Urteil des LSG Bayern vom 16.10.2008

LSG Bayern: krankenkasse, krankenversicherung, versorgung, verordnung, form, rechtsschutz, zuschuss, ratenzahlung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 16.10.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 16 AS 533/08
Bayerisches Landessozialgericht L 7 B 668/08 AS PKH
Der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Juni 2008 wird aufgehoben. Dem Beschwerdeführer wird für das
Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Z. beigeordnet.
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Bf) erhält von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II. Er beantragte mit
Schreiben vom 22.01.2008 die Übernahme der Kosten für geplante zahnärztliche Behandlungen (lokale
Fluoridierung/Lokalbehandlung der Mundschleimhaut/Entfernung von Zahnbelägen) und legte einen Kostenplan über
79,39 Euro vor. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.01.2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid
vom 28.03.2008, ab. Hiergegen hat der Bf zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die
Kosten seien nach § 73 SGB XII, hilfsweise nach § 23 Abs. 1 SGB II zu übernehmen. Mit Beschluss vom 27.06.2008
hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Die erforderliche Erfolgsaussicht sei nicht
gegeben. Durch den Bezug von Grundsicherungsleistungen sei der Bf in der gesetzlichen Krankenversicherung
pflichtversichert wie die übrigen Erwerbstätigen auch. Er habe daher im selben Umfang Anspruch auf zahnärztliche
Versorgung wie andere Pflichtversicherte. Er habe insbesondere keinen umfangreicheren Anspruch. Zahnärztliche
Leistungen, die nicht von der Krankenversicherung bezahlt würden, könnten nicht von der Beklagten aufgestockt
werden. Deswegen komme weder ein Zuschuss (§ 73 SGB XII) noch eine darlehensweise Bewilligung (§ 23 SGB II) in
Betracht. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bf, der das SG nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige Beschwerde ist auch sachlich begründet. Die Aussicht auf einen Erfolg der Klage liegt bei
summarischer Prüfung im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO vor. Wie das SG in seinem Beschluss richtig
voranstellt, dürfen an die Prüfung der Erfolgsaussichten keine überspannten Anforderungen gestellt werden, da das
PKH-Verfahren den Rechtsschutz lediglich ermöglichen, nicht aber bereits gewähren soll. Insoweit sind hinreichende
Erfolgsaussichten der Klage nicht von vorneherein zu verneinen, da die Frage der Übernahme solcher Kosten in
Rechtsprechung und Literatur (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Rdnrn. 5 f.) kontrovers diskutiert wird. Tatsache
ist, dass die Kosten für ärztliche Behandlungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, nicht in der
Regelleistung enthalten sind. Das Referenzsystem für Inhalt und Höhe der Regelsatzleistungen nach dem SGB II ist
letztlich die Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII vom 30.06.2004 (BGBl I S. 1067). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5
dieser Regelsatzverordnung umfasst die Abteilung 06 - Gesundheitspflege - zwar die Positionen pharmazeutische
Erzeugnisse, andere medizinische Erzeugnisse und Zuzahlungen nach dem SGB V, jedoch ausdrücklich nicht über
Zuzahlungen hinausgehende ärztliche Leistungen. Damit kommt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - eine
Übernahme von Kosten für solche ärztliche Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II nicht in Betracht. Es ist allerdings zu
diskutieren, ob die Kosten für solche Behandlungen, ggf. ebenfalls wie Kosten für Arznei- und medizinische
Hilfsmittel, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, eine atypische Bedarfslage darstellen (vgl. LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.06.2007, L 1 B 7/07 AS ER, vgl. auch BSG Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS
14/06 R zu atypischen Bedarfslagen). Ausgehend von den zutreffenden Ausführungen des SG, wonach Alg II-
Bezieher lediglich Anspruch auf dieselbe zahnärztliche Versorgung gegen die Krankenkasse wie andere
Pflichtversicherte haben, ist unter Würdigung der genannten Rechtsprechung dann eventuell bei entsprechenden
Anhaltspunkten im Klageverfahren zu klären, ob beim Kläger eine atypische Bedarfslage gegeben ist. Dieser
Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).