Urteil des LSG Bayern vom 22.02.2011

LSG Bayern: versorgung, fristlose kündigung, wichtiger grund, treu und glauben, aufruf, vergütung, bayern, abmahnung, erlass, erfüllungsgehilfe

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 39 KA 1248/10 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 2/11 B ER
I. Die Beschwerden des Antragstellers und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
21.01.2011 werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführer.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer, der Antragsteller und die Beigeladene, wenden sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts
München (SG) vom 21.01.2011, mit dem der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Fortführung des
Hausarztvertrages abgelehnt wurde.
1.
Der Antragsteller (BHÄV) ist ein als eingetragener Verein organisierter Berufsverband der Hausärzte in Bayern und
vertritt nach eigenen Angaben etwa 80 % der im Freistaat tätigen Hausärzte.
Die Beigeladene (HÄVG) ist eine genossenschaftlich organisierte Vertragsgemeinschaft mit Sitz in D-Stadt, die 2003
gegründet wurde. Sie steht Hausärzten, die Mitglied im Deutschen Hausärzteverband sind, Gemeinschaftspraxen und
anderen Personen und Gesellschaften, deren Mitgliedschaft im Interesse der Genossenschaft liegt, offen (§ 3 der
Satzung). Ihre satzungsmäßige Aufgabe ist insbesondere der Abschluss von (Rahmen-) Verträgen mit Kostenträgern
im Gesundheitswesen über Art und Inhalt der Leistungserbringung und die Vergütung, ferner die Erbringung
verschiedener Service- und Dienstleistungen (§ 2 der Satzung).
Am 12.02.2009 schloss die Antragsgegnerin mit der Beigeladenen einen Vertrag zur Durchführung einer
hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b SGB V "in Kooperation mit und ermächtigt durch" den Antragsteller. Da
der erkennende Senat im Beschluss vom 03.07.2009 (L 12 KA 33/09 B ER, Breithaupt 2009, 763; Hinweis: In Juris
irrtümlich Entwurfsfassung vom 27.06.2009 veröffentlicht) ausführte, die Kompetenz zum Abschluss eines
Selektivvertrages nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V könne nicht auf einen Dritten delegiert werden (Orientierungssatz
2), so dass kein wirksamer Vertrag vorliege, schlossen die Antragsgegnerin und der Antragsteller sowie die
Beigeladene am 03.09.2009 eine "1. Änderungsvereinbarung zum Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten
Versorgung gem. § 73b SGB V vom 12.02.2009". Nach Nr. 2 der Präambel wollten die Vertragspartner "die
Vertragspflichten des HzV-Vertrages zwischen BHÄV und HÄVG entsprechend umverteilen. Damit soll erreicht
werden, dass der BHÄV sämtliche tragenden Funktionen des bestehenden HzV-Vertrages übernimmt und die HÄGV
den BHÄV und die AOK bei der technischen und administrativen Umsetzung des Vertrages umfassend unterstützt". §
1 der Vereinbarung lautet:
"(1) Die Vertragspartner sind sich einig, dass der BHÄV als Vertragspartner der AOK die Durchführung der
hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe des HzV-Vertrages übernimmt und gegenüber der AOK und den
teilnehmenden Ärzte die Abrechnung vornimmt. Die AOK schuldet dem BHÄV hierfür die im HzV-Vertrag vereinbarte
Vergütung.
(2) Die Vertragspartner sind sich weiter einig, dass die Erfüllung bestimmter vertraglicher Aufgaben von der HÄGV als
Dienstleistungsgesellschaft übernommen wird. Durch die Einbindung der HÄGV in den HzV-Vertrag wird die
Verantwortung des BHÄV für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten nicht berührt. Der BHÄV steht im Verhältnis
zur AOK auch für die Abwicklung seiner vertraglichen Pflichten durch die HÄGV ein.
(3) Die HÄGV kann als Erfüllungsgehilfe mit Zustimmung der AOK durch den BHÄV zur Abgabe und zum Empfang
von Willenserklärungen und zur Vornahme von rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen mit Wirkung für und gegen den
BHÄV bevollmächtigt werden ..."
Diese Änderungsvereinbarung ist unterzeichnet von den Vertretern der Antragsgegnerin, des Antragstellers und der
Beigeladenen. Bestandteil der Vereinbarung als Anlage ist der "HzV-Vertrag i.d.F. der 1. Änderungsvereinbarung" (§
2).
Dieser HzV-Vertrag in der Fassung vom 03.09.2009 bestimmt in der Präambel: "Durch den Abschluss des HzV-
Vertrages ... wird die gesamte hausärztliche Versorgung ... weiterhin nur durch zugelassene Leistungserbringer
durchgeführt." § 2 Abs. 6 Satz 1 enthält die Verpflichtung des Antragstellers, "die vertraglich vereinbarte HzV mit
entsprechend qualifizierten Hausärzten durchzuführen und das zentrale Vertragsmanagement zur Umsetzung des
Vertrages zu übernehmen." Entsprechend verpflichtet sich der Antragsteller in § 9 Abs. 1 gegenüber der
Antragsgegnerin zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b SGB V durch Hausärzte, die die
Teilnahmevoraussetzungen im Sinne des Vertrages erfüllen, d.h. einen Vertragsarztsitz in Bayern haben (§ 5 Abs. 1
lit. b). Nach § 9 Abs. 4 ist der Antragsteller berechtigt, sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen
gegenüber der AOK der Beigeladenen und sonstiger Dritter zu bedienen. § 9 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 lauten:
"Mit dem Einsatz der HÄVG als Erfüllungsgehilfe des BHÄV nach Maßgabe dieses Vertrages ist die AOK
einverstanden. Das Innenverhältnis zwischen dem BHÄV und den vom BHÄV eingesetzten Dritten ist zwischen
diesen zu regeln. Die Verpflichtungen des BHÄV gegenüber der AOK werden durch den Einsatz der HÄVG oder eines
Dritten nicht berührt."
§ 11 Abs. 1 verpflichtet die Antragsgegnerin, "für die nach diesem Vertrag geschuldeten oder erbrachten Leistungen
an den BHÄV bzw. auf dessen Weisung an die HÄVG oder ein von ihr benanntes Rechenzentrum ... die vertraglich
vereinbarte Vergütung ... zu zahlen." Diese Zahlung der Antragsgegnerin an die Beigeladene "als Zahlstelle des
BHÄV" erfolgt mit schuldbefreiender Wirkung (§ 12 Abs. 4). Nach § 12 Abs. 2 haben die teilnehmenden Vertragsärzte
ihrerseits einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die von ihnen erbrachten Leistungen "gegenüber dem BHÄV".
Nach § 13 führt die Beigeladene das Abrechnungsverfahren für den Antragsteller durch. Im Beirat (§ 17) haben
Antragsteller und Antragsgegner je zwei stimmberechtigte Vertreter; der Beigeladene hat keine stimmberechtigten
Vertreter.
Eine Kündigung des Vertrags hat "gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei zu erfolgen" (§ 18 Abs. 3 Satz 2). Bei
einer Kündigung durch den Beigeladenen wird der Vertrag zwischen den übrigen Vertragspartnern fortgesetzt (§ 18
Abs. 3 Satz 3).
Mit Blick auf die Vertragsanpassung forderten der Antragsteller und die Beigeladene alle Teilnehmer mit Schreiben
vom 26.10.2009 auf, eine Zustimmungserklärung zur Änderungsvereinbarung zurückzusenden. Sie wiesen darauf hin,
dass dem Antragsteller sämtliche tragenden Funktionen des bestehenden HzV-Vertrages als Vertragspartner oblägen
und "er die Durchführung der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach Maßgabe des HzV-Vertrages" vornehme.
Zur Regelung des Innenverhältnisses entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 7 des HzV-Vertrages schlossen der Antragsteller
und die Beigeladene eine Kooperationsvereinbarung, die in der Präambel ausführt:
"Zur Sicherstellung der Erfüllung der Pflichten aus dem HzV-Vertrag darf sich der BHÄV geschäftsbesorgender Dritter
als Erfüllungsgehilfen bedienen ... Nach den Bestimmungen der HzV-Verträge haben der BHÄV und die von diesem
eingesetzten Erfüllungsgehilfen das Innenverhältnis vertraglich zu regeln. Vor diesem Hintergrund schließen die
Vertragsparteien dies als Vertragsbestandteil vorangestellt folgende Kooperationsvereinbarung."
§ 1 Nr. 4 erlaubt der Beigeladenen, sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten qualifizierter Dritter zu bedienen, wobei
der Antragsteller ein Widerspruchsrecht hat. Nach § 1 Nr. 5 ist der Antragsteller seinerseits berechtigt, bestimmte
nach dem HzV-Vertrag von ihm zu erbringende Dienstleistungen durch die Hausärztliche Service- und
Wirtschaftsgesellschaft mbH (HSW GmbH) erfüllen zu lassen, die darüber hinaus Sach- und Geldmittel für
Arbeitsgruppen, für die Mitglieder, insbesondere für die Vorstandsmitglieder des BHÄV zur Verfügung stellt.
2.
Der Antragsteller organisierte 2007/2008 erfolglos einen kollektiven Zulassungsverzicht bayerischer Hausärzte. Nach
Inkrafttreten der Neufassung des § 73 b SGB V verfolgte er die Option des Systemausstiegs vorübergehend nicht
mehr. Als im Sommer 2010 Pläne des Bundesministers für Gesundheit bekannt wurden, dass § 73 b SGB V geändert
werden solle, berief der Antragsteller mit Schreiben vom 12.07.2010 eine Mitgliederversammlung am 21.07.2010 in
Nürnberg ein, auf der über den "Ausstieg aus dem Kollektivvertragssystem" Beschluss gefasst werden sollte. Nach
der Reform des § 73 b SGB V im Herbst 2010 propagierte der Antragsteller dann, ein Systemumstieg sei ohne
Alternative. So wandte sich der Vorstand des Antragstellers zum Beispiel in einem Schreiben vom 08.11.2010 an die
Hausärztinnen und Hausärzte Bayerns: "Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 26.01.2011 findet die Urabstimmung
über die Zukunft der bayerischen Hausarztpraxen ... statt. Wer sich bei dieser Abstimmung nicht für den Ausstieg
entscheidet, sendet ein klares Signal an die Kassen und an die Politik, dass wir die Existenzgefährdung unserer
Praxen und der hausärztlichen Versorgung der Bevölkerung ohne Gegenwehr hinnehmen und dass er mit RLV und
QZV und unter den Repressalien einer Zwangsmitgliedschaft der Körperschaft weiter leben möchte". Nach der Wahl
zur Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, die für den Antragsteller sehr erfolgreich war,
rief der Landesvorsitzende des Antragstellers, Dr. H. in einem weiteren Rundschreiben vom 29.11.2010 an alle
Hausärztinnen und Hausärzte Bayerns erneut zum Systemumstieg auf.
Daraufhin kündigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 03.12.2010 gegenüber dem Antragsteller den HzV-Vertrag
aus wichtigem Grunde. Sie wies darauf hin, dass der BHÄV in den vergangenen Wochen wiederholt seine Mitglieder
öffentlich aufgerufen habe, im Rahmen einer Vollversammlung am 26.01.2011 auf die vertragsärztlichen Zulassungen
zu verzichten und aus dem System auszusteigen. Der Aufruf zum Systemausstieg sei in mehreren Tageszeitungen
und in Rundschreiben an die bayerischen Hausärzte veröffentlicht worden, zuletzt im Rundschreiben vom 29.11.2010.
Ferner habe der BHÄV angekündigt, die Krankenkassen nach dem Systemausstieg durch Praxisschließungen zum
Abschluss neuer Selektivverträge zwingen zu wollen. Vertraglich habe sich der BHÄV gegenüber der Antragsgegnerin
zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung durch zugelassene Vertragsärzte verpflichtet. Mit dem Aufruf
zum Systemausstieg und damit zum kollektiven Zulassungsverzicht erkläre der BHÄV daher, seine vertraglichen
Pflichten gegenüber der AOK Bayern nicht mehr erfüllen zu wollen. Der Aufruf zum Systemausstieg mache eine
Fortsetzung des Hausarztvertrages für die AOK unzumutbar. Die AOK Bayern sehe sich daher gezwungen, den HzV-
Vertrag aus wichtigem Grund nach § 18 Abs. 6 HzV-Vertrag zu kündigen. Der BHÄV könne die Kündigung nur
abwenden, wenn er bis spätestens 14.01.2010 nachweise, dass er den Aufruf zum Systemausstieg durch öffentliche
Erklärung sowie durch Rundschreiben an alle seine Mitglieder zurückgenommen habe und er keinen kollektiven
Zulassungsverzicht mehr betreiben oder unterstützen werde.
Mit Schreiben vom 06.12.2010 an die Antragsgegnerin bot der Landesvorsitzende des Antragstellers Dr. H. an, "die
Systemausstiegsdiskussion zu beenden", falls eine Verlängerung des Hausarztvertrages bis 31.12.2015 akzeptiert
werde. Die als Anlage vom BHÄV übersandte Fassung sah neben der Geltungsdauer bis 31.12.2015 unter anderem
auch eine Streichung der Meistbegünstigungsklausel vor sowie eine wesentlich erweiterte Fortgeltung der
Einschreibung Versicherter. Im Gegenzug würde der Antragsteller eine Absenkung der Leistungsobergrenze auf 76
EUR ab dem 1. Quartal 2011 (78 EUR ab 2014) akzeptieren. Aus organisatorischen Gründen werde um die
Rücksendung eines unterschriebenen Exemplars bis Freitag, 10.12.2010 gebeten.
Am selben Tag teilte der Antragsteller seinen Mitgliedern mit, dass die Entscheidung über den Systemausstieg auf
den 22.12.2010 vorverlegt werde. "Sollte die AOK Bayern dieser Vertragsänderung nicht zustimmen, bleibt an diesem
Tag nur mehr die Entscheidung über den Systemumstieg".
Daraufhin übersandte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.12.2010, das durch Boten überbracht wurde, die
fristlose Kündigung des HzV-Vertrages aus wichtigem Grund mit einer zweiwöchigen Auslauffrist bis zum 31.12.2010
zur technischen Umstellung der Versorgung. Der Antragsteller habe versucht, die Antragsgegnerin unter Androhung
eines rechtswidrigen Systemausstiegs zu Änderungen des bestehenden HzV-Vertrages zu zwingen. Am 12.12.2010
habe der BHÄV zudem seinen Mitgliedern Formblätter zum Zulassungsverzicht zugesandt und die bayerischen
Hausärzte aufgefordert, entsprechende Verzichtserklärungen abzugeben. Der erneute Aufruf zu einem rechtswidrigen
Systemausstieg berechtige bereits für sich genommen die AOK zur Kündigung des bestehenden Vertrages aus
wichtigem Grund. Hinzu komme, dass der BHÄV nunmehr in sachwidriger Weise versuche, die AOK Bayern unter
Drohungen zum Abschluss eines nicht akzeptablen HzV-Vertrages zu zwingen.
Mit Schreiben vom 17.12.2010 setzte der Landesvorsitzende des Antragstellers der Antragsgegnerin eine Frist bis
21.12.2010, 12:00 Uhr, dem BHÄV gegenüber schriftlich zu erklären, dass aus der Kündigungserklärung vom
16.12.2010 keine Rechtsfolgen hergeleitet würden.
Am 22.12.2010 fand in Nürnberg eine Versammlung der Hausärztinnen und Hausärzte statt, bei der über den
kollektiven Zulassungsverzicht und damit über den Systemausstieg abgestimmt wurde. Dabei wurde das Quorum von
60 % nicht erreicht. Daraufhin trat der Landesvorsitzende des Antragstellers Dr. H. am 23.12.2010 "von allen Ämtern"
zurück. Am 27.12.2010 erklärte der Antragsteller, den Systemausstieg nicht weiter zu verfolgen.
3.
Am 23.12.2010 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den am 12.02.2009 geschlossenen hausarztzentrierten
Versorgungsvertrag gemäß § 73 b Abs. 4 SGB V in der Fassung vom 03.09.2009 bis zur rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Vertrages durch die
Antragsgegnerin vom 03.12.2010 und vom 16.12.2010 fortzuführen und die entsprechenden
Versichertenverzeichnisse gemäß § 11 Abs. 4 des HzV-Vertrages unverzüglich an den Antragsteller zu übermitteln.
Zur Begründung trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass die außerordentliche Kündigung nur gegenüber dem
Antragsteller, nicht jedoch gegenüber der Beigeladenen, die ebenfalls Vertragspartei sei, ausgesprochen worden sei.
Damit sei sie formell unwirksam. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung vom 16.12.2010 aus denselben
Gründen erfolgt, aus denen die Antragsgegnerin den Antragsteller am 03.12.2010 abgemahnt habe. Damit sei die
Kündigung materiell unwirksam. Die Antragsgegnerin sei an die gesetzte Abhilfefrist bis 14.01.2011 gebunden. Ferner
liege kein wichtiger Grund vor, der eine außerordentliche Kündigung des Vertrages rechtfertige. Der Antragsteller habe
sich stets vertragstreu gezeigt und die von ihm geschuldeten Leistungen erbracht. Vielmehr habe die Antragsgegnerin
Anfang 2010 vertragswidrig die Vergütung von 84,09 EUR auf 76 EUR gekürzt. Das berufspolitische Engagement des
Antragstellers als Berufsverband sei verfassungsrechtlich geschützt. Ein Anordnungsgrund ergebe sich aus der
Eilbedürftigkeit, es drohe der Zusammenbruch der ambulanten ärztlichen Versorgung in Bayern, außerdem drohe dem
Antragsteller sowie der Beigeladenen ein nicht rückgängig zu machender Schaden.
Die Antragsgegnerin führte demgegenüber aus, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, weil auf ihre
Abmahnung der Antragsteller sein rechtswidriges Verhalten verstärkt und zudem versucht habe, sie unter Drohungen
zum Vertragsabschluss zu zwingen. Die Kündigung sei formell wirksam, da die Beigeladene nicht in gleicher Weise
wie der Antragsteller in den Vertrag eingebunden sei. In der 1. Änderungsvereinbarung vom 03.09.2009 sei
unmissverständlich klargestellt, dass die Beigeladene nur Erfüllungsgehilfe des Antragstellers sei. Die Kündigung sei
auch materiell wirksam, da ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorliege. Die Aufrufe des Antragstellers zum
Systemausstieg stellten für sich genommen einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Der Antragsteller habe seine
Mitglieder zu einem rechtswidrigen Verhalten zulasten der Versicherten der Antragsgegnerin aufgerufen und damit
zugleich erklärt, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin nicht mehr erfüllen zu wollen.
Eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei vor diesem Hintergrund nicht zumutbar. Eine Bindung an die mit
Schreiben vom 03.12.2010 gesetzte Abhilfefrist stehe der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 16.10.2010 nicht
entgegen. Mit dem Versuch, die Antragsgegnerin zum Abschluss eines neuen Vertrages zu zwingen, habe der
Antragsteller einen neuen, zusätzlichen Kündigungsgrund geschaffen. Auch ein Anordnungsgrund bestehe nicht. Ein
Versorgungsnotstand zulasten der Versicherten trete durch die Kündigung des Vertrages nicht ein, die Versorgung
erfolge vielmehr im Rahmen des Kollektivvertragssystems. Die Vergütung der Ärzte sei ebenfalls sichergestellt. Die
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns habe die bayerischen Hausärztinnen und Hausärzte mit Schreiben vom
27.12.2010 darüber informiert, dass die Leistungen über sie abgerechnet werden könnten.
Die Beigeladene rügte, dass eine Kündigung ihr gegenüber unterblieben sei. Sie sei jedoch Partei des HzV-Vertrages,
sie sei im Rubrum des Vertrages ausdrücklich als Vertragspartner aufgeführt und habe ihn unterzeichnet. Auch sei ihr
gegenüber eine Abmahnung nicht ausgesprochen worden. Im Übrigen schließe sie sich den Ausführungen des
Antragstellers an.
Mit Beschluss vom 19.01.2011 wies das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Es sei
mehr als zweifelhaft, ob die Beigeladene ein Vertragspartner der Antragsgegnerin sei. Im Übrigen könne im
Ausnahmefall eine Kündigung auch nur einem Vertragspartner gegenüber erklärt werden. Dies sei hier der Fall.
Gemäß § 242 BGB könnten sich weder der Antragsteller noch die Beigeladene in zulässiger Weise darauf berufen,
dass die Kündigung auch gegenüber der Beigeladenen hätte erklärt werden müssen. Schließlich hätten alle Beteiligten
in der 1. Änderungsvereinbarung des Vertrages vom 12.02.2009 festgelegt, das der Antragsteller sämtliche tragenden
Funktionen des bestehenden Vertrages übernehme und die Beigeladene lediglich den Antragsteller und die
Antragsgegnerin bei der technischen und administrativen Umsetzung des Vertrages als Erfüllungsgehilfin umfassend
unterstütze. Nach Ansicht des Gerichts habe der Antragsteller mit seiner Antwort vom 06.12.2007 beziehungsweise
seinem Verhalten nach der ersten Kündigungserklärung der Antragsgegnerin vom 03.12.2010 Fakten geschaffen, die
einen eigenständigen Kündigungsgrund und die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages für die
Antragsgegnerin bedingten. Der angekündigte Systemausstieg der teilnehmenden Ärzte stelle eine schwerwiegende
Vertragsverletzung dar. Ein kollektiver Zulassungsverzicht im Rahmen eines abgestimmten Verhaltens
beziehungsweise die Aufforderung und aktive Organisation desselben durch den Antragsteller entgegen des in § 95 b
SGB V festgelegten Verbots stelle unzweifelhaft das Gegenteil einer Vertragsförderung dar. Im Übrigen habe der
Antragsteller in Reaktion auf die erste Kündigung seine Aufrufe zum Systemausstieg bekräftigt. Mit dem Schreiben
vom 06.12.2010 an die Antragsgegnerin habe der Antragsteller die Antragsgegnerin vor die Wahl gestellt, entweder die
von ihm gestellten Bedingungen vollständig und kurzfristig zu akzeptieren oder aber weiter die von ihr gerade
abgemahnte schwerwiegende Vertragsverletzung - den Systemausstieg - hinzunehmen. Bei der Kündigung am
16.12.2010 sei eine neuerliche Fristsetzung nicht erforderlich gewesen. § 18 Abs. 6 S. 2 HzV-Vertrag schließe die
fristlose Kündigung nach einer schwerwiegenden Vertragsverletzung, insbesondere wenn das Verhältnis zwischen den
Vertragsparteien endgültig zerrüttet sei, nicht aus.
Gegen diesen Beschluss legten der Antragsteller und die Beigeladene Beschwerde ein.
