Urteil des LSG Bayern vom 14.02.2003

LSG Bayern: eintritt des versicherungsfalls, erwerbsunfähigkeit, verdacht, anfang, form, läsion, behinderung, druck, verkehrsmittel, erwerbstätigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.02.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 9 RJ 644/96
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 168/99
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Januar 1999 aufgehoben
und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 26. August 1996 abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. III. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente bis 31.10.1999, ausgehend vom Versicherungsfall
am 17.04.1996.
Der am 1944 geborene Kläger war zuletzt von 1979 bis 26.04.1996 als Gabelstaplerfahrer beschäftigt. Seither ist er
arbeitslos. Aus einem Heilverfahren Ende 1995/Anfang 1996 war der Kläger als arbeitsfähig entlassen worden. Wegen
rezidivierender Gonalgie, Zustands nach Innenmeniskusoperation, chronischer Lumbalgie und
Rotatorensehnensyndroms seien dem Kläger auf längere Sicht nur leichte Belastung, wechselnde Arbeitshaltung, kein
Heben und Tragen über 10 kg, kein häufiges Bücken und keine Zwangshaltungen zumutbar.
Am 17.04.1996 stellte der Kläger einen Rentenantrag. Der behandelnde Orthopäde Dr.G. hielt keinerlei
Erwerbstätigkeit mehr für möglich. Im beigezogenen MDK-Gutachten vom 05.03.1996 heißt es, die Tätigkeit als
Gabelstaplerfahrer, die mit schwerem Heben verbunden sei, sei nicht mehr zumutbar. Für leichte bis mittelschwere
Tätigkeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen sei der Kläger vollschichtig einsatzfähig. Daraufhin lehnte die
Beklagte den Rentenantrag am 13.06.1996 mit der Begründung ab, leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige
Körperhaltung zu ebener Erde, ohne häufiges Bücken und ohne Überkopfarbeiten seien vollschichtig zumutbar. Gegen
den Widerspruchsbescheid vom 26.08.1996 hat der Kläger am 04.09.1996 unter Vorlage eines Attestes von Dr.G.
über Erwerbsunfähigkeit ab Rentenantragstellung Klage erhoben. Die vom Gericht veranlasste orthopädische
Begutachtung durch Dr.S. hat ergeben, dass der Kläger für leichte Arbeiten nur noch halbschichtig einsatzfähig ist.
Nachdem von Beklagtenseite durch Dr.L. zahlreiche Mängel des Gutachtens aufgelistet worden waren, Dr.G. auch
über ein chronisches Halswirbelsäulensyndrom mit inkonstanter sensibler Wurzelreizsymptomatik berichtet und der
Orthopäde Dr.V. Erwerbsunfähigkeit attestiert hatte, hat das Gericht den Orthopäden Dr.S. mit der Erstellung eines
Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 20.10.1998 nach ambulanter Untersuchung zu dem
Ergebnis gekommen, eine halb- bis untervollschichtige leichte Tätigkeit sei in wechselnder Körperhaltung zumutbar.
Auch sei eine Gehstrecke von 4 x gut 500 m täglich zu bewältigen. Dazu hat Dr.P. von Seiten der Beklagten
ausgeführt, der vom Sachverständigen geäußerte Verdacht auf ein Abduktionssyndrom sei unhaltbar und die zeitliche
Leistungseinschränkung nicht nachvollziehbar. Bei Berücksichtigung qualitativer Leistungsdefizite sei eine
vollschichtige Tätigkeit möglich. Das Sozialgericht hat die Beklagte am 18.01.1999 zur Gewährung von
Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bis 31.10.1999 verurteilt. Es hat den Eintritt des Versicherungsfalls am 17.04.1996
zugrunde gelegt und sich auf die Gutachten der Sachverständigen gestützt, denen deshalb der Vorzug gegeben
wurde, weil sie sich im Gegensatz zu den Ärzten der Beklagten auf eine persönliche Untersuchung stützen konnten.
