Urteil des LSG Bayern vom 29.06.2007

LSG Bayern: form, arbeitsmarkt, rechtsgrundlage, eigentumsgarantie, vertrauensschutz, kauf, heizung, altersrente, zustand, anspruchsvoraussetzung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.06.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 22 AS 851/05
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 318/06
Bundessozialgericht B 14 AS 174/07 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Oktober 2006 wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, dass nur der Bescheid vom 28. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 Streitgegenstand ist. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II in der Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 streitig.
Der 1945 geborene Kläger bezog bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Er bewohnt eine in seinem Eigentum
stehende Etagenwohnung. Auf seinen Antrag vom 10.11.2004 hin bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom
28.12.2004 Alg II in Höhe von monatlich 571,44 Euro für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005, wobei sie Kosten der
Unterkunft und Heizung (KdU) von 226,44 Euro neben der Regelleistung von 345,00 Euro übernahm. Der Betrag von
226,44 Euro setzt sich zusammen aus dem monatlichen Wohngeld von 174,00 Euro, monatlichen Heizkosten von
27,84 Euro, dem monatlichen Anteil an einer Sanierungsumlage von 14,44 Euro und an der Grundsteuer von 10,16
Euro.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und brachte vor, am 15.05.2003 habe man ihm die Möglichkeit
geboten, die Regelung gemäß § 428 SGB III in Anspruch zu nehmen, nachdem er keinen Arbeitsplatz mehr zu
suchen brauche und Alhi bis zum Eintritt der regulären Rente gewährt werde. Es widerspreche jedem
Vertrauensschutz, dass diese Vereinbarung von Seiten der Behörde nicht mehr eingehalten werde. Seine finanzielle
Situation habe sich dadurch dramatisch verändert, da ihm jetzt nur noch 50 % der zugesagten Unterstützung zur
Verfügung stünden.
Mit Änderungsbescheid vom 13.10.2005 bewilligte die Beklagte zusätzlich einen Zuschlag nach Bezug von Alg I
gemäß § 24 SGB II in Höhe von monatlich 160,00 Euro und zahlte für die Zeit vom 01.01. bis 30.04.2005 insgesamt
monatlich 731,44 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005 wies sie im Übrigen den Widerspruch als
unbegründet zurück. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger insofern nicht berufen, als mit der Vereinbarung
nach § 428 SGB III nur die Vermittlung auf dem freien Arbeitsmarkt geregelt worden sei; eine Regelung über die
ziffernmäßige Höhe der Leistung sei nicht erfolgt. Ein Bestandsschutz bezüglich der Vermittlung auf dem freien
Arbeitsmarkt bestehe nach § 65 Abs.4 Satz 1 SGB II weiterhin.
Mit seiner zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Mit
Gerichtsbescheid vom 17.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die für die Zeit ab 01.05.2005 ergangenen
Bescheide vom 13.10.2005 und 24.03.2006 seien gemäß § 96 SGG analog Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Kläger habe für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der von ihm zuletzt
bezogenen Alhi. Hierfür fehle es an eine Rechtsgrundlage, da die Vorschriften des SGB II einen solchen Anspruch
nicht vorsähen. Dies begegne auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Verletzung des
Eigentumsgrundrechts des Klägers liege nicht vor, da das Institut der Alhi nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie
(Art.14 Grundgesetz - GG -) unterliege. Die sogenannte "58-er Regelung", die der Kläger am 15.05.2003 unterzeichnet
habe, habe demgegenüber nicht die Leistungshöhe, sondern lediglich einen Leistungsanspruch unter Verzicht auf die
gesetzliche Voraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft betroffen.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, als Folge der Vereinbarung vom 15.05.2003 habe er auf qualifizierende
Weiterbildungen verzichtet, zudem habe er den Ablauf der Gültigkeit seines Kapitäns- und anderer Schiffspatente
sowie der Gesundheitskarte sowie gravierende Rentennachteile in Kauf genommen. Aufgrund der Höhe der
zugesagten Leistung habe er sich in der Lage gesehen, diesen Nachteil in Kauf zu nehmen und seine Lebensplanung
darauf einzustellen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München
vom 17.10.2006 und unter Abänderung des Bescheides vom 28.12.2004 in der Gestalt des Änderungsbescheides
vom 13.10.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.01. bis
30.04.2005 höhere Leistungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.
Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Nicht Streitgegenstand sind
entgegen der Auffasung des SG die für die Zeit ab 01.05.2005 ergangenen Bescheide geworden, da insoweit § 96
SGG nicht, auch nicht ana- log, anwendbar ist (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 9/06 R.)
Für den somit streitigen Zeitraum 01.01. bis 30.04.2005 stehen dem Kläger keine höheren Leistungen zu. Die Höhe
der Regelleistung von 345,00 Euro ergibt sich aus § 20 Abs.2 SGB II. Auch die Kosten der Unterkunft und Heizung
hat das SG zutreffend berechnet; Einwendungen hiergegen hat der Kläger auch nicht vorgebracht.
Zu Unrecht wendet der Kläger ein, ihm müsste aus Gründen des Vertrauensschutzes Alg II in Höhe der zuletzt
bezogenen Alhi von monatlich 1.054,56 Euro bewilligt werden. Hierfür ergibt sich aus dem SGB II keine
Rechtsgrundlage. Die Vorschriften des SGB III über den Anspruch auf Alhi sind zum 01.01.2005 außer Kraft getreten.
Aus der von ihm am 19.05.2003 abgegebenen Erklärung, Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428
SGB III beziehen zu wollen, kann der Kläger keine Rechte herleiten. Der Regelungsgehalt dieser Erklärung beschränkt
sich allein darauf, dass auf die Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft verzichtet wird (BSG
SozR 3-4100 § 103 Nr.16). Sie konnte Vertrauen allenfalls darauf begründen, dass der Arbeitslose (voraussichtlich bis
zur Inanspruchnahme einer Altersrente) von der Leistungsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet wird (BSG
a.a.O.).
Der zum 01.01.2005 in Kraft getretene Wegfall des Anspruches auf Alhi unter Eröffnung eines Anspruches auf Alg II
ist nicht verfassungswidrig, zumal es sich bei der Alhi um eine durch Steuermitteln finanzierte Leistung gehandelt hat,
die von vornherein nicht unter den Schutz der Eigentumsgarantie gefallen ist (BSG a.a.O. m.w.N.). Die Höhe der
Leistungssätze, insbesondere der Regelleistung des § 20 SGB II begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R). Im Übrigen ist festzustellen, dass der Kläger
offensichtlich zu hohe Leistungen erhalten hat, da ihm ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II nicht
zustand. Ein solcher Anspruch wäre nur gegeben gewesen, wenn er innerhalb von zwei Jahren vor dem 01.01.2005
Arbeitslosengeld I bezogen hätte. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall. Nach dem von ihm vorgelegten
Bewilligungsbescheid vom 08.05.2003 wurde ihm ab 11.12.2002 Alhi bewilligt, so dass ein Alg I-Bezug in dem
fraglichen Zeitraum nicht stattfand.
Somit war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.10.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.