Urteil des LSG Bayern vom 13.03.2002

LSG Bayern: vergleich, anfechtung, widerruf, rente, erwerbsunfähigkeit, auflage, verdacht, zustandekommen, unfallfolgen, irrtum

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.03.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 LW 66/96
Bayerisches Landessozialgericht L 16 LW 55/98
I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.11.1998 wird abgeändert. II. Die Beklagte wird unter Abänderung
des Bescheids vom 12.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.1996 verurteilt, dem Kläger ab
01.12.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. III. Die Beklagte erstattet dem Kläger die Kosten des
Berufungsverfahrens zur Hälfte. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.2000.
Der 1937 geborene Kläger erhält seit 1982 von der LBG eine Dauerrente nach einer MdE von 50 v.H. wegen Zustand
nach offener Schädel-Hirnverletzung mit posttraumatischen Allgemeinbeschwerden, reduzierter Hirnleistungsfunktion
und Wesensänderung. Seit 1982 ist er auch als Schwerbehinderter mit einem GdB von 70 v.H. anerkannt. Seinen
landwirtschaftlichen Betrieb hat er ab 01.03.1996 seiner Tochter überlassen.
Seinen Rentenantrag vom 10.01.1996 lehnte die Beklagte am 12.02.1996 mit der Begründung ab, er sei nicht
erwerbsunfähig. Der Widerspruch wurde am 24.06.1996 zurückgewiesen.
In dem dagegen angestrengten Klageverfahren äußerte der von der Beklagten zugezogene Dr.K. , die unfallbedingte
MdE sei zu hoch bewertet. Gestützt auf die Beurteilung der vollschichtigen Leistungsfähigkeit durch einen gemäß §
109 SGG gehörten Sachverständigen wies das Sozialgericht Regensburg die Klage am 04.11.1998 ab.
Gegen das am 25.11.1998 zugestellte Urteil legte der Kläger am 16.12.1998 Berufung ein. Laut den beigezogenen
Akten der LBG wurde der Kläger am 27.04.1999 zur Nachprüfung der MdE von Dr.N. untersucht. Er schätzte die MdE
für die Unfallfolgen ebenso wie in seinem vorangegangenen Gutachten im Auftrag der LBG vom 27.06.1996 auf 50
v.H. ein. Auf Veranlassung des Gerichts wurde der Kläger von dem Orthopäden Dr.P. untersucht. Dieser schrieb in
seinem Gutachten vom 28.11.2000, angesichts der gesamten Erkrankungen und der Situation nach dem erlittenen
Unfall sei eine Berentung angezeigt. Der Gesundheitszustand habe sich bei zunehmendem Alter progredient
verschlimmert und bestehe zumindest seit einem Jahr. Der internistische Sachverständige Dr.E. kam nach
ambulanter Untersuchung am 07.11.2000 zusammenfassend unter Einbeziehung der orthopädischen und
nervenärztlichen Gesundheitsstörungen zu dem Ergebnis, der Kläger sei in der Ausübung sämtlicher vorstellbarer
Tätigkeiten erheblich beeinträchtigt, so dass Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert unzumutbar seien.
Dr.K. hielt das Gutachten Dr.P. angesichts der nachgereichten Befunde für unbrauchbar und merkte an, wegen
Verschlimmerung chronischer Krankheiten im Altersgang sei allenfalls ab dem Untersuchungstag keine vollschichte
Erwerbstätigkeit mehr abzuverlangen. Daraufhin erklärte die Beklagte am 30.01.2001 die Bereitschaft, ab 01.12.2000
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren und die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu übernehmen.
Dieses Angebot lehnte der Klägerbevollmächtigte am 15.02.2001 mit der Begründung ab, der Kläger sei mindestens
seit November 1999 oder früher erwerbsunfähig. Mit Schreiben vom 01.03.2001 antwortete die Beklagte, es bleibe
beim Vergleichsangebot vom 30.01.2001 mit der Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember
2000. Die Ansprüche davor würden als unbegründet zurückgewiesen.
Zu der Frage, welche Gesundheitsstörungen beim Kläger vom 01.03.1996 bis Dezember 2000 vorliegen, erstellte
Dr.N. im Auftrag des Gerichts am 25.07.2001 ein Gutachten nach Aktenlage. Er führte aus, zu Recht habe Dr.K. die
zu hohe MdE für die Unfallfolgen beklagt. Der Verdacht auf beginnende Polyneuropathie sei aufgrund der
Untersuchungsergebnisse von 1999 nicht zu bestätigen. Beim Kläger seien lediglich qualitative
Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen und altersbedingte psychische Veränderungen führten zu keinen
objektiven zusätzlichen Einbußen. Der weitere Sachverständige und Orthopäde Dr.G. hielt in seinem Gutachten vom
07.09.2001 für die Zeit vom 01.03.1996 bis Dezember 2000 nach Aktenlage ebenfalls ein vollschichtiges
Leistungsvermögen für gegeben.
Am 02.10.2001 ging bei Gericht ein Schriftsatz der Beklagten ein, wonach die Dres.N. und G. den Kläger derzeit noch
für vollschichtig leistungsfähig hielten, so dass die Grundlage für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits-Rente
entzogen sei. Das Vergleichsangebot vom 30.01.2001 werde nicht mehr aufrechterhalten.
Am 04.10.2001 ging bei Gericht der Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 02.10.2001 ein, wonach der Kläger
nun das Vergleichsangebot der Beklagten vom 30.01.2001, also die Rentengewährung ab 01.12.2000, annimmt.
Am 06.11.2001 teilte er ergänzend mit, der Widerruf sei ihm erst am 08.10.2001 zugegangen.
Die Beklagte wandte ein, der Widerruf eines Vergleichsangebotes stelle eine Prozesshandlung dar, die an das Gericht
zu adressieren sei, daher rechtzeitig zugegangen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.11.1998 ebenso abzuändern wie den Bescheid der Beklagten vom
12.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1996 und die Beklagte zu verurteilen, ab
01.12.2000 Erwerbsunfähigkeitsrente zu gewähren und die Verfahrenskosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg, der
Akten der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, der Akten des AVF Regensburg sowie der Berufungsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsren- te ab 01.12.2000. Mit der Erklärung vom 02.10.2001,
das Vergleichsangebot der Beklagten vom 30.01.2001 anzunehmen, hat der Kläger seinen ursprünglichen Antrag auf
Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.03.1996, hilfweise ab 01.04.1997, fallen gelassen.
Die statthafte form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und erweist sich auch als begründet. Das Urteil
des Sozialgerichts Regensburg vom 04.11.1998 ist ebenso abzuändern wie der Bescheid der Beklagten vom
12.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1996. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung
von Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.12.2000. Grundlage hierfür ist der am 04.10.2001 abgeschlossene
außergerichtliche Vergleich.
Unstreitig hat die Beklagte am 01.03.2001 ihre Bereitschaft wiederholt, ab 01.12.2000 Erwerbsunfähigkeitsrente zu
gewähren und die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu übernehmen. Das dabei in Bezug genommene Angebot
vom 30.01.2001 hatte der Kläger am 15.02.2001 abgelehnt. Weil die Beklagte aber mit Schriftsatz vom 01.03.2001 ihr
Angebot wiederholt hat, ist es nicht durch Ablehnung erloschen (§ 146 BGB). Diese Erklä- rung hat die Beklagte
selbst als Vergleichsangebot bezeichnet; sie sollte die nach dem zweifellos mangelhaften Gutachten Dr.P.
entstandene Ungewissheit über das Ausmaß des verbliebenen Leistungsvermögens beenden. Keinesfalls gab die
Beklagte damit "ohne Drehen und Wenden" zu, dass sich das Begehren des Klägers aus dem von ihm behaupteten
Tatbestand ergibt, wie dies von einem Anerkenntnis gefordert wird (Meyer- Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 101 Rdz.20).
Die Beklagte unterbreitete also am 01.03.2001 einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag.
Vor der Annahme dieses Angebots am 04.10.2001 durch den Klägerbevollmächtigten ist das Angebot nicht wirksam
zurückgenommen worden. Für das Zustandekommen des außergerichtlichen Vergleichs sind die Vorschriften der §§
145 ff. BGB über das Zustandekommen von Verträgen anzuwenden. Dies ergibt sich aus § 61 SGB X, nachdem der
außergerichtliche Vergleich einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 101 SGG Rdz.18,
von Wulffen, SGB X, Kommentar 4. Auflage, § 61 Rdz.4 a). Die Annahme eines Vertragsantrages braucht ge- mäß §
151 Satz 1 BGB unter anderem dann nicht dem Antragsgegner gegenüber erklärt zu werden, wenn dieser auf eine
solche Erklärung verzichtet hat. Diese Vorschrift gestattet dem Antragenden deshalb auch einen eingeschränkten
Verzicht dahingehend, dass auch eine an einen Dritten gerichtete Annahmeerklärung als ihm gegenüber abgegeben
gelten soll, wenn sie den Willen der Vertragsannahme unmissverständlich erkennen lässt (BAG vom 04.12. 1980, Az.:
2 AZR 938/78 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Wie in vergleichbaren Fällen sollte die Annahme des
Vergleichsvorschlages dem Gericht gegenüber erklärt werden und damit der Vergleich zustandekommen. Dies ist am
04.10.2001 geschehen.
Zwar ist davor, nämlich am 02.10.2001 der Widerruf des Angebots der Beklagten bei Gericht eingegangen. Ein solcher
war jedoch nicht vorbehalten. Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden,
es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat (§ 145 BGB). Ebenso wie das nicht angenommene
Anerkenntnis bewirkt, dass der Anerkennende an dessen materiell-rechtlichen Inhalt gebunden bleibt (BSG vom
29.04.1969, Az.: 10 RV 12/68 m.w.N.), bewirkt der nicht verbrauchte Vergleichsvorschlag, dass die Vertragspartei
gebunden bleibt, wenn der Widerruf dem Empfänger nicht gleichzeitig mit dem Angebot zugeht (§ 130 Abs.1 BGB).
Ein wirksamer Widerruf ist also nicht erfolgt.
Soweit der Widerruf als Anfechtung des Vergleichsangebots auszulegen wäre, ist diese verspätet erfolgt. Die
Unterbreitung eines außergerichtlichen Vegleichsvorschlags ist keine Prozesshandlung, so dass auf die Wirksamkeit
der Anfechtung wiederum die Vorschriften des BGB Anwendung finden. Anders als in der von der Beklagten zitierten
BSG-Entscheidung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Gericht und nicht der Kläger
Adressat der Anfechtung sein soll. Das BSG hat in einem Fall entschieden, in dem sich die Beklagte in einem
Prozessvergleich den Widerruf vorbehalten hatte und diesen Widerruf wieder gegenüber dem Gericht erklärt hat.
Vorliegend besteht weder eine auslegungsfähige Vereinbarung noch hilft eine § 151 BGB vergleichbare Vorschrift für
Willenserklärungen weiter. § 143 BGB bestimmt vielmehr, dass die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem
Anfechtungsgegner erfolgt. Nachdem die Anfechtung den Klägerbevollmächtigten aber erst am 08.10.2001 erreicht
hat, kann sie den Bestand des am 04.10.01 geschlossenen Vergleichsvertrags nicht mehr gefährden.
Der Vergleich ist auch nicht durch eine erfolgreiche Anfechtung wegen Irrtums unwirksam geworden. Der materiell-
rechtliche Vergleich kann grundsätzlich entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung
einer Willenserklärung mit Auswirkungen auf den gesamten Prozessvergleich beseitigt werden (BSG vom 01.04.1981
in Sozialversicherung 1981, 243 ff.). Ausgenommen ist aber in jedem Fall als Anfechtungsgrund naturgemäß ein
Irrtum, der sich auf einen streitigen oder ungewissen Punkt als Gegenstand des Vergleichs bezieht (BSG a.a.O.,
m.w.N.). Die Beklagte macht geltend, die gerichtlich bestellten Sachverständigen hielten den Kläger derzeit noch für
erwerbsfähig, so dass die Grundlage des Vergleichsangebots entfallen sei. Dies wäre nur dann rechtserheblich, wenn
dadurch die Grundlage des Vergleichs entsprechend § 779 Abs.1 BGB entfiele. Ein Vertrag, durch den der Streit oder
die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, ist
unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit
nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Als
feststehend zugrunde gelegt ist der unstreitige Sachverhalt anzusehen, von dem die Parteien bei Abschluss des
Vergleichs ausgehen, der also von ihnen nach dem Inhalt des Vergleichs als Grundlage und wesentliche
Voraussetzung für die erzielte Beilegung ihres Streits betrachtet wird und sich außerhalb des Streits oder der
Ungewissheit befindet (Palandt, BGB, 61. Auflage, § 779 Rdz.15). Ausgeschlossen von der Anfechtung ist jeder
Irrtum, der sich auf einen durch den Vergleich erledigten umstrittenen oder ungewissen Punkt bezieht (Palandt a.a.O.,
Rdz.26). Umstrittener Punkt des Vergleichs ist gerade, ob und ab wann der Kläger erwerbsunfähig ist. Dieser
ungewisse Punkt kann nach dem Vergleichsabschluss nicht erneut Diskussionsgegenstand sein.