Gegen das am 05.03.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.03.1999 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht
habe sich mit den Einwänden Dr.L. und Dr.P. nicht auseinandergesetzt. Dr.S. hat auf Aufforderung durch das Gericht
am 12.10.2000 ergänzt, der Verdacht auf ein Hyperabduktionssyndrom sei nicht ausgeschlossen. Von einer zeitlichen
Leistungseinschränkung sei wegen nachvollziehbarer Schmerzen bei längeren Tätigkeiten auszugehen. Dr.P. hat
demgegenüber geltend gemacht, bei Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen seien keine erheblichen
Schmerzen zu erwarten. Im Auftrag des Gerichts hat der Orthopäde Dr.F. am 04.02.2002 nach ambulanter
Untersuchung ein Gutachten erstellt. Seines Erachtens sind leichtere, überwiegend im Sitzen auszuübende
Tätigkeiten ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, nicht in knieender und hockender Stellung, ohne gröbere Druck-,
Stoß- und Stauchbelastungen auf die Wirbelsäule, ohne Überkopfarbeiten und ohne kraftfordernde Tätigkeiten mit der
linken Hand vollschichtig zumutbar. Das Gehvermögen liege jeweils über 500 m viermal am Tag. Weitere
Begutachtungen seien nicht erforderlich. Auf Antrag des Klägers ist der Orthopäde Dr.S. gehört worden. In seinem
Gutachten vom 13.08.2002 nach ambulanter Untersuchung hat er einen Arztbrief des Psychiaters und Neurologen
Dr.V. vom 12.08.2002 berücksichtigt und eine hinzugetretene Gesundheitsstörung an der Schulter beschrieben. Er hat
weiterhin die Auffassung vertreten, leichte Tätigkeiten seien noch drei bis sechs Stunden pro Tag bzw. halbschichtig
zumutbar. Demgegenüber hat Dr.L. die Befunde Dr.S. und Dr.F. für vergleichbar, aber nicht ausreichend für eine
zeitliche Leistungseinschränkung erachtet. Dieser Beurteilung hat sich Dr.F. in seiner Stellungnahme vom 08.11.2002
angeschlossen. Der Klägerbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, der Grad der Behinderung betrage ab April 2002
50 v.H.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.01.1999
aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 13.06. 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
26.08.1996 abzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 18.01.1999 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Schwerbehindertenakten, der Akten des
Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mangels Anschlussberufung ist Streitgegenstand lediglich die Bewilligung der Zeitrente bis 31.10.1999. Die
Entscheidung über den bereits vor Berufungseinlegung gestellten Weitergewährungsantrag wurde von der Beklagten
entsprechend dem Schreiben vom 08.03.2000 an den Klägerbevollmächtigten zurückgestellt.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 18.01.1999 war aufzuheben, die Klage gegen den Bescheid vom 13.06.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.08.1996 abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist am 17.04.1996 kein Versicherungsfall eingetreten.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen,
das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 in der durch das Gesetz vom 23.06.1994
geänderten Fassung - Bundesgesetzblatt I S.1311 -, die bis zur Änderung durch das Gesetz vom 24.03.1999 -
Bundesgesetzblatt I S.388 - gültig gewesen ist). Der Kläger ist zwar bereits seit 09.11.1994 außerstande, die zuletzt
überwiegend ausgeübte Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer in nennenswertem Umfang auszuüben. Er war jedoch im
maßgeblichen Zeitraum bis 31.10.1999 in der Lage, andere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das überzeugende und ausführliche Gutachten des gerichtlich
bestellten Sachverständigen Dr.F. , der den Kläger Anfang 2002 persönlich untersucht, sämtliche Vorbefunde
sorgfältig gewürdigt und seine von den Sachverständigen Dres. S. und S. abweichende Auffassung schlüssig
begründet hat. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Sachverständiger im Bereich der Bayerischen
Sozialgerichtsbarkeit verfügt er sowohl über die erforderlichen Kenntnisse als auch über die praktische Erfahrung, um
sämtliche hier in Betracht kommenden gesundheitlichen Störungen medizinisch zutreffend einzuordnen und ihre
Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit des Klägers im allgemeinen Erwerbsleben sachgerecht zu beurteilen. Mit
seiner Würdigung befindet er sich in Übereinstimmung mit den Ärzten der Reha-Klinik in Kötzting, wo sich der Kläger
zum Jahreswechsel 1995/1996 mehrere Wochen aufgehalten hat. Auch im Gutachten des MDK vom 05.03.1996
wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen bei qualtitativen Leistungseinschränkungen bejaht. Schließlich kann von
der Schwerbehinderteneigenschaft nicht auf Erwerbsunfähigkeit geschlossen werden, der GdB von 50 zeugt vielmehr
von einem nennenswerten Restleistungsvermögen.
Die vom Sozialgericht innerhalb des maßgeblichen Zeitraums gehörten Sachverständigen Dres. S. und S. vermochten
nicht zu überzeugen. Das Gutachten Dr.S. vom 03.03.1998 leidet unter zahlreichen Mängeln, wie sie in der
Stellungnahme Dr.L. vom 21.04.1998 aufgelistet sind. Zu Recht bemängelte dieser die fehlende Beobachtung des
Auskleidevorgangs, die fehlende Medikationsanamnese, die fehlende Beschreibung der Beschwielung an den
Fußsohlen, die Überbetonung von Röntgenbefunden und den Widerspruch zwischen angeblicher Schonung des
rechten Beins und tatsächlicher Muskelmasse. Dr.S. hat diese Mängel in seinem gemäß § 109 SGG am 13.08.2002
erstellten Gutachten indirekt zugegeben, als er nun die fehlenden Beobachtungen bzw. Befunde als
selbstverständlichen Teil des Gutachtens nennt. Die offensichtlichen Mängel des Gutachtens von Dr.S. waren wohl
mit ein Grund für das Sozialgericht, ein weiteres fachorthopädisches Gutachten einzuholen.
