Urteil des LSG Bayern vom 28.04.2009

LSG Bayern: beitragspflicht, eintritt des versicherungsfalls, direktversicherung, lebensversicherung, kapitalleistung, krankenversicherung, vertrauensschutz, zukunft, verfassungsbeschwerde

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 4 KR 284/07
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 283/08
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.10.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragsbemessung zur Kranken- und Pflegeversicherung, insbesondere über die
Berücksichtigung von Versicherungsleistungen der betrieblichen Altersversorgung bei der Beitragshöhe nach § 229
SGB V.
Der 1943 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, zuletzt als Bezieher von
Arbeitslosengeld.
Die Z. Lebensversicherungs AG teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18.11.2006 mit, dass an den Versicherten im
Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zum 01.12.2006 eine Versicherungsleistung in Höhe von 30.693,45 Euro
ausbezahlt bekommen wurde. Die Beklagte stellte daraufhin mit den Bescheiden vom 24.01.2007 und 29.01.2007 die
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung neu fest und zwar ab Januar 2007 einen um 40,41 Euro höheren
Betrag. (Eine weitere Forderung aus Kapitalleistungen der bayerischen Ärzteversorgung erwies sich als fehlerhaft und
wurde daher im Bescheid vom 29.01.2007 aufgehoben).
Seinen Widerspruch vom 02.02.2007 begründete der Kläger damit, dass er bei Abschluss des Vertrages nicht auf eine
mögliche Beitragspflicht hingewiesen worden sei und deshalb die vollständig von ihm bezahlte Lebensversicherung,
die im Rahmen eines Sammelversicherungsvertrages 1991 abgeschlossen worden sei, nicht zur Beitragsleistung
herangezogen werden könne, da insoweit ein Bestandschutz bestehe. Es sei unzulässig, in ein in der Vergangenheit
begründetes Vertragsverhältnis einzugreifen, dies stelle eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Rückwirkung zu
Lasten des Versicherten dar.
Der Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofortige Einziehung der Beiträge wurde mit
Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2007 abgewiesen, die Beschwerde hatte keinen Erfolg (Beschluss
des BayLSG vom 13.08.2007.)
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zu den beitragspflichtigen
Einnahmen zählten auch Teilbeträge der Versorgungsbezüge gemäß § 232 a Abs. 4 SGB V (jetzt Abs. 3) i. V. m. §
226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V. Als Versorgungsbezüge gelten unter anderem auch Renten der betrieblichen
Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Darunter seien sämtliche Leistungen zu
verstehen, die unmittelbar oder mittelbar aus Anlass eines früheren Beschäftigungsverhältnisses zufließen, wobei die
Beitragspflicht unabhängig davon bestehe, wer die Beiträge dafür gezahlt habe. Dies habe das Bundessozialgericht in
mehreren Urteilen bestätigt. Mit Wirkung vom 01.01.2004 seien durch Änderung des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V
Beiträge aus diesen so genannten Direktversicherungen auch dann zu zahlen, wenn die Versicherung vor Eintritt des
Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt wurde, sofern die Auszahlung nach dem 01.01.2004 erfolgt. Deshalb sei
beim Kläger ab 01.01.2007 für die vom ehemaligen Arbeitgeber 1991 im Rahmen eines
Sammelversicherungsvertrages abgeschlossene Kapitalleistung ein monatlicher Auszahlungsbetrag von 255,78 Euro
zur Beitragspflicht heranzuziehen.
Die dagegen gerichtete Klage wurde damit begründet, dass der Kläger während der gesamten Laufzeit allein die
Beiträge für die Versicherung getragen habe. Insbesondere habe er während der Arbeitslosigkeit die Beiträge ohne
steuerlichen Vorteil selbst bezahlt. Für 16 Monate habe außerdem eine Beschäftigung ohne Direktversicherung
bestanden. Für 95 Monate seien die Beiträge von ihm im Rahmen der Beschäftigung als Direktversicherung geleistet
worden. Seine Heranziehung zur Beitragspflicht verstoße deshalb gegen den Vertrauensschutz, da es beim
Abschluss des Vertrages keine Beitragspflicht gegeben habe. Im Übrigen sei er auch nie auf die Beitragspflicht
hingewiesen worden. Er habe deshalb darauf vertraut und auch vertrauen dürfen, dass eine Beitragspflicht aus dieser
Leistung nicht entstehe.
Mit Urteil vom 10.10.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab mit der Begründung, dass als Versorgungsbezüge nach
§ 229 Abs. 1 S. 1 SGB V sowohl laufende Geldleistungen als auch einmalige Kapitalleistungen anzusehen und aus
diesen Leistungen Beiträge zu erheben seien. Entgegen der Auffassung des Klägers habe es sich bei der Leistung um
eine betriebliche Altersvorsorge gehandelt, die nach dem Urteil des BSG vom 11.10.2001 (B 12 KR 4/00 R) der
Beitragspflicht unterliege. Dabei sei ein unmittelbarer Bezug zu einem Arbeitsverhältnis nicht erforderlich und auch die
steuer- und sozialversicherungsrechtliche Handhabung der Prämienzahlung sowie die Finanzierung der Prämien seien
unerheblich. Sowohl das Bundessozialgericht als auch das Bundesverfassungsgericht hätten die
Verfassungsmäßigkeit dieser Beitragspflicht bestätigt (Urteil des BSG vom 25.04.2007, B 12 KR 25/05 R sowie
Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2008, 1 BvR 1924/07).
Mit Schriftsatz vom 28.10.2008 legte der Kläger dagegen Berufung ein, zu deren Begründung im Wesentlichen das
Vorbringen der ersten Instanz wiederholt wurde, insbesondere, dass nur für 95 Monate im Rahmen einer
Direktversicherung Beiträge geleistet wurden. Im Übrigen sei die Beitragspflicht, die auf zehn Jahre festgesetzt sei,
unverhältnismäßig und verstoße insgesamt gegen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz. Das Vertrauen der
Versicherten in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage sei insbesondere bei älteren Mitgliedern der gesetzlichen
Krankenversicherung in der Regel hoch einzuschätzen. Dazu werde nochmals auf dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.1998, 1 BvL 6/92, hingewiesen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass
Arbeitskollegen des Klägers, die im selben Unternehmen eine Direktversicherung abgeschlossen haben und deren
Lebensversicherung am 01.12.2004 ausbezahlt wurde, nicht zur Beitragszahlung herangezogen wurden. Auch dies
stelle einen Gesetzesverstoß dar.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.10.2008, sowie die Bescheide vom 24.01.2007
und 29.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2007 aufzuheben und festzustellen, dass die
streitgegenständliche Zahlung aus der Lebensversicherung nicht der Beitragspflicht der Kranken- und
Pflegeversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Urteil des Sozialgerichts eine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts
enthalte und nicht zu beanstanden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut S 4 KR 284/07
und S 4 KR 16/07 ER und des Bayer. Landessozialgerichts L 4 B 488/07 KR ER und L 5 KR 283/08 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist
sich jedoch als unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Beiträge nach § 229 SGB V aus der ihm ausgezahlten
Kapitalleistung in der - unstreitigen - Höhe zu bezahlen hat, da es sich dabei um Leistungen einer Direktversicherung
handelt, die seit 01.01.2004 der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen. Das BSG hat in
zahlreichen Entscheidungen die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Kapitalleistungen aus der betrieblichen
Altersversorgung zur Beitragszahlung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestätigt. Zuletzt im Urteil
vom 12.11.2008 (B 12 KR 9/08 R) hat der Senat auf seine ständige Rechtsprechung hingewiesen, dass zu den
Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V auch Renten gehören, die aus
einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung stammen. Um eine solche Direktversicherung handele
es sich auch, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers
durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurde. Dabei seien diese Leistungen auch dann der betrieblichen
Altersversorgung zuzurechnen, wenn die Beiträge ganz oder teilweise vom Versicherten selbst getragen wurden (BSG
a. a. O., Rn. 13, 18, 19, 26, 27). Das BSG hat weiterhin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht als nicht
veranlasst gesehen, besonders da Verfassungsbeschwerden gegen zwei Urteile des BSG nicht zur Entscheidung
angenommen wurden. Dabei bezieht sich das BSG auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
07.04.2008 (1 BvR 1924/07). In diesen Beschluss wurde die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG vom
25.04.2007 (B 12 KR 25/05 R) nicht zur Entscheidung angenommen, wobei das Bundesverfassungsgericht betonte,
es habe bereits entschieden, dass die Bestimmung des § 229 SGB V aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu
beanstanden sei. Auf diese Ausführungen wird ebenso wie auf weiteren Beschluss des BVerfG ausdrücklich Bezug
genommen (Beschluss vom 28.02.2008, 1 BvR 2137/06). Auch einen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz
des Vertrauensschutzes hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 07.04.2008, 1 BvR 1924/07 Rn. 30)
verneint, da die angegriffene Regelung nur mit Wirkung für die Zukunft in das öffentlich-rechtliche
Versicherungsverhältnis eingreife. Die Versicherten konnten bereits, nachdem die laufenden Versorgungsbeiträge in
die Beitragspflicht (Rentenanpassungsgesetz vom 01.12.1981 (BGBl I S. 1205) einbezogen worden waren, nicht
uneingeschränkt in den Fortbestand der Rechtslage vertrauen (BVerfG a.a.O. Rn. 36).
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ergeben sich aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.1998 keine auf die streitigen Verhältnisse anwendbaren Rechtsgrundsätze, da
es sich bei der zitierten Entscheidung um Bestimmungen handelt, mit denen leistungsrechtliche Einschränkungen
gewürdigt wurden. Die dort ausgeführten Überlegungen zu Besitzstand und Eingriff in das Eigentum sind nicht
geeignet, auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragen zu werden. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts und die zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts hat die Berufung keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf den Erwägungen, dass das Berufungsverfahren ohne Erfolg bleibt (§ 183, 193
SGG).
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.