Es mag sein, dass die Beklagte unzulässige Rechtsausübung geltend machen könnte, wenn der
Klägerbevollmächtigte auf einen als irrig erkannten Vergleich ein Urteil verlangte. Ein entsprechender Antrag wäre
rechtsmissbräuchlich (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Auflage Einführung §§ 306, 307 Rdz.8). Ob
der Kläger ab November 2000 erwerbsunfähig ist, ist derzeit ebenso ungewiss wie zum Zeitpunkt des
Vergleichsangebots am 01.03. 2001. Damals hatte Dr.K. die Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen E.
und P. für nicht überzeugend befunden und lediglich wegen einer möglichen Verschlimmerung der
Gesundheitsstörungen im Altersgang unabhängig vom Gutachten Dr.P. eine vollschichtige Erwerbstätigkeit für fraglich
erklärt. Diese Ungewissheit ist durch die späteren Gutachten Dr.N. und Dr.G. nicht beseitigt worden. Sie haben den
Kläger danach nicht mehr untersucht, sondern sich entsprechend dem Auftrag des Gerichts zu den Auswirkungen der
Gesundheitsstörungen im Zeitraum vom 01.03.1996 bis Dezember 2000 geäußert. Woraus die Beklagte ableitet, dass
der Kläger derzeit nicht erwerbsunfähig ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Sachverständigen haben lediglich die
Ansicht Dr.K. bestätigt, dass weder die nervenärztlichen Befunde noch die von Dr.P. erhobenen Befunde ausreichen,
Erwerbsunfähigkeit zu begründen. Über den Zustand ab Dezember 2000 konnten und sollten die Sachverständigen
keine Beurteilung abgeben. Wenn Dr.N. den von Dr.E. geäußerten Verdacht auf Polyneuropathie unter Bezugnahme
auf sein Gutachten 1999 nicht bestätigt, kann daraus nicht auf eine Beweiswertminderung des Gutachtens von Dr.E.
geschlossen werden. Dr.E. hat ja gerade lediglich den Verdacht geäußert. Wenn Dr.N. schreibt, altersbedingte
psychische Veränderungen führten zu keinen objektivierbaren zusätzlichen Einbußen, so kann er sich lediglich auf
seine Befunderhebung im Jahre 1999 stützen. Später sind keine nervenärztlichen Befunde erhoben worden und der
Vergleichsvorschlag basierte auch lediglich auf einer entsprechenden Vermutung Dr.K ... Die Ausgangslage des
Vergleichsvorschlags von März 2001 hat sich als in keiner Weise verändert, so dass der Vergleich nicht als eindeutig
falsch zu qualifizieren ist. Dr.E. und Dr.P. haben übereinstimmend angesichts der orthopädischen und
nervenärztlichen Einschränkungen und nach aktueller ambulanter Untersuchung ein vollschichtiges
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeits- markt für ausgeschlossen erachtet.
Wenn dem die Dres.N. und G. für die Zeit davor nach Aktenlage nicht zustimmen können, ist damit keine Gewissheit
über den derzeitigen Stand getroffen. Dies hätte allenfalls durch eine neuerliche Untersuchung geklärt werden können,
die sich jedoch angesichts des wiederholten Vegleichsangebots der Beklagten und dessen Bindungswirkungen
erübrigte.
Vor diesem Hintergrund ist deutlich, dass der Vergleichsvertrag auch nicht nichtig im Sinne des § 58 SGB X ist. Eine
Nichtigkeit in diesem Sinn setzt einen besonders schweren formellen oder sachlichrechtlichen Fehler voraus, der
außerdem offenkundig sein muss (BSGE 24, 162, 165, 167 f.). Ein solcher Mangel besteht nur beim Widerspruch zu
Zweck- und Wertvorstellungen, die der Rechtsordnung zugrunde liegen; sie müssen ein solches Gewicht haben wie
die Verfahrens- und Formfehler, die kraft ausdrücklicher Vorschrift einen Verwaltungsakt nichtig machen. Eine
einfache Abweichung vom Gesetz genügt nicht. Selbst wenn der Kläger nicht erwerbsunfähig wäre, wäre die
Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente nicht als außer Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig zu beurteilen,
nachdem ihre Tatsachen- und Rechtsgrundlage im Gerichtsverfahren umstritten gewesen und der Streit darüber durch
einen Prozessvergleich beendet worden ist (BSG vom 1. April 1981 a.a.O.).
Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 59 SGB X berufen und den Vergleichsvertrag als besonderen Fall kündigen.
Vorausetzung hierfür wäre, dass sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend
gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass der Beklagten das Festhalten an
der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten wäre. Nachdem der Vertrag erst am 04.10.2001
geschlossen worden ist, kommt diese Anspruchsgrundlage von vornherein nicht in Betracht.
Aus diesen Gründen ist der außergerichtliche Vergleich als wirksam zu beurteilen, so dass der Kläger einen Anspruch
auf Erfüllung des gemäß § 54 SGB X zulässigen Vergleichsvertrags hat.
Die Kostenentscheiung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.