Hiergegen konnte auch dieses Gutachten nicht überzeugen, obwohl es in Übereinstimmung mit den nicht weiter
begründeten Attesten der behandelnden Orthopäden Dres. V. und G. steht. Vermisst wird eine Begründung der
zeitlichen Leistungseinschränkung und eine Auseinandersetzung mit den abweichenden Leistungsbeurteilungen im
HV-Bericht und dem MDK-Gutachten. Auf die Aufforderung des Gerichts, sich mit den Einwänden Dr.L. und Dr.P.
auseinanderzusetzen, antwortete Dr.S. am 12.10.2000 ausweichend:"Wenn man davon ausgeht, dass bei den hier
vorliegenden gesundheitlichen Veränderungen des Klägers es bei längeren Tätigkeiten durchaus zu nachvollziehbaren
Schmerzen kommen kann, die dann unter Umständen auch betriebsunübliche Pausen notwendig machen, gehe ich ...
auch von einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens aus". Es fehlt die Begründung, dass und
weshalb von unzumutbaren Beschwerden trotz Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen auszugehen ist. Dies
vor allem auch deshalb, weil Dr.S. selbst Verdeutlichungstendenzen vermerkt hat. Das gemäß § 109 SGG eingeholte
Gutachten Dr.S. vom 13.08.2002 ist nicht geeignet, die Überzeugungskraft des gemäß § 106 SGG erstatteten
Gutachtens von Dr.F. zu erschüttern. Dr.S. setzt sich mit keinem Wort mit dessen anders lautender
Leistungsbeurteilung auseinander und begründet nicht, weshalb er nur von einem halb- bis untervollschichtigen
Leistungsvermögen ausgeht. Zudem besteht der von ihm beschriebene Zustand nach seinen Angaben erst seit dem
12.08.2002. Für den strittigen Zeitraum bis Oktober 1999 hat das Gutachten daher keine Bedeutung.
Bis zur Untersuchung durch Dr.S. im Oktober 1998 stand die Kniegelenkssymptomatik im Vordergrund der
Beschwerden. Das Röntgenbild zeigte degenerative Veränderungen in beiden Kniehauptgelenken, rechts verstärkte
Verschleißerscheinungen im Gleitlager und eine Verkalkung des Innenbandansatzes nach ab- gelaufener Läsion des
Bandes und links freie Gelenkkörper in der Kniekehle. Am 04.08.1999 wurden am linken Kniegelenk Knorpelschäden
gefunden und beseitigt. Die Innenbänder erscheinen beidseits etwas locker, die Kreuzbänder stabil. Bei der
Untersuchung Anfang 1998 hatte Dr.S. weder eine Ergussbildung noch eine Instabilität bemerkt. Das von ihm
beschriebene Streckdefizit rechts konnte weder von Dr.S. noch von Dr. F. objektiviert werden. Die Kniegelenke
funktionieren fast seitengleich und normgerecht. Soweit von einer isolierten Läsion des Bandapparats ausgegangen
wurde, lässt sich dies nicht nachvollziehen. Die Bänderschwäche eines Kniegelenks ist praktisch immer mit einer
Muskelminderung am entsprechenden Oberschenkel verbunden. Der rechte Oberschenkel wurde von Dr.S. aber
gegenüber dem linken etwas umfangsvermehrt beschrieben. Am rechten Hüftgelenk sind lediglich geringe
Verschleißerscheinungen feststellbar. Auch Dr.S. hat die Veränderungen als altersentsprechend beschrieben.
Entscheidend ist, dass die Beweglichkeit seitengleich erhalten ist. Während der Untersuchung durch Dr.S. im Oktober
1998 stand die Halswirbelsäulenproblematik ebenso im Vordergrund wie der von Dr.S. geäußerte Verdacht auf ein
Hyperabduktionssyndrom. Letzteres ist jedoch bis heute nicht nachgewiesen worden. Ursächlich für die
eingeschränkte Seitneigungsfähigkeit der Halswirbelsäule sind degenerative Veränderungen von Wirbelgelenken. Es
zeigen sich Randspornbildungen, hingegen keine Zwischenwirbelraumverschmälerungen. Der Kalksalzgehalt ist
verringert. Die geklagten Sensibilitätsstörungen an beiden Armen sind segmental nicht zuzuordnen. Der übrige Befund
an der Lendenwirbelsäule beschränkt sich auf eine Spondylose der Lendenwirbelsäule und eine allenfalls initiale
Chrondrosis intervertebralis L 5/S 1. Zwar wurden am 30.03.2000 Protrusionen in den mittleren und unteren
Segmenten der Lendenwirbelsäule gefunden, diese sind jedoch bei der erhaltenen Beweglichkeit und dem Alter des
Klägers ohne große Relevanz. Der Nervendehnschmerz war wiederholt negativ. Angegebene Sensibilitätsstörungen an
beiden Beinen sind nicht segmental zuzuordnen.
Auffällig sind eine ausgeprägte Schultereckgelenksarthrose beidseits und ein Hochstand des rechten Oberarmkopfes,
der auf bereits manifeste degenerative Veränderungen der Drehmanschette hinweist. Der Kläger bewegt die
Schultergelenke unvollkommen. Die passive Funktionsprüfung war durch starke Schmerzäußerungen und
Gegenspannungen erschwert. Beidseits gab der Kläger diffuse Druckschmerzen über den Ellenbogen und
Mittelnerven an, was in dieser Form nicht für einen früher diagnostizierten Golf- und Tennisarm spricht. Beide
Ellenbogengelenke funktionieren völlig frei. Auch die Handgelenke sind gut beweglich. Die angegebenen
Bewegungsschmerzen im linken Handgelenk mit Ausstrahlungen zum Daumen gehen auf eine verkürzt angelegte Elle
links und beginnende Verschleißerscheinungen im Handgelenk zurück. Dementsprechend ist auch die linke Hand
nicht beschwielt. Abgesehen von einem Streckdefizit des verdickten Endgelenks des fünften Fingers rechts
funktionieren alle Fingergelenke frei. Wegen der deutlichen degenerativen Veränderungen der Kniegelenke und der
geringeren Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke kann der Kläger nicht auf Leitern und Gerüsten, ebenso wenig in
knieender und hockender Stellung arbeiten. Gröbere Druck-, Stoß- und Stauchbelastungen auf die Wirbelsäule sind
wegen des beginnenden Kalksalzverlustes zu vermeiden. Im Hinblick auf die erheblichen Verschleißerscheinungen
der Schultereckgelenke sind Überkopfarbeiten unzumutbar. Für Arbeiten in Tischhöhe ist die manuelle Belastbarkeit
nicht nennenswert reduziert. Die Verschleißerscheinungen am linken Handgelenk und die Funktionsstörung des 5.
Fingers rechts wirken sich nicht gravierend aus. Es sollten allenfalls mit der linken Hand keine kraftfordernden
Tätigkeiten mehr zugemutet werden.
Die genannten Verschleißerscheinungen des Skelettsystems begründen lediglich die eben genannten qualitativen
Einschränkungen, hingegen keine zeitliche Minderung der Leistungsfähigkeit. Weil die Verschleißerscheinungen der
Wirbelsäule geringfügig sind, ist die Fähigkeit zum Sitzen erhalten. Das Geh- und Stehvermögen ist in einem Maße
vorhanden, dass leichtere, überwiegend im Sitzen auszuübende Tätigkeiten noch vollschichtig verrichtet werden
können.
Mit diesem Restleistungsvermögen ist der Kläger in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu bewältigen, wie sie
üblicherweise von ungelernten Arbeitern gefordert werden. Zu nennen sind hier Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen,
Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen. Wesentlich ist,
dass bis auf die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet im maßgeblichen Zeitraum keine
nennenswerten Einschränkungen von Seiten anderer Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen sind. Von einem
deutlich ausgeprägten depressiv-neurasthenischen Syndrom von Krankheitswert wird erst im Arztbrief des Dr.V. vom
12.08.2002 berichtet. Die Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erübrigt sich
angesichts der Fülle zumutbarer Verrichtungen. Dass dem seit 26.04.1996 arbeitslosen Kläger kein Arbeitsplatz
vermittelt werden konnte, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt
offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von
der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist (vgl. u.a. SozR 3-2200 § 1246 Nr.50). Entscheidend ist, dass der
Kläger die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen konnte, weil zusätzliche Pausen
nicht erforderlich waren, und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden konnten. Auch Dr.S.
hielt den Kläger noch für imstande, täglich viermal eine Gehstrecke von gut 500 m zurückzulegen, wie dies
üblicherweise bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit gefordert wird. Die dabei subjektiv
postulierten und von Dr.S. bejahten Probleme bei der Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel, auch zu
Hauptverkehrszeiten, konnten anhand der erhobenen klinischen und röntgenologischen Befunde nicht objektiviert
werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich