Urteil des LSG Bayern vom 23.05.2007

LSG Bayern: anspruch auf bewilligung, freizügigkeit der arbeitnehmer, sozialversicherung, nachlässigkeit, eugh, urkunde, altersrente, gemeinschaftsrecht, form, altersgrenze

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.05.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 11 R 63/02
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 343/06
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.02.2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob für den Beginn der Gewährung von Regelaltersrente der 13.11.1939 oder
der 13.01.1939 das maßgebliche Geburtsdatum ist.
Der Kläger, der in der Türkei geboren und türkischer Staatsangehöriger ist, hat in Deutschland von 1963 bis 1975
versicherungspflichtig gearbeitet. Bei Eintritt in die deutsche Rentenversicherung gab er als Geburtsdatum den
13.11.1939 an.
Am 02.04.2001 legte der Kläger bei der Beklagten das Urteil des Landgerichts A./Türkei vom 26.04.1999 vor, nach
dem das Geburtsdatum des Klägers vom 13.11.1939 auf den 13.01.1939 geändert wurde. Gleichzeitig bat er um
Mitteilung, ob er einen Rentenanspruch habe.
Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Geburtsdatums 13.01.1939 und die Änderung der Versicherungsnummer mit
Bescheid vom 01.08.2001 und Widerspruchsbescheid vom 22.10.2001 ab. Der Kläger habe bei Eintritt in die deutsche
Rentenversicherung den 13.11.1939 als Geburtsdatum angegeben. Davon dürfe nur dann abgewichen werden, wenn
durch die deutsche Rentenversicherung festgestellt werde, dass ein Schreibfehler vorliegt oder sich aus einer
Urkunde, deren Original vor Eintritt in die deutsche Rentenversicherung ausgestellt worden ist, ein anderes
Geburtsdatum ergibt. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Bayreuth erhoben und vorgebracht, sein ursprüngliches
Geburtsdatum sei wegen der Nachlässigkeit seines Vaters unrichtig in das Personenstandsregister eingetragen
worden. Diese Nachlässigkeit sei durch das rechtskräftige türkische Urteil berichtigt und sein richtiges Geburtsdatum
ins standesamtliche Register eingetragen worden; auch sein Personalausweis sei mit dem berichtigten Geburtsdatum
ausgestellt worden. Aus diesen Gründen sollte der 13.01.1939 als sein Geburtsdatum von der Beklagten akzeptiert
werden. Mit Bescheid vom 13.09.2004 hat die Beklagte dem Kläger ab 01.12.2004 Regelaltersrente gewährt.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 24.02.2006 abgewiesen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die
Änderung des Geburtsdatums durch die Beklagte seien trotz des vom Kläger erwirkten Urteils vom 26.04.1999 nicht
gegeben. Dieses Urteil entfalte für die gesetzliche deutsche Rentenversicherung keine Bindungswirkung. Vom
Geburtsdatum in der Versicherungsnummer dürfe nur unter den in der deutschen Sozialversicherung genannten
Vorschriften abgewichen werden. Eine Versicherungsnummer werde nur einmal vergeben und grundsätzlich nicht
berichtigt. Nur Versicherungsnummern, die wegen einer zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums
fehlerhaft geworden seien, würden gesperrt und der Versicherte erhalte eine neue Versicherungsnummer. Seien
Rechte davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht sei, sei das Geburtsdatum maßgebend, das sich
aus der ersten Angabe des Berechtigten gegenüber einem Sozialleistungsträger oder gegenüber dem Arbeitgeber
ergebe. Im Fall des Klägers sei von der Änderung des Geburtsdatums die Bewilligung von Regelaltersrente abhängig.
Der Kläger habe bei Aufnahme seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland den 13.11.1939 als
Geburtsdatum angegeben. Dieses Datum sei somit als maßgeblich für die Rentenversicherung zu betrachten. Gründe,
davon abzuweichen, seien nicht gegeben. Es reiche nicht aus, dass das Geburtsdatum durch ein - türkisches - Urteil
berichtigt wurde, sondern es komme darauf an, wann das Urteil ergangen sei. Sei dieses nach Zuteilung der
Versicherungsnummer ergangen, bleibe es ohne Auswirkung auf die Änderung der Versicherungsnummer.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 22.05.2006 Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgebracht, das türkische
Urteil solle maßgebend ins Auge gefasst werden, da alle Bescheinigungen wie Personalausweis, standesamtliche
Eintragungen usw. nach dem rechtskräftigen türkischen Urteil vom 26.04.1999 geändert worden seien. Sein
Geburtsdatum sei auf den 13.01.1939 berichtigt worden. Er habe deshalb ein Recht auf Bewilligung von
Regelaltersrente unter Berücksichtigung des geänderten Geburtsdatums.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 24.02.2006 und den Bescheid der
Beklagten vom 01.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2001 aufzuheben, den
Rentenbescheid vom 13.09.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente bereits ab
01.02.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte trägt vor, die Berufungsschrift des Klägers enthalte keine neuen rechtserheblichen Tatsachen, die zu
einer Änderung in der Beurteilung des Sachverhaltes führen könnten. Es sei weiterhin von einem für die
Sozialversicherung maßgeblichen Geburtsdatum vom 13.11.1939 auszugehen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die
Verwaltungsunterlagen der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen
zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers ist aber nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom
24.02.2006 vielmehr zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung von
Regelaltersrente unter Berücksichtigung des vom türkischen Landgericht A. geänderten Geburtsdatums vom
13.01.1939 hat.
Bei der Prüfung der Frage, wann der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet und somit Anspruch auf Bewilligung von
Regelaltersrente hat, hat die Beklagte zu Recht auf § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) abgestellt. Diese
Regelung, gegen die grundsätzliche Bedenken verfassungsrechtlicher Art nicht bestehen (vgl. Urteile des BSG vom
05.04.2001 - B 13 RJ 21/00 R, B 13 RJ 33/00 R und B 13 RJ 35/00 R -), soll die missbräuchliche Inanspruchnahme
von Sozialleistungen in Fällen vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung des amtlich registrierten Geburtsdatums
ein längerer oder früherer Bezug von Sozialleistungen begehrt wird (vgl. dazu Begründung des Gesetzentwurfs, BT-
Drucks 13/8994, S 85). Das SG hat deshalb zutreffend entschieden, dass eine Änderung dieses i.S. von § 33a Abs 1
SGB I zuerst angegebenen Geburtsdatums mit dem Ziel, dass ein anderes Geburtsdatum im Hinblick auf
Sozialleistungen maßgeblich sein soll, nur unter den engen Voraussetzungen des § 33a Abs 2 Nrn 1 und 2 SGB I
möglich ist. Rechtsfehlerfrei hat das SG auch festgestellt, dass vorliegend die Voraussetzungen dieser Vorschrift
nicht gegeben sind. Denn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Schreibfehlers i.S. von § 33a Abs 2 Nr 1 SGB I
liegen nicht vor. Darüber hinaus hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus keiner älteren Urkunde i.S.
von § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Auch europarechtlich, im Besonderen mit Blick auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union, ist § 33a SGB I unbedenklich. Der Europäische Gerichtshof (EuGH), dessen Rechtsprechung
der Senat folgt, hat in seinem Urteil vom 02.12.1997 - 336/94 - (SozR 3-7670 § 66 Nr 1), das einen griechischen
Staatsbürger betraf (Sache Dateki), ausdrücklich ausgeführt, dass die Behörden und Gerichte eines Mitgliedsstaates
nach Gemeinschaftsrecht nicht verpflichtet seien, nachträgliche Berichtigungen von Personenstandsurkunden durch
die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates genauso zu behandeln wie derartige Berichtigungen durch
die zuständigen Behörden des eigenen Staates. Dazu hat das BSG im Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 35/00 R -
entschieden, dass die vom EuGH entwickelten Maßstäbe grundsätzlich auch für türkische Staatsangehörige gelten.
Bei dieser Sachlage ist die Beklagte in ihren angefochtenen Entscheidungen zu Recht davon ausgegangen, dass der
Kläger Anspruch auf Bewilligung von Altersrente nach einem Geburtsdatum vom 13.11.1939 hat. Der Senat weist
deshalb die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer
weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Revision i.S. des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.