Urteil des LSG Bayern vom 10.09.2003

LSG Bayern: republik, befreiung von der versicherungspflicht, abkommen über soziale sicherheit, kroatien, gewöhnlicher aufenthalt, staatsangehörigkeit, auskunft, berechtigung, form, ergänzung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 7 RJ 603/02 A
Bayerisches Landessozialgericht L 16 RJ 143/03
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. Februar 2003
aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. März 2002 abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung des Arbeitnehmeranteils der vom Kläger zur deutschen Rentenversicherung entrichteten
Pflichtbeiträge.
Der 1974 geborene Kläger hat in Deutschland in der Zeit vom 14.09.1992 bis 20.06.1997 (mit Unterbrechungen)
insgesamt 53 Monate Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt (Versicherungsverlauf
vom 19.03.2002).
Mit Formblattantrag V 900 vom 22.09.2000 - bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg am 26.09.2000
eingegangen - beantragte der Kläger, ihm den Arbeitnehmeranteil der hierfür entrichteten Pflichtbeiträge zu erstatten.
Er gab an, er besitze die kroatische Staatsangehörigkeit und wohne in Kroatien.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 18.10.2000). Zwar sei der Kläger bei Aufenthalt außerhalb des
Bundesgebiets nicht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt, da er nur 53
Monate an Beitragszeiten zurückgelegt habe. Als kroatischer Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Kroatien
könne er aber gemäß Nr. 2 Buchstabe c des Schlussprotokolls zum deutsch-kroatischen Abkommen über Soziale
Sicherheit vom 24.11.1997 - DKSVA - (Bundesgesetzblatt II 1998 S.2032, in Kraft seit 01.12.1998) gleichwohl keine
Beitragserstattung verlangen.
Mit weiterem Formblattantrag V 900 vom 09.03.2001 - bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg eingegangen
am 14.03.2001 - beantragte der Kläger erneut eine Beitragserstattung. Er gab nunmehr an, er besitze die
Staatsangehörigkeit der Republik Bosnien-Herzegowina und wohne in Kroatien. In einer Formblatterklärung vom
19.04.2001 gab er dagegen - bestätigt durch eine auf dem Formblatt angebrachte Bescheinigung der
Wohnortgemeinde in Kroatien vom selben Tage - an, er besitze die Staatsangehörigkeit der Republik Kroatien.
Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag aus den im Bescheid vom 18.10.2000 genannten Gründen ab (Bescheid vom
06.06.2001).
Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe seinen Wohnsitz am 02.07.2001 nach
Bosnien-Herzegowina verlegt. Er legte hierzu eine Meldebescheinigung (ohne Datum) der Polizeiverwaltung D.
(Republik Bosnien-Herzegowina) sowie auf Verlangen der Beklagten eine Formblatterklärung vom 05.09.2001 vor, die
mit dem Rundstempel einer Behörde der Republik Bosnien-Herzegowina versehen ist, jedoch zur darin gestellten
Frage nach der Staatsangehörigkeit des Klägers keine Angaben enthält. In dieser Erklärung gab der Kläger an, er
halte sich bereits seit 10.10.1997 in der Republik Bosnien-Herzegowina auf.
Die Aufforderung der Beklagten, seine Staatsangehörigkeit bestätigen zu lassen, mitzuteilen, ob er die
Staatsangehörigkeit der Republik Bosnien-Herzegowina besitze oder einen Aufenthaltstitel für seinen dortigen
Aufenthalt zu übersenden, ließ der Kläger unbeantwortet.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.03.2002). Eine
Beitragserstattung könne nach § 210 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfolgen. Wenn der
Kläger einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Bosnien-Herzegowina habe, müsse er entweder
Staatsangehöriger dieser Republik sein oder einen Aufenthaltstitel besitzen. Solange der Nachweis, dass er sich als
Ausländer rechtmäßig dort aufhalte, nicht erbracht sei, sei nicht erwiesen, dass er nicht auch Staatsangehöriger der
Republik Bosnien-Herzegowina sei. Als Staatsangehöriger der Republik Bosnien-Herzegowina mit Wohnsitz in
Bosnien-Herzegowina sei er nach Art.3 Abs.1 des im Verhältnis zwischen der Bunderepublik Deutschland und der
Republik Bosnien-Herzegowina weiterhin anwendbaren deutsch-jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit
vom 12.10.1968 (Bundesgesetzblatt 1969 II S.1438, in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974
Bundesgesetzblatt 1975 II S.390) - DJSVA - aber zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung
berechtigt.
Gegen den am 26.03.2002 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 29.04.2002 Klage zum
Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Das SG hat der Klage stattgegeben (Gerichtsbescheid vom 20.02.2003). Als Staatsangehöriger der Republik Kroatien
mit Wohnsitz in der Republik Bosnien-Herzegowina sei der Kläger nicht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen
Rentenversicherung berechtigt und habe Anspruch auf Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI. Der Kläger habe
mehrere Nachweise dafür vorgelegt, dass er seinen Wohnsitz seit 02.07.2001 dauernd in Bosnien-Herzegowina habe.
Ein Aufenthaltstitel sei dafür nicht erforderlich.
Gegen den am 03.03.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte mit Schreiben vom 06.03.2003 - beim
Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 12.03.2003 eingegangen - Berufung eingelegt. Der Kläger sei als
kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Kroatien zur freiwilligen Beitragsentrichtung in der deutschen
Rentenversicherung berechtigt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers in Bosnien-Herzegowina sei nicht
nachgewiesen. Die Bescheinigung vom 02.07.2001 bestätige lediglich seine Anmeldung dort, die Bestätigung vom
05.09.2001 nur, dass der Kläger selbst angegeben habe, er halte sich seit 10.10.1997 dort auf. Dass er für seinen
Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina keinen Aufenthaltstitel benötige, spreche zudem dafür, dass er (auch)
Staatsangehöriger der Republik Bosnien-Herzegowina sei. Als solcher sei er bei gewöhnlichem Aufenthalt in Bosnien-
Herzegowina ebenfalls zur freiwilligen Beitragsentrichtung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt. Der Kläger
hat sich hierzu nicht geäußert.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.02.2003 aufzuheben und die
Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom
25.03.2002 abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.02.2003 bis zur Erledigung des
Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt (einstweilige Anordnung vom 03.04.2003) und eine Auskunft der
Polizeiverwaltung D. vom 28.05.2003 sowie die Akten der Beklagten und die Prozessakte des SG beigezogen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 105 Abs.2 Satz 1 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung ist
zulässig und begründet.
Das SG hat der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.03.2002 mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2003 zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Erstattung des Arbeitnehmeranteils der zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
entrichteten Pflichtbeiträge nach § 210 SGB VI.
Gemäß § 210 SGB VI werden Beiträge auf Antrag (u. a.) Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind
und das Recht zur freiwilligen Versicherung haben (Abs.1 Nr.1), wenn seit dem Ausscheiden aus der
Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist (Abs.2).
Die Voraussetzung des § 210 Abs.2 SGB VI ist erfüllt. Der Kläger ist mit Ablauf des 20.06.1997 aus der
Versicherungspflicht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschieden und hier nicht erneut
versicherungspflichtig geworden. Er ist jedoch unabhängig von der Frage, ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt - wie
zunächst angegeben - in der Republik Kroatien oder - wie später vorgetragen - in der Republik Bosnien-Herzegowina
hat, nach § 7 Abs.1 Satz 1 SGB VI weiterhin zur freiwilligen Versicherung berechtigt.
Nach Auskunft der Polizeiverwaltung D. (BosnienHerzegowina) vom 28.05.2003 hat der Kläger dort am 03.03.1999
den von ihm angegebenen Wohnsitz angemeldet und besitzt die Staatsangehörigkeit der Republik Bosnien-
Herzegowina. Als Staatsangehöriger der Republik Bosnien-Herzegowina mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Republik
Bosnien-Herzegowina ist der Kläger gemäß Art. 3 Abs.1 Buchstabe a DJSVA bei der Anwendung des § 7 SGB VI
deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt und gemäß § 7 Abs.1 Satz 1 SGB VI berechtigt, sich freiwillig zu
versichern. Einschränkungen nach Abs.2 (Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht) oder
Abs.3 (bindende Bewilligung oder Bezug einer Vollrente wegen Alters) dieser Vorschrift liegen beim Kläger nicht vor.
Dass der Kläger auch die Staatsangehörigkeit der Republik Kroatien besitzt, ändert hieran nichts. Auch wenn der
Kläger als kroatischer Staatsangehöriger nach Nr.2 Buchstabe c des Schlussprotokolls zum DKSVA auf Grund der
weniger als 60 Monate umfassenden deutschen Beitragszeiten bei gewöhnlichem Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina
keine Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7 SGB VI
i.V.m. Art.4 DKSVA besitzt, schließt die nach § 7 SGB VI i.V.m. Art.3 Abs.1 DJSVA bestehende
Versicherungsberechtigung des Klägers eine Beitragserstattung nach § 210 Abs.1 Nr.1 SGB VI weiterhin aus.
Hat der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in der Republik Kroatien, ist er als (auch) kroatischer
Staatsangehöriger gemäß Art. 4 Abs. 1 DKSVA bei der Anwendung des § 7 SGB VI ebenfalls deutschen
Staatsangehörigen gleichgestellt und nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zur freiwilligen Versicherung berechtigt. Im
Übrigen wäre eine Beitragserstattung nach Nr. 2 Buchstabe c Satz 4 des Schlussprotokolls zum DKSVA auch bei
fehlender Berechtigung des Klägers zur freiwilligen Versicherung während eines gewöhnlichen Aufenthalts in der
Republik Kroatien ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor