Urteil des LSG Bayern vom 12.01.2007

LSG Bayern: chile, aufenthalt, berufliche wiedereingliederung, widerruf, verlegung des wohnsitzes, verwaltungsakt, firma, stadt, begriff, vertrauensschutz

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom (nicht rechtskräftig)
S 40 AL 1890/04
L 8 AL 190/08
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die dem Kläger bewilligten Reise- und
Transportkostenzuschüsse in Höhe von 2.000 EUR sowie einen monatlichen Gehaltszuschuss für die Zeit vom 3.
Dezember 2003 bis zum 2. Juni 2004 in Höhe von monatlich 1.000 EUR (6000 EUR) also insgesamt 8.000 EUR mit
entsprechenden Verwaltungsakten aufgehoben und zurückgefordert hat.
Der 1963 geborene Kläger ist chilenischer Staatsbürger. Nach dem Abschluss seiner beruflichen Ausbildung als
Ingenieur für Elektronik im Fachgebiet Telekommunikation an der Universität A. im Jahr 1992 absolvierte er von 1995
bis 1996 eine Ausbildung zum technischen Assistenten für Informatik in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem
besuchte er von 1991 bis 2002 verschiedene Deutsch- und Englischkurse. Ab Januar 1998 arbeitete er bei der Firma
M. GmbH und war für diese Zeitarbeitsfirma bei verschiedenen Elektronikfirmen im süddeutschen Raum tätig.
Am 20. Mai 2003 stellte er bei der Beklagten einen Antrag nach dem EF-Programm, einem Programm der Beklagten
zur Förderung der Rückkehr und beruflichen Eingliederung von Ausbildungsabsolventen und Arbeitnehmern aus
Entwicklungsländern. Im Rahmen dieser Reintegrationsförderung von Staatsangehörigen aus Entwicklungs- und
Transformationsländern legte der Kläger eine Bestätigung der Firma P. in S. (Chile) vom 9. Oktober 2003 über einen
zwischen ihm und der Firma am 10. Juli 2003 geschlossenen Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit im technischen Bereich
vor. Als Vertragsbeginn war der 1. Dezember 2003 vereinbart.
Mit Bescheid vom 14. November 2003 bewilligte die Beklagte im Rahmen des Programms zur Förderung der
beruflichen Wiedereingliederung von rückkehrenden Fachkräften aus Partnerländern einen Reisekostenzuschuss in
Höhe von 500 EUR, einen Transportkostenzuschuss in Höhe von 1.500 EUR und einen Gehaltszuschuss für seine
Tätigkeit als Elektrotechniker bei der Firma P. S. für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 31. Mai 2005 in Höhe
von monatlich 1.000 EUR. Die Zahlung des Gehaltszuschusses sei auf jeweils sechs Monate befristet. Die
Weiterzahlung erfolge nur, wenn der Kläger den Bestand seines Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende
Originalbestätigung des Arbeitgebers regelmäßig nachweise und einen Tätigkeitsbericht über seine Arbeit beifüge.
Falls er das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet, müsse die Zahlung des Gehaltszuschusses eingestellt und der
Bewilligungsbescheid widerrufen werden. Falls er ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehe und er dies der
Beklagten umgehend entsprechend nachweise, könne über die Weitergewährung des Gehaltszuschusses für ein
neues Arbeitsverhältnis für die verbleibenden Monate bis zur Förderungshöchstdauer entschieden werden. Er wurde
darauf hingewiesen, er müsse die gewährten Leistungen zurückzahlen, wenn der Bescheid mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen werde. Dies gelte insbesondere, wenn die Voraussetzungen für die
Gewährung des Zuschusses nachträglich entfallen seien oder er seinen Verpflichtungen aus dem
Förderungsverhältnis nicht nachkomme.
Der Kläger legte der Beklagten eine Rechnung der Firma F. GmbH in A-Stadt vom 31. Oktober 2003 vor, in der er
einen Flug von A-Stadt nach S. de Chile und zurück nach A-Stadt mit Anreise vom 1. Dezember 2003 und Rückreise
vom 27. April 2004 zu einem Preis von 1.106,50 EUR gebucht hatte.
Mit Erklärung vom 16. Dezember 2003, abgegebenen am 16. Dezember 2003 und eingegangen bei der Beklagten am
29. Dezember 2003, erklärte der Kläger, er kehre am 1. Dezember 2003 nach Chile zurück. Weiter erklärte er: "sollte
ich meinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht dauernd in ein Entwicklungsland verlegen, verpflichte ich mich,
alle von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung erhaltenen Förderleistungen zurückzuzahlen". Auf der Rückseite
dieser Erklärung vermerkte er handschriftlich, er komme am 28. April 2003 nochmals nach Deutschland um seine
Sache zu "verschicken".
Mit Schreiben vom 6. Mai 2004, eingegangen bei der Beklagten am 15. Juni 2004, teilte er der Beklagten mit, er
müsse nun aus familiären Gründen aus Chile nach Deutschland zurückkehren. Er bitte, ihm keine weiteren Beträge zu
überweisen. Auf Nachfrage der Beklagten vom 17. Juni 2004 erklärte er mit E-Mail vom 17. Juni 2004, er sei jetzt
wieder in Deutschland. Er habe vom 3. Dezember 2003 bis 23. April 2004 bei der Firma P. S. gearbeitet.
Im Rahmen des durch die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juni 2004 eingeleiteten Anhörungsverfahrens trug der
Kläger vor (Schreiben vom 27. Juni 2004), sein Arbeitgeber habe ihm eine langfristige Anstellung nicht garantieren
können, entscheidend seien jedoch seine familiären Gründe. Sein weiterer Aufenthalt in Chile hätte zum völligen
Abriss der familiären Bindungen zu seinem Sohn und seiner Lebensgefährtin geführt. Daher habe er sich trotz seiner
Absicht, in Chile zu arbeiten - die er auch fünf Monate lang verwirklicht habe - dazu entschlossen, nach Deutschland
zurückzukehren, um seine familiären Kontakte nicht zu zerstören.
Mit Bescheid vom 12. August 2004 widerrief die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 14. November 2003 und
forderte die erbrachten Leistungen zurück. Der Kläger habe auf seiner Rückkehrmeldung vom 16.12.2003 durch seine
Unterschrift versichert, dass er sich andernfalls verpflichte, alle von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der
Beklagten (ZAV) erhaltenen Förderleistungen zurückzuzahlen. Die Gründe, die ihn zu seiner Rückkehr bewegt haben,
seien rein persönlicher bzw. familiärer Natur und bereits vor der Abreise abzusehen gewesen.
Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte am 7. September 2004 Widerspruch ein. Der Kläger habe die Leistung für
den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet. Er habe seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und die hierzu
benötigte Leistung verbraucht. Es sei nicht auf eine bestimmte Dauer abzustellen, sondern lediglich auf die Absicht
und die Prognose im Zeitpunkt der Bewilligung. Der Kläger sei nach Chile übergesiedelt und habe dort seinen
Wohnsitz begründet. Eine bestimmte Dauer sei hiermit nicht verbunden. Außerdem sei die Erklärung des Begriffs "auf
Dauer" dem Bescheid vom 14. November 2003 nicht zu entnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Geldleistungen
hätten der Stärkung des Fachkräftebedarfs für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Heimatland des Klägers
gedient. Der geleistete Gehaltszuschuss habe seine berufliche Wiedereingliederung erleichtern sollen. Durch einen
insgesamt nur fünf Monate anhaltenden Aufenthalt in Chile habe der Zweck der Förderleistungen nicht erfüllt werden
können. Die gewährte Förderung sei mit der Auflage verbunden gewesen, dass er seinen Wohnsitz und Aufenthalt auf
Dauer in sein Rückkehrland verlege. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne er sich nicht berufen, da er unter
Beachtung aller Sorgfalt die Umstände habe erkennen können, die zu einem Widerruf des Verwaltungsakts geführt
haben.
Dagegen hat der Kläger am 8. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Sein
Prozessbevollmächtigter hat vorgetragen, der Kläger habe seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und hierzu die
Leistungen benötigt und verbraucht. Sie seien zweckentsprechend verwendet worden. In dem Bewilligungsbescheid
sei keine Nebenbestimmung aufgeführt, dass er seinen Wohnsitz dauerhaft nach Chile verlegen müsse. Der Bescheid
spreche nur von einem ständigen Wohnsitz. Hier sei lediglich auf die Absicht und die Prognose zum Zeitpunkt der
Bewilligung abzustellen. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass er seinen Wohnsitz auf Dauer in Chile begründen
werde und dass er nach über fünfmonatigem im Aufenthalt sehr wohl in Chile ansässig gewesen sei.
In der Klageerwiderung vom 22. Februar 2005 hat die Beklagte ausgeführt, eine Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt und eine Stärkung des dortigen Fachkräftebedarfs sei nur nach einem gewissen Zeitablauf denkbar.
Dieser Zweck sei durch den kurzen Aufenthalt von lediglich fünf Monaten nicht erfüllt worden. Die Wohnsitzverlegung
habe noch nicht einmal die Dauer des Förderzeitraums erfasst. Auch habe sich der Kläger in seiner Rückkehrmeldung
vom 16. Dezember 2003 verpflichtet, er werde alle erhaltenen Förderleistungen zurückzahlen, sollte er seinen
Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht dauerhaft in ein Entwicklungsland verlegen. Die Dauer des Förderzeitraums
für die Gewährung des Gehaltszuschusses sei im Bewilligungsbescheid zeitlich festgesetzt gewesen. Eine dauerhafte
Verlegung des Wohnsitzes und Aufenthalts habe zumindest die Zeit des Förderzeitraums umfassen müssen.
In der mündlichen Verhandlung hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, seine Klage habe keine Aussicht auf
Erfolg und die Kammer werde auch über die Auferlegung von Verfahrenskosten mit zu entscheiden haben. Das SG
hat die Klage mit Urteil vom 12. Januar 2007 abgewiesen und dem Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 500 EUR
auferlegt. Der Zuwendungszweck, durch die Förderung der Rückkehr und beruflichen Wiedereingliederung von
qualifizierten Ausbildungsabsolventen und Arbeitnehmern aus Partnerländern einen Beitrag zur Deckung der
Fachkräfte für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in diesen Ländern zu leisten, sei Gegenstand des
Bewilligungsbescheids. Durch die nicht einmal fünfmonatige Ausübung der Beschäftigung in Chile sei der
Zuwendungszweck offensichtlich verfehlt. Die Beklagte habe mit der Rücknahme für die Vergangenheit ihr Ermessen
richtig ausgeübt. Aus dem nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut der Rückkehrmeldung ergebe sich der Inhalt der
eingegangenen Verpflichtung mit Bestimmtheit. Schon am 31. Oktober 2003 habe der Kläger den Rückflug am 27.
April 2004 von S. de Chile nach A-Stadt gebucht. Dies sei wesentliches Indiz, dass er sich von Anfang an nur
vorübergehend in Chile habe aufhalten wollen.
Mit der dagegen eingelegten Berufung vom 12. Februar 2007 bleibt der Kläger bei seinem bisherigen Vorbringen. Für
den Leistungsempfänger müsse sich zweifellos aus dem Bescheid entnehmen lassen, was unter einer "dauerhaften
Wohnsitznahme" zu verstehen sei. Der Beklagten wäre es ein Leichtes gewesen, hier eine zeitliche Befristung
aufzunehmen. Deswegen genieße der Kläger auch Vertrauensschutz, weil sich die Erklärung des Begriffs auf Dauer
dem Bescheid nicht entnehmen lasse. Der Begrifflichkeit "auf Dauer" sei die Endlichkeit eines Zustandes immanent,
der Begriff "immer" beziehe sich auf das "Nichtenden" eines Zustandes. Der Kläger habe von Anfang an den Willen
gehabt, in Chile seinen Aufenthalt auf Dauer zu begründen. Wegen Schwierigkeiten in der Firma habe er sich bei der
Firma A. und bei der Firma T. beworben aber keine Anstellung erhalten. Sowohl bei seinem Arbeitgeber als auch im
privaten Umfeld hätten sich die Probleme gehäuft. Er habe zwar vorgehabt, seinen Wohnsitz auf Dauer in Chile zu
begründen. Dass es dann nicht zu einem längeren Aufenthalt gekommen sei, liege daran, dass er sich nicht mehr in
der Lage gesehen habe, sich erfolgreich in die chilenische Gesellschaft zu integrieren. Daher könne er sich auf
Vertrauensschutz berufen.
In der Berufungserwiderung vom 27. August 2007 verweist die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid und das
erstinstanzliche Urteil. Der Kläger sei im Bewilligungsbescheid vom 14. November 2007 darüber belehrt worden,
seinen ständigen Wohnsitz und Aufenthalt in sein Rückkehrland verlegen zu müssen und sein dortiges
Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig beenden zu dürfen. Außerdem habe er eine Erklärung vom 16. Dezember 2003
unterzeichnet, in der er sich zur Rückzahlung der Förderleistungen für den Fall verpflichtet habe, dass er seinen
Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht dauerhaft verlege. Die Auslegung des Begriffs "dauerhaft" habe vor dem
Hintergrund des Bewilligungszeitraums von insgesamt zweieinhalb Jahren zu erfolgen. Das gelte auch für den Begriff
"ständig". Auf den subjektiven Willen des Klägers komme es nicht an. Die Voraussetzungen für den Widerruf der
Leistungen seien dem Kläger bekannt gewesen.
Der Kläger beantragt das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Januar 2007 und den Bescheid vom 12. August
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des
SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte und statthafte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151
Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid vom 12. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 2.
November 2004, mit dem die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 14. November 2003 über Leistungen im
Rahmen der Förderung der beruflichen Wiedereingliederung rückkehrender Fachkräfte aus Partnerländern widerrufen
und die dem Kläger bewilligten Reise - und Transportkostenzuschüsse in Höhe von 2.000 EUR sowie einen
monatlichen Gehaltszuschuss für die Zeit vom 3. Dezember 2003 bis zum 2. Juni 2004 in Höhe von monatlich 1.000
EUR, also insgesamt 8000 EUR zurückgefordert hat.
Der Bescheid vom 14. November 2003 über Leistungen im Rahmen der Förderung der beruflichen Wiedereingliederung
rückkehrender Fachkräfte aus Partnerländern ist - wie im Bescheidestext bezeichnet - auf der Grundlage der zu dem
Programm zur Förderung der beruflichen Wiedereingliederung rückkehrender Fachkräfte aus Partnerländern
erlassenen Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 30. April
2003 ergangen.
Nach Ziffer 4.1 der Anlage 2 (Besondere Nebenbestimmungen zu der Richtlinie) ist die Zuwendung entsprechend der
gesetzlichen Regelung zu erstatten, soweit ein Zuwendungsbescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht, §§ 45 ff. SGB
X oder anderen Rechtsvorschriften unwirksam oder mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder
widerrufen wird.
Nach § 47 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der
eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen
werden, wenn 1. die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt
bestimmten Zweck verwendet wird, 2. mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese
nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Nach Satz 2 der Vorschrift darf der Verwaltungsakt mit
Wirkung für die Vergangenheit nicht widerrufen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf
schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig (§ 47 Abs. 2 Satz 3 SGB X), wenn der Begünstigte
erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter
unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen (§ 47 Abs.
2 Satz 4 SGB X), soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf
des Verwaltungsaktes geführt haben. Die Behörde muss den Widerruf für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres
seit Kenntnis der Tatsachen vornehmen (§ 47 Abs. 2 S. 5 i.V.m. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X), die den Widerruf des
rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
Die Beklagte hat dem Kläger auf seinen Antrag auf Reintegrationsförderung in seinem Heimatland Chile hin mit
Bescheid vom 14. November 2003 einen Reisekostenzuschuss in Höhe von 500 EUR, einen
Transportkostenzuschuss in Höhe von 1.500 EUR und einen Gehaltszuschuss für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis
zum 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 1.000 EUR bewilligt. Sie ist also durch einen eine Geldleistung
zuerkennenden Verwaltungsakt tätig geworden.
Der Bescheid vom 14. November 2003 lautete im Betreff: "Programm zur Förderung der beruflichen
Wiedereingliederung rückkehrender Fachkräfte aus Partnerländern gemäß Richtlinie des BMZ vom 30. April 2003".
Der Beginn des Bescheids lautete: "Sie erhalten gemäß der oben angeführten Richtlinie für ihre Rückkehr nach Chile
im November 2003 folgende Leistungen: ...".
Die Förderung dieser Integrationsleistungen beruht auf Art. 81 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom
24.03.1997 (BGBl. I S. 720) in Verbindung mit § 1 der 22. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (22. DVO) und den Richtlinien des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) zur Förderung der Rückkehr und beruflichen Eingliederung von
Ausbildungsabsolventen und Arbeitnehmern aus Entwicklungsländern vom 13.06.1988 in der Fassung vom
30.04.2003 und den dazu erlassenen Neben- und Ausführungsbestimmungen. Unter Ziffer 5.2 der Richtlinie vom 30.
April 2003 müssen sich rückkehrende Fachkräfte verpflichten, ihren ständigen Aufenthalt dauernd in ihr Heimatland
oder ein anderes Partnerland zu verlegen. Hiervon kann nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn
festgestellt ist, dass für die Rückkehr in das Partnerland eine Verpflichtung zur dauerhaften Rückkehr aufgrund der
Rahmenbedingungen im Partnerland nicht zumutbar ist.
Danach dienten die zugewendeten Geldleistungen an den Kläger der Stärkung des Fachkräftebedarfs für die
wirtschaftliche und soziale Entwicklung in seinem Heimatland. Zudem sollte der geleistete Gehaltszuschuss seine
berufliche Wiedereingliederung erleichtern. Ziel war also eine dauerhafte Rückkehr des Klägers in das Partnerland,
also nach Chile.
In dem Bescheid war weiter bestimmt, der Bewilligungsbescheid werde gegenstandslos, wenn die Rückkehr nicht bis
zum 31. Dezember 2003 erfolgt sei. Der Kläger wurde in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei,
seinen ständigen Wohnsitz und Aufenthalt in sein Rückkehrland zu verlegen und dies der Beklagten durch die Vorlage
der Abmeldebestätigung des letzten Wohnortes in der Bundesrepublik Deutschland nachzuweisen.
Der Kläger wurde auch darauf hingewiesen, dass, falls er sein Arbeitsverhältnis vorzeitig beende, die Zahlung des
Gehaltszuschusses eingestellt werde und der Bewilligungsbescheid widerrufen werde. Er müsse die gewährten
Leistungen zurückzahlen, wenn der Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen
werde. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses nachträglich
entfallen seien.
Dieser mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid ist nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
bestandskräftig geworden, weil gegen ihn durch den Kläger kein Rechtsbehelf eingelegt wurde.
Es handelt sich daher bei dem Bescheid vom 14. November 2003 um einen Verwaltungsakt, der eine Geldleistung
zuerkannte und zwar zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes. Damit ist der Anwendungsbereich für die Regelung
des § 47 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB X eröffnet. Von § 47 Abs. 2 Sozialgesetzbuch X werden nicht schon alle
Verwaltungsakte erfasst, in denen eine mit der jeweiligen Sozialleistung zusammenhängende Zwecksetzung zu
Grunde liegt. Die Vorschrift knüpft vielmehr ausschließlich an die im Verwaltungsakt selbst getroffene
Zweckbestimmung zur Verwendung der bewilligten Geld- oder Sachleistung an (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000,
SozR 3-1300 § 47 Nr. 1; Kasseler Kommentar, Steinwedel, § 47 SGB X Rn. 13). Der Widerspruchsbescheid vom 14.
November 2003 enthält, wie oben, dargestellt eine zum Widerruf berechtigende Zweckbestimmung.
Die Beklagte hat diesen Bescheid zu Recht für die Vergangenheit aufgehoben. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X darf ein
Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer Bestimmung erlassen werden, durch die dem Begünstigten
ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Dies jedoch nur insoweit, als dies dem Zweck des
Verwaltungsakts nicht zuwiderläuft (§ 32 Abs. 3 SGB X). Diesen Anforderungen genügt der Bescheid vom 14.
November 2003.
Zwar reicht es nicht aus, dass der Zweck die Geschäftsgrundlage des Verwaltungsakts ist. Die Leistungen müssen
vielmehr nach dem Verwaltungsakt gezielt und allein für einen bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt worden sein.
Der den Widerruf rechtfertigende Zweck muss in dem Verwaltungsakt eindeutig genannt und bestimmt worden sein
(von Wullfen, SGB X, 6. Aufl., 2008, § 47 Rn. 14 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000, SozR 3-
1300 § 47 Nr. 1 ).
Vorliegend war die Bewilligung der Leistungen mit der Auflage verbunden, spätestens am 31. Dezember 2003 nach
Chile zurückzukehren, dies nachzuweisen und den ständigen Wohnsitz und Aufenthalt nach Chile zu verlegen. Dies
war auch der Zweck der Bewilligung. Der Zweck der Geldleistung ging und geht also eindeutig aus dem Bescheid
selbst hervor.
Der Kläger hat diese Auflage nicht erfüllt. Er hat zwar nachgewiesen, dass er am 1. Dezember 2003 nach S. de Chile
geflogen ist und ab dem 3. Dezember 2003 bei der Firma P. in S. gearbeitet hat. Er hat aber dieses Arbeitsverhältnis
nur bis zum 23. April 2004 aufrecht erhalten, es also vorzeitig beendet, als er mit Flug vom 27. April 2004 wieder nach
Deutschland in die Wohnung S. in A-Stadt zurückgekehrt ist. Damit hat er seinen ständigen Wohnsitz und Aufenthalt
nicht in Chile begründet.
Die Tatsache, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 27. April 2004 in Chile war, lässt nicht den
Schluss zu, er habe für diese Zeit seinen ständigen Wohnsitz in Sinne der Förderungsvoraussetzung für Reise - und
Transportkostenzuschüsse sowie Gehaltszuschüsse im Sinne der Förderung der beruflichen Wiedereingliederung
rückkehrender Fachkräfte aus Partnerländern begründet.
Es mag dahingestellt bleiben, ob bei einem Rückkehrzeitraum von über 6 Monaten im Sinne der
Förderungsvoraussetzungen von einem ständigen Wohnsitz im Sinne der Förderung ausgegangen werden kann. Dafür
spricht, dass die Beklagte die Gehaltszuschüsse nur für ein halbes Jahr bewilligt, obwohl der Förderungszeitraum
einen erheblich längeren Zeitabschnitt umfasst. Dadurch hat sie die Möglichkeit, Nachweise zu fordern und ihre
Entscheidung zu überprüfen. Es ist auch richtig, dass zwischen den zwei durch den Begriff "immer" und den Begriff
"auf Dauer" bestimmten Zeiträumen ein Unterschied besteht.
Jedenfalls dann aber, wenn der Zeitraum von sechs Monaten, für den der erste Abschnitt eines Gehaltszuschusses
bewilligt wird, unterschritten wird, kann nach der Auffassung des Senats nicht von der Begründung eines ständigen
Wohnsitzes im Sinne der Förderung dieser beruflichen Wiedereingliederung ausgegangen werden. Die Frage des
ständigen Wohnsitzes ist also vorliegend nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Subjektive Elemente können keine
Rolle spielen. Insbesondere kann nicht abgestellt werden auf die Absichten und die Prognosen des geförderten
Versicherten zum Zeitpunkt der Bewilligung der Förderung der beruflichen Wiedereingliederung in einem Partnerland.
Ansonsten könnten nach Abbruch des geförderten Beschäftigungsverhältnisses schon nach einem kurzen Zeitraum
(wegen subjektiver persönlicher Gründe des Geförderten) durch die Beklagt z. B. Flüge in das jeweilige Heimatland
finanziert werden müssen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Gründe für die Zweckverfehlung unbeachtlich sind
und dass es insoweit auf ein Verschulden nicht ankommt (von Wullfen, a.a.O.; Kasseler KommentarSteinwedel,
a.a.O., Rn. 12).
§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X stellt den Widerruf entsprechender Bewilligungsbescheide bei Zweckverfehlung in das
Ermessen der Verwaltung (Kasseler KommentarSteinwedel. a.a.O., Rn. 12). Es mag sein, dass der Kläger auf den
Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und die erbrachten Leistungen verbraucht hat. Die Beklagte hat hierzu das
ihr eingeräumte Ermessen aber ausgeübt und ist in ihrem Bescheid vom 12.August 2004 zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustandes und die ordnungsgemäße Mittelverwendung
Vorrang vor einem Vertrauensschutz des Klägers haben. Ermessensfehler konnte der Senat nicht erkennen,
insbesondere hat die Beklagte vor Erlass des Bescheides beim Kläger ein Anhörungsverfahren durchgeführt
(Schreiben vom 18. Juni 2004) und die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte gewürdigt.
Vor allem kann sich der Kläger nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, denn er kannte die Umstände, die zum
Widerruf des Verwaltungsakts geführt haben (§ 47 Abs. 2 Satz 4 SGB X). Im Bescheid vom 4. November 2003 wird er
aufgefordert, eine ausgefüllte Rückkehrmeldung vorzulegen, seinen Wohnsitz und Aufenthalt in das Rückkehrland zu
verlegen und er wird zudem darauf hingewiesen, dass dann, wenn er sein Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet, die
Zahlung des Gehaltszuschusses eingestellt und der Bewilligungsbescheid widerrufen wird. In dem Bescheid wird
zudem ausdrücklich ausgeführt, dass die gewährten Leistungen zurückzuzahlen sind, insbesondere, wenn die
Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses nachträglich entfallen sind oder der Kläger seinen
Verpflichtungen aus dem Förderungsverhältnis nicht nachkommt.
Auf diesen Bescheid hin hat der Kläger die entsprechenden Bescheinigungen, die von ihm gefordert wurden, vorgelegt
und auch am 16. Dezember 2003 eine Rückkehrmeldung an die Beklagte eigenhändig unterschrieben gesandt. Er
erklärte in dieser Rückkehrmeldung, er verpflichte sich, alle erhaltenen Förderleistungen zurückzuzahlen, sollte er
seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt nicht dauerhaft verlegen. Zwar war er damals nicht durch einen
Bevollmächtigten vertreten, aufgrund seines beruflichen Werdegangs und der verschiedenen absolvierten Sprachkurse
und der Tatsache, dass er diese Erklärung auch handschriftlich selbst ausgefüllt hat, ist zwingend davon auszugehen,
dass er die Folgen seines Rückflugs nach Deutschland und seiner Rückkehr nach Deutschland kannte. Der Kläger
war mit der ihm zur Verfügung stehenden Auffassungsgabe und dem ihm gegebenen Erkenntnisvermögen, seinen
intellektuellen Fähigkeiten sowie seinen sprachlichen Kenntnissen in der Lage, diese Bescheide und seine
Rückkehrerklärung zu lesen und zu verstehen und damit zu wissen, dass die Leistungen zurückgefordert würden,
wenn er vorzeitig nach Deutschland zurückkehren würde. Dies wird auch belegt durch seine Ausbildung aber auch
durch seine Ausführungen und sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung, in der sich der Senat ein Bild von der
Persönlichkeit des Klägers machen konnte. Der Kläger kannte also die Umstände, die zum Widerruf des
Verwaltungsakts geführt haben.
Weil die Beklagte auf die Mitteilung des Klägers vom 6. Mai 2004, die bei ihr am 15. Juni 2004 einging, mit Bescheid
vom 14. August 2004 den Bewilligungsbescheid vom 14. November 2003 aufgehoben und die entsprechenden
Leistungen zurückgefordert hat, wurde auch die Jahresfrist für den Widerruf seit Kenntnis der Tatsachen, die den
Widerruf für die Vergangenheit rechtfertigen eingehalten (§ 47 Abs. 2 S. 5 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 S. 2
SGB X).
Da die Beklagte den Bescheid vom 14. November 2003 zu Recht aufgehoben hat, hat der Kläger die erbrachten
Leistungen nach § 50 Abs. I S. 1 SGB X und Ziffer 4.1 der Anlage 2 (Besondere Nebenbestimmungen zu der
Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Förderung der Rückkehr und beruflichen
Eingliederung von Ausbildungsabsolventen und Arbeitnehmern aus Entwicklungsländern vom 13.06.1988 in der
Fassung vom 30.04.2003) zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. Soweit das Sozialgericht dem Kläger
Mutwillenskosten in Höhe von 500,00 EUR auferlegt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Der Kläger hatte die positive
Kenntnis, dass bei einer Rückkehr aus seinem Heimatland Chile die für seine Wiedereingliederung in den dortigen
Arbeitsmarkt aufgewendeten Leistungen von der Beklagten zurückgefordert würden (s.o.). Dies hat das SG dem
Kläger dargelegt. Insbesondere wurde er darauf hingewiesen (vgl. Niederschrift vom 12. Januar 2007), dass die Klage
keine Aussicht auf Erfolg hat und die Auferlegung von Verfahrenskosten in Betracht kommt. Auch wurden die Kosten
durch das SG nachvollziehbar nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 267 Zivilprozessordnung (ZPO)
geschätzt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).