Der Antragsteller trägt zur Begründung im Wesentlichen noch einmal vor, dass die Kündigungserklärung formell
unwirksam sei, da sie nicht auch gegenüber der Beigeladenen erfolgte. Die Vertragspartnerschaft der Beigeladenen
sei auch bei der Vertragsdurchführung "tatsächlich gelebt" worden. Die Berufung auf die Stellung der Beigeladenen als
Erfüllungsgehilfin sei widersprüchlich und treuwidrig. Damit sei die Kündigung auch gegenüber der Beigeladenen
erforderlich gewesen. Im Übrigen liege kein Kündigungsgrund vor, der zur außerordentlichen fristlosen Kündigung
berechtigt hätte. Der Antragsteller habe mit Schreiben vom 06.12.2010 die Vergütungsforderungen der
Antragsgegnerin akzeptiert. Somit könne dieses Schreiben nicht als Provokation oder Verstärkung des mit Schreiben
vom 03.12.2010 abgemahnten Verhaltens gewertet werden. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin durch ihre
eigene fortgesetzte Vertragsuntreue maßgeblich zur Eskalation der Situation beigetragen und die Störung des
Vertrauensverhältnisses in erheblichem Maße mit verursacht. Der Aufruf zum Systemausstieg scheide als neuer
Kündigungsgrund jedenfalls vor Ablauf der Abhilfefrist aus, da er Gegenstand des Abhilfeverlangens vom 03.12.2007
gewesen sei. Die Vorverlegung der Veranstaltung in der Nürnberger Arena auf den 22.12.2010 habe einzig und allein
dem Zweck gedient, das erforderliche Votum der mehr als 7000 Mitglieder des Antragstellers innerhalb der Abhilfefrist
einzuholen, um gegebenenfalls innerhalb der von der Antragsgegnerin gesetzten Frist den Aufruf zum Systemausstieg
zu beenden. Der Antragsteller habe somit das abgemahnte Verhalten nicht verstärkt, sondern nur die erforderlichen
Konsequenzen aus der Abmahnung der Antragsgegnerin gezogen und versucht, innerhalb der Abhilfefrist das
erforderliche Meinungsbild seiner Mitglieder einzuholen. Mit der Abstimmung am 22.12.2010 habe der Antragsteller
innerhalb der geforderten Abhilfefrist vom Systemausstieg Abstand genommen. Ferner stelle die außerordentliche
Kündigung des HzV-Vertrages durch die Antragsgegnerin im Ergebnis eine staatliche Sanktionierung der
berufspolitischen Betätigung des Antragstellers dar. Dies verletze die verfassungsrechtlichen Rechte des
Antragstellers, insbesondere liege ein Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG vor.
Die Beigeladene und Beschwerdeführerin legte nochmals dar, dass sie Vertragspartnerin gewesen sei und die
Kündigung deshalb auch ihr gegenüber hätte ausgesprochen werden müssen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin führte erneut aus, dass die Beigeladene nicht Vertragspartei gewesen
sei. Hilfsweise legte sie dar, dass keine Pflicht zur Kündigung gegenüber allen Vertragspartnern eines mehrseitigen
Vertrages bestehe und verwies insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Außerdem sei der Aufruf
zum Systemausstieg ein wichtiger Kündigungsgrund, der zur fristlosen Kündigung berechtige.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer sowie die Beigeladene und Beschwerdeführerin beantragen, den Beschluss
des Sozialgerichts München vom 19.01.2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den zwischen der
Antragsgegnerin, dem Antragsteller sowie der Beigeladenen am 12.02.2009 geschlossenen hausarztzentrierten
Versorgungsvertrag gemäß § 73 b Abs. 4 SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen des Vertrages durch die
Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2010 und vom 16. Dezember 2010 fortzuführen und die entsprechenden
Versichertenverzeichnisse gemäß § 11 Abs. 4 des HzV-Vertrages unverzüglich an den Antragsteller zu übermitteln.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässigen, insbesondere fristgerecht erhobenen Beschwerden sind unbegründet. Sie waren zurückzuweisen. Das
Sozialgericht München hat in seinem Beschluss vom 19.01.2011 zutreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt, mit dem der Antragsteller und die Beigeladene die Fortführung des HzV-Vertrages über den 31.12.2010
hinaus sowie die Übersendung eines Versichertenverzeichnisses begehrten.
1.
Da Antragsteller und Beigeladene die Fortführung des HzV-Vertrages sowie die Übermittlung eines entsprechenden
Versichertenverzeichnisses gemäß § 11 Abs. 4 dieses Vertrages begehren, liegt eine objektive Antragshäufung (§ 56
SGG) vor.
2.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Fortführung des HzV-Vertrages, da die außerordentliche Kündigung der
Antragsgegnerin vom 16. Dezember 2000 wirksam ist. Damit scheidet der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus.
a.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung).
Da der HzV-Vertrag in der Fassung vom 03.09.2009 nach § 18 Abs. 3 S. 1 regulär frühestens zum 31.12.2011
gekündigt werden kann, greifen die außerordentlichen Kündigungen der Antragsgegnerin zum 31.12.2010 bzw.
15.01.2011 in eine vertragliche Rechtsposition des Antragstellers ein. Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes ist es,
den Vertrag mindestens bis Ende 2011 fortzuführen, nicht hingegen die vorläufige Einräumung einer bislang noch
nicht bestimmten Rechtsposition wie bei der Regelungsanordnung. Damit ist der Erlass einer Sicherungsanordnung
statthaft, die dem Schutz des Status quo vor Eingriffen, auch durch Kündigungen eines Vertrages, dient (vgl. z.B.
Binder in: Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 86 b Rn. 33).
Der Erlass einer Sicherungsanordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht wurden. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn dem Antragsteller unter Zugrundelegung der
glaubhaft gemachten Tatsachen das geltend gemachte Recht - Fortführung des Vertrages - materiellrechtlich zusteht
und infolgedessen ein Hauptsacheverfahren Erfolg verspricht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die Gefahr
einer Rechtsvereitelung oder einer Erschwerung der Verwirklichung droht. Davon ist typischerweise auszugehen, wenn
durch die Änderung des bestehenden Zustandes irreversible Fakten geschaffen würden.
b.
Zur Überzeugung des Senats konnte der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen. Die
Kündigung vom 16.12.2010 durch den Antragsgegner war rechtmäßig.
aa.
Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers und der Beigeladenen bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der
Kündigung insoweit keine Bedenken, als sie nur gegenüber dem Antragsteller erklärt wurde. Vertragspartner des HzV-
Vertrages in der Fassung der 1. Änderungsvereinbarung vom 03.09.2009 ist außer der Antragsgegnerin nur der
Antragsteller, nicht jedoch die Beigeladene.
Vertragspartner des ursprünglichen Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b
SGB V in der Fassung vom 12.02.2009 waren die Antragsgegnerin und die Beigeladene. Der Antragsteller war
lediglich Kooperationspartner. Insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 03.07.2009
(L 12 KA 33/09 B ER, Breithaupt 2009, 763) schlossen die Parteien des ursprünglichen Vertrages sowie der
Kooperationspartner einen Übernahmevertrag, die 1. Änderungsvereinbarung zum Vertrag zur Durchführung einer
hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73 b SGB V vom 12.02.2009. Mit diesem Übernahmevertrag trat der
Antragsteller als Vertragspartei an die Stelle des Beigeladenen.
Die Vertragsübernahme ist die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen, bei der eine
Vertragspartei anstelle der bisherigen eintritt. Sie ist eine Verfügung über das Schuldverhältnis, bedarf damit der
Zustimmung aller Beteiligten und wird regelmäßig als dreiseitiger Vertrag abgeschlossen (zur Vertragsübernahme
Grüneberg in: Palandt, 70. Auflage, § 398 Rn. 41 ff).
Dass die Vertragspartner eine derartige Übernahme wollten, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der 1. Änderungsvereinbarung:
"Die Vertragspartner sind sich einig, dass der BHÄV als Vertragspartner der AOK die Durchführung der
hausarztzentrierten Versorgung nach Maßgabe des HzV-Vertrages übernimmt und gegenüber der AOK und den
teilnehmenden Ärzten die Abrechnung vornimmt." Auch die weiteren Regelungen zeigen, dass alleiniger
Vertragspartner der Antragsgegnerin der Antragsteller ist: Soweit die Beigeladene die Erfüllung bestimmter
vertraglicher Pflichten übernimmt, wird dadurch die Verantwortung des Antragstellers für die Erfüllung seiner
vertraglichen Pflichten nicht berührt, wie sich aus § 1 Abs. 2 ergibt. Im Übrigen bestimmt § 1 Abs. 3, dass die
Beigeladene als Erfüllungsgehilfe vom Antragsteller bevollmächtigt werden kann. Auch dieser Passus begründet keine
eigenen Rechte des Beigeladenen aus dem Änderungsvertrag.
Da die Vertragsübernahme ein dreiseitiger Vertrag ist, musste die 1. Änderungsvereinbarung von der Beigeladenen als
bisheriger Vertragspartei, dem Antragsteller als neuer Vertragspartei und der Antragsgegnerin, die dem Parteiwechsel
zustimmen musste, unterzeichnet werden. Die Stellung einer Vertragspartei der Beigeladenen im ab 03.09.2009
geltenden Vertrag lässt sich aus der Unterzeichnung nicht herleiten.
Aus dem Wesen der Änderungsvereinbarung als Vertragsübernahme erklärt sich auch die Bezeichnung aller
Beteiligten als "Vertragspartner", da die Beigeladene Vertragspartner der ursprünglichen Fassung, der Antragsteller
und die Antragsgegnerin dagegen Vertragspartner der Neufassung sind. Dies lässt jedoch ebenfalls keine
Rückschlüsse auf die Stellung der Beigeladenen im ab dem 03.09.2009 geltenden Vertrag zu. Vielmehr genügt eine
Durchsicht dieses Vertrages, um zu belegen, dass die Beigeladene keine eigenen Rechte aus diesem Vertrag
gegenüber der Antragsgegnerin herleiten kann und somit nicht (mehr) Vertragspartei ist. Während nach § 9 in der
Fassung vom 12.02.2009 die Beigeladene gegenüber der AOK zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung
verpflichtet war, enthält § 9 in der ab 3. September 2009 geltenden Fassung die Verpflichtung des Antragstellers zur
Erbringung der hausärztlichen Versorgung. Im Übrigen wird in der Fassung vom 03.09.2009 die Beigeladene nur noch
als Erfüllungsgehilfe (§ 9 Abs. 4), Empfangsbote (§ 7 Abs. 2 S. 4 2. Halbsatz: "die HÄVG nimmt die Erklärung für den
BHÄV entgegen") beziehungsweise Zahlstelle (§ 12 Abs. 4: "die Zahlung ... durch die AOK an die HÄVG als
Zahlstelle des BHÄV") erwähnt.
Im Lichte des Übernahmevertrages wie auch der vertraglichen Regelungen der Fassung vom 03.09.2009 sind die
Ausführungen des Antragstellers wie auch der Beigeladenen zu ihrer Vertragsstellung nicht nachvollziehbar. In diesem
Zusammenhang weist der Senat auch darauf hin, dass nach Abschluss des Übernahmevertrages in Form der 1.
Änderungsvereinigung sogar aus Sicht des Antragstellers wie auch der Beigeladenen neue Zustimmungserklärungen
der Teilnehmer an der hausarztzentrierten Versorgung für notwendig erachtet wurden (vergleiche Schreiben vom
26.10.2009). Dies belegt, dass auch sie von einer Vertragsübernahme ausgehen.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass nach § 18 Abs. 3 Satz 2 HzV-Vertrag die Kündigung "gegenüber dem
anderen Vertragspartner" erfolgt. Aus dieser eindeutigen Formulierung ergibt sich ebenfalls, dass lediglich der
Antragsteller Vertragspartei ist.
Dagegen scheint sich nur § 18 Abs. 3 S. 2 HzV-Vertrag in Widerspruch zu setzen. Dort ist geregelt, dass bei einer
Kündigung der Beigeladenen das Vertragsverhältnis zwischen Antragsgegnerin und Antragsteller fortgesetzt wird.
Wenngleich grundsätzlich nur Vertragspartner Kündigungsrechte ausüben können, ist das Kündigungsrecht wegen der
Erfüllungsgehilfenstellung der Beigeladenen hier ausschließlich im Verhältnis zum Antragsteller zu sehen.
bb.
