Urteil des LSG Bayern vom 28.11.2001

LSG Bayern: eintritt des versicherungsfalls, arbeitsunfähigkeit, somatoforme schmerzstörung, erwerbsfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, bandscheibenvorfall, minderung, bandscheibenoperation, unterbrechung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.11.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 5 Ar 494/95
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 460/97
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.05.1997 aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 06.04.1995 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 vom 01.01.1997 bis 31.12.2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu
gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der
außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1949 geborene Kläger hat nach seinen Angaben den Beruf eines Industriekaufmanns erlernt (Prüfung 1969),
war aber in der Folgezeit nicht in diesem Beruf beschäftigt. Er hat von 1969 bis 1971 als Kellner, Verkaufsfahrer und
Versicherungsvertreter gearbeitet, daran anschließend bis 1973 als Verkäufer und von 1973 bis 1980 als Verkäufer im
elterlichen Betrieb. Danach war der Kläger ab November 1984 mit Unterbrechungen bis September 1988 als
Folienschweißer beschäftigt. Seit 07.09.1988 besteht Arbeitsunfähigkeit.
Auf seinen Rentenantrag vom 14.2.1990 ließ ihn die Beklagte durch den Sozialmediziner Dr.B. untersuchen. Im
Gutachten vom 19.03.1990 nahm dieser wegen eines chronischen Wirbelsäulensyndroms nach Bandscheibenprolaps
(1986) und anstehender Bandscheibenoperation einen Zustand vorübergehender Erwerbsunfähigkeit (EU) bis
31.03.1991 an. Mit Bescheid vom 30.03.1990 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rentenleistungen ab. Der Kläger
sei zwar vom 07.09.1988 bis 31.03.1991 berufs- und erwerbsunfähig; er erfülle jedoch nicht die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung, da im maßgeblichen Zeitraum vom 01.04.1982
bis 31.08.1988 statt der erforderlichen 36 Monate lediglich 32 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.02.1991 zurück. Der Kläger erfülle die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rentenanspruchs auch nicht nach der
Übergangsvorschrift des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG, weil die Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1987 (Ende des
Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls) nicht durchgehend mit Beiträgen oder anwartschaftserhaltenden
Zeiten belegt sei; unbelegt seien die Monate Januar bis Juni 1984.
Die dagegen gerichtete Klage (Az: S 14 Ar 265/91) wies das Sozialgericht Nürnberg (SG) mit Urteil vom 16.10.1991
ab und berief sich zur Begründung auf die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Es hat den Eintritt
des Versicherungsfalls mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 07.09.1988 angenommen; wie von der Beklagten
festgestellt, seien im maßgeblichen Zeitraum aber lediglich 32 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden.
Im anschließenden Berufungsverfahren (Az L 10 Ar 800/91 BayLSG) erklärte sich die Beklagte am 08.06.1994 bereit,
ausgehend von dem am 14.02.1990 gestellten Rentenantrag zu überprüfen, ob ab dem 01.01.1992 Rente wegen
Berufsunfähigkeit (BU) oder EU gewährt werden könne. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Chirurgen Dr.L. , den
Nervenarzt Dr.D. und den Sozialmediziner Dr.H. untersuchen. Dr.L. vertrat in seinem Gutachten vom 12.10.1994 die
Auffassung, dass dem Kläger leichte Arbeiten wieder vollschichtig zumutbar seien. Trotz Zeitablaufs von mehr als
sechs Jahren seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit sei bislang keine Wirbelsäulenoperation veranlasst worden; es
bestehe deshalb keine Rechtfertigung für eine zeitliche Begrenzung der Einsatzfähigkeit. Dr.D. ging in seinem
Gutachten vom 13.10.1994 ebenfalls davon aus, dass der Kläger leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus ganztags
verrichten könne. Der Kläger sei orthopädisch in den letzten drei Jahren nicht mehr behandelt worden. Auch Dr.H.
nahm beim Kläger lediglich bis zum 31.03.1991 ein auf untervollschichtig eingeschränktes Leistungsvermögen an. Für
den Versicherten habe ein konkreter Operationstermin wegen des Bandscheibenleidens offenbar zu keinem Zeitpunkt
festgestanden (was bei der Beurteilung durch Dr.B. wohl auslösend für die Empfehlung einer Zeitrente gewesen sei).
Mit Bescheid vom 06.04.1995 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rentengewährung erneut ab. Beim Kläger habe über
den 31.03.1991 hinaus weder BU noch EU vorgelegen. Vor Eintritt des Versicherungsfalls der vorübergehenden EU
am 07.09.1988 habe der Kläger im anrechnungsfähigen Zeitraum vom 01.04.1982 bis 31.08.1988 aber statt der
erforderlichen 36 nur für 32 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die
Beklagte mit Bescheid vom 17.07.1995 zurück.
Am 18.08.1995 hat der Kläger beim SG Nürnberg Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es seien
weitere (anwartschaftserhaltende) Zeiten zu berücksichtigen, insbesondere die vom 27.10.1983 bis 15.07.1984
erlittene Strafhaft. Es habe sich hierbei um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt.
Das SG hat einen Befundbericht des Internisten Dr.I. vom 16.11.1995 beigezogen. Auf Veranlassung des Gerichts
haben der Orthopäde Dr.R. das Gutachten vom 06.05.1996 und die Nervenärztin Dr.O. das Gutachten vom
14.06.1996 erstattet. Dr.R. gelangte zu dem Ergebnis, dass dem Kläger noch leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus
in Vollschicht möglich seien. Im Vergleich zu den von Dr.L. und Dr.D. erstatteten Vorgutachten sei keine wesentliche
Befundänderung eingetreten. Seit dem 01.04.1991 sei im Gesundheitszustand und damit im Leistungsvermögen des
Klägers überhaupt keine Befundverschlechterung festzustellen. Frau Dr.O. kam dagegen zu dem Ergebnis, dass beim
Kläger eine vollschichtige berufliche Belastbarkeit nicht mehr gegeben sei. Zwischen der letzten ambulanten
Untersuchung am 12.10.1994 und der Untersuchung bei ihr am 14.06.1996 habe sich eine weitere Fixierung des
psychogenen Schmerzsyndroms ergeben. Zumindest seit dem Untersuchungstag am 14.06.1996 sei das körperliche
und das psycho-physische Leistungsvermögen in den unter-vollschichtigen Bereich abgesunken.
Mit Urteil vom 22.05.1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger (bei einem
Leistungsvermögen von ca vier Stunden täglich) seit dem 14.06.1996 erwerbsunfähig sei. Das Gericht habe insoweit
keine Bedenken, sich dem Gutachten der Sachverständigen Dr.O. anzuschließen. Das Hauptgewicht der
gesundheitlichen Störungen des Klägers liege auf psychiatrischem Fachgebiet, auf dem sich eine fixierte
Schmerzschonhaltung und ein depressives Versagenssyndrom ent- wickelt hätten. Allerdings könne dieser Zustand
erst ab der Untersuchung durch Dr.O. am 14.06.1996 angenommen werden. Daneben lasse sich eine über den
31.03.1991 hinaus fortdauernde EU jedenfalls nicht wegen orthopädischer Gesundheitsstörungen bejahen. Bei der
neurologischen Untersuchung sei ein echter Wurzelreiz oder ein Wurzelkompressionsyndrom nicht festgestellt
worden. Hervorzuheben sei auch, dass der Kläger über längere Zeit nicht in orthopädischer Behandlung gestanden
habe und die ursprünglich empfohlene Bandscheibenoperation im Bereich der Lendenwirbelkörper L5/S1 auch sechs
Jahre nach dem 1988 computertomografisch gesicherten Bandscheibenvorfall nicht durchgeführt worden sei.
Ausgehend von einem am 14.06.1996 eingetretenen Leistungsfall der EU auf Zeit erfülle der Kläger nicht die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eines entsprechenden Rentenanspruchs. In den maßgebenden Zeitraum
vom 14.06.1991 bis zum 13.06.1996 fielen nach dem Versicherungsverlauf keine Pflichtbeiträge. Die
Voraussetzungen des § 241 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien ebenfalls nicht erfüllt. Der
Versicherungsverlauf des Klägers weise erhebliche Lücken auf, insbesondere für die Zeit von Januar 1981 bis Juni
1984. Eine Schließung der Beitragslücken komme nicht mehr in Betracht. Für die Zeit der Strafhaft habe
Versicherungspflicht lediglich im Verhältnis zur Arbeitslosenversicherung nicht jedoch in der gesetzlichen
Rentenversicherung bestanden.
Mit der am 14.08.1997 beim SG Nürnberg eingegangenen Berufung macht der Kläger weiterhin die Gewährung von
Rente wegen EU bzw BU ab Antragstellung (14.02.1990) geltend. Er habe bereits 1988 den zuletzt ausgeübten Beruf
als Folienschweißer wegen einer schweren Bandscheibenschädigung aufgeben müssen. Diese werde von den Ärzten
derzeit für inoperabel gehalten. Die Arbeitsunfähigkeit habe durchgehend seit 1988 bestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 22.05.1997 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom
06.04.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 zu verurteilen, ihm ab 01.02.1990 Rente
wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Senat hat einen Befundbericht des Internisten Dr.I. vom 22.03.1999 zum Verfahren beigenommen
(Befundbeschreibung ab November 1995). Der Orthopäde Dr.K. hat am selben Tage über Behandlungszeiten des
Klägers ab Februar 1998 berichtet. Die Beklagte hat den Versicherungsverlauf vom 15.04.1999 vorgelegt.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten des BayLSG und des SG Nürnberg
vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151, 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich zum Teil als begründet.
Nicht zu beanstanden ist das erstgerichtliche Urteil, soweit es die streitigen Leistungen auf Rente wegen EU bzw BU
für die Zeit bis 31.12.1996 betrifft. Durch den (in Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 08.06.1994 erteilten)
Zweitbescheid vom 06.04.1995 hat die Beklagte erneut über den am 14.02.1990 gestellten Rentenantrag entschieden
und dadurch eine weitere gerichtliche Überprüfung ohne Bindung an die Voraussetzungen des § 44 SGB X eröffnet.
Der Kläger ist jedoch auch nach Auffassung des Senats erst seit 14.06.1996 (Untersuchung bei Dr.O.) erwerbsunfähig
iS des § 44 Abs 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, ist der
Kläger seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, auch nur leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in
Vollschicht zu erbringen. Mit dem SG teilt auch der Senat die von der nervenärztlichen Sachverständigen Dr.O.
geäußerte Auffassung, dass beim Kläger das Hauptgewicht der gesundheitlichen Störungen auf psychiatrischem
Gebiet liegt. Es hat sich eine fixierte Schmerz-Schonhaltung und ein depressives Versagenssyndrom entwickelt, das
therapeutischem Zugriff weitgehend entzogen ist. Seit der ambulanten Untersuchung des Klägers bei Dr.D. im
Oktober 1994 und der Untersuchung im Juni 1996 hat sich eine weitere Fixierung des psychogenen
Schmerzsyndroms ergeben, die eine vollschichtige Belastbarkeit mit beruflichen Aufgaben nicht mehr zulässt. Aus
den primär organisch bedingten Beschwerden, die zuletzt ausführlich von dem Orthopäden Dr.R. beschrieben wurden,
hat sich eine somatoforme Schmerzstörung mit krankheitswertiger Persönlichkeitsstörung entwickelt. Hieraus lässt
sich auch zur Überzeugung des Senats ableiten, dass der Kläger seit Juni 1996 selbst leichte körperliche Arbeiten
(ohne besondere Verantwortung, ohne Zeitdruck und ohne stresshafte Bedingungen) im Wechselrhythmus nur noch im
Umfang von ca vier Stunden pro Tag verrichten kann.
Ausgehend von dem am 14.06.1996 eingetretenen Leistungsfall der EU (auf Zeit) erfüllt der Kläger auch die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Versichertenrente gemäß §§ 43 Abs 1 Nr 2, 44 Abs
1 Nr 2 SGB VI. Zwar hat der Kläger in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU (14.06.1991 - 13.06.1996) nicht für
wenigstens drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt (unstreitig ist für den Kläger in dieser Zeit kein einziger
Pflichtbeitrag nachgewiesen); der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit verlängert
sich jedoch um Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI) und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs 3 Nr 1 iVm § 44 Abs 4 SGB VI). Vorliegend kommen lediglich Zeiten nach § 58 Abs 1 Nr 1
SGB VI in Betracht, in denen der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist oder Leistungen zur
Rehabilitation erhalten hat. Mit dieser Fassung des (am 01.01.1992 in Kraft getretenen) Gesetzes ist klargestellt, dass
ein Krankengeldbezug nicht (mehr) Berücksichtigungsvoraussetzung ist. Die nach Abs 2 des § 58 SGB VI
erforderliche Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung liegt vor, da der Kläger bis zum 21.08.1988
Pflichtbeiträge aufgrund abhängiger Beschäftigung entrichtet hat und am 08.09.1988 arbeitsunfähig geworden ist.
Anschließend hat er bis 24.03.1990 durchgehend Krankengeld bezogen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat aber
nicht mit dem Wegfall des Krankengeldes geendet, sondern nach Überzeugung des Senats ohne Unterbrechung über
diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Eintritt des Leistungsfalles im Juni 1996 angedauert, so dass der Kläger vom
08.09.1988 bis 13.06.1996 für die davor zuletzt (nicht nur vorübergehend) ausgeübte Tätigkeit als Folienschweißer
arbeitsunfähig war. Nach den glaubhaften anamnestischen Angaben des Klägers bei den Sachverständigen Dr.D. im
Oktober 1994 und Dr.R. im Mai 1996 sind in diesem Beruf in nicht unerheblichem Umfang Belastungen durch Heben
und Tragen schwerer Lasten angefallen. Dr.R. hat in seinem Gutachten dazu festgestellt, dass allein die Änderungen
an der Halswirbelsäule (Spondylosis deformans bei C4-6; Osteochondrose C5/6 mit Einengung des zugehörigen
Zwischenwirbelloches rechts; pathologische Kyphosierung der Halswirbelsäule) eine Belastung durch Heben und
Tragen nicht mehr zuließen. Darin hat dieser Sachverständige auch die Ursache gesehen, dass der zuletzt ausgeübte
Beruf des Folienschweißers spätestens im September 1988 aufgegeben werden musste und auch später nicht mehr
ausgeübt werden konnte. In diesem Sinne hat sich zur Frage der Arbeitsfähigkeit auch Dr.D. in seinem Gutachten
vom 13.10.1994 geäußert und beim Kläger für die Zeit ab 07.09.1988 durchgehend Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt
ausgeübte Tätigkeit angenommen. Schon vorher hatte der Chirurg Dr.L. bei der Untersuchung des Klägers am
16.10.1991 (im Verfahren vor dem SG Nürnberg, Az S 14 Ar 265/91) festgestellt, dass der Kläger wegen eines
schmerzhaften, hartnäckigen WS-Syndroms bei Bandscheibenvorfall am untersten Lendenwirbel seit 07.09.1988
arbeitsunfähig krank war und dass der (seinerzeit) bestehende Zustand auch weiterhin mit einer erheblichen
Einschränkung seines Leistungsvermögens (für Tätigkeiten aller Art) verbunden sei. Unter diesen Umständen sieht es
der Senat als nachgewiesen an, dass der Kläger von September 1988 bis zum Juni 1996 für die bis dahin ausgeübte
Tätigkeit als Folienschweißer arbeitsunfähig gewesen ist. Der og Bemessungszeitraum vom 14.06.1991 bis
13.06.1996 vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit, in dem wenigstens Pflichtbeiträge für 36 Kalendermonate
nachgewiesen sein müssen, verlängert sich deshalb zumindest um eine Schubzeit iS von § 43 Abs 3 Nr 1 iVm § 58
Abs 1 Nr 1 SGB VI, die von Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 07.09.1988 bis zum Eintritt des
Leistungsfalls am 14.06.1996 insgesamt sieben Jahre und neun Monate umfasst, mithin den Beginn des
maßgeblichen Bemessungszeitraums auf 01.09.1983 vorverlegt. Darin sind für den Kläger 39 mit Pflichtbeiträgen
belegte Monate enthalten.
Der Kläger erfüllt damit die versicherungsrechtlichen Erfordernisse für die Gewährung der nach seinem Hauptantrag
streitigen Versichertenrente wegen EU nach § 44 Abs 1 Nr 2 iVm § 43 Abs 3 Nr 1 und § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Bei
einem Leistungsvermögen von ca vier Stunden täglich für einfache Arbeiten ist der Anspruch auf EU-Rente auch von
der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig; die Rente kann deshalb nur auf Zeit geleistet werden (§ 102 Abs 2 SGB VI).
Der Senat hat, bei rückschauend unveränderter Arbeitsmarktlage, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die
Befristung über drei Jahre hinaus auf insgesamt sechs Jahre zu verlängern, wobei eine weitere Verlängerung durch
die Beklagte, abhängig von der Arbeitsmarktlage, nicht ausgeschlossen ist. Für die Weitergewährung der Rente über
den Wegfallzeitpunkt hinaus bedarf es eines Antrags des Klägers.
Da dem Kläger die begehrte Rente erst von einem Zeitpunkt lange nach Antragstellung an zugesprochen werden
konnte, hält es der Senat für angemessen, dass ihm die Beklagte die außergerichtlichen Kosten entsprechend dem
Verhältnis seines Obsiegens und Unterliegens im Rechtsstreit nur zur Hälfte zu erstatten hat (§ 193 SGG).
Der Senat hat gemäß § 160 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 SGG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage
zugelassen, ob sich auch unter der Geltung des Rentenreformgesetzes (hier § 58 Abs 1 Nr 1 SGB VI) nach
Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs die weitere Arbeitsunfähigkeit streng an den Leistungsanforderungen der
zuletzt verrichteten Tätigkeit oder an einem deutlich weiter gezogenen Kreis zumutbarer "Verweisungstätigkeiten"
orientiert und welche Anforderungen an den Nachweis langdauernder Arbeitsunfähigkeit zu stellen sind.