechend hohe Beiträge geleistet hatten (s. die Ausgangsfälle in BVerfGE 64, 192). Um
gleichheitswidrige Ergebnisse sowohl gegenüber gesetzlich Pflichtversicherten als auch gegenüber freiwillig
Versicherten zu vermeiden, hat das BVerfG – wie bereits erwähnt – das Austrittsrecht zudem nur als möglich
angesehen, wenn das Pflichtversicherungsverhältnis ohne Beitragserstattung für die Zukunft beendet und für die
Vergangenheit in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis umgewandelt wird und wenn es nur solchen Versicherten
zugebilligt wird, welche durch die geänderte Bewertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten durch das Zwanzigste
Rentenanpassungsgesetz auch tatsächlich betroffen sein konnten. Diese spezifischen Umstände sind für den
Personenkreis, den der Kläger repräsentiert, nicht (mehr) prägend: Selbständige, die erst viele Jahre nach Einführung
der Antragspflichtversicherung beitraten, konnten sich hinreichend über ihre Voraussetzungen und Auswirkungen
unterrichten. Sie mussten sich im besonderen darüber im klaren sein, dass sie mit Eintritt in die Pflichtversicherung
grundsätzlich keinen anderen Status haben würden wie kraft Gesetzes Pflichtversicherte. Angesichts dessen konnten
sie schützenswert lediglich darauf vertrauen, dass ihnen im Versicherungsfall eine Rentenleistung zugute kommt, die
berücksichtigt, dass die Beitragsleistungen für versichertes Einkommen den Schutz des Grundrechts auf Eigentum
genießen; auch dieses Grundrecht lässt dem Gesetzgeber jedoch einen erheblichen Spielraum, im besonderen dann,
wenn es um die rentensteigernde Wirksamkeit von Versicherungszeiten ohne Beitragsleistungen geht (hierzu
stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 1247/07, FamRZ 2007, 1957). Die Entscheidung über
die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG)
liegen nicht vor.