Auch im Übrigen ist die außerordentliche Kündigung vom 16.12.2010 rechtmäßig. Die Antragsgegnerin konnte mit
Schreiben vom 16.12.2010 fristlos kündigen, da eine Fortführung des Vertrages aufgrund des gravierenden
vertragswidrigen Verhaltens des Antragstellers bis zum regulären Vertragsende am 31.12.2011 auch unter Abwägung
der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar war.
Bei Dauerschuldverhältnissen aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beurteilt sich die Rechtmäßigkeit einer
Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB, der über die Verweisungsvorschrift des § 61 Abs. 2 SGB X
entsprechend gilt. § 18 Abs. 6 HzV-Vertrag hat keinen abweichenden Regelungsgehalt. Entsprechend § 314 BGB
sieht auch § 18 Abs. 6 HzV-Vertrag vor, dass das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund unberührt bleibt, und
regelt in Anlehnung an § 314 Abs. 2 S. 1 BGB, dass insbesondere ein Verstoß eines Vertragspartners, der nicht
innerhalb von 6 Wochen nach schriftlicher Aufforderung beseitigt wird, gegen eine ihm nach diesem Vertrag
obliegende wesentliche Verpflichtung, insbesondere die fristgemäße Zahlung der Vergütung, als wichtiger Grund gilt.
Nach § 314 Abs. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden,
wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet
werden kann. Da eine Kündigung ultima ratio ist, sieht § 314 Abs. 2 BGB bei Verletzungen vertraglicher Pflichten
grundsätzlich vor, dass zunächst eine Frist zur Abhilfe gesetzt werden beziehungsweise eine Abmahnung erfolgen
muss, es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
sofortige Kündigung rechtfertigen (§§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs. 2 Nummer 3 BGB). Eine Fristsetzung oder
Abmahnung ist also dann nicht erforderlich, wenn das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend gestört ist, dass eine
sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt erscheint (Grüneberg in: Palandt, 70. Auflage, § 314 Rn. 8).
Diese Voraussetzungen hält der Senat bei der Kündigung vom 16.12.2010 für gegeben, da der Antragsteller die
Antragsgegnerin im Schreiben vom 06.12.2010 während der Laufzeit eines gültigen Vertrages, des HzV-Vertrages, vor
die Alternative stellte, eine Vertragsänderung mit wesentlich schlechteren Bedingungen - Laufzeit bis 2015, Wegfall
der Meistbegünstigungsklausel - kurzfristig zu akzeptieren oder mit einem kollektiven Zulassungsverzicht der am
Vertrag beteiligten Hausärzte und damit der endgültigen Leistungsverweigerung seitens des Antragstellers konfrontiert
zu sein. Dieses Vorgehen ist gesetzeswidrig und vertragswidrig.
Das Betreiben des Systemausstiegs mit dem Ziel, eine hausärztliche Versorgung durch nicht zugelassene Ärzte zu
etablieren, verstößt gegen grundlegende Vorschriften des SGB V, insbesondere gegen § 95 b Abs. 1 SGB V.
Die Vorbereitung des Systemausstiegs durch den Antragsteller ist zugleich die Ankündigung eines Vertragsbruchs
durch eine endgültige Leistungsverweigerung. Nach §§ 73 Abs. 1 a, 73 b Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB V wird die
hausarztzentrierte Versorgung von zugelassenen Vertragsärzten erbracht. Dem trugen Antragstellerin und
Antragsgegnerin im HzV-Vertrag in der Fassung vom 03.09.2009 umfassend Rechnung. "Durch den Abschluss des
HzV-Vertrages gemäß § 73 b SGB V wird die gesamte hausärztliche Versorgung ... weiterhin nur durch zugelassene
Leistungserbringer durchgeführt", formulieren die Vertragsparteien in der Präambel. In § 5 Abs. 1 lit. a und b werden
die Teilnahmevoraussetzungen für Hausärzte dahingehend präzisiert, dass eine "Teilnahme an der hausärztlichen
Versorgung gemäß § 73 Abs. 1 a Satz 1 SGB V" und eine "Zulassung ... (Vertragsarztsitz) in Bayern" vorausgesetzt
werden. Das heißt, dass der Antragsteller die hausarztzentrierte Versorgung ausschließlich durch Vertragsärzte zu
erbringen verpflichtet war.
Die Vorbereitung des Ausstiegs ist also die Weigerung des Antragstellers, auch künftig seine Hauptpflicht zu erfüllen,
"die vertraglich vereinbarte HzV mit entsprechend qualifizierten Hausärzten durchzuführen" (§ 2 Abs. 6), die in § 9
Abs. 1 konkretisiert ist: "Der BHÄV verpflichtet sich gegenüber der AOK zur Durchführung einer hausarztzentrierten
Versorgung gemäß § 73 b SGB V durch Hausärzte, die die Teilnahmevoraussetzungen im Sinne dieses Vertrages
erfüllen." Dieses angekündigte, zum Zeitpunkt der Kündigung unmittelbar drohende vertragsbrüchige Verhalten des
Antragstellers würde zudem der Antragsgegnerin die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht, eine hausarztzentrierte
Versorgung gem. § 73 b SGB V anzubieten, unmöglich machen.
Die Ankündigung des Systemausstiegs ist ferner eine massive Verletzung der Loyalitätsklausel (§ 23 Abs. 1 HzV-
Vertrag), nach der die Vertragspartner sich verpflichten, die vertraglichen Inhalte und Ziele nach außen und nach innen
zu unterstützen, insbesondere durch eine positive Darstellung in der Öffentlichkeit. Ferner ist mit der Loyalitätsklausel
nicht vereinbar, wenn der Vorstand des Antragstellers in seinen Rundschreiben und Veröffentlichungen von "einem
Leben unter den Repressalien einer Zwangsmitgliedschaft", vom "KV-System unter Knebelvertragsbedingungen" und
von einem "Unterdrückungssystem" sowie von einem "Zwangssystem" spricht.
Diese angedrohte Leistungsverweigerung ist gekoppelt mit der Alternative einer Aufkündigung des noch laufenden
HzV-Vertrages. Somit schließen beide vom Antragsteller im Schreiben vom 06.12.2010 angebotenen Varianten eine
Fortführung des geltenden HzV-Vertrages aus. Daraus ist zu folgen, dass sich der Antragsteller seinerseits nicht mehr
an den Vertrag gebunden fühlte. Die Antragsgegnerin konnte deshalb nicht mehr darauf vertrauen, dass der Vertrag
vom Antragsteller erfüllt wird.
Schutzwürdige Interessen, die bei einer Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen
wären, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit ein Dissens über die Auslegung der Meistbegünstigungsklausel
bestand, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin nicht am Vertrag festhalten wollte.
Damit ist die Kündigung vom 16.12.2010 rechtmäßig.
cc.
Die Kündigung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie während der mit Schreiben vom 03.12.2010 gesetzten Frist
ausgesprochen wurde. Zwar muss sich der Abmahnende an seiner Abmahnung grundsätzlich nach § 242 BGB
festhalten lassen (Grüneberg a.a.O.). Auf Treu und Glauben kann sich aber derjenige nicht berufen, der wie der
Antragsteller kundtut, dass er seinerseits keinesfalls mehr am Vertrag festhält.
Auch insoweit bestehen gegen die Kündigung keine Bedenken.
dd.
Ein Anordnungsanspruch kann ferner nicht darin bestehen, dass der HzV-Vertrag analog § 89 Abs. 1 Satz 4 SGB V
bis zu einem Neuabschluss fortbesteht (vgl. Fortgeltungsregelung in § 18 Abs. 4 S. 2 HzV-Vertrag), so dass ein
Anspruch auf Fortführung des Vertrages bestünde und die Kündigung vom 16.12.2010 faktisch folgenlos wäre.
Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers und der Beigeladenen ist der für Gesamtverträge geltende § 89
Abs.1 Satz 4 SGB V nicht auf Strukturverträge nach § 73 b SGB V analog anwendbar. Eine Analogie setzt - neben
einer Regelungslücke - eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte voraus, die jedoch zwischen Gesamt- und
Strukturverträgen nach § 73 b SGB V nicht gegeben ist. Während die Gesamtvertragsparteien Körperschaften des
Öffentlichen Rechts sind, die der Rechtsaufsicht unterliegen und bei denen die Aufsichtsbehörde ggf. durch eine
Ersatzvornahme die Beachtung von Recht und Gesetz kurzfristig gewährleisten kann, sind die Partner der (Selektiv-
)Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung wie der Antragsteller eingetragene Vereine, die keiner
sozialversicherungsrechtlichen Aufsicht unterliegen, die ggf. ein gesetzmäßiges Verhalten erzwingen könnte.
Strukturverträge insbesondere nach § 73 b SGB V erfordern deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen
den Vertragsparteien, bei dessen Störung eine Vertragsbeendigung durch eine Kündigung aus wichtigem Grunde
unverzichtbar ist, weshalb sie auch nach der zwingenden Norm des § 314 BGB nicht abbedungen werden kann (vgl.
Grüneberg in: Palandt, 70. Auflage, § 314 Rn. 3). Regelmäßig wird deshalb bei einer Störung des
Vertrauensverhältnisses wie im vorliegenden Fall ein Anschlussvertrag nur in Betracht kommen, wenn an den
verantwortlichen Positionen, d.h. im Vorstand, unbefangene, nicht vom Vertrauensverlust berührte Vereinsmitglieder
stehen. Das Vertrauensverhältnis kann neu entstehen, wenn das Handeln der den Antragsteller vertretenden
Vorstände eine zukünftige Pflichtenerfüllung erwarten lässt.
Außerdem müssen die Verträge eine besondere Transparenz gewährleisten, die eine effektive und sparsame
Verwendung der Versichertenbeiträge garantiert. Bei den Strukturen des HzV-Vertrages in der Fassung vom
03.09.2009 war dies nicht gewährleistet. Ist die Einbeziehung der Beigeladenen in die Vertragsabwicklung als
Erfüllungsgehilfe des Antragstellers noch nachvollziehbar, so fehlt es daran bei der Delegation von vertraglichen
Aufgaben des Antragstellers auf die im Kooperationsvertrag genannte Hausärztliche Service- und
Wirtschaftsgesellschaft mbH (HSW-GmbH), die aus der von der Antragsgegnerin gezahlten Vergütung von den
teilnehmenden Ärzten einer für den Senat aus den vorliegenden Verträgen nicht ersichtlicher Höhe finanziert wird. Die
vertraglichen Strukturen müssen vielmehr einen lückenlosen Verwendungsnachweis der Versichertenbeiträge
garantieren. Ist dies nicht mit absoluter Sicherheit gewährleistet, erscheint zur Sicherstellung einer sparsamen
Verwendung der Versichertenbeiträge eine Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 73 b Abs. 5 Satz 2
SGB V bei der Umsetzung der Verträge anstelle schlecht kontrollierbarer privatrechtlicher Gesellschaften notwendig.
Bei einer Fortgeltung des HzV-Vertrages im Wege der Analogie wären weder eine neue Vertrauensbasis noch die
erforderliche Transparenz zur Gewährleistung einer korrekten Verwendung der Versichertenbeiträge gewährleistet.
c.
Die Abmahnung vom 3.12.2010 ist durch die Kündigung vom 16.12.2010 obsolet.
d.
Da kein Anordnungsanspruch gegeben ist, ist nicht entscheidungserheblich, inwieweit ein Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht wurde. Tatsachen, die dennoch einen Anordnungsgrund rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu
erkennen.
3.
Da der HzV-Vertrag wirksam gekündigt wurde, ist auch der Antrag auf Übersendung eines Versichertenverzeichnisses
nach § 11 des Vertrages im Wege der Regelungsanordnung unbegründet.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG, 154 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.