Urteil des LSG Bayern vom 16.03.2007

LSG Bayern: grobe fahrlässigkeit, rente, verwaltungsakt, leistungsfähigkeit, minderung, arbeitsmarkt, erwerbsfähigkeit, verfügung, anfang, vertrauensschutz

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 13 AL 108/03
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 64/06
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. Januar 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld - Alg -.
Die 1944 geborene Klägerin hatte sich bereits am 09.10.1995 nach einer Beschäftigung als Aushilfe vom 10.09.1994
bis 30.09.1995 bei der Firma Sporthotel F. arbeitslos gemeldet. Mit Bescheid vom 08.02.1996 lehnte die Beklagte
damals den Alg-Antrag der Klägerin wegen nicht erfüllter Anwartschaftszeit ab; die Beschäftigung beim Sporthotel F.
sei in der Zeit vom 01.07. bis 30.09.1995 kurzzeitig und daher beitragsfrei gewesen. Einen Antrag der Klägerin auf
Bewilligung von Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.1996 ebenfalls mangels
Anwartschaftszeit ab. Die Klägerin habe innerhalb des letzten Jahres vor Arbeitslosmeldung nicht mindestens 150
Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden, die der Erfüllung der Anwartschaft dienen.
Bereits mit Bescheid vom 02.05.2001 hatte die LVA Niederbayern-Oberpfalz den Rentenantrag der Klägerin vom
11.12.2000 wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI abgelehnt, weil in den letzten fünf Jahren drei
Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden gewesen seien. Nach den
getroffenen Feststellungen bestehe aber seit 16.01.2001 volle Erwerbsminderung. Eine hiergegen erhobene Klage
wies das Sozialgericht Landshut - SG - , Az.: S 14 RJ 589/01, am 28.11.2001 mit der Begründung ab, dass die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die volle Erwerbsminderung sei allerdings zum
16.01.2001 eingetreten. Dies gehe aus der vorliegenden Dokumentation der medizinischen Befunde sowie einem
Gutachten des Dr. S. vom 27.03.2001 schlüssig hervor.
Am 30.11.2001 meldete sich die Klägerin nach Tätigkeiten vom 01.02.2000 bis 13.02.2001 und dem anschließenden
Bezug von Krankengeld erneut arbeitslos. Sie gab dabei u.a. an, keine Rente wegen ganzer oder teilweiser
Erwerbsminderung zu beziehen oder beantragt zu haben. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom
13.12.2001 Alg ab 06.12.2001.
Mit Schreiben vom 23.01.2002 und vom 05.03.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Leistungsanspruch
weggefallen sei, weil ihr schon mit Bescheid vom 02.05.2001 vom Rentenversicherungsträger mitgeteilt worden sei,
dass volle Erwerbsminderung auf Dauer vorliege. Um Überzahlungen zu vermeiden, werde die Leistung vorläufig
eingestellt. Es sei beabsichtigt, die Bewilligungsentscheidung zurückzunehmen, weil die Klägerin weder mitgeteilt
habe, dass ein Rentenantrag gestellt noch, dass ein Bescheid bekannt gegeben worden sei.
Mit Bescheid vom 25.09.2002 nahm die Beklagte die Entscheidung vom 13.12.2001 über die Alg-Bewilligung für den
Zeitraum ab 06.12.2001 ganz zurück. Die LVA habe der Klägerin mit Bescheid vom 02.05.2001 mitgeteilt, dass volle
Erwerbsunfähigkeit auf Dauer vorliege. Die Klägerin sei daher nicht arbeitslos und stehe der Arbeitsvermittlung somit
nicht mehr zur Verfügung, weil durch die Minderung ihres Leistungsvermögens übliche Arbeitnehmertätigkeiten auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr ausgeübt werden könnten. Für die von der Rücknahme betroffene Zeit habe
die Klägerin 383,55 DM (entspricht 196,11 Euro) ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihr zu
erstatten. Ferner habe sie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 98,59 DM (50,41 Euro) und damit
insgesamt 482,14 DM (246,51 Euro) zu erstatten.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, ihr Vertrauen in den Bestand des Bescheides sei
schutzwürdig. Sie habe die erbrachten Leistungen verbraucht. Sie habe keine falschen Angaben gemacht. Es werde
bestritten, dass ihr die LVA mit Bescheid vom 02.05.2001 mitgeteilt habe, dass volle Erwerbsunfähigkeit auf Dauer
vorliege. Selbst die Gutachterin Dr.K. sei in ihrem Gutachten von Erwerbsminderung auf Dauer ausgegangen. Die
Beklagte habe die objektive Verfügbarkeit aufgrund eigener Feststellungen zu überprüfen. Solche Feststellungen
seien nicht getroffen worden. Der Gutachter habe lediglich nach Aktenlage aufgrund eines über ein Jahr alten
Gutachtens über die Verfügbarkeit entschieden. Die Gesundheitsstörungen seien jedoch lediglich vorübergehend
gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Klägerin sei
Alg gewährt worden, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Die LVA habe mit an die Klägerin
adressiertem Bescheid vom 02.05.2001 festgestellt, dass volle Erwerbsminderung seit 16.01.2001 bestehe, die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Leistungsfall jedoch nicht gegeben seien. Wegen der auch im
Gerichtsbescheid des SG ausdrücklich bestätigten vollen Erwerbsminderung könne die Klägerin seit 16.01.2001 keine
mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht
kommenden Arbeitsmarkts ausüben. Die Gewährung des Alg vom 06.12.2001 bis 31.12.2001 sowie der ausgezahlte
Vorschuss in Höhe von insgesamt 383,55 DM seien somit ohne Rechtsanspruch erfolgt. Die Alg-Bewilligung stelle
einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Gerade weil die Klägerin das Klageverfahren um die
Erwerbsunfähigkeitsrente betrieben habe, sei es nicht verständlich, dass sie im Alg-Antrag vom 30.11.2001 unter
Punkt 4 die Frage, ob sie eine Rente wegen ganzer oder teilweiser Erwerbminderung beziehe oder beantragt habe,
verneint habe. Diese unrichtige und unzutreffende Antwort habe die rechtswidrige Bewilligung von Alg ab 06.12.2001
zur Folge gehabt, so dass darin grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 SGB X zu sehen sei. Zusätzlich habe die
Klägerin die gezahlten Beiträge zu erstatten.
Gegen die genannten Bescheide hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und zur Begründung im Wesentlichen auf
das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Das SG hat u.a. die Gerichts- und die Verwaltungsakten aus dem Rentenstreitverfahren beigezogen und mit
Gerichtsbescheid vom 20.01.2006 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Alg-Bewilligung zu Recht
aufgehoben. Die Voraussetzungen der Aufhebungsvorschrift des § 45 SGB X lägen vor. Es stehe zur Überzeugung
der Kammer fest, dass die Klägerin ab dem 16.01.2001 voll erwerbsgemindert sei, so dass die Alg-Bewilligung von
Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus § 125 SGB III. Die LVA habe
bereits mit Bescheid vom 02.05.2001 über die Erwerbsminderung der Klägerin eine positive Feststellung getroffen. Die
Klägerin habe in grob fahrlässiger Weise falsche Angaben gemacht.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Ihr sei die Rente von der LVA abgewiesen worden. Sie habe auch kein
Alg bekommen und bisher kein Geld gesehen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.01.2006 und den Bescheid vom 25.09.2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, auch eine Aufhebung mit Rückwirkung sei statthaft gewesen. Es gehe um einen Anspruch
der Klägerin auf Alg ab 06.12.2001 für 420 Tage, also längstens bis 29.01.2003. Die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen nach § 119 SGB III seien hinsichtlich der objektiven Verfügbarkeit nicht erfüllt. Die Klägerin hätte
keine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben können. Dies ergebe sich aus den im
Rentenrechtsstreit vorgelegten Gutachten des Dr. S. vom 07.03.2001 und der gutachterlichen Stellungnahme von Dr.
K. vom 23.01.2002. Zu der rechtswidrigen Bewilligung sei es ursächlich deshalb gekommen, weil die Klägerin im
Antrag auf Alg vom 30.11.2001 die Frage, ob sie eine Rente beziehe oder beantragt habe, ebenso wahrheitswidrig
verneint habe, wie die Frage, ob volle oder teilweise Erwerbsminderung bereits festgestellt sei. Den Bescheid vom
02.05.2001 müsse die Klägerin auch bekommen haben, nachdem sie dagegen Widerspruch und Klage erhoben habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider
Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten der LVA und des Rentenstreitverfahrens vor dem SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist statthaft (§ 143 SGG) und form- und fristgerecht eingelegt worden
(§ 151 Abs. 1 SGG).
Die Berufung der Klägerin erweist sich aber als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen die streitgegenständlichen Bescheide, mit denen die Beklagte eine Alg-Bewilligung aufgehoben
und bereits gewährte Leistungen zurückgefordert hat, den statthaften Rechtsbehelf der Anfechtungsklage erhoben; die
Klägerin greift Verwaltungsakte an, die in eine bestehende, durch Verwaltungsakt zuerkannte Rechtsposition
eingreifen.
Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der
Aufhebungsvorschrift des § 45 SGB X liegen vor, so dass die Beklagte die vorliegend streitige Aufhebungs- bzw.
Erstattungsentscheidung zu treffen hatte.
Die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 25.09.2002 misst sich, da die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2
SGB X im Hinblick auf die Kenntnis der Beklagten ab Januar 2002 und die Fristen des Abs. 3 offensichtlich
eingehalten sind, an der Frage der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses und
an den den Vertrauensschutz regelnden Vorschriften des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III: Danach ist (vgl. §
330 Abs. 2 SGB III) ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist,
auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten
Rücknahmevoraussetzungen vorliegen. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind die
Bewilligungsbescheide nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 des SGB X für die Vergangenheit
zurückzunehmen.
Vorliegend handelt es sich bezüglich des Zeitraums vom 06.12.2001 bis zum 28.09.2002 (Bekanntgabe des
Bescheides vom 25.09.2002, § 37 Abs. 2 SGB X) um eine Aufhebung für die Vergangenheit. Auch war der
begünstigende Verwaltungsakt (Bewilligungsbescheid) der Beklagten vom 13.12.2001 im Zeitpunkt seines Erlasses
rechtswidrig. Ferner lagen jedenfalls die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor.
Der Bewilligungsbescheid vom 13.12.2001 war von Anfang an rechtswidrig. Denn Alg, dessen Bewilligung gem § 117
SGB III u.a. gemäß § 119 SGB III in der hier anwendbaren Fassung des Art. 1 AFRG Verfügbarkeit voraussetzt,
stand der Klägerin nicht zu. Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der hier anwendbaren Fassung
d. Art. 1 Nr. 17 Buchst. a G v. 16.12.1997 I 2970 (m.W.v. 01.01.1998) u.a. voraus, dass ein Arbeitnehmer eine
versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht
(Beschäftigungssuche). Eine Beschäftigung sucht gemäß § 119 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 u. 3 SGB III in der o.g. Fassung,
wer den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen des
Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer u.a. arbeitsfähig ist, § 119 Abs. 2 SGB III in der o.g. Fassung. Arbeitsfähig ist
ein Arbeitsloser, der eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung
unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann
und darf. Ein Arbeitsloser kann eine Beschäftigung aufnehmen bzw ausüben, wenn er hierzu u.a. körperlich in der
Lage ist. Das objektiv vorliegende Tatbestandsmerkmal "können" umfasst insbesondere den Gesundheitszustand des
Arbeitslosen.
Die Klägerin war nicht arbeitslos im Sinne der vorgenannten Vorschriften, da sie keine versicherungspflichtige
mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben konnte und daher nicht verfügbar war. Dies
steht zur vollen Überzeugung des Senats aufgrund der Gutachten des Dr. S. vom 27.03.2001 und von Dr. K. vom
23.01.2002 fest; diese Gutachten wurden zeitnah zu der streitigen, mit Wirkung ab 06.12.2001 ausgesprochenen
Aufhebung der Alg-Bewilligung gefertigt. Aus ihnen ergibt sich in eindeutiger Weise, dass aufgrund der festgestellten
Gesundheitsstörungen die Klägerin im hier fraglichen Zeitraum und darüber hinaus in ihrer Leistungsfähigkeit soweit
eingeschränkt ist, dass sie übliche Arbeitnehmertätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Insbesondere das auf
Veranlassung der LVA und nach persönlicher Untersuchung der Klägerin gefertigte Gutachten des Dr. S. vom
27.03.2001 stellt zeitnah und in überzeugender Weise fest, dass die Klägerin aufgrund einer Psoriasisarthritis, einer
an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits und wirbelsäulenabhängiger Beschwerden mit geringer
Funktionseinschränkung seit Januar 2001 nur noch unter dreistündig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein
kann. Die Feststellungen des Dr. S. gewinnen zur Überzeugung des Senats um so mehr an Bedeutung, als dieser die
Gesundheitsstörungen der Klägerin bereits in einem Gutachten vom 04.05.1998 würdigte und aus diesem Grund auch
die Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin besonders gut einschätzen konnte. Damals stellte Dr. S.
noch eine vorhandene Erwerbsfähigkeit, allerdings schon mit ganz erheblichen krankheits- bzw.
behinderungsbedingten Einschränkungen, fest. Die überzeugenden Ausführungen des Dr. S. werden bestätigt durch
das nach Aktenlage gefertigte Gutachten von Frau Dr. K. vom 23.01.2002. Auch danach bestand bei der Klägerin im
hier fraglichen Zeitraum eine erhebliche Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit; aufgrund ihrer
Gesundheitsstörungen war die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt, dass sie übliche
Arbeitnehmertätigkeiten länger als sechs Monate nicht mehr ausüben könnte. Aus alledem gewinnt der Senat die volle
Überzeugung, dass die Klägerin im hier fraglichen Zeitraum ab 06.12.2001 keine versicherungspflichtige mindestens
15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben konnte. Bei dieser Sachlage sah sich der Senat nicht
gehalten, ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, zumal dieses mit einem zeitlichen
Abstand von mehr als fünf Jahren zu dem hier fraglichen Zeitraum zur Aufklärung des damals relevanten
medizinischen Sachverhalts nichts Neues beitragen könnte.
Auch aus § 125 SGB III als einer Sonderform der (früheren) Verfügbarkeit ergibt sich kein für die Klägerin günstigeres
Ergebnis. Denn bereits mit der Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger ist der
Anspruch auf Alg entfallen. Maßgebend ist der Zeitpunkt des Zugangs der entspre-chender Mitteilung bei der
Beklagten (BSG 14.12.1995 - 11 RAr 19/95), hier also die Mitteilung gegenüber Dr. K. , die vor ihrer
Gutachtenerstellung im Januar 2002 erfolgt ist.
Gemäß § 125 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.2000 (BGBl I 1827; m.W.v. 01.01.2001) hat auch der
Arbeitslose einen Anspruch auf Alg, der allein deshalb nicht arbeitslos wäre, weil er wegen einer mehr als
sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden
wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht
kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte
Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob
verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (S. 2).
Die Vorschrift fingiert die objektive Verfügbarkeit nur für den Zeitraum bis zu einer Feststellung des zuständigen
Rentenversicherungsträgers. Dieser hat mit Bescheid vom 02.05.2001, also weit vor der Bewilligungsentscheidung
vom 13.12.2001, eine positive Feststellung über die Erwerbsminderung der Klägerin getroffen, so dass für die
Anwendung des § 125 SGB III kein Raum mehr war. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Voraussetzungen für die
Gewährung einer entsprechenden Rente gegeben sind, sondern ausschließlich, ob die für diese Renten u.a.
notwendige Voraussetzung der teilweisen bzw. vollen Erwerbsminderung (der sogenannte medizinische
Versicherungsfall) vorliegt (Brand in: Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005 § 125 RdNr 6.
Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht,
dass die Bejahung des Vorliegens von Erwerbsminderung durch den Träger der Rentenversicherung nicht in jedem
Fall den Verlust des Alg-Anspruchs bedeutet, weil die Beklagte zunächst nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln
hat, ob der Arbeitslose mit seinem Restleistungsvermögen noch verfügbar i.S.d. § 119 ist (siehe hierzu auch § 142
SGB III, der die Renten wegen Teil-Erwerbsminderung nicht als Ruhenstatbestand aufführt, sowie § 95 SGB VI).
Hintergrund dieser Überlegung ist die rechtsdogmatische Qualifizierung der vom Rentenversicherungsträger zu
treffenden Feststellungen (außerhalb eines Rentenverfahrens) als lediglich verwaltungsinterne Vorbereitungen einer
von der Beklagten zu treffenden Entscheidung. Das bedeutet, dass die Feststellungen des
Rentenversicherungsträgers mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht selbst als Verwaltungsakt zu
qualifizieren sind (BSG SozR 3-4100 § 105 a Nr. 4) und die Bejahung der Teil- oder Voll-Erwerbsminderung durch den
Rentenversicherungsträger nicht gleichzeitig in jedem Fall mit verbindlicher Wirkung zur Verneinung der Verfügbarkeit
führen muss. Die Beklagte ist nicht gehindert, abweichend von der Feststellung des Rentenversicherungsträgers zu
entscheiden, dass Erwerbsminderung nicht vorliegt und eine objektive Verfügbarkeit des Arbeitslosen gegeben ist
(BSG SozR 3-4100 § 105 a Nr. 4; Brand in: Niesel, SGB III, 3.Aufl. 2005 § 125 RdNr. 7), womit Leistungen gemäß §
117 SGB III unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit zustehen. Für die Annahme eines Verfügbarkeit
begründenden Restleistungsvermögens der Klägerin im hier fraglichen Zeitraum bestehen vorliegend allerdings
keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr folgt aus den bereits in Bezug genommenen Gutachten zur vollen Überzeugung des
Senats, dass auch ein Restleistungsvermögen im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze nicht gegeben ist. Insofern
kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Ein Vertrauensschutz in Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, wobei thematisch die Nrn. 2 und 3 in Betracht kämen,
besteht nicht.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der
Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig gemacht hat.
Die Klägerin hat im Arbeitslosengeldantrag vom 30.11.2001 unter Nr. 4 ausdrücklich angegeben, nicht eine andere
Leistung, wie z.B. eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung beantragt zu haben. Die Fragen im
Antragsvordruck waren eindeutig mit nein beantwortet. Die Formulierungen in Nr. 4 des Antrags auf Arbeitslosengeld
lauten: "Ich habe noch (eine) andere Leistung (eN) beantragt oder beziehe sie bereits. Achtung! Anzugeben sind:
"Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente, Witwenrenten,
Verletztenrenten, Unfallrenten, Dienstbeschädigtenteilrenten, Ausgleichszahlungen des ehemaligen Arbeitgebers, und
andere". Auf der Unterlassung beruhte die Leistungsgewährung.
Für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit trifft der Senat folgende Feststellungen (vgl. dazu BSG SozR 3-1300 §
45 Nr. 45): Die Klägerin war beruflich als Aushilfe und als Reinigungskraft tätig. Sie weist nur eine durchschnittliche,
nach dem in der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2007 gewonnenen Gesamteindruck möglicherweise sogar eine
unterdurchschnittliche Intelligenz auf. Die Klägerin ist der deutschen Sprache mächtig. Im Vordruck über die
Bewilligung von Arbeitslosengeld wird unter Ziffer 4 eindeutig nach Erwerbminderungsrenten gefragt.
Bei diesem Sachverhalt liegt nach voller Überzeugung des Senats grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Nr. 2 des § 45
Abs. 2 Satz 3 SGB X vor. Dies ergibt sich zum einen aus dem kognitiv intellektuellen Zuschnitt der Klägerin bei einer
klar zutage tretenden Abfolge der Geschehnisse. Die Klägerin hat dem Arbeitsamt am 30.11.2001 nicht angezeigt,
dass sie eine andere Leistung, insbesondere in Bezug auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
beantragt hat, obwohl ihr Antrag vom 11.12.2000 auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI
bereits mit Bescheid vom 02.05.2001 abgelehnt und in diesem Bescheid volle Erwerbsminderung seit 16.01.2001
festgestellt worden war. Eine gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2001
erhobene Klage wurde vom SG mit Urteil vom 28.11.2001 (zwei Tage vor o.g. Antrag) abgewiesen. Das Verhalten der
Klägerin stellt nach Auffassung des Senats ein grob fahrlässiges Verhalten dar. Die in Bezug auf beantragte Renten
gestellten Fragen, insbesondere die Formulierungen in Nr. 4 des Antrags auf Alg, waren klar und einfach abgefasst
und für jedermann verständlich. Die Klägerin war sich - wie insbesondere ihre selbst verfasste Berufungsbegründung
zeigt - des Umstands bewusst, dass sie entweder Rente vom Rentenversicherungsträger oder Alg von der Beklagten
beziehen kann. Sie ist noch vor der Beantragung der hier streitigen Sozialleistung per Widerspruch und später per
Klage gegen die bei der LVA N beantragte und von dieser aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnte
Entscheidung vorgegangen. Ihre Einlassung, sie sei in dem Glauben gewesen, die Beklagte habe aus anderen
Quellen etwas von ihrem Rentenantrag gewusst, stellt nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die falsche
Beantwortung der ganz eindeutig gestellten Fragen der Beklagten eine Schutzbehauptung dar.
Aus alledem folgt nach Einschätzung des Senats in eindeutiger Weise, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung, der
Beklagten alle für den Leistungsbezug relevanten Umstände mitzuteilen, zumindest in grob fahrlässiger Weise nicht
nachgekommen ist.
Da schon die Voraussetzungen der Nr. 2 des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eindeutig vorliegen, lässt es der Senat
dahinstehen, ob grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Nr. 3 dieser Vorschrift gegeben ist, wofür die vorgenannten
Feststellungen zur groben Fahrlässigkeit allerdings ebenfalls sprechen.
Da auch die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X als Rechtsgrundlage für die Erstattungsentscheidung erfüllt
sind, hat das SG die Klage gegen die angegriffenen Bescheide zu Recht abgewiesen.
Aufgrund des Unterliegens der Klägerin sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen
sind nicht erfüllt, insbesondere kommt den im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen keine grundsätzliche
Bedeutung zu.