Urteil des LSG Bayern vom 07.10.2005

LSG Bayern: unternehmen, belastung, gefährdung, einheit, kündigung, unternehmer, abfindungssumme, konzern, altersrente, zuschuss

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.10.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 37 AL 906/00
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 201/04
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. November 2003 und die
Bescheide der Beklagten vom 2. Dezember 1998, 26. April 2000 und 16. Mai 2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2000 sowie die Bescheide vom 3. und 18. Dezember 1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000 aufgehoben. II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen
Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung des Arbeitslosengeldes (Alg) und der hierauf entfallenden Beiträge zur
gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, die die Beklagte an bzw. für zwei ehemalige Arbeitnehmer der
Klägerin in der Zeit vom 01.01. bis 30.09.1994 bzw. 01.01. bis 30.04.1995 gezahlt hat, streitig.
Die Klägerin ist ein mittelgroßes Unternehmen, das 1993 an sieben Standorten in Deutschland ca. 1.600 Arbeitnehmer
beschäftigte. An dem größten Standort M. waren in der Tonchemie 450, in dem Katalysatorenwerk 120 und im
Bergbau 110 Arbeiter beschäftigt, von denen in der Zeit vom 31.12.1992 bis 31.12.1994 194 und vom 31.12.1994 bis
31.12.1996 139 Arbeitnehmer ausschieden. Die Zahl der Mitarbeiter in dem Betrieb der Düngemittelproduktion in K.
wurde Ende 1993 von 170 auf 120 verringert.
Die Klägerin war 1993 an zwei Gesellschaften - GmbHs - mit Sitz in Deutschland zu 100 % bzw. 50 % und an sieben
ausländischen - davon an vier zu 100 %, an einer zu 99,9 %, an einer zu 50 % und an einer zu 49 % - beteiligt. 1994
bestand noch eine Beteiligung an einer GmbH mit Sitz in Deutschland zu 50 %, an neun ausländischen, davon an fünf
zu 100 %, an einer zu 99,9 %, an zwei zu 50 % und an einer zu 49 %. 1995 bestanden Beteiligungen an drei
deutschen Unternehmen - an einem zu 100 % und an zwei zu 50 % - und neun ausländischen Gesellschaften - an
fünf zu 100 %, an einem zu 99,9 %, an einem zu 51 % und an zwei zu 50 % -. In den Betrieben der Klägerin und in
den Unternehmen, an denen sie beteiligt war, waren 1993 insgesamt ca. 4.000 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Klägerin beschäftigte in ihrem Bergbaubetrieb in M. in der Zeit vom 23.11.1954 bis 31.12.1994 den 1935
geborenen A. In der an den Arbeitnehmer gerichteten schriftlichen Erklärung vom 28.06.1993 heißt es, das
Arbeitsverhältnis werde ordentlich und fristgemäß zum 31. Dezember 1993 betriebsbedingt gekündigt, da die
wirtschaftliche Lage eine Weiterbeschäftigung nicht zulasse. Als Anlage erhalte er eine Vereinbarung, die die
Abwicklungsmodalitäten regle. In der unter gleichem Datum mit dem Arbeitnehmer geschlossenen Vereinbarung heißt
es unter anderem, er erhalte eine Abfindung und eine Treueprämie in Höhe von insgesamt 9.800,00 DM sowie einen
steuerfreien Zuschuss zum Alg in Höhe von 80 % der Differenz zwischen Alg und 100 % des letzten monatlichen
Nettoentgelts. Abschließend heißt es, aufgrund der Bezahlung der genannten Abfindungssumme verzichte der
Arbeitnehmer auf eine Erhebung einer Kündigungsschutzklage, andernfalls gelte die Abfindungssumme als
Vorschusszahlung und könne gegebenenfalls auf einen gerichtlich festgesetzten Abfindungsbetrag angerechnet
werden.
Die Beklagte bewilligte A. ab 01.01.1994 bis zum Beginn der Altersrente am 01.05.1995 Alg in Höhe von 20.603,30
DM und entrichtete Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 7.881,09 DM und zur Rentenversicherung in Höhe
von 5.847,89 DM. Mit Bescheiden vom 03. und 18.12.1998 forderte sie die Erstattung von insgesamt 34.232,28 DM.
Mit dem Widerspruch wurde geltend gemacht, der Arbeitnehmer habe ein ärztliches Attest vom 22.11.1993 und ein
Gutachten vorgelegt, wonach er die bisherige Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können; ein geeigneter Arbeitsplatz
habe ihm nicht angeboten werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 wies die Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück. Zu Unrecht gehe die Klägerin von einer arbeitgeberseitigen Kündigung aus. Es
liege eine einvernehmliche Beendigung vor, wenngleich die Initiative zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses von der
Klägerin ausgegangen sei. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs.1 Satz 2 Nrn.4 und 5 des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) seien nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin zum Sozialgericht München (SG) die Klage S 37 AL 910/00 erhoben.
Der 1933 geborene Arbeitnehmer E. war bei der Klägerin vom 02.03.1953 bis 30.09.1993 als Schwergerätefahrer in
dem Bergbaubetrieb in M. beschäftigt. In dem an den Arbeitnehmer gerichteten Schreiben vom 30.03.1993 heißt es,
nach sorgfältiger Prüfung könne man keinen nach der ärztlichen Bescheinigung vom 15.03.1993 entsprechend
geeigneten Arbeitsplatz anbieten, weshalb man das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt fristgerecht kündige, da er die
Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen nicht erbringen könne. Als Anlage erhalte er eine Vereinbarung, die die
Abwicklungsmodalitäten regle. In dem auf den 24.03.1993 datierten - allerdings damals vom Arbeitnehmer noch nicht
unterschriebenen - Aufhebungsvertrag heißt es unter anderem, der Arbeitnehmer erhalte eine Abfindung von 8.000,00
DM sowie ab 01.10.1993 einen Zuschuss zum Alg in Höhe von 80 % der Differenz zwischen Alg und 100 % des
letzten monatlichen Entgelts.
Die Beklagte bewilligte E. ab 01.10.1993 bis zum Beginn der Altersrente am 01.10.1994 Alg in Höhe von -
einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung - 29.445,33 DM. Mit Bescheid vom 02.12.1998
forderte sie die Erstattung dieses Betrages. Auf den Widerspruch hin half sie diesem mit Bescheid vom 26.04.2000
bezüglich der 1993 erbrachten Leistungen im Hinblick auf die eingetretene Verjährung ab und forderte mit Bescheid
vom 16.05.2000 für die Zeit vom 01.01. bis 30.09.1994 die Erstattung von 21.840,23 DM. Mit Widerspruchsbescheid
vom 22.05.2000 wies sie im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin zum SG die Klage S 37 AL 910/00 erhoben.
Zuvor hatte es die Beklagte in einem Bescheid vom 18.08.1995, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom
17.01.1997, abgelehnt, für die Geschäftsjahre 1993 und 1994 generell eine Befreiung von der Erstattungspflicht in
Hinblick auf § 128 Abs.2 Nr.2 AFG auszusprechen. Während des sodann anhängigen Klageverfahrens S 46 Al 225/97
wiederholte sie diese Entscheidung mit einem Bescheid vom 11.03.1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom
13.11.1998. Die Klägerin hatte ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH
A. A. vom 26.07.1996 und ein Ergänzungsgutachten dieser Gesellschaft vom 26.06.1997 vorgelegt. In der mündlichen
Verhandlung am 19.07.2002 wurden diese Bescheide im Rahmen eines Vergleiches aufgehoben, nachdem das
Gericht auf eine Entscheidung des Senats vom 22.03.2001, L 8 AL 358/99, hingewiesen hatte, wonach eine
grundsätzliche Feststellung des Wegfalls der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs.2 AFG nicht umfassend für
sämtliche Erstattungsfälle vorab getroffen werden könne, da hierfür die erforderliche gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage nicht gegeben sei.
Das SG hat die Verfahren S 37 AL 906/00 und S 37 AL 910/00 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden.
Mit Urteil vom 07.11.2003 hat es die Klagen abgewiesen und von einer weiteren Begründung gemäß § 136 Abs.3 SGG
abgesehen.
Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, die Arbeitsverhältnisse hätten aufgrund einer
betriebsbedingten bzw. personenbedingten Kündigung geendet. Auch sei sie berechtigt gewesen, das
Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, da bei beiden Mitarbeitern die dauerhafte Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich gewesen sei. Zudem sei vom Erstgericht in keiner Weise der
Befreiungstatbestand des § 128 Abs.2 Nr.2 AFG geprüft worden. Die diesbezüglichen Gutachten der A. A.
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH würden zum Gegenstand des Sachvortrags
gemacht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2003 und die Bescheide vom 02.12.1998,
26.04.2000, 16.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2000 sowie die Bescheide vom 03.
und 18.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das für den Arbeitnehmer A. vorgelegte Attest sei eine unverbindliche Empfehlung des Hausarztes und kein
Nachweis für eine tatsächlich eingetretene Arbeitsunfähigkeit, zumal der Arbeitnehmer bei seiner Arbeitslosmeldung
keinerlei gesundheitliche Einschränkungen angegeben und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als nicht aus
gesundheitlichen Gründen zu schwer bezeichnet habe. Im Übrigen beziehe man sich auf die Ausführungen in dem
Parallelverfahren L 9 AL 232/04. In diesem Verfahren hat die Beklagte im Schriftsatz vom 23.02.2005 unter anderem
vorgetragen, dass sich aus den vorgelegten Gutachten ergebe, dass die Unternehmensgewinne der Klägerin sich in
den Jahren 1993 bis 1996 ständig erhöht hätten.
Zur Ergänzug des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben, da
eine Erstattungspflicht der Klägerin nicht besteht.
Gemäß § 128 Abs.2 Nr.2 AFG, in Kraft bis 31.03.1997, entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt
und nachweist, dass die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der
Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze
gefährdet wären. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der A. A.
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH in der Fassung des Ergänzungsgutachtens vom
26.06.1997, das die Klägerin zum Nachweis der unzumutbaren Belastung gemäß § 128 Abs.2 Satz 2 AFG vorgelegt
hat.
In dem Ergänzungsgutachten ist auf Seite 10 überzeugend dargestellt, dass die Klägerin in den Jahren 1993 bis 1995
zwar Jahresüberschüsse in Höhe von 4.871,00 bzw. 6.921,00 bzw. 8.261,0 TDM erzielt hat. Jedoch beruhten diese
Überschüsse darauf, dass der Klägerin die Erträge der Beteiligungsgesellschaften in den Jahren 1993 bis 1995 in
Höhe von 20.761,00 bzw. 30.886,00 bzw. 20.341,00 TDM zugeflossen sind. Zieht man diese Erträge aus den
Beteiligungen sowie die Erträge aus Wertpapieren und Ausleihungen, sonstige Zinsen und ähnliche Erträge sowie die
Steuern vom Einkommen und vom Ertrag ab und addiert die Abschreibungen auf Finanzanlagen, Aufwendungen aus
Verlustübernahmen, Zinsen und ähnliche Aufwendungen hinzu, so ergeben sich für die Jahre 1993 bis 1995 operative
Ergebnisse von minus 12.575,00 bzw. minus 21.295,00 bzw. minus 9.281,00 TDM.
Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass bei der Prüfung einer unzumutbaren Belastung der
Jahresüberschuss als solcher maßgebend sei und hierbei auch die Erträge aus den Beteiligungsfirmen heranzuziehen
seien. Denn § 128 Abs.2 Satz 1 Nr.2 AFG stellt auf den Fortbestand des Unternehmens bzw. die in diesem nach
Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze ab. Nicht hingegen ist bei Konzernunternehmen
maßgebend, ob die Erstattungsforderung für den Konzern eine unzumutbare Belastung darstellen würde. Dies zeigt
der Vergleich mit § 128 Abs.5 Satz 1 AFG, der für die Ermittlung der Beschäftigungszeiten ausnahmsweise auf das
Konzernunternehmen abstellt und dieses als Arbeitgeber gelten lässt (vgl. Voelzke in Hauck/ Noftz, SGB III, Rdnr.209
zu § 147a; Heuer in Hennig/Kühl/Heuer/ Henke, Arbeitsförderungsgesetz, Rdnr.45 zu § 128; Brand in Niesel, SGB III,
Rdnr.82 zu § 147a; Rolfs in Gagel, SGB III, Rdnrn.227, 231 zu § 147a).
Ein Unternehmen ist nach der Definition des BAG die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein
oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte, hinter
dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebes liegende wirtschaftliche oder ideelle Zwecke verfolgt (EzA § 1 BetrVG
1972 Nr.3). Die Beklagte selbst stellt in ihrer DA 3.92 zu § 147a in Abs.2 auf die rechtlich selbständige
organisatorische Einheit ab, mit der ein Unternehmer in einem oder mehreren organisatorisch verbundenen Betrieben
seine wirtschaftlichen oder idelllen Zwecke verfolgt. Für das Unternehmen sei die Einheit des Rechtsträgers ein
wesentliches Erfordernis, bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sei die Gesellschaft identisch mit
dem Unternehmen. Ein Konzern ist hingegen ein Verbund von mehreren Unternehmen, also mehreren rechtlich
selbständigen Einheiten.
Hiervon ausgehend ist auf die der Klägerin als juristischer Person zugehörigen Betriebe und die dort erwirtschafteten
Erträge, nicht jedoch auf die Erträge der in den Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgeführten
Gesellschaften, an denen die Klägerin ganz oder teilweise beteiligt ist, abzustellen. Anderenfalls würde eine
konzernorientierte und nicht eine unternehmensorientierte Betrachtungsweise gelten. Erforderlich ist eine Kongruenz
des Unternehmensgriffes zum einen im Rahmen der Feststellung der wirtschaftlichen und finanziellen
Leistungsfähigkeit und zum anderen bei der Eingrenzung der im Rahmen von § 128 Abs.2 Satz 1 Nr.2 AFG in
Betracht zu ziehenden Arbeitsplätze, nämlich wiederum einerseits der Arbeitsplätze, die die vom Arbeitgeber
gekündigten Arbeitnehmer inne gehabt haben, und der nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden
Arbeitsplätze, deren Gefährdung zu prüfen ist. Denn letztlich hängt die Sicherheit bzw. Gefährdung des Arbeitsplatzes
von der mit ihm verbundenen Produktivität und dem hieraus resultierenden Ertrag im Rahmen des Unternehmens ab.
Würde man hingegen der Auffassung der Beklagten folgen, wonach eine Gefährdung der nach dem Personalabbau
verbliebenen Arbeitsplätze wegen der ausgewiesenen Jahresüberschüsse nicht bestehe, so wäre nicht verständlich,
aus welchem Grunde die Klägerin einen Personalabbau durchgeführt hat. Letztlich ist ein Unternehmen auf Dauer nur
wirtschaftlich überlebensfähig, wenn es aus sich heraus Gewinne erwirtschaftet, während ein Unternehmen, das nur
aufgrund der Zuflüsse aus anderen Unternehmen überlebensfähig ist, über kurz oder lang aufgelöst wird.
Laut dem Ergänzungsgutachten vom 26.06.1997 sind bei der Klägerin 1994 900,00 TDM und 1995 2.820,00 TDM für
Abfindungen und Sozialpläne angefallen. Die Erstattungsforderungen der Beklagten wurden auf ca. 5 Millionen
geschätzt. Diese Forderungen konnten mangels eines positiven Betriebsergebnisses der Klägerin nur aus der
Substanz des Unternehmens beglichen werden, woraus die Gefährdung der verbliebenen Arbeitsplätze resultiert (vgl.
BSG SozR 3-4100 § 128 Nrn.10 und 12). Jedenfalls rechtfertigte das negative operative Ergebnis des Unternehmens
der Klägerin zum Zeitpunkt der Fälligkeit der hier streitigen Erstattungsforderungen die Prognose, dass durch die
zusätzliche Belastng mit Erstattungsforderungen weitere Arbeitsplätze gefährdet waren bzw. hätten abgebaut werden
müssen, was auch ohne diese zusätzliche Belastung tatsächlich der Fall war.
Diese Entscheidung des Senats steht nicht im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsprechung des BSG. In dem Urteil
vom 21.09.2000, B 11 AL 7/00 R, SozR 3-4100 § 128 Nr.10, wurde ausgeführt, dass ein negatives operatives
Ergebnis, das darauf zurückzuführen sei, dass erwirtschaftete Gewinne ausgeschüttet und an die Muttergesellschaft
abgeführt worden seien, keine unzumutbare Belastung begründe. Im vorliegenden Fall ist es jedoch umgekehrt, dass
Zuflüsse aus anderen Unternehmen das negative operative Ergebnis ausgleichen. Vergleichbar erscheint die
Entscheidung mit dem Urteil des BSG vom 22.03.2001 (SozR 3-4100 § 128 Nr.12), in dem der Auffassung
widersprochen wurde, eine unzumutbare Belastung einer Personennahverkehr betreibenden rechtsfähigen Anstalt des
öffentlichen Rechts sei zu verneinen, weil aufgrund der Gewährträgerschaft des Landes Berlin bzw. politischer
Erwägungen das Unternehmen letztlich mit der Erstattungsforderung nicht "allein gelassen" worden wäre. Dies spricht
für die hier vertretene Auffassung, dass es letztlich nicht auf Mittelzuflüsse aus anderen Unternehmen ankommt.
Somit waren das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2003 und die angefochtenen Bescheide der Beklagten
aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen.